Perspektiven im Zahlungsverkehr

Auf dem Weg zur e-Sepa: innovative Zahlungsservices für Europa

Als vor 20 Jahren ein gewisser Sir Timothy John Berners-Lee die erste Webpräsenz einrichtete, hätte wohl kaum jemand ver mutet, dass damit der Startschuss für eine der rasantesten technologischen Entwicklungen der Menschheitsgeschichte gegeben wurde. Unser individuelles Verhalten hat eine radikale Änderung erfahren - sei es bei der Informationssuche, unserem Kommunikations- oder Kaufverhalten.

Dies spiegelt sich nicht nur in unserer Alltagssprache wider, sondern hat auch massive wirtschaftliche Auswirkungen: So hat das Wort "googeln" es mittlerweile geschafft, in den Duden aufgenommen zu werden; die damit verbundene Verhaltensänderung, nämlich Informationen online "nachzuschlagen", hat dazu geführt, dass die 21. Ausgabe des Brockhaus laut Unternehmensangaben die letzte gedruckte Edition sein wird und die berühmte Enzyklopädie künftig nur mehr online erscheint. Damit ging eine über 200-jährige Ära zu Ende, nicht zuletzt aufgrund der kostenlosen Online-Alternative Wikipedia.

Auch wenn das Internet für individuelle Unternehmen zum Teil tief greifende Ver änderungen zur Folge hat, so ist der E-Commerce längst zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor geworden: Gemäß Eurostat belief sich der E-Commerce Umsatz in den EU 27 im Jahr 2008 auf zwölf Prozent der gesamten Unternehmensumsätze.1) Beinahe zwei Drittel aller EU-Haushalte hatten im Jahr 2009 Internetzugang, nahezu 90 Prozent aller 16- bis 24-Jährigen nutzen das Internet zumindest einmal die Woche, die meisten von ihnen nahezu täglich.2) Diese Generation ist mit dem Internet aufgewachsen, und für sie wurde der Begriff "Digital natives" geprägt - ein Leben ohne Internet ist für sie unvorstellbar, mechanische Schreibmaschinen und Telefone mit Wählscheiben kennen sie nur vom Hören und Sagen. Wenn man die Telefonie erwähnt, kommt man nicht umhin, die zweite radikale Innovation der letzten Jahrzehnte zu erwähnen: Zeitgleich zum Internet schaffte die Mobilfunktechnologie den Durchbruch, mit einer noch atemberaubenderen Geschwindigkeit als das Internet. Weltweit waren Ende 2009 geschätzte 4,6 Milliarden Mobiltelefone im Einsatz, und in Ländern wie Deutschland, der Schweiz oder Österreich hat statistisch gesehen jeder Erwachsene bereits mehr als ein Mobiltelefon.3)

Rückzug der Banken öffnet Nische für Start-up-Unternehmen

Nachdem Banken sich Ende der neunziger Jahre zum Teil euphorisch auf die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien gestürzt haben, mussten viele die schmerzhafte Erfahrung machen, dass sie teilweise ihrer Zeit voraus waren und Technologie und Kundenakzeptanz zum Teil erheblich dem Serviceangebot hinter herhinkten - bei Mobile Banking mittels WAP-Technologie war der Kundenmehrwert zumeist auch auf den zweiten Blick nicht erkennbar. Die dot.com Krise trug das Ihre dazu bei, die Innovationsfreude der Banken zu dämpfen: Bis auf ihre On-linebanking-Lösungen stellten die meisten Banken ihre innovativen Serviceangebote zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder ein. Eine Nische, die insbesondere im Bereich des Zahlungsverkehrs von einigen findigen Start-up-Unternehmen besetzt wurde, allen voran Paypal.

Paypal war zwar nicht das erste Unter nehmen, welches das Bedürfnis der Kunden zum Bezahlen über das Internet ("Online E-Payments") erkannte, wohl war es aber eines jener Unternehmen, das die Kundenbedürfnisse am besten adressierte: Rund zehn Jahre nach Gründung hat Paypal, mittlerweile selbst eine Bank, 210 Millionen Kundenkonten (davon 81 Millionen aktive) und ist in 190 Märkten und 24 Währungen verfügbar. Die Erträge sind ein eindrucksvoller Beleg, welches wirtschaftliche Potenzial Online E-Payments bieten: Im Jahr 2009 erwirtschaftete das Unternehmen Erträge von 2,8 Milliarden US-Dollar und verarbeitete Transaktionen im Gesamtwert von 71 Milliarden US-Dollar.4)

