Schwerpunkt Kommunalkredit

Wer die Pfandbriefbanken auf Diät setzt, lässt Kommunen verhungern

Gute Zeiten - schlechte Zeiten? Die jüngste Steuerschätzung verheißt nach Informationen des Bundesfinanzministeriums ein sattes Steuerplus für Bund, Länder und Gemeinden. Die Experten gehen davon aus, dass die Brutto-Steuereinnahmen der Kommunen im Jahr 2012 um sieben Prozent und in den Folgejahren um weitere sechs Prozent und vier Prozent steigen werden. Hauptsächlicher Grund dafür ist die konjunkturelle Erholung nach den Krisenjahren 2009 und 2010, die vor allem wieder mehr Gewerbesteuer in die öffentlichen Haushalte fließen lässt. Dennoch besteht für kaum einen Kämmerer in Deutschland Grund zum Jubeln. Denn in absoluten Zahlen bedeutet das Plus zunächst einmal nur, dass der Stand von 2008 wieder erreicht wird: Hatten die Gemeinden 2008 insgesamt noch 77 Milliarden Euro aus Steuereinahmen zu verzeichnen, so sind es 2011 trotz deutlicher Zuwächse immer noch nur 73,7 Milliarden Euro. Erst 2012 wird mit prognostizierten 79,1 Milliarden Euro den Schätzungen zufolge die Vor-Krisen-Marke geknackt. Doch die Mehr-Einnahmen sind für die Gesundung der ausgetrockneten Haushalte der Öffentlichen Hand nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn ihnen stehen ebenfalls steigende Ausgaben gegenüber: 2010 gaben die Gemeinden und Gemeindeverbände nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes insgesamt rund 182 Milliarden Euro aus, das waren 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Defizit der Kommunen betrug am 31. Dezember 2010 7,7 Milliarden Euro. Hinzu kommt der bekannte Schuldenberg der öffentlichen Haushalte, der im vergangenen Jahr die Rekordhöhe von knapp 122 Milliarden Euro, davon über 40 Milliarden Euro in Kassenkrediten erreichte. Von einer Entwarnung kann also trotz der erfreulichen Aussichten auf steigende Steuereinnahmen nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Dem steigenden Finanzbedarf der Städte und Gemeinden ist der zu erwartende Mittelzufluss weiterhin nicht gewachsen. Allen Konsolidierungsbemühungen zum Trotz werden die Kommunen auch in Zukunft auf verlässliche Finanzquellen angewiesen sein. Die erforderlichen Mittel stellt die Kreditwirtschaft bisher in ausreichendem Volumen zur Verfügung. Weniger und teurere Kredite Das könnte sich nun ändern. Denn einige der unter Basel III geplanten regulatorischen Anforderungen setzen die Banken auf eine rigide Verschuldungsdiät, was mittelbar zu einem Rückgang der ausgereichten Kommunalkredite führen wird. Denn die neuen Vorgaben sehen eine feste Schuldenobergrenze für Kreditinstitute vor. So will man eine Ursache der jüngsten Finanzkrise für die Zukunft verhindern. Bei der umstrittenen Kennziffer handelt es sich um den Quotienten aus Kernkapital im Zähler und dem Bruttoexposure zuzüglich außerbilanzieller Positionen im Nenner. Diese "Leverage Ratio" setzt demnach das bilanzielle Eigenkapital in Relation zur Summe der bilanziellen und außerbilanziellen Aktiva. Nach aktuellem Stand der Diskussion soll die Quote auf 3,0 Prozent begrenzt werden, die Bilanzsumme darf demnach nicht mehr als das 33-Fache des Eigenkapitals betragen. Ziel der Begrenzung ist es, eine allzu hohe Fremdkapitalabhängigkeit bei den Banken zu verhindern. Ab 2013 müssen die Kreditinstitute die Leverage Ratio an die Aufsicht melden und ab 2015 veröffentlichen. Bis 2017 ist eine Beobachtungsperiode