Konsumentenkredit

Entwurf des Bundesdatenschutzgesetzes: handwerklich misslungen

Am 17. Juni 2008 wurde der dritte Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes verabschiedet und veröffentlicht. Das Gesetz hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Regelung von Scoringverfahren in das BDSG zu integrieren. In § 28 b werden Regelungen zur Zulässigkeit von Scoring vorgesehen, begleitet von Neuregelungen in § 28 a zur Weitergabe von Scoringdaten an Auskunfteien. Hinzu kommen Änderungen in § 34 BDSG zum Auskunftsanspruch des Betroffenen im Hinblick auf die Verwendung von Score-Werten. Im Weiteren soll gezeigt werden, dass der Entwurf von völlig falschen Prämissen ausgeht und handwerklich misslungen ist.

Eingriff in die Privatautonomie

Handwerklich misslungen ist schon der Denkansatz, ein Gesetz verabschieden zu wollen, das sich mit Scoring beschäftigt. Der Begriff des Scoring ist sehr unklar und umfasst eine Vielfalt an Verfahren und Modellen. Er ist als Anknüpfungspunkt für eine gesetzliche Regelung ungeeignet, da er die für juristische Sachverhalte notwendige Präzision nicht aufweist. Dies rächt sich sofort bei § 28 b des Entwurfs. Diese Regelung enthält keine ausdrückliche Definition des Begriffs Scoring. Der Begriff Scoring wird in der Überschrift erwähnt. Er wird in der Regel selbst konkludent umschrieben als "ein Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen". Jedes Prognoseurteil ist hiernach Scoring.

Die Regelung erstreckt sich nicht nur auf den Bereich Business-to-Consumer, sondern auf jedwede Versendung von Prognosedaten auch im Verhältnis Consumer-to-Consumer. Jeder Wahrscheinlichkeitswert unterfällt § 28 b BDSG.

Will also eine Privatperson zum Beispiel bei Ebay von einer anderen Privatperson eine Hose kaufen, geht er zum Beispiel davon aus, dass jemand, der schon viele Verkäufe bei Ebay getätigt hat, ein zuver lässiger Verkäufer auch bei der aktuellen Transaktion ist. Nach § 28 b wäre ein solches Verhalten nicht zulässig. Der Käufer müsste begründen, welches wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren diese Prognoseentscheidung rechtfertigt. Oder: Ein Juwelier, der auf einen eigenartigen Kunden mit fettigen Haaren und stinkender Kleidung trifft und instinktiv weitere Vertragsverhandlungen abbricht, würde sich rechtlich unzulässig verhalten; er müsste nämlich ein wissenschaftlich anerkanntes mathematischstatistisches Verfahren zur Rechtfertigung seines instinktiven Verhaltens nachweisen.

Insofern greift das Gesetz massiv in die Privatautonomie und die allgemeine Handlungsfreiheit aller Kreise der Bevölkerung ein. Im Kern wird hier ein allgemeiner Rechtfertigungszwang für den Abbruch von Vertragsverhandlungen in allen Wirtschaftskreisen und auch im Privatverkehr begründet.

Scoring auch zugunsten der Betroffenen verboten

Das Problem wird noch dadurch verstärkt, dass § 28 b BDSG-E von einem Verbot des Scoring ausgeht. Scoring ist zulässig, wenn die Bedingungen der Ziffer 1 bis 3 eingehalten werden. Damit wird ein allgemeines Scoringverbot rechtsdogmatisch statuiert. Statt Scoring generell für zulässig und nur in Ausnahmefällen für unzulässig zu erklären, wird als Regelfall von der Unzulässigkeit des Scoring ausgegangen und Scoring nur ausnahmsweise bei Vorliegen der Kriterien in Ziffer 1 bis 3 erlaubt. Insofern verbietet § 28 b grundsätzlich jedwede Prognoseentscheidung im vorvertraglichen Bereich.

Absurd ist die Regelung auch deshalb, weil Scoring selbst zugunsten des Betroffenen verboten ist. Wenn eine Bank zugunsten eines Bundestagsabgeordneten unterstellen würde, dass dieser aufgrund seiner Funktion und seines Amtes finanziell solide ist, wäre diese Unterstellung im Hinblick auf den späteren Abschluss eines Kreditvertrages verboten. Denn die Bank müsste in einem wissenschaftlich anerkannten ma-thematisch-statistischen Verfahren die Erheblichkeit der entsprechenden Daten und Wahrscheinlichkeitswerte begründen. Sie ist durch § 28 b daher dazu gezwungen, auch zugunsten des Kunden den Abschluss von Verträgen abzulehnen.

