Kreditwesen aktuell

Kein großer Wurf - dringlicher Nachbesserungsbedarf bei Gesetzesänderung zum Datenschutz

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet wurde Verbänden und Fachkreisen vor wenigen Wochen ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgelegt. Nach diesem Entwurf soll unter anderem das im BDSG geregelte Auskunfteienrecht geändert werden. Durch den Gesetzesentwurf soll die Transparenz von automatisierten Entscheidungsprozessen (Scoring-Verfahren) verbessert und so eine bessere Akzeptanz bei den Verbrauchern erreicht werden - ein Ziel, das die Kreditwirtschaft grundsätzlich begrüßt. Jedoch wird der Gesetzesentwurf dieser Zielsetzung derzeit nur unvollständig gerecht und stellt insbesondere die etablierten und bewährten Verfahren der Kreditwirtschaft zur Risikomessung in Frage.

Rating und Scoring zur Risikomessung in Basel II verankert

Mit den Überlegungen zur Neufassung der Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) Ende der neunziger Jahre ging seitens der Bankaufsicht die Forderung einher, die Kapitalanforderungen an Banken stärker als bisher von ihrem ökonomischen Risiko abhängig zu machen und dabei das Risikomanagement der Institute zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung der Eigenkapitalquote sollten unter anderem Ansätze zur Messung des Kreditrisikos vorgesehen werden. Dies wurde von Seiten der Kreditwirtschaft begrüßt, da auch hier der Wunsch bestand, die Konditionen je nach Bonität des Kreditnehmers durch genauere Kenntnis der tatsächlichen Risiken stärker differenzieren zu können.

Voraussetzung dafür war und ist aber der Aufbau von trennscharfen Rating- und Scoring-Verfahren zur Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers. Im Rahmen des Scoring-Verfahrens wird anhand kreditrelevanter Parameter, wie zum Beispiel Girokonto- und Kreditkartennutzung, Zahlungsstörungen prognostiziert, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein potenzieller Kreditnehmer seinen Verbindlichkeiten vertragsgemäß nachkommen wird. Dabei finden auch die externen Daten von Auskunfteien wie der Schufa Eingang in die internen Systeme der Banken.

Rechtsunsicherheit durch Entwurf zum Bundesdatenschutzgesetz

Bereits während der Diskussionen um Basel II äußerten insbesondere Verbraucherschützer ihre Sorge vor einem "gläsernen Bankkunden", von dem personenbezogene Daten gespeichert würden. Der Gesetzgeber hat seinerzeit auf diese Besorgnis mit einer Klarstellung in § 10 Abs.1 S. 3ff. des Kreditwesengesetzes (KWG) reagiert. Danach dürfen Kreditinstitute "personenbezogene Daten erheben und verwenden, soweit diese Daten (...) zum Aufbau und Betrieb einschließlich der Entwicklung und Weiterentwicklung von internen Risikoparametern des Adressausfallrisikos des Institutes erforderlich sind (...)." Einschränkend erlaubt das Kreditwesengesetz ausschließlich die Speicherung von bestimmten Datenkategorien, die zur Beurteilung der Ausfallrisiken notwendig sind. Durch diese Klarstellung im Kreditwesengesetz wurde die erforderliche Rechtssicherheit für die Umsetzung von Basel II in den Kreditinstituten geschaffen.

Der jetzige Gesetzesentwurf zum BDSG stellt genau diese Rechtssicherheit nun jedoch in Frage. Einige Beispiele: Basis der heutigen Risikomessverfahren ist die Verarbeitung von trennscharfen Daten mit Aussagekraft über die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit eines Kreditnehmers. Hierzu zählen bereits vorhandene, auch untitulierte Forderungen. § 28 Abs. 3a des Referentenentwurfes sieht nun vor, dass vor der Weitergabe von Daten über untitulierte Forderungen an Auskunfteien, der sogenannten Einmeldung, vier Mahnungen gegenüber dem Verbraucher zu erfolgen hätten. Ein solcher Nachweis wäre jedoch nur mit Zustellung durch den Gerichtsvollzieher erfüllbar und damit quasi nicht praktikabel. Faktisch würde eine solche Regelung also einem Verbot der Nutzung und Übermittlung kreditrelevanter Angaben gleichkommen und die Qualität der Risikomessverfahren deutlich schwächen. Auch das Ausfallrisiko für die Banken, welches letztlich die Kunden über die Konditionen tragen, würde merklich ansteigen. Eine solche Verschärfung ist angesichts dessen, dass die bisherige Handhabung der Bonitätsdaten durch eine gefestigte Rechtsprechung bestätigt wurde, kaum nachvollziehbar.

Problematisch erscheint darüber hinaus die Verwendung einer Vielzahl unbestimmter und auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe. So sieht beispielsweise § 6a des Entwurfes zur Ergänzung des BDSG eine "Pflicht zur nachvollziehbaren Begründung bei überwiegend automatisierten" Einzelentscheidungen vor. Wann aber eine Entscheidung überwiegend automatisiert beziehungsweise eine Begründung für den Empfänger nachvollziehbar ist, bleibt dabei der Fantasie der Institute oder der Auslegung der Gerichte überlassen. Eine wesentliche Zielsetzung des Gesetzesentwurfes, nämlich die Schaffung von Rechtssicherheit, wird jedenfalls deutlich verfehlt.

