Mobile Payment

Ein disruptives neues Bezahlsystem ist nicht in Sicht

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Zahlungsverkehr ist mehr als nur eine App. Darauf legt Constantin Bregulla Wert. Deshalb geht er nach wie vor nicht davon aus, dass das neue Bezahlverfahren die Karte so rasch ablösen wird, wie es häufig prognostiziert wird. Denn vieles, was derzeit als Neuheit vermarktet wird, ist letztlich nur ein neues Frontend, bei dem im Hintergrund die etablierten Kartensysteme stehen. Auch der Einstieg der Internetgiganten in den Zahlungsverkehr ist deshalb nicht zwangsläufig die große Bedrohung für die bisherigen Bezahlverfahren. Denn der Aufbau komplett neuer Infrastrukturen ist dafür zu aufwendig. Die disruptive Kraft, mit der neue Technologien die bisherigen Strukturen zwangsläufig ablösen werden, ist deshalb nicht gegeben. Red.

Bereits seit Jahren werden verschiedenste mögliche Bedrohungsszenarien für etablierte Banken im "Consumer-Payment"-Bereich immer wieder kontrovers diskutiert, gleichzeitig wird auch jedes Jahr wiederkehrend der baldige Durchbruch eines Mobile-Payment-Systems proklamiert und neueste revolutionäre Wallet-Lösungen in Aussicht gestellt, die rasch zum vollständigen Kartenersatz werden sollen.

Was steckt hinter all diesen Szenarien, wie sehen die wirklichen Fakten und Trends aus, wo stehen die vielen Projekte heute, welche Anforderungen muss ein Payment-System erfüllen und wie bezahlen wir in der Zukunft?

Relevante Trends von punktuellen Erscheinungen trennen

Die Story Line (auf Fachtagungen in Artikeln und verschiedensten White Papers) der möglichen Bedrohung läuft immer wieder entlang folgender Argumentationskette und nach dem gleichen Muster ab:

1. Neue Marktteilnehmer dringen in den Bereich "Payments" ein und bedrohen die Banken in diesem Geschäftsfeld.

2. Globale Player wie Microsoft, Google, Apple, Facebook, Amazon, Paypal, Ebay und/oder auch große Mobile Network Operators werden sich kurzfristig als die tonangebenden Akteure schlechthin in diesem Geschäft positionieren und durchsetzen.

3. Die dramatischen Folgen für die traditionellen Banken sind das Aufbrechen der Wertschöpfungskette, der Verlust der Kundenschnittstelle (allein schon das Wort ist interessant. Die Kundenschnittstelle - und zentrales Ankerprodukt ist immer noch das Konto, das der Kunde bei seiner Bank hat; basierend auf einer vertraglichen Grundlage) sowie der Verlust der Kontrolle über die Kundenbeziehung und der Verlust der Assets.

4. Neue Startups mischen dabei die Szene der trägen, nostalgisch wirkenden, traditionellen Banken völlig auf und bringen - basierend auf disruptiven Technologien - neue, innovative, mobile Zahlsysteme auf den Markt, die den Prozess des Bezahlens in kürzester Zeit radikal revolutionieren werden.

5. Die logische Folge: Im Zuge der digitalen Transformation etablieren sich die neuen Zahlmethoden explosionsartig und ersetzen praktisch über Nacht die heutigen Plas tikkarte(n); Smartphones und neue Wallet-Lösungen machen das Portemonnaie überflüssig. Das Ganze führt also unweigerlich zu einer absoluten Desintermediation der bisherigen Wertschöpfungskette durch die neuen Marktteilnehmer, neue Business-/Geschäftsmodelle entstehen; die Banken werden aus einem ihrer zentralen Kerngeschäfte verdrängt. Da müssen bei jedem Banker unweigerlich die Alarmglocken läuten.

Ein sachlicher Blick auf die wesentlichen Fakten und Entwicklungen im generellen Bereich "Payments" hilft, um zu einer objektiven Beurteilung zu kommen. Dabei sollte auch klar(er) werden, was wirklich ein (relevanter) Trend oder eben doch nur eine punktuelle Erscheinung oder gar lediglich ein banaler Marketinggag ist.

