Aufsätze

Erfahrungen der Wirtschaft mit der Finanzierung von Großprojekten

Die wohl komplexesten Finanzierungslösungen von Großprojekten sind in den Bereichen Energie und ÖPP (Öffentlich-Private-Partnerschaften/Public-Private-Partnership oder "PPP") zu finden. Bei all diesen Vorhaben benötigen die Investoren für die meist hohen Finanzierungsvolumina eine robuste, möglichst langfristige Projektfinanzierung zu wirtschaftlichen Finanzierungskosten. Solche Projekte erscheinen daher gut geeignet, die notwendigen Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Großprojekten näher zu untersuchen.

Grundstrukturen von Energieprojekten und ÖPPs

Sowohl Energieprojekte als auch ÖPPs werden in einem öffentlichrechtlich geregelten Umfeld umgesetzt. Während Energieprojekte in der Regel auf Basis von regulierten Preismechanismen strukturiert werden (das heißt zum Beispiel auf Basis gesetzlich geregelter und langfristig garantierter Einspeisevergütungen), handelt es sich bei ÖPPs meist um große vorrangig notwendige Infrastrukturvorhaben der öffentlichen Hand, die nach einer funktionalen Ausschreibung und auf Basis eines umfassend geregelten "Konzessionsvertrags" durch die privaten Partner umgesetzt werden (etwa in Deutschland die "A-Modelle", das heißt Ausbau und Betrieb von bestehenden Autobahnteilstücken wie die A1 zwischen Hamburg und Bremen oder die A 8 zwischen München und Augsburg). Sowohl bei ÖPPs als auch bei den meisten Energieprojekten handelt es sich um langfristig strukturierte Projekte mit einer Projektlaufzeit von 20 bis 30 Jahren.

In effizient strukturierten Großprojekten ist der private Partner oder Investor nicht nur für die Strukturierung und Umsetzung des Vorhabens, sondern auch für die Finanzierung verantwortlich. Projektfinanzierungen werden in der Regel ohne Kredit ausfallsgarantien der öffentlichen Hand und auch ohne Rückgriff auf die Investoren strukturiert. Ein Rückgriff findet ausschließlich auf die mit der Umsetzung des Projektes betraute Projektgesellschaft (und ihre Kapitalisierung) statt, die auch der Kreditnehmer ist. Als Sicherheiten stehen den Financiers abgesehen vom Vermögen der Projektgesellschaft vor allem die Rechte aus den Verträgen zu, beispielsweise die Rechte aus Bau- und Betriebsvertrag mit dem jeweiligen Sicherheitenpaket (meist Vertragserfüllungsgarantien), und insbesondere die Rechte aus dem "Konzessionsvertrag" mit dem öffentlich-rechtlichen Auftraggeber respektive bei Energieprojekten Rechte aus der Einspeisevergütung.

Nur wenn die Infrastruktur termingerecht und im vereinbarten Umfang umgesetzt wurde, fließen (bei ÖPPs meist auf Basis von Performance-Indikatoren) Verfügbarkeitsentgelt oder Einspeisevergütung. Das Kostenrisiko liegt bei der Projektgesellschaft und letztendlich somit bei den Investoren, die mit dem im Projekt eingesetzten Kapital haften. Insbesondere bei ÖPPs kann dadurch aus Sicht der öffentlichen Hand ein höchstes Maß an Termin- und Budgetsicherheit bei der Errichtung der Großprojekte erzielt werden. Nun stellt sich die Frage, ob die Rahmenbedingungen für die Finanzierung solcher Großprojekte in Deutschland stimmen.

Vertrauen in die Rechtssicherheit

Der Konzessionsvertrag beziehungsweise das rechtlich geregelte Umfeld (das heißt unter anderem die Einspeisevergütung) ist die Basis für die Strukturierung von solchen Großprojekten. Aufgrund der Langfristigkeit der Projekte müssen sich die Investoren und Financiers darauf verlassen können, dass die Vertragsparteien die Verpflichtungen unter dem Konzessionsvertrag über die gesamte Kredit- und Projektlaufzeit (20 Jahre oder mehr) einhalten beziehungsweise bei Energieprojekten auf den Erhalt des regulativen Umfelds. Denn für die Rückführung des Kredites stehen der Projektgesellschaft einzig die in Verträgen oder Einspeisevergütung geregelten Zahlungsströme während der definierten und meist nicht prolongierbaren Projektlaufzeit zur Verfügung.

