Im Gespräch

"Nachhaltiges Handeln schafft Wettbewerbsvorteile"

Christoph Schmallenbach

Die Generali Deutschland Gruppe hat als erster institutioneller Immobilienbestandshalter in Deutschland ein Nachhaltigkeits-Scoring eingeführt, das in der Lage ist, ein ganzes Immobilienportfolio zu bewerten, statt wie bisher lediglich Einzelobjekte. Ein System, das neben einem Nutzen für nachhaltiges Immobilienmanagement, Energieeffizienz und Wertbeständigkeit auch Herausforderungen mit sich bringt. Die Immobilien & Finanzierung hat die Gelegenheit genutzt, mit Christoph Schmallenbach, COO, CIO und Arbeitsdirektor der Generali Deutschland Holding, über den Nachhaltigkeitshype sowie über die Möglichkeiten, Vorteile und Gefahren, die das Scoring bereithält, zu sprechen. Red.

I&F Herr Schmallenbach, die Generali Deutschland Holding hat als erster institutioneller Immobilienbestandshalter in Deutschland ein Nachhaltigkeits-Scoring für ihr Immobilien-Direktanlageportfolio eingeführt: Wie genau funktioniert das System?

Das System prüft die Nachhaltigkeitsparameter jeder einzelnen Immobilie im Portfolio anhand von mehr als 170 Key-Performance-Indikatoren, vom Flächenverbrauch bis zur Verkehrsanbindung. Statt lediglich eine extern durchgeführte Bewertung von Einzelobjekten durchzuführen - wie es oft üblich ist -, können wir nun ein ganzes Immobilienportfolio durch die Objektkenntnis der jeweiligen Verantwortlichen vor Ort prüfen. Das Scoring wurde kürzlich vom Deutschen Privaten Institut für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (DIFNI) ausgezeichnet. Dadurch sind wir in der Lage, die Objekte mit der weltweit führenden Zertifizierungsmethode - BREEAM, kurz für Building Research Establishment Environmental Assessment Method - zu analysieren.

I&F Was sind die Herausforderungen der Zertifizierung eines kompletten Direktanlageportfolios? Die Zertifizierung eines Portfolios ist alleine schon aufgrund der enormen Datenmenge eine große Herausforderung. Die Generali Real Estate baut bereits seit mehreren Jahren aktiv einen Datenbestand auf, der auch zur Messung der Nachhaltigkeit von Immobilien verwendet werden kann. Die Datenaufbereitung nach den BREEAM-Standards hat uns die Zertifizierung nun deutlich erleichtert.

I&F Wie funktioniert eine Bewertung auf Portfolioebene, wenn man die einzelnen Objekte nicht analysiert?

Wir prüfen jede einzelne Immobilie, die wir im Portfolio haben. Nur auf diesem Wege können wir sicherstellen, dass die Angaben zur Nachhaltigkeit im kompletten Portfolio zuverlässig sind.

I&F Besteht nicht die Gefahr der "Gleichmacherei", wenn ein Durchschnittswert für den Gesamtbestand ermittelt wird, werden also schlechtere Objekte besser gemacht und bessere schlechter?

Nein, vor allem deshalb nicht, weil wir nicht mit Durchschnittswerten arbeiten. Jede einzelne Immobilie bekommt eine Bewertung anhand der vorab definierten Nachhaltigkeitskriterien. Die Nachhaltigkeitsdaten werden von den zuständigen Fachkräften vor Ort erhoben und ins zertifizierte System eingetragen. Die qualifizierte Prüfung der Daten erfolgt durch den Asset Manager der deutschen Niederlassung der Generali Real Estate - die übrigens das Scoring entwickelt hat. Die Mitarbeiter, die diese Prüfung vornehmen, haben hierfür eine spezielle Schulung beim DIFNI durchlaufen. Das Nachhaltigkeits-Scoring berücksichtigt zudem internationale Standards und Empfehlungen wie zum Beispiel aus dem United Nations Environmental Programme (UNEP), der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) oder der Global Reporting Initiative (GRI).