Regulierung gefährdet Erlösquellen

Die folgenden Entwicklungen lassen sich im Bereich der "Consumer Payments" (am PoS respektive online) grundsätzlich in entwickelten Ländern und damit im europäischen Raum erkennen und belegen. Regulatorische Auflagen - insbesondere in Zusammenhang mit den verschiedensten europäischen und nationalen Verfahren zur Interchange-Regelung sowie die PSD2 - sollen zu erhöhter Transparenz, Effizienz, Sicherheit, Innovation und zu mehr Wettbewerb führen, Markteintrittsbarrieren reduzieren als auch den Nutzen für den Endkonsumenten erhöhen. Diese Maßnahmen führen jedoch - und das belegen die Ergebnisse vergleichbarer Vorgaben/Regulierungen in Ländern wie Australien und Spanien - zu folgenden Effekten:

- reduzierte Erlöse für Kartenherausgeber,

- höhere Gebühren und/oder reduzierte Leistungsangebote für die Karteninhaber,

- Verlangsamung von Innovationen im Payment-Bereich,

- Rückgang der Bargeldsubstitution.

Wenn künftig auch Nichtbanken/Drittanbietern der Zugang zu Kontoinformationen der Bank ermöglicht werden sollte, werden die bekannten (und neuen) OBeP-Anbieter und Direktüberweisungsverfahren den Wettbewerb weiter verschärfen und bisherige Erlösquellen der Banken gefährden.

Harter Wettbewerb

Marktsättigungstendenzen führen schon heute zu einem extrem harten Wettbewerb unter den Kartenherausgebern. Diese versuchen mit attraktiven Angeboten (Preis/ Leistung), ihre bestehenden Kunden zu behalten und neue Kunden (zulasten der Konkurrenz) zu gewinnen. Der intensive Verdrängungswettbewerb um den Bankkunden spiegelt sich somit auch im Kartengeschäft wider. Auch im Acquiring sieht man einen - sogar grenzüberschreitenden - harten Wettbewerb. Diese verschärfte Wettbewerbssituation und der damit einhergehende Kampf um den Kunden wird sich auch in Zukunft weiter akzentuieren. Und am PoS und Geldautomaten sieht man den Wettbewerb um den Umsatz und Erlöse - Stichwort automatische Währungsumrechnung (DCC).

Verlagerung von Bargeld zu Karten- und Online-Zahlungen

In den europäischen Ländern sieht man eine kontinuierliche/stetige Verlagerung von Bargeld- zu Kartenzahlungen. Insgesamt gesehen aber ist immer noch Bargeld das meist genutzte Zahlungsmittel: Bei rund 70 Prozent aller PoS-Transaktionen in Europa wird noch Bargeld eingesetzt.

Starke Zuwachsraten erleben die Online Payments, also Zahlungen im Internet; und neben dem bisher stationären PC gewinnen mobile Endgeräte eine immer stärkere Bedeutung. Die Kunden kaufen mit ihrem mobilen Gerät online ein und bezahlen mit ihrer Kreditkarte oder alternativen Zahlmethoden (bei denen wiederum oftmals eine Karte hinterlegt ist). Die Vermischung und Konvergenz von Online- und Offline-Welt nimmt in jedem Fall deutlich zu.

Neue Online-Payments: im Grunde nur ein neues Front-End

Einhergehend mit einer stärkeren Bedeutung des E- und M-Commerce wurden verschiedene neue Zahlsysteme für das Online-Shopping entwickelt. Heute gibt es allein in Europa weit über 100 mögliche Zahlverfahren. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass hinter diesen vielen neuen innovativen Verfahren letztendlich ein bekanntes Zahlsystem (Bankkonto oder Kreditkarte) des Finanzsektors steht und hier eigentlich nur ein neues "Front-End" geschaffen wurde.

Um den Bezahlprozess im Online-Einkauf für den Kunden wirklich einfach und schnell (Anforderung: wenige Klicks!) zu machen, entwickeln sich in diesem Zusammenhang auch Ansätze für neue E-Wallet-Lösungen: Die neuen Lösungen Masterpass und V.me sind dabei heute jedoch noch in einer frühen Entwicklungsund Einführungsphase. Sie werden an Bedeutung gewinnen, sofern auch berechtigte Sicherheitsanforderungen - zum Beispiel Integration von 3-D-Secure? - sauber gelöst und Convenience für den Kunden sichergestellt werden kann.

