Immobilien-Spezialfonds

Frischer Wind aus dem Osten

Preisverhältnisse (Angaben in Prozent) Quelle: TH Real Estate Research, JLL, Q1 2015

Europa hat institutionellen Investoren, die ihren Blick über Deutschland hinaus richten, attraktive Alternativen zu bieten. Polen und Tschechien beispielsweise punkten mit einer starken Konjunktur und hohen Kaufkraft. Insbesondere im Einzelhandel bieten sie attraktive Perspektiven, da die Märkte hier weniger überlaufen sind als in Westeuropa. In Polen werden den Investoren für Fachmarktzentren 100 bis 200 Basispunkte höhere Renditen geboten als in Deutschland - und das bei qualitativer Vergleichbarkeit und hoher Transparenz der Märkte. Experten rechnen für die nächsten fünf Jahre für beide Standorte mit einem konjunkturellen Wachstum von durchschnittlich 3,5 beziehungsweise 3,8 Prozent jährlich - der Zeitpunkt für einen Markteintritt im Osten ist also günstig. Red.

Unter institutionellen Investoren hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Anlagebedingungen in Polen günstig sind. Immerhin ist das östliche Nachbarland mit seinen 38,5 Millionen Einwohnern die einzige Volkswirtschaft in der Europäischen Union, die trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise kontinuierlich mit positiven Wachstumsraten überzeugen konnte. Die Konjunktur des Landes zeigt sich stabil und lässt mit ihrer Dynamik auch Deutschland hinter sich. Im vergangenen Jahr ist die polnische Wirtschaft um 3,3 Prozent gewachsen, während die Wachstumsrate in Deutschland bei 1,6 Prozent lag. Nach Ansicht der Experten von Oxford Economics dürfte die polnische Konjunktur sogar noch weiter an Fahrt gewinnen und in den kommenden fünf Jahren um durchschnittlich 3,8 Prozent jährlich zulegen. Zum Vergleich: Für die deutsche Wirtschaft erwarten die Marktforscher eine durchschnittliche Steigerungsrate von 1,9 Prozent in den kommenden fünf Jahren.

Die guten langfristigen Wachstumschancen liegen auch in der steigenden Produktivität Polens begründet. Nach Angaben von Eurostat weist das Land mit die höchsten Produktivitätszuwächse in Europa auf. Demnach liegen die über 15 Jahre kumulierten Wachstumsraten in der Produktion bei 72 Prozent. Im Gegensatz zu anderen osteuropäischen Ländern zeichnet sich Polen zudem durch eine hohe Kaufkraft aus. Die Verschuldung der privaten Haushalte ist gering, die Inflationsraten liegen momentan deutlich unter den Zielraten der Zentralbank. Das bietet gute Rahmenbedingungen für internationale Einzelhändler: Dieses Jahr erwarten Wirtschaftsforscher von Oxford Economics ein Umsatzwachstum im polnischen Einzelhandel von rund 5,4 Prozent. Demgegenüber liegen die Wachstumsprognosen im Einzelhandel für Gesamteuropa bei lediglich 1,9 Prozent.

Attraktiv: Polnische Fachmarktzentren

Von der günstigen Situation des Einzelhandels in Polen profitieren auch die Immobilienmärkte. Insbesondere Fachmärkte und regionale Einkaufszentren stellen stabile und im Vergleich etwa zu Westeuropa derzeit weiterhin attraktive Renditen in Aussicht. Da der Fokus internationaler Investoren bislang auf großvolumigen Büros und Einkaufszentren in den Großstädten liegt, sind die Nettoanfangsrenditen in regionalen Einkaufsund Fachmarktzentren vergleichsweise hoch. Sie liegen mindestens 100, häufig sogar bis zu 200 Basispunkte höher als in Deutschland.

