Aufsätze

Kredithilfe für Griechenland - eine ökonomische Analyse und Bewertung

Die ökonomische Analyse und Bewertung der Griechenlandhilfe1) erfolgt unter der besonderen Berücksichtigung von Kosten und Belastungen vornehmlich aus der Sicht der Bundesrepublik.2) Mit einer Infragestellung des Insolvenzstatus Griechenlands beginnend wird das an die Griechenlandhilfe gebundene Auflagenprogramm analysiert. Neben einer ökonomischen Bewertung der Erfolgsaussichten und Zielführung des Maßnahmenkataloges wird der Frage einer Quantifizierung der aus der Kredithilfe erwachsenden Belastungen für die deutschen öffentlichen Haushalte, den Steuerbürger und den Wirtschaftsbürger in Deutschland nachgegangen. Etwaige ökonomische Subventionstatbestände werden kenntlich gemacht. Eine weitere Betrachtung dient der Feststellung von Geldschöpfungsaktivitäten, die Akteure außerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen der Nothilfe veranlassen.

Insolvenzstatus - wann ist ein Staat zahlungsunfähig?

Zahlungsstörung, Illiquidität, Staatsbankrott - die Begriffe sind in diesem Zusammenhang eher ungenauen Inhalts.3) Liquide sein bezeichnet die Fähigkeit, zu jedem Zeitpunkt die dann fälligen Verbindlichkeiten erfüllen zu können. Folglich kann ein Staat im Fall der Zahlungsunfähigkeit eben diese nicht bedienen.4) Allerdings ist eine Übertragung aus der einzelwirtschaftlichen Sichtweise auf die staatliche Ebene nicht unproblematisch. Im Gegensatz zu Privaten kann der Staat Zwangsmittel gegenüber seinen Bürgern anwenden. So kann er über zusätzliche Steuern, eine Vermögensabgabe oder eine Senkung seiner Ausgaben seinen Finanzierungssaldo verbessern.5) Von daher ist der Begriff einer relativen Zahlungsunfähigkeit zur Kennzeichnung dieses Sachverhaltes eher angemessen. Erst wenn ein bürgerlicher Ungehorsam die erforderliche Durchsetzung obrigkeitlicher Zwangsmittel verhindert, wäre ein Staat absolut zahlungsunfähig.

Im Falle Griechenlands wäre der Zugriff auf private Geldvermögen ohne Weiteres und kurzfristig möglich. Statt einer Kapitalflucht privater Geldvermögenswerte in Höhe von schätzungsweise zehn Milliarden Euro ins Ausland wäre über eine Konfiskation (Lastenausgleich) von Eigentümern großer Vermögen eine sofortige Zahlungsfähigkeit herzustellen gewesen. Auch verkennt der Hinweis des griechischen Ministerpräsidenten, sieben Prozent Zinsen seien nicht tragbar, dass das Zinsniveau bis kurz vor Einführung des Euro zweistellig war. Diese Haltung spiegelt allenfalls die Aussicht auf subventionierte Kredite der anderen Euro-Mitglieder wider. Schließlich hält die griechische Notenbank Goldreserven in Höhe von drei Milliarden Euro. Gemäß früherer Praxis der Deutschen Bundesbank gegenüber Italien wäre die Verpfändung dieses Goldes im Gegenzug zu einer Kreditgewährung vorstellbar. So wäre zumindest ein Teil des Ausfallrisikos durch Gegenwerte abgedeckt worden. Damit steht die Feststellung des Insolvenz- beziehungsweise Hilfestatus Griechenlands zum Zeitpunkt des Hilfegesuches infrage.6)

Die Nothilfe an Griechenland

Die Griechenlandhilfe ist mit 110 Milliarden Euro so kalkuliert, dass die bis 2012 zu vergebenen Kredite die bis zu diesem Zeitpunkt anfallende oder besser: prognostizierte Neuverschuldung in erwarteter Höhe von 45 Milliarden Euro vollständig abdecken soll. Darüber hinaus kann auch etwa die Hälfte der bis dahin fällig werdenden Tilgungs- und Zinszahlungen von 112 Milliarden Euro hieraus gezahlt werden. Dieser positiven Einschätzung liegen allerdings eine Reihe von Annahmen zugrunde. So muss das Sparprogramm wirken. Zudem kann die griechische Wirtschaft aufgrund der Sparanstrengungen stärker einbrechen als prognostiziert. Schließlich hängt es von den Kapitalmärkten ab, wie sie die Zahlungsfähigkeit Griechenlands mittelfristig bewerten.

