Bankkarten-Forum 2016

Sparkasse bleiben - digital werden

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Die Sparkassen mit ihrer breit gefächerten Klientel brauchen mitunter andere Lösungen als die meisten Wettbewerber, meint Joachim Schmalzl. Im Zahlungsverkehr müssen sie deshalb nicht alles mitmachen, aber was sie tun, sollte dann auch weitgehend alle Kundenbedürfnisse abdecken. Das Mobile Payment soll deshalb erst 2018 starten - dann aber mit einer Lösung, die ohne Drittanbieter auskommt und in die der Kunde all seine Karten integrieren kann. Trotzdem muss auch die Sparkassenorganisation agiler werden, so Schmalzl: Das App-basierte Girokonto Yomo, das sich an eine vorerst überschaubare Zielgruppe richtet, nennt er dafür als Beispiel. Red.

Zu dem Thema "Sparkasse bleiben, aber digital werden" hat die Sparkassen-Finanzgruppe unlängst eine Strategie verabschiedet. Zusammen mit Sparkassen, Landesbanken, Sparkassenverlag und dem zentralen IT-Dienstleister Finanz Informatik wurde in diesem Rahmen auch eine gemeinschaftliche Zahlungsverkehrsstrategie erarbeitet, die jetzt umgesetzt wird. Diese Strategie soll sicherstellen, dass das Girokonto auch in einer digitalen Welt seine Funktion als Ankerpunkt behält. Die Herausforderungen dabei sind vielfältig: Regulierungs- und Kostendruck, technologischer Wandel und verändertes Kundenverhalten, rapide Durchsetzung neuer Infrastrukturen und zunehmende Wettbewerbsintensivierung. In diesem Umfeld ist auf Kundenseite ein verstärkter Wunsch nach Einfachheit, einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis, moderner Funktionalität bei Girokonto und Zahlungsverkehr sowie nach (Daten-)Sicherheit zu beobachten. Das alles muss berücksichtigt werden.

Nicht zu viele Zahlverfahren gleichzeitig

Die Sparkassen müssen nicht alles mitmachen, aber das, was sie machen, muss zum Geschäftsmodell passen und zur Anforderung, alle Kunden in einer Region mit allen kreditwirtschaftlichen Angeboten zu versorgen. Das erfordert andere Lösungen und eine andere Ergonomie als bei den meisten Wettbewerbern. Ein Beispiel ist Mobile Payment. Hier wird die Sparkassen-Finanzgruppe 2018 breit in den Markt kommen. Dieses Thema muss jedoch realistisch eingeschätzt werden: Wir rechnen zunächst mit etwa 100000 Kunden bundesweit.

Deshalb bin ich auch überzeugt, dass wir nicht zu viele Zahlverfahren gleichzeitig anbieten sollten, sondern alles, was notwendig ist, möglichst aggregiert in einer Lösung zusammenzufassen. Der Kunde muss nicht die Komplexität der Technik verstehen, sondern er soll mit seiner Karte bezahlen können, egal ob das Terminal offline ist (dafür ist Girogo auf der Karte) oder online (Girocard kontaktlos). Natürlich bieten wir moderne Funktionalität an. Die Einschätzung, dass Kunden die Ergonomievorteile von etablierten Internet-Bezahlverfahren nicht so hoch einschätzen würden wie den Datenschutz, war falsch. Deshalb gilt es, alle Themen zeitgemäß weiterzuentwickeln und dazu auch Geld in die Hand zu nehmen, auch wenn der Zeitpunkt dazu nicht gerade günstig ist.

Der Anspruch, dass vieles über das Sparkassen-Girokonto läuft, setzt voraus, dass das Konto Personal-Finance-Module bekommt und dass für die Kunden daraus Informationen mit Mehrwert generiert werden. Auch der Erhalt der Informationshoheit ist wichtig. Deshalb gilt es, einen "Code of Conduct" zu entwickeln, was wir mit Daten tun wollen und was nicht. Wenn das alles umgesetzt wird, können die Sparkassen auch daraus Erträge erwirtschaften, um für die Herausforderungen der Nullzinsphase besser gerüstet zu sein.