vorgesehen, während der gegebenenfalls die Berechnungsmodalitäten angepasst werden. Zum 1. Januar 2018 könnte die Leverage Ratio dann als verbindlich einzuhaltende Kennziffer eingeführt werden. Wie beschrieben setzt die Leverage Ratio Nominalvolumina ins Verhältnis zum Eigenkapital. Der risikoorientierte Ansatz von Basel II würde somit durchbrochen. Dies hätte Auswirkungen insbesondere für margenärmere Geschäftsfelder wie die Kommunal-, aber auch die Immobilienfinanzierung. Die Finanzierung deutscher Kommunen ist als kreditrisikoarmes Geschäftsfeld durch niedrige Margen gekennzeichnet. Oder anders betrachtet: Die Kommunen profitieren bislang durch günstige Konditionen von der privilegierten Null-Prozent-Risikogewichtung bei der Eigenkapitalunterlegung von Banken. Wollen die Kreditinstitute die Vorgaben zur Leverage Ratio erfüllen, bleiben ihnen nur zwei Möglichkeiten: Sie müssen gegebenenfalls ihr Eigenkapital erhöhen und die entsprechenden Kosten an die Kunden weitergeben. Oder sie müssen ihre Bilanzsumme reduzieren und auf Neugeschäft verzichten. Hiervon wären insbesondere auf den Kommunalkredit spezialisierte Institute wie die Pfandbriefbanken betroffen. Führt man sich vor Augen, dass über 40 Prozent der deutschen Staatsfinanzierung von den im Verband der deutschen Pfandbriefbanken (vdp) zusammengeschlossenen Instituten getragen werden, liegen die Auswirkungen auf der Hand. Eine Zurückhaltung oder gar ein Rückzug der bedeutendsten Gruppe der Finanzierungspartner deutscher Gebietskörperschaften würde zu einer signifikanten Verteuerung und Verknappung des Kreditangebots führen. Da auch die übrige Kreditwirtschaft den Basel-III-Regularien unterliegt und weitere geschäftsbegrenzende Maßnahmen umgesetzt werden sollen (zum Beispiel Liquiditätskennziffern wie die Net Stable Funding Ratio), ist die Sorge vor einer Kreditklemme für deutsche Kommunen durchaus begründet. Dabei drängt die Zeit. Die Basel-III-Regularien sehen zwar eine Beobachtungsperiode bis 2017 vor, doch ihre Auswirkungen sind schon heute spürbar. Die Kreditwirtschaft beginnt, sich umzuorientieren. Eine Reihe von Marktteilnehmern hat bereits angefangen, sich aus dem Kommunalfinanzierungsgeschäft ganz oder teilweise zurückzuziehen. Melde- statt Pflichtkennziffer Was ist zu tun? Ein sinnvoller Weg wäre es, die Leverage Ratio zukünftig als zu beobachtende Meldekennziffer in Säule II des Baseler Rahmenwerks und nicht als Pflicht-Kennziffer in Säule I zu verankern. Sie würde damit ausreichende Berücksichtigung finden, ohne dass ein geschäftsverhindernder Automatismus installiert wäre. Hilfsweise wäre die Berücksichtigung des Kreditrisikogehalts des refinanzierten Geschäfts im Rahmen der - dann meldepflichtigen - Kennziffer denkbar. Werden die Anforderungen des Baseler Ausschusses aber unverändert in die Rechtsprechung übernommen, bedeutet das für die Pfandbriefbanken bürokratischen und sicher auch betriebswirtschaftlichen Mehraufwand. Sie werden einige Anstrengungen unternehmen müssen, um ihr Geschäftsmodell diesen Rahmenbedingungen anzupassen. Die deutschen Kommunen jedoch würde die nicht modifizierte Einführung der Baseler Regularien in weitaus stärkerem Ausmaß belasten. Das kann nicht das erwünschte Ziel von Maßnahmen sein, die doch eigentlich zur Stabilisierung des Wirtschaftssystems und zur Krisenprävention entworfen wurden.

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