Interessant ist der Vergleich dieser offiziell als sehr streng bewerteten Auflagen mit früheren Vorgaben der EU. So seien die neuen Maßnahmen geeignet, den bereits eingeleiteten Reformprozess zu verschärfen. Zumindest im Ergebnis ist an den veröffentlichten Zahlen eher das Gegenteil abzulesen. So sah das um eine Stufe angezogene Defizitverfahren der EU von Anfang Februar eine Absenkung der Nettoneuverschuldung von 12,7 Prozent (2009), 8,7 Prozent (2010), 5,6 Prozent (2011) auf 2,8 Prozent (2012) vor. Jetzt ist die Zeitspanne bis zur Erreichung der drei Prozent-Defizitgrenze auf 2013 mit dem Ziel 2,6 Prozent verlängert worden.

Konditionierung mit Haushalts- und Politikauflagen

Die zwischen Griechenland und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU sowie der EZB ausgehandelten Kredithilfen für 2010 bis 2012 sind an ein Memorandum of Understanding7) gebunden, dessen Inhalt das griechische Parlament gebilligt hat. Es enthält folgende Auflagen, die 2010 bis 2014 nach einem genauen Zeitplan umgesetzt werden müssen:

Einsparungen im Haushalt: Steuererhöhungen (Mehrwertsteuer, Steuern auf Benzin, Alkohol, Tabak, Glücksspielabgabe, Strafsteuern auf illegale Bauten und Nutzungen) sowie Ausgabensenkungen (Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, Absenkung der Pensionsansprüche, Einsparungen bei investiven Ausgaben) haben einen Umfang von 30 Milliarden Euro, die ab 2014 jährlich erreicht werden sollen. Dies entspricht etwa 13 Prozent des griechischen BIP.8)

Die negativen konjunkturellen Wirkungen dieses Sparprogramms werden zwar grundsätzlich berücksichtigt.9) Fraglich sind jedoch die tatsächlichen Auswirkungen auf die Konsum- und Investitionsneigung, die nicht nur die Sozialhaushalte, sondern insbesondere das Aufkommen der Einkommens- und Verbrauchssteuern negativ tangieren werden. Offen bleiben auch mögliche Steuermindereinnahmen als negative Nachfragereaktion bei Preiserhöhungen.10)Generell bieten die Steuererhöhungen und die Zunahme der Kontrollen Anreize zur Abwanderung in den Schattensektor - das Gegenteil ist beabsichtigt und in den Zahlen berücksichtigt.

Steuern auf Tabak, Glücksspiele und Unternehmensgewinn

Darüber hinaus ist das Interesse der Kommunen an einer Verbreiterung der Besteuerungsbasis durch die Eindämmung der Schattenwirtschaft eher gering, da die zusätzlich erzielten Mehreinnahmen an den Zentralhaushalt fließen und damit den Regionen Kaufkraft entziehen.

- Aus der Tabaksteuer sind Mehreinnahmen von jährlich etwa zehn Prozent in Höhe von 500 Millionen Euro kalkuliert. Wie eine Studie zur Wirkung der Tabaksteuererhöhung in Deutschland 2003 zeigt, sank der Verbrauch in der langen Frist überproportional zum Preisanstieg.11) Demnach ergeben sich Anpassungsreaktionen, die die Steuererhöhung durch einen prozentual höheren Mengenrückgang konterkarieren und das Aufkommen deshalb mindern können. Als Ursachen gelten ein Infragestellen des bisherigen Verhaltens und somit ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein sowie der illegale, zum Teil unversteuerte Bezug von Zigaretten aus dem angrenzenden Ausland. Auch wurden in Deutschland Ausweichreaktionen hin zu "Selbstgedrehten" beobachtet. So stieg der Konsum von Feinschnitt in den ersten drei Quartalen nach der Steuererhöhung um 20 bis 30 Prozent.