In Großstädten mit 600 000 bis 800 000 Einwohnern mit hoher Konsumentennachfrage sind Fachmarktzentren eine attraktive Anlagemöglichkeit. Das Renditeniveau ist hier weitaus höher als in vergleichbaren Großstädten Deutschlands. So lagen im ersten Quartal 2015 die Nettoanfangsrenditen für polnische Fachmarktzentren bei 8,2 Prozent im Core- und Core-plus-Bereich, für deutsche Fachmarktzentren hingegen bei 6,2 Prozent.

Dabei ist die Qualität polnischer Fachmarktzentren ähnlich wie in Deutschland. Sie verzeichnen eine vergleichbare, teilweise sogar höhere Bauqualität und eine gute Mieterdiversifikation mit bonitätsstarken internationalen Einzelhändlern. Zu den Marktführern im Bereich Lebensmittel gehören zum Beispiel Kaufland, Carrefour und Tesco. Bei den Drogeriemärkten haben Rossmann, Douglas und Yves Rocher einen hohen Marktanteil. In der Modebranche existieren einige international erfolgreiche Konzepte mit Wurzeln in Polen. Labels wie Smyk, Key und Atlantic bewegen sich inzwischen auf westlichem Niveau, die polnische Marke Reserved ist derzeit in Deutschland auf Expansionskurs.

Das Potenzial in den polnischen Einzelhandelsmärkten ist noch lange nicht ausgeschöpft. Die Verkaufsflächen pro Kopf liegen in Polen mit 0,92 Quadratmetern deutlich unterhalb des deutschen Wertes von 1,46 Quadratmetern pro Kopf.

Insgesamt beläuft sich der Immobilienbestand für institutionelle Anleger in Polen nach Angaben von MSCI auf insgesamt etwa 26 Milliarden Euro. Damit gehört das Land im europäischen Vergleich zwar zu den kleineren Märkten. Mit einem Investitionsvolumen von durchschnittlich 3,2 Milliarden Euro in den letzten fünf Jahren bietet Polen Investoren allerdings eine vergleichsweise hohe Liquidität.

Starkes Potenzial in Tschechien

Von ähnlich günstigen makroökonomischen Rahmenbedingungen wie in Polen profitiert momentan auch Tschechien, das zwar gemessen an seinen 10,5 Millionen Einwohnern und seiner Fläche wesentlich kleiner ist, seinem osteuropäischen Nachbarn jedoch in kaum etwas nachsteht. Nach dem rückläufigen Wachstum in den Jahren 2012 und 2013 hat die tschechische Wirtschaft nun die Rezession überwunden und seine Performance 2014 um 2,0 Prozent gesteigert. Der Aufwärtstrend ist nicht zu stoppen. In den kommenden fünf Jahren rechnen die Marktforscher von Oxford Economics mit einem konjunkturellen Wachstum in Tschechien von durchschnittlich rund 3,5 Prozent. Analog zu Polen untermauern auch die Zuwachsraten in der Produktion die langfristigen Wachstumschancen. Laut Erhebungen von Eurostat liegt das Land mit einer Steigerungsrate von 45 Prozent hinter Polen, dessen Steigerungsrate 72 Prozent beträgt.

Die Verschuldung der Haushalte ist in Tschechien ebenfalls gering, die Inflationsrate lag im vergangenen Jahr bei 0,4 Prozent und wird laut Angaben des Auswärtigen Amtes auf einem niedrigen Niveau bleiben. Die Kaufkraft in Tschechien ist im osteuropäischen Vergleich hoch und gibt den Einzelhandelsmärkten Rückenwind. Dieses Jahr erwarten Wirtschaftsforscher von Oxford Economics ein Umsatzwachstum im tschechischen Einzelhandel von rund 2,3 Prozent.

