Wettbewerbsstrategien

Sepa - Der Kommentar zur Lage: Märkte entstehen nicht sondern werden von den Handelnden gestaltet!

Das diesjährige Bankkarten-Forum hat sich einen durchaus provokativen - Titel gegeben: "Wo versagt der Markt?" Wenn aber in den heutigen Zeiten oft von "Marktversagen" die Rede ist, so liegt dem durchaus eine Tendenz zugrunde, Verantwortung an dieses große, graue, anonyme "Monster" des Marktes wegzuschieben. Und es hilft auch der schnelle Blick zur Seite nicht, ob einem dabei Adam Smith zur Hilfe eilen mag. Denn dessen so gerne zitierte "unsichtbare Hand des Marktes" ist bekanntermaßen eine gewollte oder ungewollte Fehlinterpretation.

In "The Wealth of Nations" schreibt Adam Smith 1776 insgesamt an genau einer Stelle, nämlich im Kapitel über internationalen Handel, dass "... Menschen bei der Verfolgung ihrer individuellen Interessen zum öffentlichen Wohl beitragen - als ob sie von einer unsichtbaren Hand geführt würden". Kein Wort also von einem Markt! Und wie bei Adam Smith geht es auch gar nicht um den anonymen "Markt", sondern um viel Konkreteres: nämlich um die handelnden Personen, was sie getan haben, was sie tun, und was in Zukunft getan werden könnte.

Auf das Thema Zahlungsverkehr und Karten bezogen, heißt dies doch letztlich, dass in Deutschland in der Vergangenheit

einiges gemacht wurde,

einiges aber nicht so gut gemacht wurde,

aber oft auch versucht wurde, Dinge anders zu machen als andere.

Europa und europäische Zusammenarbeit ist wichtig

Im letzten Jahr hatte ich an dieser Stelle die Frage gestellt, ob wir nicht besser über Bargeld reden sollten, statt über Kartenzahlungen, da ja in Deutschland scheinbar der Hang zum Baren eher zuzunehmen scheint als umgekehrt. Dem ist immer noch so. Doch wie geht die Kar tenbranche in Deutschland mit aktuellen Marktentwicklungen - hier ist er wieder: der "Markt" - um? Oder sollte man eher sagen: wie sie sich aktuellen Entwicklungen recht konsequent zu verweigern scheint oder sogar scheinbar mit viel Mühe entgegenstellt. Hierzu einige Beispiele:

1. In vielen Ländern in Europa war es durchaus möglich, konstruktive und auch pragmatische Lösung - abhängig von der jeweils individuellen nationalen Historie - für das Thema der Mandatsmigration bei Sepa Direct Debits zu erarbeiten. Nicht aber in Deutschland - was Deutschland schon recht klare Kritik der Europäischen Kommission eingebracht hat.

Diese Divergenz von politischem Willen - denn Sepa ist ja ein Ausdruck der "Lissabon Agenda" der europäischen Regierungen - und politischer Umsetzung zeigt sich auch in den von der Presse berichteten Aussagen aus dem Finanzministerium, nämlich dass zur Abwicklung von "rein nationalen" Zahlungen weiterhin statt Iban und BIC auch die bisherige Kombination aus Kontonummer und Bankleitzahl möglich bleiben solle. Es sei hier die Frage gestattet, was denn "rein nationale" Zahlungen sein sollen, wenn man politisch ein harmonisiertes Europa mit einem einheitlichen Raum für den Zahlungsverkehr wünscht.

2. Während das Europäische Parlament, der Ecofin-Rat, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission sich alle nunmehr gleichermaßen für eine pragmatische und kostenminimierende Regulation für ein zeitnahes Sepa-Enddatum einsetzen - da ohne absehbares Enddatum gerade Firmenkunden aber auch der öffentliche Sektor nur wenig Anlass verspürt, auf Sepa zu migrieren - so lassen einige Vertreter der Branche ver lauten, dass aus deren Sicht eine Über gangsfrist von bis zu fünf Jahren angebracht sei.

