Mobile Payment

Zahlen per Handy: Ein rascher Durchbruch ist nicht in Sicht

Nahezu tagtäglich wird heute in den Medien und auf (Fach-)Tagungen immer wieder vom kurz bevorstehenden Durchbruch von Mobile Payments berichtet. In verschiedensten Facetten wird dargelegt, dass das Handy die Karte als Zahlungsmittel schon bald ersetzen und (in der extremsten Form) sogar vollständig ablösen wird.

Doch wenn man die bisherige Entwicklung mit Plausibilität reflektiert, die aktuelle Situation sauber analysiert und das Gesamtbild mit nüchterner Logik durchdringt, vermögen hierzu Fragen und Zweifel aufzukommen und es lassen sich zunächst folgende Erkenntnisse feststellen:

Bereits seit Mitte der neunziger Jahre gab es immer wieder Bestrebungen, das Mobiltelefon für Bezahlvorgänge einzusetzen, und ein erster Hype vor etwa zehn Jahren (zeitgleich mit Ideen um Fingerprint und Iris-Erkennung als Identifikationsmöglichkeit) verflachte völlig erfolglos.

Die seinerzeitigen sehr optimistischen Wachstumsprognosen verschiedenster Studien, Experten und Fachforen haben sich bisher auch nicht nur annähernd materialisieren lassen.

Gegenwärtig erleben wir eine zweite Welle mit erhöhter Aufmerksamkeit um das Thema Mobile Payment; mit einer Vielzahl von Pilotprojekten, verschiedensten Ankündigungen, zahlreichen und umfassenden Studien, unzähligen Kongressen, endlosen Darstellungen auf dem Papier und auch bereits funktionierenden Systemen in Japan, Südkorea, Afrika (hier steht der Geldtransfer im Vordergrund) aber keinen wirklichen Durchbruch in Europa oder auf einem anderen Kontinent! Relevante Fragen weiter unbeantwortet

Die grundsätzliche technische Machbarkeit ist wohl gegeben - ja. Aber die marktseitigen, wirklich relevanten Fragen sind weiterhin unbeantwortet:

1. Ist es ein Kundenbedürfnis in der Masse?

2. Kann man als Issuer damit (mehr) Geld verdienen als mit der aktuellen kartenbasierten Lösung?

3. Wer ist bereit, die Investitionen zu tätigen?

4. Setzt sich ein M-Payment-System weltweit (oder mindestens national) durch und kann es dann die Kreditkarte wirklich ersetzen?

Mobile statt Plastik?

Auffällig bei allen Präsentationen zu M-Payments ist übrigens, dass eingangs (nahezu) immer mit der enormen Verbreitung der mobilen Geräte argumentiert wird; die bisher schon sehr gute Penetration von Kreditkarten und die dafür vorhandene Terminalinfrastruktur wird dabei jedoch völlig negiert. Experten glaubten (oder glauben sogar immer noch), dass das Mobiltelefon die Zahlkarte ablösen wird.

Aber was soll überhaupt ersetzt werden? Die klassische Kreditkarte? Das greift zu kurz, denn es geht natürlich um viel mehr als das einfache Stück Plastik von 8,6 mal 5,4 cm im Portemonnaie des Konsumenten. Mit der Kreditkarte steht heute ein dahinter liegendes sehr ausgereiftes, weltweit akzeptiertes und etabliertes System zur Verfügung, wodurch der Kunde am PoS bargeldlos bezahlen und am ATM Geld beziehen kann.

In diesem zweiseitigen Markt (Issuing/Acquiring) werden - basierend auf dem Vier-Parteien-Modell - mit einer Vielzahl von Kartenherausgebern, Karteninhabern, Ac-quiring-Unternehmen und Vertragspartnern heute Milliarden von Zahltransaktionen abgewickelt - im Präsenz- und Distanzgeschäft; regional, national, international. Der Kunde bezahlt überall, also an rund 30 Millionen Akzeptanzstellen mit seiner Kreditkarte einfach, bequem und sicher. Das klingt zunächst einfach, aber das ist der echte Mehrwert für den Kunden! Das System funktioniert sehr gut, ist dank einer hervorragenden Infrastruktur hochverfügbar, sehr stabil und auch grundsätzlich sicher. Das Kreditkartensystem hat sich weltweit durchgesetzt und funktioniert brilliant - Kunde und Händler verstehen die Funktionsweise und den Zahlungsablauf, alle Parteien erkennen die immensen Vor teile des Systems an!