Nur wissenschaftlich anerkannte statistische Verfahren

§ 28 b geht darüber hinaus nicht von der allgemeinen Terminologie des BDSG aus, das von Verarbeitung und Nutzung von Daten spricht. Vielmehr wird erstmals der Begriff der "Verwendung" in das Gesetz eingefügt. Der Begriff ist aber nicht weiter definiert und kann nur so verstanden werden, dass er jedwede Einbeziehung von Wahrscheinlichkeitswerten in eine Entscheidung umfasst. Insofern wäre § 28 b daher sogar schon anwendbar, wenn jemand latent und unbewusst aufgrund seiner Erfahrungen von bestimmten Wahrscheinlichkeitsannahmen im Bezug auf das Verhalten eines Betroffenen ausgeht. Würde ein Sportverein zum Beispiel die Aufnahme eines Mitgliedes ablehnen, weil die Familie des Betroffenen in der Kleinstadt als finanziell sehr unzuverlässig und überaus aggressiv bekannt ist, wäre eine solche Verwendung von Erfahrungssätzen nicht zulässig.

Zentrale Verpflichtung in § 28 b ist die Bereitstellung wissenschaftlich anerkannter mathematisch-statistischer Verfahren. Doch für solche wissenschaftlichen Prognoseverfahren gibt es im gesellschaftlichen Leben nur wenige Beispiele. Viele Entscheidungen werden gesellschaftlich getroffen, ohne dass die entsprechenden Annahmen wissenschaftlich überprüft werden könnten. So wäre die bei manchen Unternehmen vorzufindende Neigung, gerne mit Beamten Verträge zu schließen, wissenschaftlich sicherlich nicht einfach nachzuvollziehen.

Ebenso sind die Erfahrungssätze in einer Kleinstadt, was das Verhalten von Mitbürgern angeht, wissenschaftlicher Fundierung weitgehend entzogen. Dies gilt auch für die in § 28 b Ziffer 3 genannten Anschriftendaten. Sehr häufig gehen in kleineren Städten zum Beispiel Sachbearbeiter in Unternehmen davon aus, dass bestimmte Straßenzüge auch bestimmte Wertigkeiten besitzen. Wer eben eine besonders gute Adresse hat, hat auch eine besonders gute Kreditwürdigkeit.

Im Grunde verbietet § 28 b Nr. 3 die Grundstrukturen des Gesellschaftsspiels "Monopoly", bei dem von der "Schlossallee" bis zur "Badstraße" unterschiedliche Kreditmöglichkeiten und Kaufpreise ermöglicht werden. § 28 b würde Monopoly nur dann erlauben, wenn hinter den entsprechenden Wertzuordnungen für die Straßen auch wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren stehen und der Betroffene vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes von der Nutzung dieser Daten unterrichtet wird.

Schufa-Erklärung: Keine Sache des Datenschutzes

Problematisch ist dann auch § 28 a BSDG, der die Datenübermittlung an Auskunfteien regelt. Besonders problematisch ist hierbei § 28 a Abs. 2. Nach einer Sonderregelung für Kreditinstitute wird darauf verwiesen, dass für die zukünftige Übermittlung die Übermittlung von Daten über Verhaltensweisen des Betroffenen, die Rahmen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses der Herstellung von Markttransparenz dienen, an Auskunfteien auch mit Einwilligung des Betroffenen unzulässig ist.

Unklar ist schon überhaupt die Reichweite dieser Vorschrift, da sie sich auch auf die in § 28 a Abs. 2 Satz 1 erwähnten Kreditinstitute beziehen kann. Jedenfalls sind außerhalb des Kreditbereichs alle Unternehmen angesprochen.

Der Begriff der "Herstellung von Markttransparenz" ist nicht definiert und entspricht auch nicht den Vorgaben an eine transparente und in sich bestimmte Gesetzgebung. "Herstellung von Markttransparenz" ist alles, was unternehmerisch geschieht. Insofern ist jede Übermittlung von Daten, die im Rahmen des vorvertraglichen Verhandlungsverhältnisses generiert werden, tendenziell von § 28 a Abs. 2 Satz 4 umfasst. In solchen Konstella tionen soll folglich jede Übermittlung von Daten an Auskunfteien auch mit Einwilligung des Betroffenen unzulässig sein.

Die Frage ist, wer hier geschützt werden soll. Wieso kann der Betroffene nicht in eine solche Datenübermittlung einwilligen? Unter Umständen ist diese Übermittlung von Daten ja für ihn positiv und führt dazu, dass er Verträge bekommt, die ihm früher verweigert wurden.

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