- Eine geplante Ertragsabgabe auf Glücksspiele soll zu jährlich 600 Millionen Euro Steuermehreinnahmen führen. Allein durch die Wirtschaftskrise wird der Umsatzrückgang der größten Lottogesellschaft OPAP, die etwa die Hälfte des Marktes ausmacht, mit zehn Prozent für dieses Jahr veranschlagt. Bei ebenfalls hoher Preiselastizität von dem Betrag nach 1,94 wird jede Preiserhöhung weitere Umsatzrückgänge bescheren. So dürften das illegale Glücksspiel sowie das Internet-Angebot britischer Unternehmen von Gibraltar aus stärker genutzt werden.

- Die Strafabgaben für illegal erstellte Bauten sollen Einnahmen von 800 Millionen Euro jährlich einbringen. Hinzu kommen befristete Einnahmen aus der Besteuerung illegaler Nutzungen als Wohnraum wie beispielsweise Garagen im Umfang von 500 Millionen Euro. Unter der mit EU-Mitteln gerade im Aufbau befindlichen und zurzeit noch recht lückenhaften Katasterverwaltung erscheinen diese Zahlen als fragwürdig. Insbesondere für in der Vergangenheit errichtete Bauten wird der Nachweis der Illegalität deshalb schwer zu erbringen sein. Zudem wäre der Korruption ein weiteres Feld eröffnet. Darüber hinaus könnte ein entsprechendes Gesetz an verfassungsmäßigen Bedenken scheitern, sollten die Mittel tatsächlich der geplanten Haushaltskonsolidierung dienen und nicht einem Fonds zur Verbesserung der städtischen Lebensverhältnisse zugeführt werden.12) -Eine auf 2014 befristete Sonderabgabe für profitable Unternehmen in Höhe von zehn Prozent ihres Gewinns ist mit Einnahmen von 600 Millionen Euro kalkuliert. Die Nutzung legaler Spielräume der steuerlichen Gestaltung und die gewinnausweismindernde Kalkulation der Verrechnungspreise von Leistungsverflechtungen mit verbundenen Unternehmen im Ausland stehen dem entgegen. Gerade innovative, effizient arbeitende Unternehmen würden bestraft und abwandern. Die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft würde gemindert.

Pauschale Minderausgaben

- Schließlich sind von den 30 Milliarden Euro Einsparvolumen 9,8 Milliarden Euro in den Jahren 2012 bis 2014 als "Unidentified Measures" (pauschale Minderausgaben) vorgesehen. Es finden sich jedoch keinerlei Spezifizierungen, um welche Positionen es sich bei diesen "Luftbuchungen" konkret handelt, noch wird deren Höhe erklärt.

Verpflichtung, grundlegende Strukturreformen vorzunehmen (siehe hierzu die Übersicht): Um entsprechend kurzfristig Wirkungen zu erzielen, sollen sie bereits bis zum Sommer nächsten Jahres durchgeführt sein. Sie umfassen den Umbau des öffentlichen Dienstes, eine Rentenreform, eine Reform des Arbeitsmarktes, eine Reform des Gesundheitswesens sowie eine grundlegende Reform öffentlicher Verwaltungsstrukturen. Hinzu kommen eine Liberalisierung des Bahn- und Energiesektors sowie eine Deregulierung des Zugangs zu Freien Berufen und zur Handwerksausübung.

Ein Hauptkritikpunkt setzt an den bestehenden Ineffizienzen der griechischen Verwaltung an. Funktionierende Verwaltungsstrukturen sind die Voraussetzung für gelingende Strukturreformen sowie die Durchsetzung des Sparprogramms.13) Eine parallele Erneuerung der öffentlichen Verwaltung bei zeitgleicher Vornahme weiterer Maßnahmen, die administrativ gesteuert werden müssen, dürfte in einer Umbruchphase zu erhöhten Ineffizienzen und zur Gefahr eines Scheiterns des ganzen Vorhabens führen. Schließlich ist der enorme Eilbedarf einer umfassenden, abgestimmten und überlegten Umsetzung dieser Reformvorhaben hinderlich.14)