Convenience spricht für die Karte

Convenience, also das einfache und bequeme Bezahlen im Internet, bei der Automiete, im Hotel, Restaurant oder im Retail-Store spricht für das Stück Plastik und das durchdachte System. Geht es mit einem Handy wirklich einfach(er) und bequem(er), wenn Sie beispielsweise im Hotel einchecken wollen? Auch das Bezahlen im Internet - ganz einfach mit der Eingabe von Kartentyp, Name, Kartennummer, Ablaufdatum, CVC und 3-D-Secure-Code - ist sicher und hat sich absolut etabliert. Und glaubt jemand ernsthaft, dass man mit dem Handy am Geldautomaten bald überall auf der Welt wird Geld beziehen können?

Allein der Zugang zu SB-Zonen wird mehrheitlich durch die Karte sichergestellt. Kartenzahlungen an "unattended" oder "cardholder activated terminals" wie beispielsweise an Bahn-Ticket-Schaltern oder auch an den Mautstellen auf europäischen Autobahnen sind heute eine Alltagssituation für den Kunden. All das zeigt beispielhaft: Die Kreditkarte hat sich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte als Zahlungsmittel durchgesetzt!

Das heutige Vier-Parteien-System müsste auch eine Erweiterung erfahren um zwei neue Marktteilnehmer: MNO, s (Mobile Network Operator) und TSM (Trusted Service- Manager). Zwei neue Partner in der Wertschöpfungskette dürften das Business-Modell komplexer und einen attraktiven Business Case schwieriger machen - und das vor dem Hintergrund eines verschärften Wettbewerbs im Issuing und Acquiring, regulatorischen Eingriffen und daraus resultierenden erodierenden Interchange Erlösen sowie einer gleichzeitig weiterhin anhaltenden Notwendigkeit von Investitionen zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Stabilität und der Sicherheit des Zahlsystems als Ganzes.

Ein neues Rollenmodell?

Wie sieht ein standardisiertes Rollen- und funktionierendes Geschäftsmodell mit den verschiedenen Parteien in der Praxis aus? Wie sind die Schnittstellen definiert und wie ist das Schnittstellenmanagement geregelt? Sind die Prozesse klar? Wer über nimmt hier welche Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette und wer verdient dabei was? Und wer soll die enormen Investitionen in die Infrastruktur (Terminals et cetera) bezahlen?

Die wirklich ganz wesentlichen Anforderungen an ein Zahlsystem, nämlich

Bedienerfreundlichkeit (einfach/bequem, rasche Transaktionsabwicklung, Kontrolle/Abrechnung),

Sicherheit (real und gefühlt),

Akzeptanz (Verbreitung) sowie

Kosten/Wirtschaftlichkeit (Kosten für Kunde, Händler; Case für Issuer)

werden heute bereits auf nahezu ideale Weise erfüllt. Das Kreditkartensystem funktioniert perfekt; die hohe Kartenanzahl und die steigenden Umsatzzahlen spiegeln den Nutzen für alle Marktteilnehmer und die enorme Kraft und Dynamik des globalen Zahlsystems wider. Die wirkliche Opportunität ist dabei klar: In der Verlagerung von Barzahlungen auf Kartenzahlungen liegt noch ein fantastisches Potenzial für die Kartenherausgeber.

Dimensionen noch sehr unscharf

Für ein neues Mobile-Payment-System sind jedoch die Dimensionen der Konsequenzen für die Marktteilnehmer noch völlig offen und sehr unscharf:

Karteninhaber hätten neben dem Bargeld und der Karte ein weiteres Medium zum Bezahlen, aber sicherlich noch lange kein vollwertiges Ersatzprodukt zur Karte.

Vertragspartner würden eine zusätzliche Möglichkeit zur Geldannahme einführen und müssten hierfür entsprechende Investitionen in die Infrastruktur tätigen. Gleichzeitig haben Händler in der Regel die Erwartung, dass neue Zahlsysteme günstiger sein müssen als bisherige Lösungen.

Kartenherausgeber könnten ihr Angebot an Zahlsystemen erweitern - dann aber mit allen Konsequenzen für Investitionen und Prozessanpassungen.

