Eine tragende Säule

Philipp Otto

Foto: Fritz Knapp Verlag

"Tragende und aussteifende Bauteile sind Stützen, Pfeiler oder Wände, die auf Druck, selten auf Zug, beansprucht sind und zur Aufnahme vertikaler und horizontaler Lasten dienen. Sie sind mit den Decken konstruktiv verbunden und bilden mit ihnen, dem Fundament und dem Dach die Tragkonstruktion eines Gebäudes. Die Aufgabe des Tragwerks besteht im Normalfall darin, das Gebäude standsicher zu halten. Im Brandfall muss das Tragwerk darüber hinaus sicherstellen, dass wirksame Rettungs- und Löscharbeiten möglich sind. Je nach Gebäudetyp werden daher unterschiedliche Anforderungen an das Verhalten tragender und aussteifender Bauteile gestellt." Diese Definition von tragenden Bauteilen der WEKA lässt sich einigermaßen mühelos auf die deutschen Banken und Sparkassen übertragen. Auch diese müssen in ihren Geschäftsmodellen über Elemente verfügen, die Stabilität und Sicherheit garantieren, die das Gebilde über viele Jahre in die Zukunft tragen und die im Unglücksfall nicht zu schnell auseinanderfallen.

Eine dieser tragenden Säulen ist neben dem klassischen Privatkundengeschäft und der guten Verzahnung mit dem wachstumsstarken und innovativen deutschen Mittelstand sicherlich das Immobiliengeschäft. Gerade in Zeiten mit äußerst geringen Margen aus dem Firmen- und Konsumentenkreditgeschäft, zögerlichem Wertpapierinteresse der Kunden und sinkenden Einnahmen aus der Eigenanlage verspricht es immer noch eine auskömmliche Verzinsung. Das zeigt sich auch bei den dieser Tage vorgelegten Neun-Monatszahlen. Traditionell eine hohe Bedeutung hat das Segment Immobilien beispielsweise bei der Hessischen Landesbank. Doch der Beitrag des Immobiliengeschäfts zum Konzernergebnis vor Steuern von mehr als 77 Prozent per Ende des dritten Quartals ist selbst für eine "Immobilien-Landesbank" beachtlich. Zwölf Monate zuvor belief sich der Anteil noch auf gut 66 Prozent. Und die steigende Bedeutung ist auch, aber keineswegs nur der Schwäche der übrigen Sparten geschuldet: Das Ergebnis der Sparte Immobilien stieg von 279 auf 294 Millionen Euro. Eine ähnliche Entwicklung verzeichnen auch andere Banken. Bei der Bayern LB stieg die Bedeutung des Immobiliengeschäfts für das Gesamtergebnis von rund 21 Prozent per Ende September 2016 auf 31 Prozent, bei der DZ Bank von 8 auf rund 28 Prozent. Dabei profitierte das genossenschaftliche Spitzeninstitut im Wesentlichen von einem spürbar höheren Beitrag des gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäfts.

Doch trotz der guten Geschäftslage und des wachsenden Engagements sind die Immobilienverantwortlichen deutscher Banken ungewohnt vorsichtig, gar pessimistisch. Laut dem JLL-Stimmungsbarometer für gewerbliche Immobilienfinanzierungen ist der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Finanzierungserwartungen um 7,8 auf minus 24,1 Punkte gesunken. So skeptisch war der Ausblick der Experten zuletzt vor fünf Jahren, als die Eurozone inmitten der Staatsschuldenkrise steckte. Trotz ungebrochen niedriger Zinsen, hoher Nachfrage und günstigen Konjunkturprognosen trüben der hohe Wettbewerb, die steigenden Preise und die sinkenden Margen gerade im gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäft die Laune. So hält sich das ein oder andere Haus im Neugeschäft bereits zurück, getreu dem Motto: Lieber kein Geschäft, als unrentables Geschäft. Auch das Ausweichen in die deutlich riskanteren, aber natürlich auch besser bezahlten Projektfinanzierungen wird allenfalls selektiv und nicht auf breiter Front betrieben.

In der privaten Immobilienfinanzierung dagegen stehen die Zeichen nach wie vor auf spürbar wachsenden Volumina. So wollen die Institute Rückgänge auf der Margenseite wenigstens teilweise auffangen. Dabei spielt auch die Verbreiterung des Angebots eine Rolle: Die Sparkasse Köln-Bonn beispielsweise hat gerade das gesamte Maklergeschäft, das sie 1995 an Corpus Sireo ausgelagert hatte, zurückgekauft und will so zusätzliche Einnahmen durch die Vermittlung von Immobilien generieren. Eine Strategie, mit der andere Häuser schon seit Jahren vorzeigbare Erfolge feiern.

Wird das Immobiliengeschäft nun aber wieder an Bedeutung für die Institute verlieren? Nein, sicherlich nicht. Denn bei allen Zuneigungsbekundungen zum Aktien- und Wertpapiermarkt bleibt die Bundesrepublik ein Immobilienland. Das gilt für Kunden wie Banken und Sparkassen gleichermaßen.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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