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Die Schaffung neuen Wohnraums in Ballungszentren - innovative Ansätze der Stadt Frankfurt

Es gibt einen wesentlichen Faktor, der die gesamtstädtische Entwicklung Frankfurts in den letzten Jahren besonders stark geprägt hat: Das Bevölkerungswachstum. Seit dem Jahr 2003 ist die Einwohnerzahl um rund 70 000 auf jetzt knapp 700 000 gestiegen, im letzten Jahr allein um 15 000. Dieser enorme Zuwachs entspricht in etwa der Bewohnerzahl einer Stadt wie Fulda. Zurzeit wächst Frankfurt am Main um mehr als 300 Menschen pro Woche. Damit wird die Bevölkerungsprognose, die für das Jahr 2020 rund 725 000 Einwohner vorausgesagt hat, wahrscheinlich schneller als erwartet übertroffen.

Ein kleinerer Teil des Zuwachses stammt aus dem Geburtenüberschuss, der weitaus größere Teil sind Zuzüge - aus Hessen, aus Deutschland, aus Europa. Zuzüge, die vornehmlich aus der Bedeutung Frankfurts als Wirtschaftsstandort resultieren. Deutschlandweit liegen zwei Drittel aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Großstädten und ihrem Umfeld. Die Werktätigen ziehen näher an ihre Arbeitsplätze. Aber auch für ältere Menschen ist der Weg zurück in die Städte interessant. Hier finden sie seniorengerechte Wohnungen, eine gute ärztliche Versorgung, ein dichtes Netz an öffentlichen Transportmitteln und ein vielfältiges kulturelles Angebot. Für Familien bietet sich eine Kinderbetreuungsstruktur und Schulangebote, die kein Landkreis in ähnlicher Form mit entsprechend kurzen Wegen vorhalten kann. Und in einem geeinten Europa, in der die Freizügigkeit zu den Grundrechten gehört, steht es jedem frei, sein Glück in der Rhein-Main-Region zu suchen.

Steigende Nachfrage trifft auf knappes Angebot

Dieser gewaltige Zuwachs hat Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Einer steigenden Nachfrage steht ein in nicht gleichem Umfang steigendes Angebot gegenüber. Die Konsequenz in einer Marktwirtschaft ist klar: Mieten und Immobilienpreise steigen. Und das kontinuierlich von Jahr zu Jahr. Das ist in Frankfurt zwar noch nicht flächendeckend der Fall, aber in den stark nachgefragten Stadtvierteln gibt es spürbare Verdrängungseffekte. Die Folgen sind, dass Menschen sich entweder ihre Mietwohnung nicht mehr leisten können oder stärker auf Sozialleistungen wie Wohngeld angewiesen sind.

Aber wie groß ist der Druck wirklich? Eine einfache Kenngröße ist die Zahl der Wohnungen, die auf die Zahl der Haushalte kommt. Von einem ausgeglichenen, entspannten Wohnungsmarkt kann man sprechen, wenn auf 100 Haushalte 103 Wohnungen kommen. Dann existiert eine sogenannte Fluktuationsreserve. In Frankfurt kamen 2012 auf 100 Haushalte aber nur 95 Wohnungen - Tendenz fallend. Das heißt, Frankfurt hat einen angespannten Wohnungsmarkt und die Schere geht weiter auseinander. Wollte man diese Schere schließen, also auf 103 Wohnungen pro 100 Haushalte kommen, so bedürfte es 30 000 zusätzlicher Wohnungen. Aber einen solchen entspannten Wohnungsmarkt gibt es in keiner wachsenden Großstadt und er wird auch nicht zu erreichen sein. Also hilft diese theoretische Betrachtung nur sehr bedingt weiter.

Einen anderen Ansatz hatte die Wohnungsbedarfsprognose, die der Magistrat in Auftrag gegeben hat. Basierend auf der Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung hat das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) aus Darmstadt bis 2030 einen Wohnungsbedarf von rund 32 000 Wohneinheiten berechnet. Also eine ähnliche Gesamtsumme, aber über einen Zeitraum von gut 20 Jahren. Hinzu kommt, dass der Markt es aus sich heraus nicht leistet, alle Einkommensschichten mit Wohnraum zu versorgen. Im hochpreisigen Bereich wird überproportional viel und im günstigen Segment zu wenig gebaut. Dem muss die Stadt entgegenwirken. Fördermittel werden zur Verfügung gestellt, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Die Stadtregierung aus CDU und Grünen hat diese Mittel annähernd verdoppelt auf jetzt 45 Millionen Euro im Jahr. Dabei existiert eine Vielzahl von Förderprogrammen, bei denen es nicht nur um Sozialwohnungen geht. Gefördert werden auch Wohnungen für Familien, Senioren oder Studierende.