Ständige Optimierung kartenbasierter Zahlsysteme

Die traditionellen kartenbasierten Zahlsysteme haben noch nie im Status quo verharrt, sondern wurden seit über 50 Jahren - und das wird oftmals negiert oder vergessen - ständig und kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert; sie unterliegen einem Prozess der stetigen Optimierung: vom seinerzeitigen Imprinter zu den heutigen elektronischen Transaktionen, von Präsenzzahlungen zu (globalen) Distanzzahlungen oder vom Magnetstreifen zum EMV Chip. Solche Entwicklungen dauern: Die Chipkarte wurde 1968 als Patent eingetragen; nach rund 40 Jahren erlebte sie dann ihren Durchbruch auf Zahlkarten in Europa; in den USA ist man noch nicht ganz so weit; und sogar der Magnetsteifen ist immer noch auf jeder Zahlkarte ...

Auch die Entwicklung zu kontaktlosen Zahlungen ist ein langfristiger Prozess: Bereits 2002 hat Mastercard die NFC-Technologie eingeführt, erst jetzt erleben wir langsam die Ausbreitung. Aber gemessen an der Anzahl aller kartenbasierten Transaktionen ist der Anteil der kontaktlosen Zahlungen immer noch im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Die Zielsetzung der Weiterentwicklungen war dabei immer die kontinuierliche Verbesserung der Value Proposition der Karte, die Schaffung von Mehrwert für den Konsumenten und für den Vertragspartner: mehr Convenience, mehr Sicherheit, mehr Transparenz. Auch in Zukunft wird die Kartenindustrie diese Entwicklung entsprechend vorantreiben und sicherlich nicht stehen bleiben.

Natürlich gab es auch viele Fehleinschätzungen und Hypes, die sich (bisher) nicht durchsetzen konnten: SET und UCAF/SPA, Authentifizierung über Fingerprint oder Iris-Erkennung, Electronic-Purse-Projekte, viele Mobile-Payments-Initiativen (zum Beispiel Paybox, oder Sixpack), Karten in anderen Formaten, virtuelle Karten mit Einmalnummer, Instant lssuing oder Digital-Money-Projekte.

Der Durchbruch bei Mobile Payment steht überall in Europa noch aus

Und wie steht es um die vielen verschiedenen Piloten um das Thema "Mobile Payment am PoS" in Europa? Zusammenfassend kann man hierzu festhalten:

Nirgends in Europa hat sich bisher ein Mobile-Payment-System in der Masse mit signifikanten Volumenzahlen bezüglich Nutzern, Transaktionen, Umsatz und Akzeptanzstellen durchgesetzt. Der Markt ist in Bewegung - gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Pilotprojekten, Initiativen, innovativen Ansätzen oder pre-commercial launches. Dennoch: Der Durchbruch eines Systems ist bisher schlichtweg immer noch nicht erfolgt. Nirgendwo konnte ein stabiles, wirklich massentaugliches Ecosystem etabliert werden, das den Anforderungen und Bedürfnissen aller Stakeholder gerecht wird. Die Basis für ein nachhaltig ausgestaltetes Business Modell fehlt einfach noch.

Die "winning combination" oder "leading solution" wurde bisher noch nicht gefunden. Die erhöhte Komplexität der Prozesse für ein stabiles Ecosystem durch zusätzliche Player (MNO's, TSM Setreiber), zusätzliche Kostenkomponenten basierend auf zusätzlichem Aufwand, die fehlende Standardisierung, viele Unklarheiten (zum Beispiel "storage of the secure element"), gewisse Sicherheitsbedenken auf Kundenseite, fehlende NFC-Terminal-Infrastruktur und letztendlich auch eine (eher) fragliche Convenience (Registrierung, PIN Wechsel, Wallet-Aktivierung am PoS; versus Kartenzahlung) sind nur stichwortartig einige der Punkte, die noch nicht überzeugend gelöst werden konnten.

Der Determinismus - die Technologie ist da, ergo muss man das nur umsetzen und die Ergebnisse der Zukunft sind damit eindeutig festgelegt - ist nicht gegeben. Die wirklich disruptive Kraft und die daraus resultierende Marktrelevanz einer stark technologiegetriebenen Innovation bleibt im weltweiten Payment-Geschäft bis heute noch mehr als fraglich.