Zudem setzen die Reformen im Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen eine Abstimmung mit den Arbeitsmarktparteien und Dienstleistern voraus, die so nicht erkennbar ist. Eine Aufoktroyierung entsprechender Maßnahmen würde die bereits jetzt in weiten Teilen der griechischen Gesellschaft erkennbaren Widerstände erhöhen und die angestrebten Reformen konterkarieren. Speziell die geplanten Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst mit der Streichung des 13./14. Monatsgehaltes (entspricht etwa 14 Prozent des Bruttolohnes) dürften nicht dazu beitragen, den Reformwillen zu unterstützen.

Quantifizierung der Belastungen aus der Griechenlandnothilfe für Deutschland

Welche Belastungen ergeben sich für die öffentlichen Haushalte in Deutschland sowie den Steuerzahler und Wirtschaftsbürger? Nach offizieller Sprechweise der Bundesregierung stellen die Kredithilfen Deutschlands in Höhe von 22,4 Milliarden Euro lediglich Liquiditätshilfen für einen kurzen Zeitraum dar, die zurückzahlbar sind. Sodann sei nicht sicher, ob die Kredite für die Folgejahre überhaupt vollständig abgerufen werden. Schließlich könne der deutsche Staat aus der Zinsdifferenz von günstiger Kreditaufnahme und Abgabe zu erhöhten Zinsen sogar Mehreinnahmen verbuchen, sollten die Kreditverträge ohne Forderungsausfall erfüllt werden.15)

Die Märkte gelangen im Gegensatz hierzu zu einer abweichenden Kostenbewertung.

Ausfallrisiko: Das Risiko eines (teilweisen) Zahlungsausfalls beziehungsweise von Zahlungsstockungen lassen sich Investoren bei einer griechischen Staatsanleihe mit fünfjähriger Laufzeit und einem Volumen von zehn Millionen Euro mit einer jährlichen Prämie von 683200 Euro bezahlen (Stand 4. Mai 2010). Das Ausfallrisiko innerhalb dieser fünf Jahre liegt demnach unter Berücksichtigung von Abzinsungseffekten bei etwa 50 Prozent. Zwar werden die Kredite über die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) abgewickelt, doch der Bund übernimmt eine entsprechende Ausfallbürgschaft.

Bonitätswirkung: Langfristig und bei fortgesetzter Alimentierung fallierender Staaten (Stichwort: Transferunion) leidet die Bonität Deutschlands. Bereits ein Anstieg der Renditen um einen Prozentpunkt würde den jährlichen Zinsendienst der öffentlichen Haushalte langfristig mit jährlich 18 Milliarden Euro belasten.16)

Ausgleich der Finanzierungskosten: Es wurde ein Ausgleich der Finanzierungskosten für die Zinslasten der aufzunehmenden Griechenlandkredite zwischen den Geberländern vereinbart. Sollte ein Land aufgrund seiner schlechten Bonität einen Zinssatz von mehr als den Griechenlandkreditzins von etwa vier Prozent per annum auf dem Kapitalmarkt zahlen müssen - Beispiel Portugal - so erklären sich die anderen Länder gegebenenfalls bereit, die entstehenden Differenzgewinne und-verluste auszugleichen. Schlechte Kreditrisiken würden hierdurch sozialisiert. Es würde der Effekt einer Gemeinschaftsanleihe entstehen, die seinerzeit unter anderem aus diesen Gründen von der Bundesregierung abgelehnt wurde.

Zinseffekt, Abschreibungen, Rangfolge

Zinseffekt: Kaum quantifizierbar, jedoch wissenschaftlich unbestritten, entsteht mit der Griechenlandhilfe ein Zinseffekt durch die zusätzliche staatliche Kreditnachfrage auf dem Kapitalmarkt. Deutsche Unternehmen, die Kredite für Investitionen, sowie Haushalte, die Konsumkredite nachfragen, erhalten diese ceteris paribus deshalb nur zu einem höheren Zinssatz. Die private Kreditnachfrage wird verdrängt.17) Bei sinkenden Investitionen geht das langfristige Wachstum in der Bundesrepublik zurück.

