Leitartikel

Existenzberechtigt?

Es sollte "business as usual" sein. Im Rahmen der stetig zunehmenden Regelungsdichte im Investmentrecht ging es aktuell doch nur darum, nach zahlreichen Bundesgesetzen wie dem VermAnlG, dem BilMoG und dem AnsFuG sowie der Umsetzung europäischer Vorgaben in nationales Recht wie der MiFID oder der OGAW nun auch die Alternative Investment Fund Manager Directive (AIFM-Richtlinie) in deutsches Recht zu übertragen. Hätte sich der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble noch kurz vor der Sommerpause vorgelegte Gesetzesentwurf wie allgemein erwartet tatsächlich nur mit der verschärften Regulierung potenziell systemrelevanter Produkte wie zum Beispiel Hedgefonds befasst, wären Überraschung und Empörung sicherlich bei Weitem nicht so groß gewesen. Doch das Finanzministerium ging weit über dieses Ziel hinaus und sorgte mit seinem Gesetzesentwurf für Aufsehen.

Das geplante Verbot der Neuauflage Offener Immobilienfonds hat besonders heftige Kritik ausgelöst. Nach dem bisherigen Vorhaben würde es keine neuen Offenen Immobilienfonds mehr geben, die bestehenden dagegen würden Bestandsschutz genießen. Das gilt nicht etwa nur für die gegenwärtig noch geöffneten Vehikel, sondern auch für die Fonds, die eine Rücknahme von Anteilscheinen derzeit aussetzen und eingefroren sind. Das Ministerium will das ungeliebte Konstrukt der Offenen Immobilienfonds - nach dem Wortlaut im Gesetzesentwurf "die Inkonsistenz zwischen kurzfristiger Rückgabemöglichkeit und langfristiger Anlage in illiquide Gegenstände" - ganz offensichtlich schrittchenweise beseitigen. Das war so von den emsigen und tätigen Lobbyisten der Investmentbranche, dem BVI, nicht erwartet worden. Politischer Alleingang, bewusster Schock oder doch auch leichte Unaufmerksamkeit?

Fakt ist: Der Investmentbranche selbst ist es bislang nicht ausreichend gelungen, die Konstruktionsmängel der Offenen Immobilienfonds zu beseitigen. Bereits mit dem 2004 in Kraft getretenen Investmentgesetz wurden die Vorschriften bei der Anlagepolitik, der Darstellung des Fondsvermögens und der Veröffentlichungspflicht der Kapitalanlagegesellschaften umfassend geregelt. Die Produkte sind später dennoch in Schwierigkeiten geraten. Vor allem institutionelle Investoren haben angesichts geringer Geldmarktzinsen und der vermeintlichen Liquidität in den Offenen Immobilien-Publikumsfonds ihre Finanzmittel in den Jahren vor 2009 dort temporär geparkt und konfrontierten die Fonds nach der Lehman-Pleite mit hohen Mittelabflüssen. Zahlreiche der eigentlich als sicherer Hafen für Kleinsparer konzipierten Anlagevehikel mussten die Anteilscheinrücknahme aussetzen. Als Reaktion hierauf hat der Gesetzgeber Mindestliquiditätsquoten, die Abschaffung der täglichen Verfügbarkeit, eine Mindesthaltedauer und Kündigungsfristen sowie einen Sicherheitsabschlag auf Immobilienwerte diskutiert. So beinhaltet das in 2011 erlassene Gesetz Neuregelungen zu den Kündigungs- und Ersthaltefristen, die allerdings erst ab 1. Januar 2013 gelten. Ziel ist es, die Attraktivität der Publikumsfonds nur noch für Kleinanleger herzustellen und die Gelder der institutionellen Investoren in Spezialfonds oder alternative Anlageformen wie Geschlossene Fonds zu lenken.

Kritiker mahnen, dass mit dieser Lösung lediglich die Symptome beseitigt werden, nicht aber das Grundproblem, nämlich die Unvereinbarkeit des Versprechens jederzeitiger Liquidität mit immobilen Anlagen. Demzufolge wäre ein Abschaffen der Offenen Immobilienfonds beziehungsweise die Neuzulassung nur noch in geschlossener Form der konsequentere Weg. Inkonsequent ist dagegen die Bestandsgarantie für die derzeit geöffneten beziehungsweise auch in Zukunft wieder offenen Produkte. Darüber hinaus ist natürlich zu prüfen, wie sinnvoll es ist, den Anlegern gerade in einer Zeit, in welcher es generell wenig risikoarme Anlagealternativen gibt, diese Investitionsform zu nehmen. Allein im ersten halben Jahr flossen den derzeit offenen Offenen Immobilienfonds knapp zwei Milliarden Euro an neuen Mitteln zu. Das entspricht Rang zwei in der Anlegerbeliebtheit, gleich hinter den Rentenfonds, aber weit vor Aktienfonds, Mischfonds, Garantie- oder Geldmarktfonds. Der jetzige Gesetzesentwurf wird bis zum endgültigen Inkrafttreten Mitte kommenden Jahres sicherlich so nicht bleiben. Aber er ist als deutlicher Warnschuss für die Investmentbranche zu werten. Die politisch Verantwortlichen stellen die Zukunft des über 50 Jahre alten, nur in der Bundesrepublik existierenden Produkts nicht nur zur Diskussion, sondern sogar ernsthaft infrage. Sollte der Offene Immobilienfonds doch bestehen bleiben, hängt seine Zukunft nicht nur von Paragrafen ab. Die Anleger, die mit jeder Ausschüttung hoffen, ihr Kapital noch vollständig zurückzubekommen, werden dieses nicht so schnell wieder dem Vertrieb durch die Banken anvertrauen. Denn auf ihre ausdrücklichen Empfehlungen hin hatte das Gros der Kunden die Anteile als risikolose und jederzeit liquidierbare Anlage erworben. Das war einmal. Red.

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