I&F Wie hoch waren die Investitionen in den Aufbau des Systems?

Da unser System nicht nur zur Bemessung der Nachhaltigkeit verwendet wird, sondern auch zur Erstellung der Businesspläne, ist eine Abgrenzung schwierig. Wir sind jedoch überzeugt davon, eine vergleichsweise kostengünstige Lösung entwickelt zu haben: Die Kosten liegen bei unter 5 000 Euro je Objekt, bezogen auf das Thema Nachhaltigkeit.

I&F Wie unterstützt eine solche Immobilienbewertung das Kerngeschäft eines Versicherers? Welche wirtschaftlichen Erfolge verspricht sich Generali vom Ansatz dieses Nachhaltigkeits-Scorings?

Als Versicherer sind wir verpflichtet, verantwortungsvoll mit den Geldern unserer Kunden umzugehen und gleichzeitig Investitionen zu tätigen, die attraktive Renditen erbringen. Das System ermöglicht ein nachhaltiges Immobilienmanagement und dadurch eine größere Wertbeständigkeit, sichert stabile Erträge und den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Das Scoring ist zudem eine kostengünstige Variante für die Nachhaltigkeitsprüfung.

I&F Welche Bedeutung hat die Immobilienanlage inzwischen für Generali Deutschland? Steigt die Immobilienquote? Welche Objektarten haben Sie im Fokus?

Die Generali Deutschland Gruppe unterhält einen Gesamt-Immobilienbestand im Wert von rund 4,2 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um selbst genutzte Gebäude und um Gebäude, die als Investment gehalten und fremdvermietet werden, sowie um Fonds. Der Anteil von Bürogebäuden am derzeitigen Bestand liegt, die Eigennutzung mitgerechnet, bei rund 63 Prozent, Wohnen bei zehn Prozent, Handel inklusive Discountern bei 16 Prozent. Der Rest verteilt sich auf gemischt genutzte Objekte beziehungsweise sonstige Nutzungsarten.

Insgesamt hat die Immobilienanlage derzeit einen Anteil von gut vier Prozent an der Gesamtkapitalanlage der deutschen Gruppe; dieser soll im Planungszeitraum auf rund fünf Prozent gesteigert werden. Dabei wollen wir - je nach Marktopportunitäten - möglichst den Handels- und Wohnanteil steigern. Allerdings stehen wir gerade hier im verstärkten Wettbewerb um die Investitionsobjekte mit zunehmend internationalen Investoren. Mit den dadurch stark gestiegenen Preisen werden immer öfter unsere Renditeerwartungen nicht mehr erreicht - und um buchstäblich jeden Preis verfolgen wir unsere angestrebte Steigerung der Immobilienquote nicht.

I&F Gibt es das Thema "Nachhaltigkeit" nur bei Immobilienanlagen der Generali Deutschland, wie hält es die Gruppe insgesamt?

Das Thema Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Die deutsche Gruppe besitzt eine führende Rolle diesbezüglich in der deutschen Versicherungsbranche. Zum Beispiel wurde die Generali Deutschland Gruppe 2013 und 2014 für ihre Klimaschutzaktivitäten von CDP (Carbon Disclosure Project) ausgezeichnet. Als einziges Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche erzielten wir 2014 die höchste Spitzenwertung in der DACH-Region und sind damit auch bestes Unternehmen unter den Sector Leaders "Financials (ex-Real Estate)" geworden. Im Kölner Sitz der Holding wurde darüber hinaus die wetterprognosebasierte Gebäudeleittechnik Meteo-Viva eingeführt. Diese regelt auf Basis der Wettervorhersage selbstständig die Kühlung und Heizung im Gebäude.

I&F Der Begriff "nachhaltig" ist schwammig und wird häufig in unterschiedlicher Weise interpretiert - was verstehen Sie unter "nachhaltigen Immobilien"? Welche Faktoren sind bei der Nachhaltigkeitsperformance von Immobilien entscheidend?