Abschreibungen: Sodann hat die EZB griechische Staatsanleihen im Umfang von 40 Milliarden Euro zur Refinanzierung angenommen. Bei einer Umschuldung würde die Gewinn- und Verlustrechnung der EZB mit einer angenommenen Ausfallquote von 50 Prozent mit 20 Milliarden Euro an Abschreibungen belastet. Entsprechend sänke der Zentralbankgewinn um diesen Betrag. Bei einem Kapitalanteil Deutschlands an der EZB von zirka 27 Prozent entsteht dem Bundeshaushalt dann ein einmaliger Ausfall von 5,4 Milliarden Euro.

IWF-Kredite erstrangig: Die IWF-Kredite im Umfang von 30 Milliarden Euro sind bei einem Forderungsausfall erstrangig zu bedienen. Etwaige Ausfälle trägt die gesamte Mitgliedschaft der "Kreditgenossenschaft" anteilig. Bei einem Kapitalanteil von sechs Prozent entfallen auf Deutschland weitere 1,8 Milliarden Euro.

Im Ergebnis führt die Griechenlandhilfe bereits jetzt und selbst bei geplantem Ausgang zu einer merklichen Belastung in Deutschland - auch abseits öffentlicher Haushalte direkt bei seinen Bürgern.

Direkte und indirekte Subventionen

Die Griechenlandhilfe hat für das begünstigte Land einen erheblichen Subventionscharakter. Der Zinssatz der EU-Kredithilfen liegt bei vier Prozent per annum bei einer tilgungsfreien Laufzeit von drei Jahren.18) Ausgangsbasis dieser Zinssetzung ist der Euribor von 0,6 Prozent per annum. Darauf wird ein Laufzeitenaufschlag von drei Prozentpunkten zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 0,5 Prozentpunkten gelegt.19) Diese Berechnung hat weder einen Bezug mit den Refinanzierungskosten der einzelnen Geberländer noch mit den Kosten der griechischen Regierung bei alternativer Kreditnahme über den Markt.

Legt man den Marktzins für zweijährige griechische Anleihen zum Zeitpunkt des Hilfegesuches zugrunde, so würde sich eine Subventionsrate aus der Differenz zwischen 17,5 Prozent minus vier Prozent = 13,5 Prozent ergeben. Multipliziert mit dem Kreditvolumen von 110 Milliarden Euro beträgt der Absolutbetrag der Subvention jährlich 14,85 Milliarden Euro. Da - zumindestens theoretisch - der deutsche Staat die Griechenlandhilfe auch zu Marktkonditionen hätte vergeben können, entfällt auf Deutschland ein Einnahmeverzicht in Höhe von 3,02 Milliarden Euro jährlich.

Geldschöpfung durch IWF-Kredit und Alimentierung durch die EZB

Die Beteiligung des IWF an der Nothilfe für Griechenland in Höhe von 30 Milliarden Euro stellt eine direkte Geldschöpfung bei der EZB beziehungsweise den nationalen Zentralbanken des Euro-Raumes dar. Bilanztechnisch findet eine Verlängerung der Zentralbankbilanz statt. Auf der Aktivseite erhalten die nationalen Zentralbanken Forderungen gegenüber dem IWF in Höhe der Beteiligung des jeweiligen Landes. Als Gegenbuchung dienen die abgeflossenen Bargeld- beziehungsweise Kontokorrentbestände der Überweisung nach Griechenland.

Die EZB hat bereits vor der Kredithilfe von EU und IWF griechische Staatsanleihen von den griechischen Geschäftsbanken im Umfang von 40 Milliarden Euro zur Refinanzierung angenommen, um das griechische Bankensystem mit Liquidität zu versorgen. Parallel zu den Bonitätsherabstufungen Griechenlands vom A-Status abwärts hat die EZB zunächst befristet, seit kurzer Zeit unbefristet, die Beleihungsvoraussetzungen für den Ankauf von (griechischen) Staatspapieren gelockert. Zurzeit werden sogar sogenannte "Ramschanleihen" aus Griechenland mit BB+-Rating und schlechter zur Refinanzierung akzeptiert. Damit hat sich die EZB indirekt zum Arm einer von Griechenland ausgehenden "Notenpresse" gemacht.20)