Auch Karten wird es weiterhin geben. Aber sie werden immer unabhängiger vom Formfaktor "Plastik". Das bedeutet: Karten werden auch in Zukunft eine große Rolle beim Bezahlen spielen, mobile Zahlverfahren werden das Portfolio jedoch ergänzen. Und kontaktlose Kleinbetragszahlungen per Karte sollen zum Standard werden. Kunden werden auch zukünftig Debit- und Kreditkarten im Portemonnaie haben - zunehmend in virtueller Form. Immer wieder gab es Überlegungen, beides in einer Karte zusammenzulegen. Doch wir sind überzeugt, dass es auch weiterhin sinnvoll ist, beide Karten zu haben: die Debitkarte mit der eigenen Marke Sparkassen Card und die Kreditkarte, um überall dort, wo das Bezahlen mit der Girocard nicht möglich ist, bargeldlos zahlen zu können.

Girocard-System schützen und modernisieren

Die Sparkassen werden das Girocard-System deshalb weiter unterstützen. Die Girocard ist das effizienteste Bezahlverfahren, über das die Deutsche Kreditwirtschaft die Hoheit hat - anders als bei den großen Kreditkartenfirmen, wo am Beispiel der Kooperationen mit Paypal eine ganz klare Entfernung der Kartenorganisationen von ihren bisherigen Partnern, den Banken, spürbar wird. Auch deshalb gilt es dieses erfolgreiche Zahlverfahren der Deutschen Kreditwirtschaft zu schützen und zu modernisieren.

Im Produktentwicklungsprozess gilt es, das agile Arbeiten in die Organisation zu bringen, Produktinnovationen am Kundenbedürfnis auszurichten und die "Produktentwicklung per Zufall" in Zukunft zu vermeiden. Der Fokus liegt dabei auf Interaktion und darauf, Dinge zu erledigen anstatt sich auf Prozesse zu konzentrieren.

Anhand von Intentionen und Bedürfnissen müssen neue, attraktive Anwendungsfälle identifiziert werden. Um Prototypen zu testen und schnelles Feedback zu bekommen, sollen Kunden frühzeitig einbezogen werden. Dazu stellt Yomo einen ersten Versuch dar, in dem zehn Sparkassen mit etwa 500 Kunden interagieren und testen. Über diese Art von agiler Entwicklung planen wir etwa fünf Ansätze pro Jahr.

In Sachen Bargeld ist die Sparkassen-Finanzgruppe neutral. Der Kunde entscheidet, was er tut, und Aufgabe der Sparkassen ist es, komfortable Lösungen anzubieten. Die Bargeldversorgung und -logistik ist für Banken mit hohen Kosten verbunden. Aber für Privat- und Firmenkunden gehört sie zur elementaren Grunderwartung an Banken. Das Beispiel Schweden zeigt, dass dort der Abschied vom Bargeld weniger eine kundengetriebene, sondern sehr stark zentralbankgesteuerte Entwicklung war, mit Restriktionen, die die Bargeldnutzung erschweren. So etwas wollen wir nicht. Bei den Sparkassen gibt es deshalb keine aktive Bekämpfung von Bargeld, sondern wir bemühen uns um den Ersatz durch kundenorientierte elektronische Alternativen wie das kontaktlose Bezahlen. Sechs Millionen Sparkassen Cards sind bereits kontaktlos. Nun geht es darum, in der deutschen Kreditwirtschaft gemeinschaftlich, den maximalen Bezahlbetrag ohne PIN-Eingabe auf 30 Euro heraufzusetzen.

Zahl der Kontaktlos-Terminals muss rasch steigen

Wir glauben an "kontaktlos" auf Basis der NFC-Technik - nur die Bezeichnung ist im Vergleich mit dem englischen "Tap & go" nicht überzeugend. Hier müssen wir alle noch einen griffigeren Begriff finden! Auch die Zahl der Terminals im Einzelhandel muss rasch steigen. Als Überganglösung setzen die Sparkassen zum Beispiel auf Blue Code. Das ist eine Barcode-basierte Lösung, auf die auch die Erste Group in Österreich setzt. In Deutschland wird Blue Code aktuell von acht Sparkassen in Deutschland pilotiert. Und aus dem Handel haben bereits mehrere Filialisten ihr Interesse bekundet. Langfristig setzt die Strategie auf NFC. Aber als Übergangslösung für einen überschaubaren Markt hat Blue Code durchaus Charme.

