Wohnungspolitik 2011

Zielgenauigkeit der Wohnraumförderung

In Nordrhein-Westfalen haben sich in der sozialen Wohnraumförderung Zielsystem, Förderinstrumentarium und Förderkulisse in den letzten Jahren zunehmend ausdifferenziert. Mit der Föderalismusreform, mit der den Ländern die gesamte Kompetenz für die Wohnraumförderung übertragen wurde, konnte das Land Nordrhein-Westfalen landesspezifische Gegebenheiten und die besonderen regionalen und landesweiten Erfordernisse noch stärker in die Ausrichtung des Förderinstrumentariums einbringen.

Politische Ziele

Die regionalen Wohnungsmärkte entwickeln sich in Nordrhein-Westfalen ganz unterschiedlich. Die Einflussfaktoren Bevölkerungsentwicklung, aber mehr noch Altersstruktur und insbesondere die Veränderung von Haushaltszahlen führen zu unterschiedlichen Entwicklungspfaden. So bedingen in schrumpfenden Regionen wie zum Beispiel den Kernstädten des Ruhrgebiets oder im Sauer- und Siegerland zurückgehende Haushaltszahlen einen niedrigeren Wohnraumbedarf als in Wachstumsregionen wie der Rheinschiene zwischen Bonn und Düsseldorf, wo insbesondere im Segment des preiswerten Wohnraums anhaltend hoher Bedarf zu verzeichnen ist. Zudem ist in schrumpfenden Regionen mit zunehmenden Leerständen und Preisrückgängen bei Ein- und Zweifamilienhäusern zu rechnen, während in Wachstumsregionen angespannte Wohnungsmarktsituationen vorzufinden sind.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, Förderziele, Förderinstrumentarium und Förderkulisse auf regional diversifizierte Bedarfslagen und hieraus resultierende neue Anforderungen wie zum Beispiel barrierefreies und energiesparendes Wohnen auszurichten. Nordrhein-Westfalen hat mit Wirkung zum 1. Januar 2010 im Rahmen der Föderalismusreform ein neues Fördergesetz (Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum (WFNG) für das Land Nordrhein-Westfalen) mit einem erweiterten Zielkatalog beschlossen. Dabei ist und bleibt es weiterhin klassisches Ziel der sozialen Wohnraumförderung, Wohnraum für Haushalte zu schaffen, die sich am Markt nicht angemessen versorgen können. Jedoch wurden mit dem neuen Fördergesetz in Nordrhein-Westfalen auch zusätzliche Ziele in den Gesetzeskatalog aufgenommen:

- Anpassung bestehenden Wohnraums an die Erfordernisse des demografischen Wandels,

- energetische Nachrüstung bestehenden Wohnraums,

- Erhalt und Stärkung der städtebaulichen Funktion von Wohnquartieren.

Diese relativ abstrakten Zielsetzungen des Gesetzes werden in Nordrhein-Westfalen mit Leitzielen des jährlich aufzustellenden Wohnraumförderungsprogramms konkretisiert. (Quelle: Wohnraumförderungsprogramm 2010 - WoFP 2010 - RdErl. des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW vom 28. Januar 2010). So wurde in den Leitzielen für das Programmjahr 2010 zum Beispiel im Themenschwerpunkt "demografischer Wandel" das Konzept des generationengerechten (demografiefesten) Wohnungsbaus entworfen. Mit dem Ziel, die selbstständige Lebensführung der Bewohner zu wahren, formuliert das Wohnraumförderungsprogramm Anforderungen an generationengerechte Gebäude und Wohnungen, wonach alle Mietwohnungen barrierefrei sein und sich in zentraler Lage mit guter Infrastruktur (Geschäfte, Ärzte, Apotheken) befinden müssen.

Gefördert werden im Neubau für die Zielgruppe der Menschen mit geringem Einkommen insbesondere auch neue Wohnformen, wie zum Beispiel gemeinschaftliche Wohnprojekte, Gruppenwohnungen mit ambulanter Betreuung und kleinere stationäre Pflegeeinrichtungen, sogenannte Pflegeinseln, die im Wohnquartier integriert sind. Das Land Nord-rhein-Westfalen hat für das Jahr 2010 für diesen Schwerpunkt des Neubaus von barrierefreien Mietwohnungen und stationären Wohnformen für Ältere und Behinderte ein Volumen von 400 Millionen Euro (bei einem Gesamtprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro) vorgesehen. Da im Bestand aber ein hoher Anteil von Wohnungen nicht barrierefrei ist, sind Maßnahmen zum Abbau von Barrieren und bauliche Anpassungen von bestehenden vollstationären Pflegeinrichtungen weitere wichtige Bausteine der sozialen Wohnraumförderung in Nord-rhein-Westfalen, die im Programmjahr 2010 mit Mitteln in Höhe von 100 Millionen Euro dotiert wurden.