Darüber hinaus ist der Einstieg eines Global Players in den PoS-Payment-Markt mit einer innovativen, technologisch disruptiven Lösung ein mögliches Szenario, das immer wieder beschrieben wird. Dies muss man sauber analysieren, gründlich durchdenken und bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit bewerten.

Einstieg eines Global Players?

Die grundlegende These: Ein global agierendes Unternehmen bietet ein völlig neues Zahlsystem an - nennen wir es hier zur Veranschaulichung "x-pay" - und besetzt dieses Geschäftsfeld der Banken. Eine wirklich disruptive Technologie hat dabei die Kraft, bestehende Produkte oder Dienstleistungen möglicherweise vollständig zu verdrängen - anschaulich zu beobachten in der Musikoder Fotoindustrie.

Natürlich gibt es bereits heute eine Vielzahl neuer Anbieter mit alternativen Zahlmethoden im Online-Bereich; weit mehr als 100 Zahlverfahren stehen hier im Wettbewerb. Damit werden einerseits klassische Kreditkartenzahlungen bedrängt, aber viele Kunden laden ihr jeweiliges Account (zum Beispiel bei Paypal) zulasten ihrer Kreditkarte auf. Bedrohung einerseits, Umsatzgenerator für Karten andererseits.

Aber eine wirklich globale Akzeptanz am PoS mit mehr als 30 Millionen Stellen - wie sie die großen, internationalen Kartenschemes Visa und Mastercard aufweisen können - ist kurzfristig sicherlich nicht für einen neuen Anbieter erreichbar.

Und neue Zahlsystem-Lösungen mit einem QR- oder Barcode, wie bei Starbucks in den USA, sind nun wirklich keine revo lutionären neuen Lösungen, sondern schlichtweg einfache, vorausbezahlte "closed loop"-Systeme, wie viele herkömmliche, traditionelle, altbekannte "instore" Karten eines x-beliebigen Händlers auch.

Die heute bestehende Lösung für PoS- und online-Zahlungen ist die traditionelle Plastikkarte; die Value Proposition: ein einfaches, universelles Bezahlverfahren mit hervorragender Convenience, weltweiter globaler Akzeptanz, enormer Markenbekanntkeit, ausgereifter Sicherheit, effizienter Abwicklung, höchster Systemverfügbarkeit, Kapazität für die Verarbeitung in Spitzenzeiten und einem hohen kundenseitigem Vertrauen.

Henne-Ei-Problem nicht so schnell zu lösen

Auf den Punkt gebracht: Der Kunde kann immer und überall online und offline, im Präsenz- und im Distanzgeschäft jederzeit ganz einfach, bequem und sicher bezahlen. Das weltweit einheitlich formatierte banale Stück Plastik verfügt dabei über vier "technologische Ausprägungen" zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit: die traditionelle Hochprägung, den Magnetstreifen, die EMV-Chip- sowie die NFC-Technologie. Das ist das beeindruckende Resultat einer gut 50-jährigen Entwicklung, kontinuierlicher Transformation und stetiger Verbesserung und Optimierung von Akzeptanz, Convenience, Transparenz und Sicherheit innerhalb eines global funktionierenden Netzwerkes.

Kann man das also ganz einfach, rasch, schnell, sofort und somit ganz kurzfristig durch eine wirklich bessere Lösung ersetzen? Was ist notwendig, damit ein neues System, wie "x-pay" am physischen PoS Erfolg hat und die Plastikkarte überflüssig machen kann? Damit in dem (auch weiterhin) zweiseitigen Markt der "PoS-Payments" die Dienstleistung "Bezahlen am PoS" abgewickelt werden kann, ist erstens der Aufbau der entsprechenden Kompetenzen im lssuing, zweitens die Etablierung eines weltweiten Akzeptanznetzes auf der Acquiring-Seite von zentraler Bedeutung. Ist dieses altbekannte Henne-Ei-Problem in kurzer Zeit global zu lösen?

