Schwerpunkt Kommunalkredit

Im Westen was Neues - Investitionen in niederländische Wohnungsbaugesellschaften

Die Leverage Ratio setze, so ist von den Kreditinstituten zu hören, falsche Anreize, weil sie das margen- und risikoarme Geschäft mit der öffentlichen Hand unattraktiv mache, sodass es zugunsten höher verzinster, risikoreicherer Engagements zurückgefahren würde. Dass trotzdem auch im Staatskredit höhere Renditen bei geringem Risiko zu erzielen sind, zeigt der Autor am Beispiel Niederlande. Dort finanziert sein Haus einen staatlich garantierten Fonds, der Investitionen im sozialen Wohnungsbau unterstützt. Damit liegt den Finanzierungen einerseits ein realer Wert zugrunde, andererseits sind die Darlehen deckungsstockfähig für öffentliche Pfandbriefe. Ein Modell auch für Deutschland? (Red.)Das wirtschaftliche Herz der Niederlande schlägt im Westen des Landes. Dort erstreckt sich auf einer Fläche von rund 8000 Quadratkilometern die Region Randstad, zu der mit Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht die vier größten Städte des Landes gehören. Zahlreiche internationale Konzerne sind mit einem Standort in Europas fünftstärkstem Wirtschaftsraum vertreten. Vier Fünftel der niederländischen Wirtschaftsleistung werden in der Randstad erbracht. Das Ballungsgebiet im Westen steht auch im Mittelpunkt des niederländischen Immobilienmarktes. Von den europäischen Immobilieninvestitionen im Jahr 2010 wurden etwa zehn Prozent in den Niederlanden getätigt, der überwiegende Teil davon in der Region Randstad. Laut Jones Lang Lasalle betrug das Transaktionsvolumen des deutschen Nachbarn allein bei Gewerbeimmobilien im vergangenen Jahr rund 6,1 Milliarden Euro. Damit verbesserte es sich gegenüber dem Jahr 2009 gleich um 15 Prozent. Selbstverständlich können die Niederlande beim Volumen nicht mit den Top 5 des europäischen Immobilienmarktes mithalten: Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien vereinten im Jahr 2010 knapp 80 Milliarden Euro Investitionsvolumen in Gewerbeimmobilien auf sich. Doch ihren Status als attraktiver Immobilienmarkt verfestigen die Niederlande eindrucksvoll Jahr für Jahr. Die Mieten sind im Vergleich zum Vorjahr überwiegend stabil, die Sicherheit der Erträge in den Top-Lagen ist konstant hoch. Damit einher geht ein weiteres Asset: Der niederländische Immobilienmarkt präsentiert sich - vor allem an den Top-Standorten - äußerst schwankungsresistent. Die Preise entwickeln sich moderat und bieten durchaus noch Steigerungspotenzial. Zumal die niederländischen Gemeinden nur noch in begrenzter Zahl gewerbliche Neubauten genehmigen. Das Angebot an modernen Büroimmobilien wird damit eingeschränkt. Für die bestehenden Top-Immobilien sind daher in Zukunft eher steigende Preise zu erwarten. Weitreichendes Engagement in den Niederlanden Von der Attraktivität des niederländischen Marktes und seinen Wachstumsaussichten ist die Deutsche Hypothekenbank schon lange überzeugt. Benelux zählt neben Großbritannien, Frankreich, Spanien und den USA zu den internationalen Zielländern der Bank. Bereits seit dem Jahr 1990 ist die Deutsche Hypo mit einem Standort in Amsterdam vertreten. Seitdem baut sie ihre Immobilienfinanzierungsaktivitäten in den Niederlanden sukzessive aus. Zahlreiche Bürogebäude, Einkaufszentren und Hotels - speziell in der Region Randstad - finden sich inzwischen im Finanzierungsportfolio der Bank. Das Engagement der Deutschen Hypo in den Niederlanden beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Finanzierung gewerblicher Immobilien. Es beinhaltet genauso das Kapitalmarktgeschäft, die zweite Säule ihrer Geschäftsstrategie. Den Kern der Kapitalmarktaktivitäten bildet dabei