Daneben wird die Umwandlung von Büros in Wohnungen, aber auch von ganzen Gewerbegebieten unterstützt. In guten Jahren macht dies bis zu 20 Prozent der neuen Wohnungen aus. Allerdings hat die Stadt auf diese in Privatbesitz befindlichen Immobilien keinen direkten Zugriff. Es obliegt dem Eigentümer zu entscheiden, ob er umwandelt. Und nicht jedes Gebäude eignet sich. Bei all dem dürfen auch die Belange der Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitsplätze nicht aus den Augen verloren werden.

Ein weiterer Versuch ist, innerstädtische Brachflächen zügig bebauen zu lassen. Dafür wird jetzt eine Stadtentwicklungsgesellschaft tätig, die geeignete Grundstücke schneller an Bauwillige, insbesondere gemeinschaftliche Wohnprojekte, vermitteln soll. Außerdem soll mit Milieuschutzsatzungen im innerstädtischen Bereich den Verdrängungseffekten ein Stück weit entgegengewirkt werden.

Beeindruckende Bautätigkeit

Was die tatsächliche Bautätigkeit in Frankfurt angeht, sind die Zahlen recht beeindruckend: 2002 gab es rund 69 000 Wohngebäude und 344 000 Wohnungen. 2012 waren es schon 74 000 Wohngebäude mit 366 000 Wohnungen. Das heißt, es gab in den vergangenen zehn Jahren einen Zuwachs von 5 000 Wohngebäuden mit 22 000 Wohnungen. Die genehmigte Bausumme im Wohnungsbau lag 2013 bei 556 Millionen Euro, 2012 sogar bei 630 Millionen Euro und 2011 bei 427 Millionen Euro. Die Zahl der genehmigten Wohnungen 2011 betrug 3 200, steigerte sich im Jahr 2012 auf 3 400 und erreichte 2013 mit 5 300 den höchsten Wert der vergangenen 50 Jahre. Frankfurt ist damit bundesweit Spitzenreiter, was die genehmigten Wohnungen pro Einwohner angeht.

Das Wachstum hat aber weitere Konsequenzen: Die Infrastruktur muss ausgebaut werden - etwa für Verkehr, Bildung, Kinderbetreuung. Um allen Nutzungsansprüchen bei einer begrenzten Stadtfläche gerecht zu werden, ist ein äußerst komplizierter Abwägungsprozess nötig und es bedarf einer weit in die Zukunft reichenden Stadtentwicklungsstrategie, die einen Zeitraum bis 2030, 2040 oder 2050 im Auge hat. Eine Strategie, für die der Magistrat unter Federführung des Planungsdezernats schon Vorarbeiten geleistet hat und die breit angelegt mit der Öffentlichkeit diskutieren wird.

Eine solche Strategie sollte aber nicht nur fachlich-technische Lösungen für einen Wachstumsprozess liefern, sondern muss ganzheitlich und interdisziplinär angelegt sein. Soziales und Integration müssen dort genauso Raum finden wie Wirtschaft und Verkehr. Leitend muss die Frage sein: Wie wollen wir in Zukunft in dieser Stadt zusammenleben? Wie finden auch in den nächsten Jahrzehnten die Weltstadt Frankfurt und die Heimat Frankfurt zueinander?

Sehr deutlich werden die Herausforderungen bei der Frage der Flächen für den Wohnungsbau. Die wenigen noch unbebauten innerstädtischen Grundstücke, der Ausbau von Dachgeschossen und mögliche Nachverdichtungen allein reichen nicht aus. Denn gerade bei den Nachverdichtungen stößt man auch an Grenzen. Während in Harheim zum Beispiel gut 900 Menschen pro Quadratkilometer wohnen, sind es im Nordend 11 000. Weitere Nachverdichtungen sind dort in der Regel ohne negative Auswirkungen auf die Lebensqualität sowie das Mikroklima kaum vorstellbar. Die Stadt wird also weitere Bebauungspläne aufstellen, Frankfurt an den Ortsrändern weiterentwickeln und Freiflächen in Anspruch nehmen müssen.