Erhebliches Entwicklungspotenzial in Europa

Obwohl Paypal und andere Unternehmen bereits beachtliche Online-Payment-Umsätze aufweisen, gibt es für Europa noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Vier von zehn EU-Bürgern haben im Jahr 2009 online eingekauft und davon wiederum 20 Prozent in einem anderem EU-Land. Wesentliche Gründe für die Mehrheit der Europäer, nicht über das Internet einzukaufen, waren Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Zahlungsmöglichkeit (über ein Drittel) sowie die Tatsache, keine Zahlungskarte zu besitzen (über zehn Prozent).5) Eine Studie von EuPD Research unter mehr als tausend Internetnutzern kam zum Ergebnis, dass vier von zehn Befragten noch häufiger online einkaufen würden, wäre der Bezahlvorgang komfortabler. Beinahe 30 Prozent haben die Bestellung kurz vor Kaufabschluss abgebrochen. Hauptgründe dafür sind unsicher erscheinende Zahlmöglichkeiten beziehungsweise das Fehlen des gewünschten Zahlverfahrens. Die Europäische Kommission kam Ende 2009 zum Schluss, dass zwei von drei grenzüberschreitenden Internetkäufen daran scheitern, dass die Shops weder Ver sand- noch Bezahlmöglichkeiten über die Landesgrenzen hinaus anbieten.6)

Rahmenwerk für grenzüberschreitende E-Payments

Gründe genug also, Online-Payments in den Fokus der e-Sepa-Bemühungen zu rücken. E-Sepa steht für die Zukunft der Single Euro Payments Area durch die Nutzung von Internet- und Mobilfunktechnologie für innovative, kundenfreundliche Zahlungsservices. Für das Eurosystem endet Sepa nicht mit den drei Kerninstrumenten Sepa Credit Transfer, Sepa Direct Debit und Sepa Kartenzahlungen. Diese stellen vielmehr die Basis für e-Sepa dar.

Es gibt in einigen Ländern bereits sehr Erfolg versprechende Lösungen, bei denen Banken ihre Onlinebanking-Infrastruktur zur Durchführung sicherer und garantierter Online-Zahlungen anbieten. Die bekanntesten und erfolgreichsten sind Ideal (Niederlande), Giropay (Deutschland) und Eps (Österreich). Auch wenn die Transaktionszahlen kontinuierlich steigen, so haben diese Lösungen derzeit einen rein nationalen Fokus - aber das Internet kennt bekanntlich keine Grenzen.

Aus diesem Grund arbeitet das European Payments Council im Rahmen der E-Channel-Task-Force intensiv an einem Rahmenwerk, das als Basis für den Austausch von grenzüberschreitenden E-Payments dienen soll. Das Eurosystem begrüßt diese Bemühungen und motiviert die Banken, das Rahmenwerk so rasch wie möglich zu finalisieren und den Worten auch Taten folgen zu lassen. Aus Sicht des Eurosystems ist es entscheidend, dass zumindest innerhalb der Eurozone Onlineshoppern in naher Zukunft nutzer freundliche und grenzüberschreitende Lösungen für E-Payments zur Verfügung gestellt werden.

Wie wichtig adäquate Online-Zahlungsservices sind, zeigt ein Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Zahlen: Gemäß Euromonitor ist E-Commerce über die letzten fünf Jahre weltweit jährlich um 14 Prozent gewachsen, trotz der wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Europa hat hier aber noch erhebliches Aufholpotenzial im Vergleich zu den USA, ist das E-Com-merce-Volumen bei uns doch um 40 Prozent niedriger.

Branchenfremde Unternehmen in den Startlöchern

Die Forcierung des E-Commerce - unter anderem durch Beseitigung bestehender Hürden bei der Bezahlung - kann somit ein neuer Anstoß für jenes Wirtschaftswachstum sein, welches die Europäische Kommission als Maßnahmenschwerpunkt in ihrer Europa-2020-Strategie fordert. Das Internet ist im Rahmen dieser Strategie einer der Schlüssel, um Menschen und Unternehmen Zugang zu Ressourcen, Diensten und Produkten zu verschaffen, die die Lebensqualität erhöhen können.7)

Sollten traditionelle Zahlungsdienstleistungsunternehmen es nicht schaffen, adäquate Lösungen für das Bezahlen im Internet bereitzustellen, so werden das mit Sicherheit branchenfremde Unternehmen oder Neueinsteiger tun. Dies kann durchaus mittels Nutzung der Onlinebanking-Infrastruktur der Banken sein, wie dies teilweise bereits geschieht. Derartige Ser vices fragen die Daten vom Kunden ab (inklusive TAN) und führen statt des Kunden die Transaktion durch. Eine Entwicklung, auf die beispielsweise die niederländischen Notenbank bereits mit großen Bedenken aufmerksam gemacht hat.