das Staatskreditgeschäft mit einem Anteil von 40 Prozent der Bilanzsumme der Bank. Dieses per se eher margenarme Geschäft lässt sich auf Dauer nur profitabel betreiben, wenn man sich über öffentliche Pfandbriefe refinanzieren kann. Das Investitionsspektrum orientiert sich dabei an den Regelungen des Pfandbriefgesetzes, wonach lediglich Kredite an die USA, Schweiz, Kanada, Japan sowie an EU-Staaten wie eben die Niederlande als Deckung für den öffentlichen Deckungsstock qualifiziert sind. Strategische Neuausrichtung im Staatskreditgeschäft Obgleich die Deutsche Hypo in den am stärksten betroffenen Staaten wie Griechenland, Irland und Portugal nur marginal engagiert ist, spürt sie die Auswirkungen der Schuldenkrise in Form von Bewertungsschwankungen anderer Portfolios. Vor diesem Hintergrund hat die Bank ihr Staatskreditgeschäft neu ausgerichtet. Fortan wird sie sich hauptsächlich in Deutschland, Frankreich und Österreich sowie in Skandinavien und Benelux engagieren. Diesen Regionen misst das Kreditinstitut die höchste Stabilität bei - nicht zuletzt, weil das dort generierte Neugeschäft in den vergangenen zwei Jahren nur eine geringe Bewertungsvolatilität aufwies. Die strategische Neuausrichtung berücksichtigt dabei bereits die Anforderungen von Basel III im Allgemeinen und von Liquidity Cover Ratio, Net Stable Funding Ratio und Leverage Ratio im Besonderen. Darüber hinaus - und damit kommen die Niederlande gleich wieder mit ins Spiel - beinhaltet die modernisierte Geschäftsstrategie der Deutschen Hypo, dass ein Teil des neuen Staatskreditgeschäfts in Darlehen erfolgen soll, denen ein reales Geschäft zugrunde liegt. Reizvoll daran ist, dass diese finanzierten Geschäfte aus sich selbst heraus einen Cash-Flow generieren. Um allerdings den Ansprüchen des Pfandbriefgesetzes zu genügen, muss das zugrunde liegende Geschäft mit der Garantie oder Bürgschaft einer staatlichen oder unterstaatlichen Stelle versehen sein. Nur dann ist die Deckungsstockfähigkeit gegeben und eine Refinanzierung über öffentliche Pfandbriefe realisierbar. In Betracht kommen einzig Darlehen, die zur Finanzierung der Daseinsfürsorge dienen, beispielsweise Verkehrs-, Gesundheits- und Telekommunikationsprojekte sowie sozialer Wohnungsbau. Ein Erfolgsmodell namens WSW Eine interessante Option stellen dabei solche Darlehen an niederländische Wohnungsbaugesellschaften dar, die über Bürgschaften des Waarborgfonds Sociale Woningbouw (WSW) verfügen. Der WSW ist eine privatrechtliche, nicht auf Profit ausgerichtete Stiftung und wurde im Jahr 1983 von der Vereinigung der sozialen Wohnungsbaugesellschaften gegründet. Dank der Bürgschaften erhalten die Mitglieder des WSW günstigere Konditionen bei Kreditinstituten, ohne grundpfandrechtliche Sicherheiten stellen zu müssen. Der dahinter stehende Prozess ähnelt dem eines Schuldscheindarlehens. Derzeit gibt es in den Niederlanden rund 400 soziale Wohnungsbaugesellschaften, von denen sich mehr als 380 beim WSW engagieren. Der soziale Wohnungsbau spielt in den Niederlanden eine bedeutende Rolle und erhält direkte Förderung von Seiten des Staates. So haben sich das Königreich Niederlande und die einzelnen Kommunen vertraglich verpflichtet, mit jeweils 50 Prozent gesamtschuldnerisch dafür zu haften, dass der WSW die Darlehen stets vollständig bedienen kann. Dieser Haftungsregelung vorgeschaltet ist noch ein zentraler Fonds für das Wohnungswesen, der vom Bau- und Wohnungsministerium eingerichtet worden ist und zunächst im Falle von Darlehensausfällen einspringen würde. Doch so weit kommt es erst gar nicht. Denn der WSW hat einen aufwendigen Prozess initiiert, um eventuelle Schwachstellen frühzeitig zu identifizieren