Leitartikel

Halbzeitstand: Anschlusstreffer für Deutschland

Kaum eine Assetklasse ist bei den internationalen Investoren derzeit
so gefragt wie Immobilien in Europa. Und dafür mag es gute Gründe
geben: Einer ist sicherlich, dass nach einem seit Jahresbeginn
anhaltenden Aufwärtstrend an den Aktienmärkten nun wieder die Sorge
vor einer Trendwende keimt. Gleichzeitig sind Geldanlagen wegen der
nierdrigen Zinsen wenig interessant, umso billiger sind derzeit aber
Kredite zum Beispiel für den Ankauf großer Portfolios. Zudem dürfte
das Säbelrasseln zwischen Washington und Teheran so manchen
islamischen Investor davon abhalten, die gerade üppig sprudelnden
Petrol-Dollars in den USA anzulegen. Schließlich sind es die
europäischen Immobilienmärkte selbst, die dank anziehender Konjunktur
sinkende Leerstände und steigende Mieten verzeichnen.
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Angesichts der hohen Preise, die derzeit geboten werden, nutzen immer
mehr Unternehmen und Kommunen die Gunst der Stunde und versilbern ihre
Immobilienbestände. Auf 14 Milliarden Euro addiert Peter Rösler von
Atisreal (siehe Seite 418) das Transaktionsvolumen in 17 europäischen
Immobilienhochburgen allein für das erste Quartal dieses Jahres. Das
ist fast ein Drittel mehr als im Vorjahresvergleich. Dabei sind ein
Großteil der Verkäufe Sale-and-lease-back-Abschlüsse. Und dennoch wird
mehr nachgefragt als angeboten, was die Renditen europaweit gehörig
unter Druck setzt. Dabei erscheinen sogar deutsche Immobilien als hoch
attraktiv. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass auch der
deutsche Vermietungsmarkt das "Tal der Tränen", wie es Johannes
Humberg von der Bayerischen Immobiliengruppe (siehe Seite 420) nennt,
durchschritten hat. So wird die Situation an den Büromärkten von ihm
schon mit dem Attribut "wesentlich freundlicher" beschrieben, weil die
Leerstände in Berlin, Frankfurt und Hamburg nicht weiter zugenommen
hätten und München sogar mit einem leichten Rückgang aufwarten könne.
Tor für Bayern! Tor für Deutschland?
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Auch nebenan, in den Niederlanden, sorgt die hohe Liquidität für
anziehende Preise bei Büroimmobilien. Dies habe in Anbetracht leicht
sinkender Mieten und hoher Leerstände die Anfangsrenditen bereits auf
ein Niveau fallen lassen, "bei dem sich ein Kauf nicht eben
aufdrängt", urteilt Martin Ollendorff vom Bankhaus Wölbern (siehe
Seite 426). Und so ist es nur folgerichtig, wenn der Fondsinitiator
gerade jetzt seinen Anlegern nahe legt, die Immobilien zu veräußern.
Schon in Kürze soll ein Paket von etwa 50 Objekten geschnürt und
verkauft werden. Da mag es fast verwundern, dass der Initiator gerade
eben noch einen Holland-Fonds platzieren konnte.
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Vom Jagdfieber der internationalen Investoren nach Immobilienanlagen
blieb die Schweiz noch nahezu unberührt. Dabei würden sicherlich weder
die geringe Markttransparenz noch die hohe Selbstnutzerquote oder die
Preise wirklich abschrecken. Vielmehr schaffen Gesetze dieses
besondere Reservat. Zwar soll bis 2009 zumindest das Bundesgesetz, die
Lex Koller, fallen und Ausländern der Marktzugang erleichtert werden,
doch dies wird ausländischen Immobilieninvestoren wenig nützen, meint
Klaus W. Bender von der Acron (siehe Seite 428). Denn die Anleger
werden auch dann noch mit unterschiedlichen Rechts- und
Steuervorschriften in 26 Kantonen konfrontiert sein. Eine