Europäische Lösungen fürs Mobile Payment Neben E-Payments stehen M-Payments (Zahlungen, die mit Hilfe des Mobiltelefons initiiert werden) derzeit wieder verstärkt im Fokus des öffentlichen Interesses. Das European Payments Council arbeitet aktuell im Rahmen der EPC M-Channel Working Group auch in diesem Bereich an europäischen Lösungen.

Mobiltelefone sind sowohl für Distanz- als auch für Vor-Ort-Zahlungen ein interessantes Instrument zur Initiierung von SepaÜberweisungen, Kartenzahlungen und künftig eventuell auch Sepa Lastschriften, auch vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Mobiltelefone jene der Internetanschlüsse auch in Europa bei weitem über steigt. Handys bieten neben Distanzzahlungen zahlreiche weitere Möglichkeiten für Banken. Im Falle von Präsenzzahlungen bietet das Handy basierend auf Kontaktlostechnologie eine vielversprechende Alternative zur Bargeldzahlung. Erste erfolgreiche Pilotprojekte gibt es bereits, wie zum Beispiel das Projekt "Payez Mobile" in Frankreich.

Ziel ist aus Sicht des Eurosystems auch im M-Payment die Etablierung europäischer Lösungen und die Vermeidung einer Fragmentierung entlang nationaler Grenzen. Die Notwendigkeiten von entsprechenden innovativen Zahlungslösungen wird mittlerweile auch von höchster politischer Ebene anerkannt. So haben die Finanz- und Wirtschaftsminister der EU im "Rat für Wirtschaft und Finanzen" im Zuge ihrer Sepa-Schlussfolgerungen vom 2. Dezember 2009 die Finanzindustrie dazu aufgefordert, attraktive Lösungen für E- und M-Payments zu entwickeln und diese auch aktiv anzubieten.

E-Sepa ist mehr als reine Zahlungsdienstleistungen

E-Sepa geht jedoch über reine Zahlungsdienstleistungen hinaus und umfasst auch innovative Dienstleistungen vor und nach der eigentlichen Zahlung, wie zum Beispiel E-Invoicing und E-Billing. Diese können zu einer wesentlichen Effizienzsteigerung der europäischen Wirtschaft beitragen und nicht zuletzt helfen, das EU-2020 Ziel einer "wettbewerbsfähigeren Wirtschaft durch Umweltfreundlichkeit" zu verwirklichen.

Die Rechnungslegung bietet hier besonderes Potenzial, ist sie doch ein Paradebeispiel für Ineffizienzen.

In der Regel verfügt der Rechnungssteller bereits über Daten in elektronischer Form, diese werden jedoch ausgedruckt, kuvertiert, frankiert und an den Empfänger übermittelt.

Ist der Rechnungsempfänger ein Unternehmen, so werden die Daten in der Regel wieder elektronisch erfasst.

Konsumenten, welche Onlinebanking nutzen, sind diesbezüglich genauso gefordert und müssen die Daten mühsam von Hand eintippen.

Bis zu 18 Milliarden Euro Einsparungen durch elektronische Rechnungstellung

Erhöhte Personalkosten, Druckkosten, Portokosten und Opportunitätskosten gehen hierbei Hand in Hand mit erhöhter Umweltverschmutzung und steigender Fehlerrate. Während Großunternehmen in der Rechnungslegung untereinander vielfach bereits elektronische Lösungen eingeführt haben, sind Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) ebenso wie Konsumenten vielfach noch gezwungen, mit Papierrechnungen vorlieb zu nehmen.

Eine von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Expertengruppe hat sich speziell der elektronischen Rechnungslegung der KMUs angenommen und die anstehenden Herausforderungen Ende 2009 in einem Report veröffentlicht. Capgemini hat das mögliche Einsparungspotenzial durch E-Invoicing für das Jahr 2006 mit 84 Milliarden Euro oder 0,8 Prozent des BIP8) beziffert. Bis zu 18 Milliarden Euro sind gemäß Europäischer Kommission an jährlichen Einsparungen möglich. Daher hilft jede Rechnung, die nicht auf Papier gedruckt und versendet wird, der europäischen Wirtschaft, ein Stückchen wettbewerbsfähiger zu werden. Dafür gilt es jedoch die von der zitierten Expertengruppe identifizierten Herausforderungen zu lösen, um die bestmöglichen Voraussetzungen für E-Invoicing zu schaffen.