und zu beseitigen: Regelmäßig erstellt der WSW intensive Analysen zur wirtschaftlichen Situation jeder einzelnen Wohnungsbaugesellschaft. Auf Basis der Jahresabschlüsse und Planzahlen nimmt die Stiftung zweimal jährlich Soll-Ist-Vergleiche vor und schätzt die Kreditwürdigkeit jedes einzelnen Mitglieds ein. Rutscht die Bewertung unter eine definierte Mindestschwelle, greifen der WSW und das Bau- und Wohnungsministerium eng in die Geschäftsführung der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft ein. Mit Erfolg, wie die Historie zeigt: Bislang sind die Bürgschaften des WSW noch nie in Anspruch genommen worden. Neues Geschäftsfeld für ausländische Investoren Da überrascht es nicht, dass die Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's das Modell dank der staatlichen Sicherungsmechanismen mit den Bestnoten AAA beziehungsweise Aaa würdigen. Ebenso erfreulich ist, dass die niederländische Aufsichtsbehörde allen WSW-verbürgten Darlehen ein Risikogewicht von null Prozent beimisst. Kreditinstitute müssen diese Geschäfte daher nicht mit Eigenkapital unterlegen. Dank der unwiderruflichen und unbedingten Bürgschaft des WSW zugunsten des Kreditgebers sind die Darlehen zudem deckungsstockfähig und über öffentliche Pfandbriefe refinanzierbar. Aktuell verbürgt der WSW ein Darlehensportfolio von rund 80 Milliarden Euro. Eine Größenordnung, die bisher weitestgehend in den Niederlanden selbst abgedeckt werden konnte. Die Finanzmarktkrise hat allerdings beim deutschen Nachbarn die Finanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt. Daher hat der WSW vor einiger Zeit begonnen, für die Wohnungsbaugesellschaften Darlehensgeber auch außerhalb des Heimatmarktes zu suchen. Mit der Deutschen Hypo hat der WSW Anfang des Jahres 2010 einen geeigneten Finanzierungspartner gefunden. Seitdem investiert die Bank erfolgreich in niederländische Wohnungsbaugesellschaften. Zugute kommen ihr dabei ihre langjährigen Erfahrungen als Staats- und Immobilienfinanzierer in den Niederlanden. Das spezifische, in der Repräsentanz Amsterdam gebündelte lokale Knowhow wird zudem ergänzt durch das Fachwissen der bankeigenen Rechtsabteilung zum niederländischen Recht. Damit fügen sich die bislang weniger bekannten WSW-verbürgten Darlehen ideal in die Geschäftsstrategie der Deutschen Hypo ein. So attraktiv das WSW-Modell auch ist: Europaweit wird es sich voraussichtlich nicht durchsetzen können. Zwar sind in Schweden, Großbritannien und Belgien ähnlich konstruierte Modelle zu finden. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese nicht deckungsstockfähig und für Pfandbriefemittenten wie die Deutsche Hypo daher nicht interessant sind. Auch auf dem deutschen Markt wird das WSW-Beispiel in dieser Form nicht Schule machen: Im Gegensatz zu den Niederlanden, wo der soziale Wohnungsbau rund 35 Prozent am Gesamtbestand ausmacht und weitreichende Unterstützung vom Staat erfährt, ist der deutsche Markt gänzlich anders strukturiert. Hierzulande bewegt sich der Anteil des sozialen Wohnungsbaus beispielsweise nur im einstelligen Prozentbereich. Die Niederlande heben sich mit dem WSW-Modell damit von den anderen europäischen Staaten ab. Die Deutsche Hypo hat die Chancen dieser neuen Finanzierungsmöglichkeit in den Niederlanden frühzeitig erkannt und sich auch in diesem Geschäftssegment bereits als verlässlicher ausländischer Investor etabliert. Eine Ausgangslage, die für die Bank durchaus weitere Geschäftsabschlüsse im Nordwesten Europas erwarten lässt. Und die das Herz der Bank schneller schlagen lässt.

Dr. Jürgen Allerkamp , Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin
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