Auf der Innovationsseite steht im Privatkundenbereich vieles auf der Agenda, beispielsweise

- Handy-zu-Handy-Zahlungen,

- das App-basierte Konto (zum Beispiel Yomo) für eine bestimmte Klientel,

- mobile Bezahlverfahren, die die Sparkassen im Jahr 2018 einführen wollen.

Das etwas vernachlässigte Akzeptanzgeschäft sollte wieder stärker angekurbelt werden, um stärkere Firmenkundenbindung zu erreichen. In der Gruppe gibt es ja einige Player, das muss lediglich neu sortiert werden.

Europäische Lösung für Instant Payments?

Bei Instant Payments wollen die Sparkassen eine Vorwärtsstrategie verfolgen. Natürlich sind die Echtzeit-Zahlungen nicht überall erforderlich. Aber die Kreditwirtschaft sollte nicht warten, bis es vom Regulator zu einem festen Stichtag gefordert wird. Im Gegenteil: Wenn man hier aktiv ist und Teilfelder besetzt, bieten Instant Payments durchaus eine Chance. Vielleicht ist P2P eine ganz gute Ausgangsbasis dafür. Wir sprechen auch mit den Sparkassen in Spanien, Italien und Österreich darüber, eine europäische Lösung zu erarbeiten.

Bereits seit 2009 bieten die Sparkassen ihren Kunden App-basierte Lösungen für das Smartphone. In einer App lassen sich gut Dinge ausprobieren - und schnell in großer Breite an den Markt bringen. Denn die Sparkassen-App hat zwölf Millionen Downloads und 4,5 Millionen regelmäßige Nutzer, und sie hat schon viele Preise und Tests gewonnen. Mit dem nächsten Release der S-App im Herbst dieses Jahres gibt es eine modernisierte Version mit der Foto-Überweisung "Gini". Außerdem soll auch die P2P-Funktion "geldbote" darin integriert werden.

Beim mobilen Bezahlen gibt nicht etwa das technisch Machbare den Takt vor. Entscheidend für die Sparkassen-Finanzgruppe ist folgendes: Wenn eine Lösung auf den Markt kommt, soll sie auch so weit sein, dass der Kunde hier alle Karten integrieren kann. Die Girocard ebenso wie die Kreditkarte. Und dies soll über die Cloud erfolgen, da diese Lösung ohne Dritte wie etwa Mobilfunknetzanbieter auskommt. Auch werden ausreichend Terminals benötigt, die auf dem neuesten technischen Stand sind. Hier ist ein Anfang gemacht, aber zumindest aktuell ist Deutschland von einer Flächendeckung noch entfernt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Sparkassen verfolgen bei ihrer Zahlungsverkehrsstrategie den Ansatz, ihren Marktanteil auch in der digitalen Welt zu halten. Das ist eine große Herausforderung, weil die Sparkassen dezentral organisiert sind und den "Faktor Mensch" in der Ansprechbarkeit und Beratung erhalten wollen, während die Digitalisierung den Einsatz von immer mehr Technik vorgibt.

Mehr Themen aktiv setzen

Die Sparkassen müssen agiler werden und mehr Themen aktiv setzen. Wir glauben jedoch genügend Ansätze gefunden zu haben, um die notwendigen Erneuerungen einzubauen und gleichzeitig das Machbare im Auge behalten. Manche Fintech-Ideen lassen sich gut integrieren. Andere sind an der Kundenschnittstelle so gefährlich, dass man ihnen etwas entgegensetzen muss. Die Entwicklungen am Markt werden deshalb gescreent. Die Sparkassen müssen nicht überall dabei sein, sonst würden sie sich verzetteln. Aber sie müssen Antworten geben. Ganz wichtig ist die Geschlossenheit in der Gruppe. Dabei organisiert der DSGV die Meinungsbildung. Für die Umsetzung wurden die Rollen inzwischen neu und überschneidungsfrei organisiert.

Bei allen Veränderungen gilt es, den Kunden im Auge zu behalten. Dabei merkt man, dass das Bankgeschäft für viele Kunden nicht das Wichtigste auf der Welt ist, sondern dass vieles vom Zufall abhängt. Deshalb gilt der Anspruch, so gut zu sein und die Bedürfnisse der Menschen so zu erfüllen, dass sie ihre Bankverbindung beim Marktführer behalten können.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Bankkarten-Forum 2016.

Zum Autor

Dr. Joachim Schmalzl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV), Berlin

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