Präzisierung der Instrumente

Die Förderinstrumente werden in den Förderbestimmungen des Landes präzisiert. Hier wird sehr differenziert festgelegt, wie sich der begünstigte Personenkreis mit welchen Fördervoraussetzungen zusammensetzt, welche Darlehensbeträge für welche Fördergegenstände zu welchen Konditionen gewährt werden, welche Gegenleistung für die Zinssubvention in Form von Miet- und Belegungsbindungen vom Darlehensnehmer gefordert werden und welche städtebaulichen und technischen Anforderungen erfüllt werden müssen. Kurzum, in den hoch regulierten Förderbestimmungen spiegelt sich entsprechend ein sehr ausdifferenziertes Zielsystem der sozialen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen wider.

Eine Besonderheit der Förderbestimmungen ergibt sich aus der seit dem Jahr 2009 völlig neu erstellten Förderkulisse im Land. Seither wird die Förderung nicht mehr an den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes ausgerichtet, sondern an Hand von diversifizierten Bedarfsregionen und Kostenniveaus. So ist in die Definition von vier Bedarfsregionen (hoher, überdurchschnittlicher, unterdurchschnittlicher und niedriger Bedarf) für alle 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen die jeweilige bis 2025 prognostizierte Angebots- und Nachfragesituation des Wohnungsmarktes unter Einbeziehung weiterer Bedarfsindikatoren (zum Beispiel Anteil der SGB II-Bedarfsgemeinschaften an allen Haushalten, Anteil der Sozialwohnungen an allen Haushalten) eingeflossen. Auch orientiert sich seit 2009 in den Förderrichtlinien die Förderintensität an den festgestellten unterschiedlichen Kostenniveaus. Dies alles erlaubt die administrative Steuerung der Wohnraumförderung in allen Landesteilen anhand von nachvollziehbaren, landesweit verfügbaren statistischen Grundlagen.

Im Förderjahr 2009 konnte so beispielsweise erreicht werden, dass im Programmbaustein der barrierefreien Mietwohnraumförderung und der Förderung von stationären Wohnformen für Ältere und Behinderte rund 70 Prozent der Fördermittel in die beiden obersten Bedarfskategorien geflossen sind. Zieht man an dieser Stelle ein Zwischenfazit, so lässt sich für Nordrhein-Westfalen konstatieren, dass

- die soziale Wohnraumförderung in NRW über ein hoch ausdifferenziertes Zielsystem auf gesetzlicher und Programmsteuerungsebene verfügt,

- das Förderinstrumentarium in Form der Förderbestimmungen auf das komplexe Zielsystem ausgerichtet ist und

- die nach Bedarfskategorien und Kostenniveaus geclusterte Förderkulisse im gesamten Land ein hohes Maß an zielgenauer Programmsteuerung (und -kontrolle) ermöglicht.

Wenn man also für Nordrhein-Westfalen die Prüffrage stellt: "Fördern wir die richtigen Dinge", so kann sie angesichts der zuvor geschilderten Fördersystematik mit einem uneingeschränkten Ja beantwortet werden. Dies ist auch aus der umfangreichen Berichterstattung der NRW-Bank im Rahmen der landesweiten Wohnungsmarktbeobachtung ablesbar.*)

Die Frage der Zielgenauigkeit in der Wohnraumförderung hat neben der Zielsystematik auch eine Dimension, die nach der Effizienz der Förderung fragt. Also nicht allein die Frage, ob wir die richtigen Dinge fördern, sondern auch ob wir die "Dinge richtig fördern". Gerade angesichts der aktuellen Diskussion um Mittelknappheit, die der schwierigen Situation der öffentlichen Haushalte geschuldet ist, kommt dieser Prüffrage eine zunehmende Bedeutung zu. So muss es fortwährendes Ziel der Evaluation von Förderpolitik sein, ein Höchstmaß an Fördereffizienz zu erzielen.