Abkehr von personenbezogenen Daten wenig sinnvoll

Generell ist das Bundesdatenschutzgesetz von seinem Anwendungsbereich her auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beschränkt. Durch die beabsichtigten Einschränkungen für diese Daten ist zu befürchten, dass die Kreditinstitute in ihrer Risikobeurteilung auf solche Parameter ausweichen würden, die nicht dem BDSG unterliegen - nämlich auf sogenannte georeferenzierte Daten ohne Personenbezug, die nicht durch das BDSG geregelt sind.

Mit einer Abkehr von den trennschärferen, personenbezogenen Daten wäre aber keine individuelle Betrachtung des Kunden mehr möglich. Die Konsequenz wäre vielmehr, dass sich die Einschätzung der Bonität eines Kunden zum Beispiel auf seine Wohngegend, die KfZ-Zulassungsdichte von großvolumigen PKW oder etwa die Abonnentendichte bei überregionalen Tageszeitungen und Golfzeitschriften stützen würde, also auf das Verbrauchsverhalten der Nachbarschaft. Der Zielsetzung einer individuellen und fairen Beurteilung des Kunden würde dies in keiner Weise gerecht.

Allein diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass die geplanten Veränderungen die Fähigkeit der Kreditinstitute zur Risikobeurteilung erheblich beeinträchtigen und ihre Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu ausländischen Anbietern gefährden würden. Von der Effizienz des nationalen Kreditmarktes aber hängt auch die volkswirtschaftliche Entwicklung eines Landes entscheidend ab. Überraschend ist daher auch der Grundtenor des Gesetzesentwurfes, der von einer grundsätzlichen Nachteiligkeit von Scoring-Verfahren für den Verbraucher ausgeht und dabei übersieht, dass auch die Kunden bei der Kreditvergabe vom Scoring profitieren.

Scoring als gelebter Verbraucherschutz

Letztlich beruht jede Kreditvergabe auf dem Vertrauen der Bank in die Fähigkeit des Kunden, einen Kredit vertragsgemäß bedienen zu können. Scoring-Verfahren unterstützen sowohl den Kunden als auch das Kreditinstitut beim Informationsaustausch und Vertrauensaufbau im Zuge der Anbahnung des Vertragsabschlusses. Denn wer mangels Informationen an der Bonität seines Gegenübers zweifelt, wird ihm auch keinen Kredit geben. Im modernen Wirtschaftsleben aber ist das "Gegenüber" immer seltener im klassischen Sinne bekannt, sodass der Aufbau von Vertrauen durch den Austausch von Informationen immer wichtiger wird.

An dieser Stelle hilft Scoring. Scoring bietet eine objektive und genaue Entscheidungsgrundlage. Auch im Interesse der Kunden wird mit Hilfe von Scoring-Systemen eine schnellere und sichere Kreditentscheidung ermöglicht. Dabei gilt, dass Scoring-Verfahren umso genauer werden, als die Menge und Qualität der eingelieferten Daten zunimmt. Geringere Bearbeitungskosten können in Form von günstigeren Kreditkonditionen an die Kunden weitergegeben werden. Verminderte Kreditausfälle der Banken aufgrund genauerer Ausfallprognosen kommen letztlich allen Kunden der Banken zugute.

Scoring-Verfahren als "Schmiermittel" des Wirtschafts- und Warenverkehrs

Weite Bereiche einer modernen Volkswirtschaft funktionieren auf Basis einer solchen, durch Informationen abgesicherten Kreditvergabe. Die Kreditwirtschaft verfügt über die am weitesten entwickelten Verfahren für Bonitätsprognosen. Auf der Basis von Scorings können Kredite unkompliziert und schnell zu günstigeren Konditionen bei wenigen Ausfällen vergeben werden, wovon die deutsche Wirtschaft insgesamt profitiert.

Die oben skizzierten Auflagen des Gesetzesentwurfes, etwa das Erfordernis der vier Mahnungen, würden die Meldung von relevanten Daten an Auskunfteien erschweren und den bisher sehr kostengünstigen Prozess verteuern. Es besteht die Gefahr, dass die Scoring-Verfahren durch die beabsichtigten Änderungen des BDSG unschärfer werden und sich die Bonitätsprüfung der Kreditinstitute unverhältnismäßig erschwert - mit fatalen Folgen: Einerseits könnten immer weniger Kredite vergeben werden, andererseits würden diese Kredite immer teurer.

Die volkswirtschaftlichen Einbußen lassen sich nur schwer kalkulieren. Laut Bundesbankbericht 08/07 beträgt das Kreditvolumen an Privatpersonen gut 1 031 Milliarden Euro. Unterstellt, die Ablehnungsquote bei Kreditverträgen stiege nur von zwölf auf 15 Prozent, würde das Kreditvolumen schon um 30 Milliarden Euro sinken. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf den Absatz- und wohl auch auf den Arbeitsmarkt. Branchen, für die eine Konsumfinanzierung wesentlich ist, hätten besonders zu kämpfen.

Angesichts dieser elementaren Punkte wird deutlich, dass der Gesetzesentwurf die selbst gesteckten Ziele verfehlt und die Position der Verbraucher im Kreditvergabeprozess keinesfalls stärkt. Im Gegenteil: Er würde die Verbraucherkredite verteuern und darüber hinaus die gesamte Volkswirtschaft belasten. Aus kreditwirtschaftlicher Sicht bedarf es daher dringend einer Nachbesserung.

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