Ein Präzedenzfall

Mit dem nur Tage später nachfolgenden sogenannten "Rettungsschirm" hat die EZB einen weiteren Grundsatz gebrochen, indem sie beziehungsweise die nationalen Notenbanken direkt auf dem Markt Anleihen von Krisenstaaten aufkauften.21) Zwar betont die EZB, dass sie sich weiterhin der Stabilität des Preisniveaus verpflichtet fühlt. Zudem entstünden aus den Anleiheankäufen über den Markt keinerlei Inflationsrisiken, da das so geschaffene Geld über Gegengeschäfte wieder neutralisiert werden könne.22) Dieses ist jedoch als ein rein technisches Argument zu werten. Die Maßnahmen könnten als Präzedenzfall für eine sich langfristig wandelnde Politik genommen werden. Der Reputationsverlust schadet nicht nur dem Außenwert des Euro, auch die innere Währungsstabilität ist durch diese Aufgabe von elementaren Grundsätzen infrage gestellt. Der Verdacht, die EZB habe mit diesem Schritt ihre politische Unabhängigkeit aufgegeben, bleibt zumindest nicht widerlegt. Inflationäre Entwicklungen sind langfristig nicht ausgeschlossen, um den Problemen besonders hoch verschuldeter Staaten durch eine reale Entwertung ihrer Staatsschulden entgegenzuwirken.

Die Feststellung des Insolvenz- beziehungsweise Hilfestatus Griechenlands zum Zeitpunkt des Hilfegesuches ist zumindestens diskutabel. Die Nothilfe für Griechenland ist an Auflagen gekoppelt, die wahrscheinlich nicht zu erfüllen sein werden. Demgegenüber und damit verknüpft wird die Kredithilfe zu finanziellen Belastungen für die deutschen öffentlichen Haushalte sowie den Steuer- und Wirtschaftsbürger führen. Der im Verhältnis zu Marktkonditionen verbilligte Zinssatz der Hilfen stellt ökonomisch eine Subvention an den griechischen Staat dar. Im Sinne der Unabhängigkeit der EZB sind sowohl die IWF-Hilfen wie auch die Absenkung der Beleihungssicherheiten und der Ankauf von sogenannten "Ramschanleihen" über den Markt höchst fragwürdig.

Literatur - Bücher und Aufsätze

Isensee, B. u. Hanewinkel, R. (2004), Evaluation der Tabaksteuererhöhung vom 1. Januar 2003, in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 47. Jg., Seiten 771 bis 779.

Martens, Michael (2010), "Athens Spielraum wird immer enger", Art., in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 30. April 2010, Seite 6.

Moeller, Hero (1956), Staatsbankrott, Art., in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Beckerath, Erwin v. (Hrsg.), Bd. 9, Stuttgart - Tübingen - Göttingen, Seiten 740 bis 742.

o. V., "Hilfe kostet Deutschland 8 Milliarden Euro", Art., in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 13. April 2010, Seite 9.

Reinhard, Carmen M. u. Rogoff, Kenneth S. (2008), The Forgotten History of Domestic Debt, http://www.economics.harvard.edu/faculty/rogoff/files/Forgotten_History_Of_Domestic_Debt.pdf, Abrufdatum 25. März 2009.

Sonstiges

Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilisierungsgesetz, WFStG).

Greece: memorandum of understanding on specific economic policy conditionality, May 2, 2010.

Fußnoten

1)In diesem Zusammenhang ist eine Klage beim Bundesverfassungsgericht unter dem Handlungsbevollmächtigten Markus C. Kerber sowie weiterer Personen der Europolis-Gruppe eingereicht worden, bei der der Autor die ökonomische Begründung sowie mehrere Handlungsszenarien verfasst hat.

2)Siehe das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik (Währungsunion-Finanzstabilisierungsgesetz, WFStG).

3)Bankrott (ital.: banca rotta) rührt von der "zerbrochenen/leeren Bank" des Geldwechslers im mittelalterlichen Oberitalien her, bei dem auf einem Tisch verschiedene Währungen zum Tausch angeboten wurden.