Wie ernst es den europäischen Gesetzgebern ist, hat der Rat für Wirtschaft und Finanzen am 16. März 2010 bewiesen: es wurde Übereinstimmung für eine Richtlinie erzielt, welche die umsatzsteuerlichen Anforderung bei der Rechnungslegung modernisiert, elektronische und papierbasierte Rechnungen gleich behandelt und somit Hürden für E-Invoicing beseitigt.9)

Sollte es jedoch noch eines Beweises für die Sinnhaftigkeit von E-Invoicing bedür fen, wer wäre ein besserer Zeuge als die papierverarbeitende Industrie? United Paper Mills hat seine 20 000 Lieferanten angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass per Anfang 2010 sämtliche Papierrechnungen an den Absender zurückgesendet werden, da das Unternehmen zur Gänze auf E-Invoicing umstellt. Natürlich bietet elektronische Rechnungslegung auch für Konsumenten Vorteile, zum Beispiel Zeitersparnis und eine bessere Steuerung der Zahlungen. In Belgien bietet beispielsweise Zoomit Konsumenten eine E-Billing-Lösung an, im Zuge deren die Rechnungen im Onlinebanking präsentiert werden und seitens der Konsumenten zur Bezahlung nur mehr autorisiert werden müssen.

Gemeinsamer europäischer Weg bei innovativen Zahlungsservices

Die Zukunft des einheitlichen Euro Zahlungsverkehrsraumes endet also keinesfalls mit der abgeschlossenen Migration zu SCT, SDD und Sepa Kartenzahlungen. Vielmehr besteht die Herausforderung darin, mittels innovativer Services die Kundenbedürfnisse bestmöglich zu adressieren und auf diesem Wege die europäische Wirtschaft ein wenig effizienter, umweltfreundlicher und fortschrittlicher zu machen. Etablierte Zahlungsdienstleister stehen vor der Herausforderung sich an die rasch ändernden Umweltbedingungen anzupassen und den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden.

Eingangs habe ich den Pionier des World Wide Web, Sir Berners-Lee, ein Mitglied von CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) erwähnt. Wesentliche Errungenschaften, ohne die das Internet, wie wir es heute kennen, gar nicht möglich wäre, wurden von ihm Ende der achtziger Jahre ersonnen, um ein unmittelbares Problem von CERN zu lösen: Die Laboratorien befanden sich zum Teil in der Schweiz und zum Teil in Frank reich. Die unterschiedliche Netzwerkinfrastruktur in den beiden Ländern erschwerte den Informationsaustausch jedoch erheblich. Sir Berners-Lee gelang es, dieses Kommunikationsproblem durch Entwicklung des ersten Browsers und des ersten Webservers zu lösen, und er legte damit den Grundstein für einen ganzen Wirtschaftszweig.

Im Zuge von Sepa arbeiten wir daran, die nationale Fragmentierung im Zahlungs verkehr zu beseitigen und damit den Grundstein für künftige Zahlungsverkehrsinnovationen zu legen. Der gemeinsame europäische Weg ist auch im Bereich innovativer Zahlungsservices mit Sicherheit erfolgversprechender als rein nationale Lösungen es sind. e-Sepa ist die Antwort auf die künftigen Herausforderungen im Zahlungsverkehr.

Anmerkungen

1 Eurostat: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/4-19012010-BP/EN/4-19012010-BP-EN. PDF

2 Eurostat: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFF-PUB/KS-QA-09-046/EN/KS-QA-09-046-EN. PDF

3 International Telecommunication Union: http://www.itu.int/ITU-D/ict/publications/idi/2010/Material/MIS_2010_wi-thout%20annex%204-e.pdf.

4 PayPal: https://www.paypal-media.com/documentdisplay.cfm?DocumentID=2260.

5 Eurostat: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFF-PUB/KS-QA-09-046/EN/KS-QA-09-046-EN. PDF.

6 European Commission: http://ec.europa.eu/consumers/strategy/docs/EC_e-commerce_Final_Report_201009_en. pdf.

7 Europäische Kommission: http://ec.europa.eu/eu2020/index_de.htm.

8 Europäische Kommission: http://ec.europa.eu/internal_mar-ket/payments/docs/sepa/sepa-capgemini_study-final_report_en.pdf.

9 ECOFIN: https://ue.eu.int/showFocus.aspx?id=1&focusId=453&lang=de.

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