Somit ist ein langfristiges Vertrauen in die Rechtssicherheit die wohl wichtigste Rahmenbedingung für die erfolgreiche Umsetzung von Großprojekten. Gerade in Deutschland ist dieses Vertrauen in höchstem Maße gegeben, und so erfreuen sich sowohl ÖPPs als auch Energieprojekte stets positiver Resonanz in den Finanzierungsmärkten. Insbesondere bei ÖPPs manifestiert sich dies in der Anzahl und Qualität der Konsortien, die sich bei einer Ausschreibung beteiligen, und dadurch sind die letztendlich erzielten Preise in höchstem Maße kompetitiv, bei vollumfänglicher Wahrung der Qualitätsansprüche.

Dieses Vertrauen kann aber auch schnell erschüttert werden. So haben beispielsweise verschiedene Länder "nachträglich" verschiedene Arten der Besteuerung von Einspeisevergütungen in Projekten erneuerbarer Energie eingeführt, oder Ausschreibungen von ÖPPs wurden in letzter Minute oder gar nach Zuschlagserteilung abgesagt. Dies führte zu einem erheblichen und äußerst nachhaltigen Vertrauensverlust sowohl bei Eigen- als auch Fremdkapitalinvestoren, was in den betroffenen Ländern dazu führen wird, dass ambitionierte Projekte nicht umsetzbar sind oder Ziele der Energiewende nicht erreicht werden können.

Einem solchen Vertrauensverlust kann dann meist nur noch durch erhebliche Zusagen oder Garantien der öffentlichen Hand begegnet werden, was allerdings zu erheblichen Effizienzverlusten und letztendlich hohen Kosten führt.

Risikotransfer und Risikoallokation

Wenn die öffentliche Hand für die Umsetzung eines Projektes (oder Teilen davon) garantieren muss, findet kein effizienter Risikotransfer zum privaten Partner statt. Dies führt dazu, dass die Projekte vor allem aus Sicht der öffentlichen Hand unwirtschaftlich werden - Budgetüberschreitungen oder zeitliche Verzögerungen sind wahrscheinliche Folgen. Die Optimierung von Risikotransfer und Risikoallokation ist somit eine weitere fundamentale Rahmenbedingung für die Finanzierung von Großprojekten.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass im Falle "optimaler" Risikoallokation (das heißt Übernahme der Risiken durch denjenigen Vertragspartner, der das betreffende Risiko am besten beherrschen kann) nicht nur stets die besten Finanzierungskonditionen erzielt werden konnten, sondern auch die anderen Projektkomponenten (zum Beispiel Baupreis, Betriebsentgelt) transparent und kompetitiv eingepreist wurden. Obendrein wurden diese Projekte termingerecht, in vereinbarter Qualität und innerhalb der mit dem Auftraggeber vereinbarten Budgets fertiggestellt und betrieben. Gute Beispiele hierfür sind sicherlich die bisher in Deutschland umgesetzten A-Modelle.

Projekte in etablierten "vertrauenswürdigen" Märkten und mit optimaler Risiko-Allokation haben sogar während den schwierigsten Zeiten der Finanzkrise langfristige Projektfinanzierungen zu attraktiven Finanzierungskonditionen erhalten.

Regulatives Umfeld für die Financiers

Die erfolgreiche Umsetzung von Großprojekten hängt nicht nur vom Vertrauen in das regulative Umfeld und die Risikoallokation, sondern in gleichem Maße auch von der Leistungsfähigkeit der Finanzmärkte ab. In einer vereinfachten Betrachtung setzen sich die laufenden Finanzierungskosten aus dem Basiszinssatz und der Marge zusammen. Die Basiszinssätze notieren aufgrund der derzeitigen Zinspolitik auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Die Margen jedoch sind seit Ausbruch der Finanzkrise deutlich gestiegen und beinhalten mehrere Komponenten: Unter anderem sind dies Risikokosten respektive Kosten für die Eigenkapitalunterlegung sowie Liquiditätskosten, die unter anderem auch Kosten und Risiken aus der Fristentransformation enthalten. Insbesondere diese Komponenten haben sich während der Finanzkrise empfindlich verteuert.