3. Schließlich besteht die Gefahr, dass Deutschland auch die Chancen eines har monisierten europäischen Kartenmarktes nicht oder nur in Teilen wahrzunehmen gewillt ist. Zwar besteht mit EAPS eine durchaus sinnvoll Übergangslösung für den Moment. Aber mit dem Ansatz des Interlinking werden weder Effizienzpotenziale ins Auge gefasst, geschweige denn die Chancen ergriffen, paneuropäische Innovationen von anderen Partnern in Europa aktiv aufzugreifen und mit anderen Partnern in Europa gemeinsam konstruktiv auszugestalten.

Warum ist "Europa" und "europäische Zusammenarbeit" aber so wichtig? Nicht zuletzt in diesem Jahr hat sich Europa und die europäische Idee - allen Unkenrufen und selbst ernannten Kassandra-Propheten zum Trotz - als tragfähig, nachhaltig und stabilisierend erwiesen. Teilweise wird in anderen Ländern weniger diskutiert, schneller elementaren Handlungsreflexen nachgegangen und dann publikumsträchtig Aktion zelebriert. Dennoch zeigt sich das vielgestaltige Zusammenspiel in Europa als ein nicht immer einfacher, doch im Endergebnis meist sehr vernünftiger Weg, Lösungen zu finden.

So verhält es sich aus meiner Sicht auch in den Bemühungen um einen harmonisierten europäischen Kartenmarkt. Um bei Adam Smith zu bleiben: Dieser "Markt" entsteht weder von selbst durch eine unsichtbare Hand noch entsteht ein solcher Markt langfristig und nachhaltig durch ein einfaches technisches Verbinden von vorhandenen nationalen Teilmärkten. Märkte entstehen nicht sondern werden von den Handelnden gestaltet!

Daher sind derzeit große und kleinere Banken aus verschiedenen Ländern in Europa dabei, Gestaltungsmöglichkeiten zu evaluieren und Handlungsoptionen auszugestalten. Gestaltungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen auszuloten, bedeutet auch durchaus, sich die Zeit zu nehmen, um recht unterschiedliche Ausgangsbedingungen offen zu diskutieren, sich besser kennenzulernen und immer danach Ausschau zu halten, wie man voneinander lernen kann.

In Europa bedeutet dieses Lernen voneinander beispielsweise:

portugiesische Innovationen zum Einsatz von Debitkarten am GAA,

finnische Innovationen bei E-Invoicing und Mobile Payments,

italienische Innovationen bei kontaktlosen Prepaid-Karten als Universitätsausweise und

holländische Innovationen bei biometrischen Bezahlverfahren.

Mut beweisen und Märkte aktiv gestalten

Letztlich geht es doch darum, dass alle etwas Mut beweisen und in Europa die Chancen nutzen, Märkte aktiv und kreativ zu gestalten. In Deutschland ist man immer in der Gefahr, alles ingenieurmäßig und planstabsmäßig definieren, planen und konzipieren zu wollen ... und wundert sich dann oft, dass andere in der Zwischenzeit gehandelt haben und sich ein Markt gebildet hat.

Wenn die Kartenbrache es sich dann ger ne recht einfach macht und: "Marktversagen" ruft, dann ist dies leider auch oft ein Zeichen für die nicht ergriffenen Chancen. Um es offen auszusprechen: Ja, mit Sepa bietet sich nun speziell im Kartenmarkt eine Chance für die Banken ... aber es ist eine europäische Chance.

Die Hoffnung ist es, dass die handelnden Personen in Deutschland dieses Mal diese Chance auch ergreifen, aktiv und mutig einen Markt mitzugestalten und sich in diesem neuen Markt dann wirtschaftlich erfolgreich bewähren.

Gregor Roth ist Bereichsleiter Operations/Services bei der DZBANK AG, Frankfurt am Main.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Bankkartenforum 2010.

Gregor Roth , Bereichsleiter Transaction Management, , DZ Bank AG, Frankfurt am Main
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