Zunächst zum lssuing: Für "x-pay" bedarf es der detaillierten Produktausgestaltung inklusive Pricing und globaler Vertriebsaufbau (Eigenvertrieb oder Lizenzsystem) sowie Brandmanagement und Kommunikation des neuen Logos - und das kostet Geld. Darüber hinaus sind die klassischen lssuing-Aufgaben zu managen: Antragsprüfung, Limitenmanagement, Kundendienst, Rechnungsstellung, Mahnwesen/ lnkasso, Fraud Detection und Prevention, Transactions Monitoring, Risk Management, Disputes und Chargebacks. Es bedarf klarer "Rules & Regulations" zur Sicherstellung von Standards und eines wirklich globalen Netzes für Autorisierung, Clearing und Settlement. Dazu notwendig: der Aufbau und Unterhalt hochverfügbarer Verarbeitungs- und Back-up-Systeme. Auf der Acquiring-Seite muss ein weltweites Akzeptanznetz aufgebaut werden: Die Akquisition von Vertragspartnern für "x-pay" und die Bereitstellung und Installation der entsprechenden Infrastruktur ist notwendig.

Entscheidend ist der Formfaktor

Der diesbezügliche Aufwand ist natürlich stark abhängig vom Formfaktor: Ist " xpay" eine Karte oder soll eine neue Technologie (zum Beispiel QR-Codes via Smartphone) genutzt werden? Sofern ein anderer Formfaktor als die Karte und eine andere Technologie als Magnetstreifen, EMV oder NFC gewählt werden sollte, dürfte dies die Integration und Komplexität in die jeweiligen Kassensysteme und die damit verbundenen Kosten für den Händler deutlich erhöhen und das Interesse des Händlers an einer solchen neuen Lösung deutlich sinken lassen.

Wenn "x-pay" nicht auf einer Karte im klassischen, weltweit standardisierten Format (8,6 x 5,4 cm, 0,76 dick) basieren sollte, stellen sich dann weitere Anschlussfragen:

- Wie und wo kann der Kunde mit dem neuen System Bargeld beziehen?

- Wie soll die neue Lösung weltweit an den heutigen "cardholder activated terminals" (zum Beispiel Ticket- und/oder Tankautomaten) funktionieren?

Das alles zeigt: die Dimension eines Aufbaus eines neuen (weltweiten) PoS-Zahlungssystems mit entsprechender Infrastruktur und fest etablierten Prozessen sowie einheitlichen Standards ist gewaltig, es bedarf hoher Investitionen. Es ist eine Herkulesaufgabe und so ein Projekt ist sicherlich nicht kurzfristig umzusetzen.

Payment ist mehr als eine App

Jetzt sind verschiedene Marktteilnehmer der Auffassung, dass man mit dieser Argumentation einfach "in der alten traditionellen Welt" verharrt. Durch die digitale Transformation reicht einfach eine App zum Bezahlen, ein neues System kann man rasch etablieren. Geldsender und -empfänger benötigen doch ganz einfach lediglich eine einheitliche App und schon kann der Geldtransfer umgesetzt werden. Beispiele dafür gibt es ja. So einfach ist das. Dazu eine Gegenfrage: Wenn das alles wirklich so einfach ist, warum passiert es dann nicht in der Masse? Weil "Payments" anscheinend eben doch mehr ist als nur eine App!

Der Bezahlprozess ist gekennzeichnet durch hohe Komplexität und Vielschichtigkeit: ein globales Netzwerk mit zwei Märkten, vier Parteien und vielen weiteren Marktteilnehmer. In diesem Massengeschäft sind Standardisierung zur Abwicklung enormer Datenmengen, höchste Systemverfügbarkeit und eine stabile Performance wichtige Parameter. Sicherheit und Vertrauen gelten als Kernanforderungen des Konsumenten; letztendlich geht es auch um hohe Investitionen und ausgereiftes Risikomanagement.

Natürlich ist es andererseits kein Hexenwerk, aber allein schon der Blick auf eine banale PoS-Quittung mit den verschiedensten Detailangaben (zum Beispiel Produktbezeichnung, PAN und weitere Kartendaten, Terminal-ID, Transaktions-, EMV- und Autorisierungsinformationen) zeigt auf, dass für eine saubere, nachvollziehbare Transaktionsabwicklung weitaus mehr notwendig ist als nur zwei Smartphones und eine gemeinsame App.