Komplexe Finanzierungen von Großprojekten beinhalten meist mehrere Finanzierungstranchen, die vor Ausbruch der Finanzkrise in der Regel ausschließlich von Banken bereitgestellt wurden. Vor allem in Ländern mit stabilem regulativem Umfeld und etablierten Projektfinanzierungsmärkten (so auch in Deutschland), sind nun immer mehr institutionelle Investoren zu beobachten, die sich für die langfristigen Tranchen der Projektfinanzierungen interessieren, während Banken verstärkt dazu übergehen, die kurz- oder mittelfristigen Tranchen zur Verfügung zu stellen, die nicht dem Investitionshorizont der institutionellen Investoren entsprechen. Die Banken sind auch sehr oft in die Platzierung der langfristigen Tranchen bei institutionellen Investoren federführend involviert. Insgesamt führt dieser Trend zu einer sehr erfreulichen Verringerung der in den Kreditmargen enthaltenen Liquiditätskosten.

Außerdem gibt es zahlreiche Initiativen (wie etwa die Project Bond Initiative der Europäischen Investitionsbank), die neue Finanzierungsinstrumente für Großprojekte erschließen. Bei Energieprojekten gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Förderkredite in Anspruch zu nehmen, beispielsweise "durchgeleitete" zweckgebundene Liquiditätslinien der KfW oder anderer Förderinstitute. Gespräche mit Banken deuten an, dass es bei Projektfinanzierungen im ÖPP oder Energiebereich verglichen mit Akquisitions- oder Immobilienfinanzierungen während der Finanzkrise zu weit geringeren Kreditausfällen kam.

Eine möglichst "standardisierte" Assetklasse

Es erscheint jedoch, dass dieser Umstand in der Regulierung von Finanzinstitutionen (wie beispielsweise durch Basel III) vor allem bei ÖPPs nicht in solchem Umfang Beachtung findet. Eine entsprechende Berücksichtigung setzt allerdings wohl eine möglichst "standardisierte" Assetklasse voraus. Somit sollte von Seiten der öffentlichen Hand geachtet werden, dass etwa Konzessionsverträge in hohem Maß standardisiert werden beziehungsweise eine marktübliche Risikoallokation aufweisen und dass die Regulatoren eine solche "standardisierte" Risikoallokation und die entsprechend niedrigeren Kreditausfälle in der Bemessung von Eigenkapitalunterlegungsvorschriften berücksichtigen.

Außerdem braucht eine "standardisierte" Assetklasse auch kritische Masse und somit einen nachhaltigen Deal-Flow. Es ist zu erwarten, dass eine "spezifische" Berücksichtigung der Risikokosten der Projektfinanzierungen zu attraktiveren Finanzierungskonditionen führt, was letztendlich nicht nur der öffentlichen Hand, sondern auch den Nutzern der Infrastruktur entscheidend zugute kommt.

Die stets positive Resonanz auf Ausschreibungen von ÖPPs sowie das Interesse an Energieprojekten bei Banken und Investoren und die beeindruckende Anzahl der in Deutschland in den vergangenen Jahren erfolgreich umgesetzten Projekte spricht sehr dafür, dass die Rahmenbedingungen für Großprojekte grundsätzlich stimmen. In den Bereichen Standardisierung, Risikotransfer und Risikoallokation und insbesondere im regulativen Umfeld für Financiers gibt es allerdings durchaus Verbesserungspotenzial, das im Sinne der Kosteneffizienz immer weiter gehoben werden sollte.

Bei ÖPPs wurde in den vergangenen Jahren ein wertvoller Erfahrungsschatz auf gebaut, und die bisher erfolgreich umgesetzten Projekte und aufgebauten Kapazitäten bei öffentlicher Hand, Investoren und Entwicklern sowie Sub-Unternehmern sprechen für die Attraktivität. Allerdings braucht ein funktionierender Markt für ÖPPs auch "kritische Masse" und einen nachhaltigen Deal-Flow von Projekten.

Vertrauen wahren

Die termingerechte Umsetzung von Projekten unter strikter Einhaltung der vereinbarten Budgets auch in schwierigen Marktverhältnissen muss in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der öffentlichen Hand stets sachlich gewürdigt werden, um für das jeweilige Projekt die richtige Vergabeart zu identifizieren und umzusetzen. Die wichtigste und fundamentale Rahmenbedingung ist das Vertrauen in das regulative Umfeld. Dieses sollte unbedingt gewahrt bleiben, um auch weiterhin erfolgreich die so notwendigen Projekte auf dem Weg zur Energiewende und im Bereich Infrastruktur umsetzen zu können.

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