Nachhaltige Immobilien müssen verschiedenen Faktoren entsprechen. Wir prüfen insgesamt 170 Indikatoren wie zum Beispiel Flächenverbrauch, Drittverwendungsfähigkeit, Verkehrsanbindung, Stadtteilentwicklung sowie Einsatz erneuerbarer Energien oder Energieeffizienz. Generell werden alle drei definitorischen Dimensionen der Nachhaltigkeit beleuchtet: Ökonomie, Ökologie und Soziales.Die Zertifizierung unseres Systems durch BREEAM stellt die umfängliche und belastbaren Kriterien folgende Betrachtung der Immobilie sicher.

I&F Wo verläuft die Grenze zwischen Ökonomie und Ökologie - ist die fix? Oder variiert diese mitunter auch von Standort zu Standort oder Objektart zu Objektart?

Das dem Nachhaltigkeits-Scoring zugrunde liegende Rechenmodell ist fix und unabhängig von Standort und Objektart. Alle Immobilien im Portfolio werden nach den gleichen Kriterien gemessen. Einige Ausprägungen sind jedoch je nach Nutzungsart weniger häufig, wie etwa die Klimatisierung von Wohngebäuden.

I&F Gibt es Mindest-Nachhaltigkeitsstandards - beziehungsweise was passiert mit Immobilien die Mindeststandards nicht erfüllen - werden sie verkauft, aufgehübscht ...?

Es gibt keine Mindeststandards. Für uns ist die gesamte Performance von einzelnen Immobilien wichtig. Unser Nachhaltigkeits-Scoring gibt uns wichtige Erkenntnisse zur strategischen Planung unseres Portfolios und einzelner Immobilien. Mithilfe des Scorings können wir viel zielgenauer als bisher über Investitionen oder auch Verkäufe entscheiden.

I&F Welche Bedeutung hat das Nachhaltigkeitsrating für die Objektauswahl, werden nur noch "nachhaltige" Objekte gekauft?

Bei jeder Investitionsentscheidung wird die Nachhaltigkeit von Objekten im Rahmen der Due Diligence geprüft und findet so Eingang in den Entscheidungsprozess.

I&F Sind nachhaltige Objekte mehr wert als "normale" Gebäude?

Das ist pauschal schwer zu sagen, langfristig sehen wir aber Vorteile. Wenn uns die Nachhaltigkeitsaspekte der Gebäude bekannt sind, können wir beispielsweise das Immobilienmanagement optimieren. Dies trägt wiederum zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Steigerung der Wertbeständigkeit bei. Von den optimierten Gebäudeunterhaltskosten profitieren sowohl Mieter als auch Vermieter - das steigert natürlich auch die Wettbewerbschancen. Ebenso lassen sich künftige Investitionskosten vermindern oder sogar vermeiden.

I&F Nachhaltigkeit erlebt gerade einen echten Hype - warum ist es mehr als nur ein Modetrend?

Als Versicherungsunternehmen ist für uns Nachhaltigkeit von jeher ein zentraler Bestandteil des unternehmerischen Werteverständnisses. Nachhaltigkeit bedeutet für uns, im Sinne zukünftiger Generationen verantwortungsvoll zu handeln - auf wirtschaftlicher, ökologischer und gesellschaftlicher Ebene. Nicht zuletzt ist das Versicherungsgeschäft per se nachhaltig, weil es von jeher vom Ertrag und nicht von der Substanz lebt. Ich halte es für ein ebenso gutes wie wichtiges Zeichen, dass das Thema Nachhaltigkeit jetzt auch bei Immobilien erhöhte Aufmerksamkeit genießt. Tatsächlich wird immer mehr Unternehmen bewusst, dass nachhaltiges Handeln für den künftigen Erfolg entscheidend ist: Es sichert die Wirtschaftlichkeit und schafft Wettbewerbsvorteile, indem Kosten von beispielsweise Energieeinsatz oder Instandhaltung reduziert werden können.

I&F Gibt es Überlegungen, Ihr System auch Dritten anzubieten?

Nein, das ist bislang nicht geplant.

Zur Person

Christoph Schmallenbach COO, CIO und Arbeitsdirektor, Generali Deutschland Holding AG, Köln

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