Stadtentwicklung

Mietwohnungsneubau unter dem Primat der sozialen Ausgewogenheit

Steigende Preise auf dem Berliner Wohnungsmarkt bereiten den Hauptstadtbewohnern zunehmend Sorgen. Als Konsequenz fordern Politik und Öffentlichkeit immer stärker mietpreisdämpfende Maßnahmen. Dies ist verständlich. Jedoch sollte verstärkt die Ursache für die gegenwärtig stark steigenden Mieten angegangen werden: das immer knappere Wohnungsangebot in einer wachsenden Stadt. Nur durch zusätzliche Wohnungen lässt sich die Marktlage dauerhaft entspannen und es sind günstigere Mieten möglich.

Neubau mit Bedacht

In Berlin wurde in den vergangenen Jahren nur sehr verhalten Wohnungsneubau betrieben. Dies hat neben der über viele Jahre stagnierenden Bevölkerungsentwicklung in erster Linie mit den für eine Hauptstadt in Europa erstaunlich niedrigen Substanz- und Mietkosten zu tun. Noch immer sind der Bestandserwerb und die Bestandsanmietung an vielen Stellen der Stadt deutlich preiswerter als Neubau. In der letzten Zeit lässt sich jedoch ein gegenläufiger Trend erkennen. Wohnungsneubau macht nun auch wirtschaftlich wieder Sinn. Für eine ganzheitliche Stadtentwicklung darf sich dieser aber nicht nur auf Eigentumsmaßnahmen beschränken. Auch Mietwohnungsbau zu bezahlbaren Konditionen muss wieder angekurbelt werden. Viel Zeit bleibt nicht, wenn man der Bevölkerungsprognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt glaubt.

Zunächst sind aber die Voraussetzungen für den Bau neuer Wohnungen zu schaffen. Blinder Aktionismus allein wäre kontraproduktiv. Vereinzelt war bereits zu beobachten, dass vorhabenbezogene Bebauungsplanentwürfe für gewerbliche Nutzungen nun plötzlich neu zur Diskussion gestellt wurden. Doch nicht jeder Standort eignet sich für Wohnungsneubau. Und eine Stadt muss sorgfältig prüfen, an welcher Stelle sie Infrastruktureinrichtungen, Gewerbe oder Wohnungen unterbringt.

Vielen geht es mit dem Wohnungsneubau nicht schnell genug. Sie möchten sich drehende Baukräne sehen. Aber: Die ersten Schritte müssen sorgfältig gewählt und getan werden. Der neue Stadtentwicklungsplan Wohnen, der im Sommer verabschiedet werden soll, benennt eindeutige Ziele und identifiziert Flächenpotenziale für Neubauquartiere.

Berlins großer Vorteil ist, dass es durch behutsame innerstädtische Verdichtung deutlich wachsen kann. Es müssen keine neuen Satellitenstädte gegründet werden. Aber Bauen in Nachbarschaften bedeutet auch Herausforderung: Individualinteressen werden fast immer durch Neubaumaßnahmen berührt. Hier kommt es darauf an, umfassende Abwägungen zu treffen, was zumutbar und wo das übergeordnete Interesse der Stadt und deren Bewohner zu berücksichtigen ist.

Das geht nur mit Partizipation. Bürger im Sinne eines konstruktiven Dialogs an der Weiterentwicklung ihrer Stadt zu beteiligen, ist zur Grundvoraussetzung für Immobilienvorhaben jedweder Nutzungsart geworden. Es versteht sich von selbst, dass dieser Dialog Zeit braucht; die man sich für eine nachhaltige und erfolgreiche Stadtentwicklung auch nehmen muss.

Berlin lebt von seiner sozialen Mischung. Bislang kann jeder in jedem Bezirk leben. Jeder Kiez hat seine ganz individuelle Ausprägung. Neubauprojekte, vor allem neu entwickelte Stadtviertel, müssen dazu ihren Beitrag leisten. Sie sollten so konzipiert sein, dass innerhalb eines Quartiers die soziale Vielfalt der Stadt Berlin reflektiert wird. Konkret bedeutet dies, dass Neubauten vielfältige Wohnungstypen beinhalten, welche die bereits existierenden Strukturen ergänzen.

Erhalt der sozialen Mischung

Es bedeutet aber auch, dass sie eine gewisse Mietpreis- oder Kaufpreisspanne abdecken und sich nicht nur an ein Klientel richten. Indem zum Beispiel in einem Quartier bezahlbare Mietwohnungen mit Eigentumswohnungen kombiniert werden, wird genau die soziale Durchmischung der Bewohnerschaft erzielt, die substanziell für den nachhaltigen Erfolg des Quartiers benötigt wird.

Bis Herbst 2015 errichtet die Howoge auf dem ehemaligen Gelände der Hochschule für Technik und Wirtschaft rund 400 Mietwohnungen. Vielfalt ist das Motto des neuen Wohnquartiers "Treskow-Höfe" und so befinden sich in dem Quartier neben Wohnungen für Familien, Paare und Singles auch altersgerechte Wohnungen, zwei Senioren-Wohngemeinschaften sowie eine Kindertagesstätte für über 90 Kinder.

Hierzu sind neue Wege der Kooperation möglich und notwendig - private Investoren, Baugruppen, Genossenschaften und landeseigene Unternehmen müssen an einen Tisch geholt werden, um gemeinsam Quartiere zu gestalten. Die Politik entwickelt aktuell Instrumente der Liegenschaftspolitik, die diese Zusammenarbeit fördern. Beispiele hierfür aus anderen Städten sind das Bündnis für Wohnen in Hamburg und die sogenannte SoBon (Sozialgerechte Bodennutzung) in München.

Vermeidung von Bausünden

Bei all diesen Bemühungen darf nicht vergessen werden, dass die städtebauliche und architektonische Qualität bei Neubauvorhaben von elementarer Bedeutung ist. Immobilien sind - erfreulicherweise - sehr langlebige Produkte. Die ökonomische Lebensdauer neuer Wohnimmobilien wird in den Richtlinien zur Wertermittlung mit 60 bis 80 Jahren angesetzt. In der Realität stehen sie meistens noch bedeutend länger. Was heute gebaut wird, prägt das Stadtbild nachhaltig. Ein hoher architektonisch-baukultureller Anspruch in der Quartiersentwicklungen sollte entsprechend selbstverständlich sein. Negative Beispiele der Vergangenheit können in Berlin vielfältig erlebt werden. Die Howoge will es besser machen.

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