Auch in Nordrhein-Westfalen hat die Debatte um Fördereffizienz an Fahrt gewonnen. Im Zusammenhang mit der Regierungsbildung haben SPD und Grüne in ihrer Koalitionsvereinbarung eine Überprüfung des Förderinstrumentariums in der sozialen Wohnraumförderung vereinbart. So sollen eventuelle Überförderungen, Fehlförderungen und Mitnahmeeffekte vermieden werden. Gefragt wird, ob die Subventionsintensität zu hoch ist und ob die fachliche Schwerpunktsetzung noch aktuell ist. Besonders in den Fokus gerückt ist dabei die Förderung von selbst genutztem Wohnraum, für die im Wohnraumförderungsprogramm 2010 noch 500 Millionen Euro an Mitteln zur Verfügung gestellt wurden.

So konnte beispielsweise festgestellt werden, dass der durchschnittliche Darlehensbetrag in der Eigentumsförderung in den letzten drei Jahren von rund 75 000 Euro auf etwa 90 000 Euro angestiegen ist. Zu untersuchen wäre, ob dies angesichts der eher moderaten Preissteigerungen und des historisch niedrigen Zinsniveaus weiterhin zu rechtfertigen ist oder möglicherweise Kostensteigerungen bei Eigenheimen induziert hat. Auch die aus der Konditionengestaltung resultierende Subventionsintensität für die Zielgruppen wird diskutiert.

Koordination zwischen Bund und Land

Ein weiteres Thema der Debatte ist die Frage einer möglicherweise fehlenden Abstimmung zwischen Landes- und Bundesförderung. Zwar sind nach der Föderalismusreform allein die Länder für die Wohnraumförderung zuständig, aber bei den nach Verfassung dem Bund zustehenden Themen Umwelt, Energiesparen und Klimaschutz gibt es nicht wenige Berührungspunkte zwischen der Landesförderung und den Förderprogrammen des Bundes, die ja vor allem auf den Gebäudebestand zielen und über die KfW zur Verfügung gestellt werden.

Von der Systematik her orientiert sich die KfW-Förderung in der energetischen Sanierung grundsätzlich an technischen Anforderungen (zum Beispiel der Energieeinsparverordnung EnEV), kennt aber keine regionale Differenzierung. Dies ist dem Förderauftrag der KfW geschuldet, die wettbewerbsneutral zunächst an der diskriminierungsfreien Impulsgebung zur Marktdurchdringung der effizientesten Energiestandards interessiert ist, die aber eine (regionale) Selektivität nicht beinhaltet, wofür auch beihilferechtliche Gründe angeführt werden können.

Diese Förderprinzipien können mit länderspezifischen Förderstrategien in der Wohnraumförderung dann in Konflikt geraten, wenn beispielsweise wie in Nordrhein-Westfalen die Förderkulisse Regionen und Wohnungsteilmärkte identifiziert, in denen aus demografischen Gründen die Nachhaltigkeit (das heißt eine wirtschaftliche und dauerhafte Vermietbarkeit) der zu fördernden Immobilie nicht gegeben ist.

Auch kann in den Teilräumen eine landesweit einheitliche Förderintensität unterschiedliche Auswirkungen haben. Während es in bestimmten Teilmärkten nicht möglich ist, Kosten für energetische Investitionen über die Miete weiterzugeben, mag dies in anderen Teilmärkten aufgrund höherer Einkommens- und Mietensituation sehr wohl möglich sein. Reicht im Fall niedriger Miet- und Einkommenssituation die Förderintensität möglicherweise nicht aus, eine Investition auszulösen, könnte im entgegengesetzten Fall eine Investition in energetische Sanierung gegebenenfalls auch ohne Subvention erfolgen.

Deshalb bedarf es im Fall energetischer Sanierung künftig einer frühzeitigeren und intensiveren Zusammenarbeit zwischen der KfW und den Ländern, um nicht zuletzt vor dem Hintergrund knapper werdender Fördermittel dafür Sorge zu tragen, dass die Förderstrategien stärker aufeinander abgestimmt und der Mitteleinsatz effizient und mit dem höchsten Maß an Zielgenauigkeit erfolgt.

Fußnote

*) Die NRW-Bank führt im Auftrag des Landes eine umfangreiche Wohnungsmarktbeobachtung durch, in deren Rahmen auch eine sehr differenzierte Förderberichterstattung für die soziale Wohnraumförderung erfolgt - siehe zum Beispiel "Soziale Wohnraumförderung 2009 - Statistischer Bericht", download unter www.nrwbank.de/wohnraumportal/service/publikationen

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