Bezahlen in der Zukunft - immer noch mit Karte

Wie bezahlen wir also im Jahr 2020 und darüber hinaus? Gar nicht so viel anders als heute - immer noch mit Karte! Der Trend zu Kartenzahlungen und die Abkehr vom Bargeld wird sich kontinuierlich fortsetzen. Dabei bleiben die globalen Marken Visa und Mastercard mit ihren bekannten Produkten im Credit- und Debitbereich eindeutig dominant - es wird sich kein weiteres, neues, zusätzliches PoS-Payment-System mit gesamteuropäischer, geschweige denn weltweiter Akzeptanz durchsetzen können (Anläufe dazu gab es genügend!)!

Länderspezifische Unterschiede bezüglich der Präferenzen Debit- und Kreditzahlen wird es weiterhin geben. Einhergehend mit neuen technologischen Ansätzen werden auch die Terminals auf der Akzeptanzseite "mobiler" und so werden auch weitere Einsatzbereiche (in denen heute ausschließlich mit Bargeld bezahlt wird) neu für Kartenzahlungen erschlossen.

Auch 2020 wird man also noch im ganz klassischen Retail Store einkaufen und mit Plastikkarten bezahlen. Die technologische Entwicklung, die sich neben der EMV-Chiptechnologie bis dann weiter ausbreiten und etablieren wird, ist NFC - und damit kontaktloses Bezahlen. Mit der zunehmenden standardmäßigen Ausbreitung von "Paypass" und "Paywave" auf den Karten vieler europäischer Issuer und der parallel verlaufenden Installation der NFC-Technologie auf der Terminalinfrastrukturseite wird der Anteil der kontaktlosen Zahlungen stetig steigen. Aber auch das geschieht nicht über Nacht, sondern ist ein langjähriger Prozess.

Mit QR- oder Barcode, BLE oder Beacon-Lösungen werden am PoS keine signifikanten Transaktionszahlen erreicht; diese Technologien werden sich am Markt in der Breite wahrscheinlich nicht durchsetzen.

Mobile Payment wird sich als Nische etablieren können. Bisher konnte zwar noch kein stabiles Ecosystem und akzeptables "commercial framework" für alle Player etabliert werden. Aufgrund der Vielzahl der Player mit unterschiedlichsten Interessen, der Vielschichtigkeit und Komplexität sowie der letztendlich auch fraglichen Convenience für den Kunden konnte der "gordische Knoten" bisher noch nicht gelöst werden. Neue Initiativen (Apple Pay, Samsung Pay) sind aber sehr vielversprechende Ansätze für ein attraktives Offering in der Zukunft. Insgesamt gesehen jedoch - im Vergleich zu den dann gegen 1 Milliarde Karten in Europa und den damit verbundenen enormen Transaktionsvolumen - wird das Bezahlen am PoS mit einem Smartphone auch 2020 noch deutlich unter 10 Prozent liegen.

Konsolidierung im Online-Bereich

Der Trend zu Online-Zahlungen - ausgelöst über mobile Endgeräte - gewinnt auch in Zukunft stark an Bedeutung. Visa geht davon aus, dass bis 2020 rund 50 Prozent aller Transaktionen von einem mobilen Gerät aus initiiert werden. Damit einhergehend werden sich Wallet-Lösungen nur dann etablieren, wenn es gelingt, den Anforderungsspagat zwischen Convenience und Security-Anforderungen zu meistern. Im Online-Bereich wird der Markt der neuen Lösungen durch einen schmerzhaften Konsolidierungsprozess gehen, die Anzahl der Zahlverfahren wird sich wieder deutlich reduzieren. Sich durchsetzen und am Markt überleben werden diejenigen Systeme, die die beste Value Proposition für Kunden und Händler bieten, die Anforderungen an Convenience und Sicherheit erfüllen und auf einem Geschäftsmodell basieren, das eine Monetisierung ermöglicht und auch genügend aktive Nutzer erreicht.

Insgesamt steht der Bereich Payments auch in der Zukunft vor großen Herausforderungen (Stichworte: Regulierung, Wettbewerb), unterliegt weiterhin einer kontinuierlichen Transformation (Stichworte: technologische Weiterentwicklungen wie EMV Chip, NFC, Wallet-Lösungen, HCE), bietet viele Chancen (Stichwort "less cash Society") und bleibt auch im Jahr 2020 hochspannend.

Zum Autor Constantin Bregulla, Managing Director und Leiter Card Solution, UBS AG, Zürich

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