Wohnimmokreditrichtlinie schafft zwei Klassen

Die Auswirkungen der am 23. März 2016 in Kraft getretenen Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKRL) werden von den Betroffenen äußerst unterschiedlich wahrgenommen und diskutiert, zugleich bleiben viele Details offen. Schien die Umsetzung zunächst eher in ruhigen Bahnen zu verlaufen, so ist nun plötzlich eine heftige Diskussion zwischen Bankenverbänden, Verbraucherzentralen (vzbv) und Politikern entbrannt. Hauptursache sind primär die erschreckenden Zahlen eines stark zu verzeichnenden Rückganges im Neugeschäft Baufinanzierung. Diese Entwicklung wird allerdings recht kontrovers interpretiert. Die Diskussion ins Rollen gebracht hat die Meldung des DSGV, dass seine Mitgliedsbanken seit Inkrafttreten der WIKRL herbe Rückgänge, die etwa zehn Prozent im Neugeschäft betragen sollen, zu verkraften haben. Begründet wird dies unter anderem mit den erschwerten Neuerungen bei der Kreditvergabe durch zusätzliche restriktive Normen der WIKRL. Hierzu entbrannte ein heftiger Diskurs in der Presse und der Deutschen Bundesbank, die nicht bereit war, diese Entwicklung zu bestätigen.

Inzwischen haben sich zwei Lager etabliert. Während der DSGV, BVR und die Verbände der Sparda- und PSD-Banken allesamt einen teils starken Rückgang im Neugeschäft von einer Bandbreite um die zehn bis 20 Prozent bestätigen, betont der Bundesverband deutscher Banken (BdB), dass dies bei seinen Mitgliedern nicht der Fall sei. Die Stagnation im Neugeschäft sei vielmehr auf andere Marktfaktoren zurückzuführen. So würden die Mitglieder des BdB bereits lange vor Inkrafttreten der WIKRL traditionell strenge Bonitätsprüfungen durchführen, sodass bei ihnen keine gravierenden Auswirkungen feststellbar sind. Sehr wohl stagniere aber auch bei ihnen das Neugeschäft, was aber primär mit der Sättigung der Märkte beziehungsweise mit Verknappung der Objekte in Verbindung zu bringen sei.

Die Standpunkte sind zu relativieren, zumal nun offizielles Zahlenmaterial der Deutschen Bundesbank vorliegt. Es ist erkennbar, dass im zweiten und dritten Quartal 2016 insgesamt ein Rückgang im Neugeschäft von 9,5 Prozent (Statistik Wohnkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung) gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres zu verzeichnen ist. Diesem Abwärtstrend sind aber die positiven Rahmenbedingungen, wie Wachstum des Marktes 2015 um 22 Prozent, das sicherlich auch auf Sondereffekten beruhen dürfte, ein weiter sinkendes Zinsniveau der Baudarlehen und steigende Immobilienpreise, gegenüberzustellen.

Da sich zwischenzeitlich offensichtlich der Erkenntnisstand durchgesetzt hat, dass vor allem junge Familien und Ältere nun einen erschwerten Zugang zu Wohnimmobilien haben, ist es zu einer bemerkenswerten Aktivität an Stellungnahmen mit Aufforderungen zu Nachbesserungen gekommen. An deren Spitze hat sich jüngst Justizminister Heiko Maas gesetzt, der signalisierte, dass nicht gewünschte Auswirkungen schnellstens abzuschaffen sind. Sein Haus sei mit dem Bundesministerium hierüber "in guten Gesprächen" und deshalb ist mit einem neuen Konzept der Bundesregierung in den nächsten Wochen zu rechnen.

Offen bleiben aber nach wie vor die Details sowie eine Deckelung der Vorfälligkeitsentschädigung, die von den Verbraucherverbänden immer noch mit Nachdruck gefordert wird. Selbst wenn es zu den angekündigten Nachbesserungen kommen sollte, wird die Entwicklung zu einer Zweiklassengesellschaft nicht aufzuhalten sein. Auch droht nach wie vor den Anbietern bei nicht fachkompetenter Information und Beratung ein Widerrufsrecht seitens der Kreditnehmer mit Haftungs- und Rückabwicklungsansprüchen ("Zinsjoker") der Verträge. Wo künftig hier die Auslegung und die Grenzen seitens der Rechtssprechung gezogen werden, bleibt abzuwarten. Die Folge ist, dass der Großteil der Anbieter dies mit einer selbst auferlegten verschärften Kreditwürdigkeitsprüfung vorweg nimmt, analog zu einer großen Anzahl von kleinen und mittelgroßen Vermittlern, die gleichfalls bereits jetzt auf weiteres Geschäft verzichten.

Auch der regulatorische Weg, ob die Anpassungen über eine Änderung des deutschen Umsetzungsgesetzes oder über den Verordnungsweg beziehungsweise über die Bankenaufsicht BaFin zu erfolgen hat, bleibt derzeit offen. Allein die heterogene Diskussion zeigt, dass noch wesentliche Hürden zu nehmen sind, um die gewünschten Änderungen rechtskräftig werden zu lassen.

Prof. Dr. Klaus Fleischer, Hochschule München, Finanz- und Bankwirtschaft; Of Counsel Baker Tilly Roelfs, München

Klaus Fleischer , Prof. (em.) Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, München
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