Harmonisierung dieser eidgenössischen Eigenheiten kann auf absehbare
Zeit gewiss ausgeschlossen werden.
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Schon länger wird befürchtet, dass die Immobilienmärkte in den USA
überhitzen könnten. Zuweilen ist gar von dem "Platzen" einer
Preisblase die Rede. Dabei scheint jedoch schnell vergessen zu werden:
"Real Estate Business is local." So zeigen für Thorsten Schilling von
Feri Rating & Research (siehe Seite 430) die Renditen bei
Büroimmobilien von etwa sieben Prozent, dass die Preise durchaus
angemessen sind, zumal die Leerstände nach wie vor auf hohem Niveau
verharren. Lediglich in einigen Wohnungsmärkten mag es Preissprünge
gegeben haben.
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Angesichts der beachtlichen Liquidität in den Märkten weichen selbst
so traditionelle Core-Investoren wie die Offenen Immobilienfonds immer
öfter auf sich entwickelnde Immobilienmärkte aus. So kaufte jüngst die
Difa innerhalb weniger Wochen mehrere Objekte in Mexiko. Doch man
merkt Reinhard Kutscher (siehe Seite 432) an, dass bei der Wahl der
Objekte durchaus Vorsicht angebracht ist. Denn erworben hat sein Haus
ausschließlich etablierte Büroobjekte, deren Mietverträge auf
US-Dollar lauten. Auch der indische Immobilienmarkt - und hier nicht
nur das Büro-, sondern vor allem das Wohnungssegment - hält Tobias
Just von Deutsche Bank Research (siehe Seite 434) allein schon wegen
der demographischen und wirtschaftlichen Perspektiven des Landes für
einen zukunftsträchtigen Investitionsstandort. Allerdings verhindern
bisher Gesetze, dass Ausländer in großem Stil auf dem Subkontinent
Immobilien erwerben.
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Dass Investoren auf der Suche nach Anlageobjekten zunehmend auch
Shoppingcenter entdecken, überrascht kaum. Zuweilen wird dabei jedoch
übersehen, dass an das Management eines Einkaufszentrums - das dem
Wesen nach eine Betreiberimmobilie ist - andere Anforderungen gestellt
werden als bei einem Bürokomplex. Deshalb sieht Karsten Hinrichs von
der ECE (siehe Seite 424) das Engagement opportunistischer Investoren
in diesem Marktsegment kritisch. Denn deren kurzfristige Renditeziele
seien nur zu erreichen, wenn bei Verwaltung, Marketing und
Instandhaltung gespart werde. Mittelfristig aber hieße das
Wertvernichtung. Begehrt sind derzeit auch Logistikimmobilien.
Allerdings werden reine Lager wohl nicht mehr den Ansprüchen der
Kunden und Logistiker genügen, meint Bert Angel von Prologis (siehe
Seite 422). Denn künftig würden Waren ohne Zwischenlagerung von einem
Transportsystem auf ein anderes umgeladen und Logistiker müssten
zunehmend auch Teilprozesse der Fertigung übernehmen. Diesen neuen
Aufgaben werden bestehende Logistikimmobilien aber kaum gerecht.
Investitions- und Innovationsbedarf ist hier zumindest noch vorhanden.
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Dass die Immobilienrenditen in Europa derzeit in den Keller gehen,
muss nicht wirklich beunruhigen. Zeigt dies doch, dass die Märkte
funktionieren. Und sollten die Zinsen weiter steigen, so darf erwartet
werden, dass zumindest das Interesse der kurzfristig orientierten
Opportunisten an den dann nur noch relativ schwach rentierenden
Immobilien merklich schwinden wird. Wer also verkaufen will, sollte
dies jetzt noch tun. So schöne Preise werden wohl schon bald nicht
mehr gezahlt.L.H.

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