Präsenz westlicher Player

Neben traditionellen nationalen Marken haben sich in der tschechischen Einzelhandelslandschaft viele westliche Player fest etabliert und bauen ihre Präsenz vor Ort weiter aus. So sind zum Beispiel im Lebensmittelbereich Tesco und Penny, bei den Baumärkten Obi und Bauhaus, in der Modebranche C & A und H & M sowie in der Möbelbranche Ikea und Sconto unter den Marktführern. Auch in Tschechien ist das Potenzial von Einzelhandelsobjekten noch lange nicht ausgeschöpft. Die Verkaufsfläche pro Kopf liegt bei 1,03 Quadratmetern und damit deutlich unter denen westeuropäischer Städte. Die Nachfrage nach regionalen Fachmarktzentren ist noch relativ gering: Der Fokus internationaler Investoren liegt eher auf Büroimmobilien und Prime-Einkaufszentren in Großstädten - und zwar überwiegend in Prag.

Mit einem Immobilienbestand von insgesamt 12 Milliarden Euro ist Tschechien nur ein kleiner Markt, zeigt mit einem Investitionsvolumen von rund 1,4 Milliarden Euro im Fünfjahresdurchschnitt jedoch eine aktive Transaktionstätigkeit.

Für zusätzliche Investmentanreize sorgt die hohe Transparenz des polnischen und des tschechischen Immobilieninvestmentmarktes. Im weltweiten Jones Lang Lasalle Global Real Estate Transparency Index führen die beiden Länder die Rangliste der Länder Mittel- und Osteuropas an. So rangiert in einer Liste von 102 Märkten Tschechien auf Platz 24 und Polen weiter vorne auf Platz 17.

Ein zusätzlicher Vorteil für Investoren liegt in der Tatsache, dass viele Mietverträge und Investments bei Einzelhandelsimmobilien in Euro geschlossen werden. Dadurch besteht bei den meisten Investments für den Anleger kein oder allenfalls ein sehr geringes Währungsrisiko, welches durch geeignete Hedgingstrategien abgedeckt werden kann. Zumal sich aus den in Zloty oder in tschechischen Kronen erzielten Einnahmen die Rechnungen lokaler Dienstleister und Handwerker sowie die nationalen Steuern begleichen lassen, sodass sich der in Euro zu wechselnde Betrag weiter reduziert.

Ausländische Investoren haben in Polen und Tschechien generell gute Perspektiven. In beiden Ländern bestehen nicht nur größere makroökonomische Wachstumsaussichten als für Deutschland oder Westeuropa. Auch die Verfügbarkeit des inländischen Eigenkapitals ist limitiert und der Investorenwettbewerb in kleineren bis mittelgroßen Städten für Akquisitionen mit mehr als 10 Millionen Euro begrenzt. Aufgrund eines geringeren Flächen- und höheren Mietpreiswachstums sind Einzelhandels- gegenüber Büroimmobilien besser positioniert.

"Early-Mover" im Vorteil

Darüber hinaus bietet sich in Polen und Tschechien zudem die Chance, den Markteintritt zu einem Zeitpunkt zu vollziehen, zu dem die Einzelhandelsmärkte längst noch nicht so ausgereift sind wie in Westeuropa - und so von der künftigen Entwicklung aufstrebender Märkte zu profitieren. Die Chancen sind groß, bei einem frühen Einstieg höhere Renditen als in den etablierten Immobilienmärkten Westeuropas zu erzielen. Zwar sind internationale Investoren auch in Polen und Tschechien vertreten, doch haben sich diese bislang auf Büros und Einkaufszentren in Prag beziehungsweise in Polen auf Warschau und andere Großstädte konzentriert.

Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass parallel zu den regionalen Einzelhandelsmärkten die Immobilienmärkte ihr Wachstum fortsetzen - vergleichbar mit den Entwicklungen der deutschen und österreichischen Immobilienmärkte in den letzten zehn Jahren. Letztlich wird das zunehmende Interesse ausländischer Investoren die Marktliquidität und damit auch die Exitchancen erhöhen. Alles in allem ist der Zeitpunkt also jetzt günstig, im Umfeld eines aktiven Investitionsmarktes und eines überschaubaren Wettbewerbs die Vorteile des "Early-Movers" zu nutzen.

Der Autor

Andreas Schütz Senior Fund Manager, Warburg-HIH Invest Real Estate GmbH, Hamburg

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