Die Einführung eines M-Payment-Systems garantiert aber weder für Kartenherausgeber noch für den Vertragspartner zwingend einen substanziellen Mehrumsatz; vielmehr wären lediglich Umsatzverlagerungen auf die neue Zahlmethode wahrscheinlich.

Die Karte ist im Produktlebenszyklus noch lange nicht am Ende

Zusammenfassend ist die Karte im klassischen Produktlebenszyklus (noch lange) nicht am Ende angelangt. Vielmehr unter liegt die Zahlung mit der Kreditkarte einem evolutionären Prozess der ständigen, kontinuierlichen Weiterentwicklung. Stichworte hierzu:

von den Anfängen mit der Zahlung an Imprintern (Ritsch-Ratsch-Geräte) zur heute fast hundertprozentigen elektronischen Abwicklung mit hoher Geschwindigkeit;

vom Magnetstreifen zum Chip und der EMV-Technologie mit einer hochmodernen Terminalinfrastruktur;

von der Präsenzzahlung über Mobile-/ Phone-Order zu (grenzüberschreitenden) Internetzahlungen;

von der Unterschrift zum PIN;

vom Hologramm zu CVV bis zum 3-D -Secure-Code.

Auch die Entwicklung von sehr ausgereiften Risk-Management und Fraud-Prevention-Systemen ist beeindruckend.

Einheitliche Standards und Regularien bis heute nicht erkennbar

Weitere Optimierungen, wie beispielsweise die vollständige Umstellung auf PIN am PoS, und Innovationen wie "card-based contactless payments" (basierend auf der NFC-Technologie) oder SMS-Services werden die Attraktivität der Karte auch langfristig sicherstellen und deren Nutzung weiter fördern.

Ob - und wenn ja wann - Mobile-Payment-Systeme aus den Forschung- und Entwicklung-Einheiten einzelner Institutionen wirklich herauskommen und sich zu einem globalen Zahlungssystem entwickeln oder das System gar revolutionieren, bleibt mehr als fraglich. Oftmals wird einfach auch der effektive Impact von technologiegetriebenen Innovationen überschätzt. Oder technologisch einwandfrei funktionierende Systeme setzen sich am Markt nicht durch. Man denke nur an die Euphorie und Prognosen um die (technisch perfekten) E-Purse-Projekte in ganz Europa zum Münzersatz und ver gleiche diese mit der heutigen Realität! Ernüchterung hat sich hier breit gemacht.

Eine ganz wesentliche Basis für das grenzüberschreitende Funktionieren und einen Erfolg im (hoch-)standardisierten Massengeschäft "Payments" sind weltweit einheitliche Standards und entsprechende "Rules & Regulations". Und diese sind für ein M-Payment bis heute nicht in klarer Ausprägung erkennbar.

Ein wirklich attraktiver ökonomischer Treiber oder nachhaltiger Mehrwert für einen der wesentlichen Marktteilnehmer (insbesondere Kartenherausgeber oder Vertragspartner) ist auch nicht auszumachen. Ebenfalls ist unklar und unbeantwortet: Wäre eine M-Payment-Lösung für den Kunden gegenüber der heute sehr ausgereiften Kartenzahlung wirklich einfacher, bequemer, besser und schneller?

Wer somit heute von einem raschen Durchbruch von Mobile Payments spricht, zeigt eine starke Vorstellungskraft einer möglichen Zukunft, er hat eine Vision - oder aber er bezeugt einen erstaunlichen Mangel und ein unzureichendes Verständnis der ökonomischen Realität des komplexen Marktes.

Kurz- bis mittelfristiger Durchbruch nicht zu erwarten

Die Diskussion um Mobile Payments wird natürlich weiter gehen, aber ein kurz- bis mittelfristiger Durchbruch in der breiten Masse in Ländern mit einer stabilen und modernen Finanzinfrastruktur ist nicht zu erwarten respektive kaum realistisch.

Hingegen wird die Kartenzahlung einer weiteren evolutionären Entwicklung, wie oben skizziert, unterliegen. Darüber hinaus wird sich auch das "Mobile Purchasing" (also das Einkaufen mit dem i-Phone via Apps, zum Beispiel Tickets der Bahn) durchsetzen. Und bezahlt wird dann weiterhin einfach, bequem und sicher - mit der hinterlegten Kreditkarte!

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