Recht und Steuern

Pflicht zum Winterdienst

Sinken die Temperaturen auf Null Grad und darunter, dann lauern auf Bürgersteigen, Straßen, Treppen und Plätzen viele Gefahren. Mal haben sich spiegelglatte Eisflächen gebildet, mal verbirgt sich der rutschige Untergrund unter frisch gefallenem Schnee. Eigentümer und Mieter von Immobilien haben grundsätzlich dafür zu sorgen, dass die Wege auf und vor ihren Grundstücken keine Gefahr für Passanten darstellen. Doch wie weit geht diese sogenannte Verkehrssicherungspflicht? Darüber müssen deutsche Gerichte im Einzelfall immer wieder entscheiden.

Streng genommen müsste ein Immobilienbesitzer rund um die Uhr mit Eimer, Sand und Schaufel bereit stehen, um gegen Schnee und Eis einschreiten und andere Menschen schützen zu können. Aber das ist niemandem zuzumuten. Deswegen legt die Justiz immer wieder die Grenzen dafür fest, was die Allgemeinheit vom Einzelnen erwarten darf.

So war das Oberlandesgericht Brandenburg (Aktenzeichen 5 U 86/06) mit dem Fall einer Mieterin befasst, die ihr Haus um 4.45 Uhr verlassen wollte und dabei auf einer vereisten Treppe schwer gestürzt war. Die Brandenburger Richter entschieden: Um diese Zeit kann man noch nicht von nennenswertem Fußgängerverkehr sprechen, deswegen musste auch noch nicht geräumt sein.

Einen Mann aus München hatte es gut eine Stunde später als die Frau aus Brandenburg erwischt. Er wollte etwa um sechs Uhr zu seinem Auto, fiel aber bereits auf dem Gehweg hin und verletzte sich am Knie. Daraufhin verklagte er die Stadt München, weil deren kommunale Verordnung ein Räumen an Werktagen erst ab 6.30 Uhr vorschreibt.

Auch dieses "Winter-Opfer" verlor jedoch seinen Prozess. Die Richter des Landgerichts München I (Aktenzeichen 6 O 23924/04) hielten die von der Kommune festgelegten Zeiten für angemessen. Eine Sonderregelung für besondere Witterungsverhältnisse, wie vom Kläger angeregt, verwirre die verkehrssicherungspflichtigen Bürger nur.

Nicht jedem Mieter kann es zugemutet werden, den in der Hausordnung vorgeschriebenen Räum- und Streuaufgaben tatsächlich nachzukommen. Kranke, alte und behinderte Menschen wären dazu oft gar nicht in der Lage. Allerdings müssen sie sich dann in anderer Form beteiligen - zum Beispiel, indem sie einen vom Eigentümer beauftragten professionellen Winterdienst (mit)finanzieren.

Das Amtsgericht Münster (Aktenzeichen 5 C 805/05) entschied das im Falle eines zu 90 Prozent schwer Behinderten. Der hatte zuvor in einem anderen Prozess feststellen lassen, dass er selbst nicht räumen könne.

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen man die Verkehrssicherungspflicht etwas lockerer sehen muss, stellte das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 7 U 157/06) fest. Eine Gemeinde hatte einem Anwohner die Streupflicht übertragen, dessen Grundstück zwar an eine Straße grenzte, zu der er aber weder rechtlichen noch tatsächlichen Zugang hatte. In diesem Fall schien es den Richtern willkürlich und damit nicht vertretbar, den Eigentümer zum Räumen zu zwingen.

Manchmal sind es ganz schöne Umwege, die ein Hauseigentümer gedanklich beschreiten muss, um für eine ordnungsgemäße Verkehrssicherung zu sorgen. So ging es in einem Fall des Landgerichts München II (Aktenzeichen 8 S 3428/05) um eine undichte Dachrinne. Normalerweise kein großer Anlass zur Sorge, aber in der kalten Jahreszeit tropfte aus der Rinne Wasser auf den Bürgersteig und bildete eine schwer erkennbare Eispfütze. Eine ältere Dame stürzte und brach sich das Sprunggelenk. Die Justiz verurteilte den Hauseigentümer zur Zahlung von Schmerzensgeld.

Unmögliches kann niemand leisten. Während eines Schneegestöbers oder Eisregens zum Beispiel wäre das Räumen komplett sinnlos, weil die Gefahrenstelle schlichtweg nicht zu sichern ist. Deswegen verlangt die Rechtsprechung solche dramatischen Einsätze auch nicht. In derartigen Fällen, so das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen 9 U 220/03), reicht eine Beobachtung der Wetterlage

- und ein Einschreiten zu dem Zeitpunkt, zu dem das auch halbwegs Erfolg verspricht. Das Umweltbewusstsein der Menschen ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewachsen. Deswegen wird im alltäglichen Winterdienst auch weniger Salz angewendet als früher. Es gibt allerdings Situationen, in denen statt Split, Sand oder Asche das aggressivere Salz geradezu geboten sein kann, urteilte das Amtsgericht München (Aktenzeichen 261 C 11411/98). Bei gefrierendem Regen an der Ausfahrtrampe einer Tiefgarage etwa dürfe man Salz als das einzig wirksame Gegenmittel erwarten. Wie oft muss während des Tages geräumt werden, wenn vom Himmel immer neuer Schnee fällt? Vor einiger Zeit befasste sich das Landgericht Bochum (Aktenzeichen 2 O 102/04) mit dieser Problematik. Es stellte dabei folgende Faustregel auf: Wurde morgens gründlich geräumt, dann reichen - bei fortgesetztem Schneefall - weitere Nacharbeiten zur Mittagszeit.

Gerichte schreiben den Schutz für Passanten in der Regel sehr groß. Sie verlangen allerdings auch einige Aufmerksamkeit von demjenigen, der sich bei Schnee und Eis in der Öffentlichkeit bewegt. Das Thüringer Oberlandesgericht (Aktenzeichen 4 U 646/04) hatte es mit einem Fußgänger zu tun, der wegen eines nachlässigen Hausbesitzers auf einem nicht gestreuten Gehweg gestürzt war. Weil er selbst die Gefahr hätte erkennen und darauf reagieren müssen, durfte er vom Grundstückseigentümer nur die Hälfte des eigentlich fälligen Schadenersatzes kassieren.

(LBS-Infodienst Recht und Steuern)

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