Neue Quartiere und die Weiterentwicklung von Stadtteilrändern bieten auch für bestehende Strukturen eine Chance. Von der Schaffung neuer Bildungs- oder Kinderbetreuungseinrichtungen kann die angestammte Bevölkerung profitieren. Möglicherweise wird die Einzelhandelsstruktur verbessert. Oder durch den Bevölkerungszuwachs lohnt sich plötzlich der Bau einer Seniorenwohnanlage, die sich vorher nicht gerechnet hätte.

Bei allen Planungen für den Neubau darf aber die Qualität nicht aus den Augen verloren werden. Im Bau sind das zum Beispiel energetische Standards oder Barrierefreiheit, ebenso wie das Erscheinungsbild. Und nicht minder wichtig ist der Erhalt grüner und ökologischer Qualitäten in Frankfurt. Das ist nicht nur eine Frage von Lebensqualität und Erholungsflächen, sondern eine elementare Aufgabe, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen.

Gefährliche Konsequenzen des Nichtstuns

Es gibt aber auch Stimmen, die diesem Wachstum kritisch gegenüberstehen. Nichts tun hätte aber ebenfalls Konsequenzen: Zuerst einmal würde der Druck auf bestehende Wohnquartiere weiter steigen. Wer es sich leisten kann, findet eine Wohnung. Die anderen werden nach und nach an die Ränder und dann aus der Stadt gedrängt. Eine massive soziale Entmischung wäre die Folge. Und der Wohnungsbau findet dann nicht in Frankfurt, sondern noch stärker in der Region statt. Dort werden dann Flächen in größerem Umfang versiegelt, dort findet dann eine weitere Zersiedlung statt, dort werden in höherem Maße landwirtschaftlich genutzte Flächen wegfallen. Und vor allem wird der Verkehr zunehmen. Schon jetzt gibt es in Frankfurt täglich 335 000 Einpendler. Die Zahl wird steigen, mit all den damit verbundenen Folgen: Lärm, Abgase, Unfälle. Dazu kommen 75 000 Auspendler. Insgesamt scheint die weitere Zersiedlung unter Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutz die wesentlich schlechtere Variante.

Ähnlich verhält es sich mit der Bebauungsdichte: Eine dichtere, urbane Bebauung bedeutet weniger Flächenverbrauch pro Kopf, ist nachhaltiger und energieeffizienter. Die Ballungsräume und Großstädte sind die Orte, an denen sich die Energiewende und ein erfolgreicher Umgang mit dem Klimawandel entscheiden: durch innovatives Bauen, intelligente Energieversorgung, geringen Flächenverbrauch und eine Planung, die mehr öffentlichen Personennahverkehr und weniger motorisierten Individualverkehr unterstützt. Aber nur, wenn die Stadt dafür sorgt, dass Wachstum auch diese Qualitäten beinhaltet.

Dichtere Bebauung ist nachhaltiger

Eine ökologische Bilanz kann nicht unter alleiniger Betrachtung eines Stadtteils, nicht einmal unter alleiniger Betrachtung der Stadt Frankfurt gezogen werden. Was an ökologischen Eingriffen im Stadtgebiet abgewehrt wird, führt in der Region an anderer Stelle eventuell zu größeren Schäden. Frischluftzufuhr, Trinkwasserversorgung, Flächenversiegelung und Artenschutz kennen keine Stadtgrenzen.

Außer Frage steht aber auch, dass langfristig die Herausforderungen der Zukunft nur regional gelöst werden können. Weder die kompakte Stadt noch die dezentrale Stadtregion sind die alleinige Antwort, sondern müssen gemeinsam gedacht und entwickelt werden. Dazu braucht es aber ein stärker ausgeprägtes gemeinsames Problembewusstsein, gemeinsame verbindliche Ziele und arbeitsfähige regionale Strukturen. Früher oder später muss Frankfurt sich wieder der Frage nach einer politischen Verfasstheit der Region widmen, egal unter welchem Namen. Vielleicht könnten hier Offenbach und Frankfurt der Motor einer solchen Entwicklung sein?

Frankfurt befindet sich in einer sehr spannenden Phase der Entwicklung mit sehr vielen Herausforderungen. Es braucht eine offene Debatte über das Wachstum und seine Folgen. Denn Wachstum darf nicht nur quantitativ betrachtet werden. Wachstum braucht Qualität und das ist die Kernaufgabe nachhaltiger, zukunftsfähiger Politik.

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