4)Moeller (1956), Seiten 740f. unterscheidet den offenen Staatsbankrott im Sinne eines Nichtbegleichens fälliger Zahlungsverpflichtungen von einem verschleierten Staatsbankrott durch Inflation. Reinhard und Rogoff (2008), Seiten 10f. differenzieren entsprechend die De-jure-Insolvenz von der De-facto-Insolvenz, die neben einer Hyperinflation auch die Kürzung des Zinscoupons umfassen kann.

5)Das EU-weite Vorgehen gegen Steueroasen kann in diesem Zusammenhang als weitere Voraussetzung für zukünftige fiskalische Konfiskationen gelten.

6)Vgl. den Brief des griechischen Finanzministers George Papaconstantinou an Jean-Claude Juncker (Präsident der Euro-Gruppe), Olli Rehn (Währungskommissar) sowie an Jean-Claude Trichet (Präsident der EZB) vom 23. April 2010.

7)Vgl. Greece: memorandum of understanding on specific economic policy conditionality, May 2, 2010. Die Quelle stammt aus dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. In der im Internet verfügbaren Version des griechischen Finanzministeriums vom 3. Mai 2010 (http://www.mnec.gr/export/sites/mnec/en/press_office/DeltiaTypou/Documents/2010_05_04_EUxBundle2.pdf) fehlen eine Reihe von Zusammenstellungen. Abrufversuch vom 7. Mai 2010.

8)Übersetzt auf die Bundesrepublik würde dies 300 Milliarden Euro an jährlichen Einsparungen in öffentlichen Haushalten bis 2014 notwendig machen. Der Erfolg erscheint illusorisch.

9)2010 geht man von einem Rückgang des BIP um vier Prozent aus.

10)Bei Preiselastizitäten von betragsmäßig größer eins übertrifft der prozentual negative Mengenrückgang den prozentualen Preisanstieg, sodass es zu Umsatz- und damit gegebenenfalls zu Steuerverlusten kommt.

11)Vgl. Isensee u. Hanewinkel (2004). Langfristig wird ein betragsmäßiger Anstieg der Preiselastizität von 0,92 (1. Quartal), zurück auf 0,20 (2. Quartal) und dann bis auf 1,96 (3. Quartal) gefunden. Internationale Studien zeigen darüber hinaus eine besonders hohe Anpassungsreaktion bei Jugendlichen, sozial niedrigen Schichten sowie in ökonomisch schwächeren Ländern, also Griechenland. Hier werden Preiselastizitäten zwischen 0,8 und 1,4 genannt. Vgl. ebenda, Seite 771.

12)Um Art. 24 Abs. 2 der Griechischen Verfassung Rechnung zu tragen, würde mit der Zahlung dieser geplanten Strafsteuer auch keine Legalisierung stattfinden, sondern lediglich die Anerkennung des Status quo durch die Baubehörden für 40 Jahre. Vgl. Martens (2010).

13)Der besondere Hinweis auf eine Verbesserung der Verwendungsplanung der EU-Mittel aus den Kohäsions- und Strukturfonds macht diese These deutlich. Bislang konnten die Mittel nur zum Teil rechtzeitig abgerufen werden, da die Projektierung offensichtlich einen Engpassfaktor darstellt.

14)Nimmt man das Beispiel der Bundesrepublik mit seinen vielfältigen Deregulierungsvorhaben seit 1990 oder allein den Zeitbedarf für den Aufbau einer funktionsfähigen Verwaltung in Ostdeutschland, so wird die Problematik augenscheinlich. Hinzu tritt möglicherweise die griechische Mentalität, die diesen Reformen unter Umständen auch nicht immer förderlich ist.

15)So die Argumentation zur Finanzhilfe in Presseäußerungen von Herrn Bundesfinanzminister Schäuble. Siehe o. V., "Hilfe kostet Deutschland 8 Milliarden Euro", Art., in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt, 13. April, Seite 9.

16)Bei einer durchschnittlichen Restlaufzeit deutscher Staatsschulden von 5,8 Jahren errechnen sich die 18 Milliarden Euro auf der Basis des heutigen Schuldenstands von 1800 Milliarden Euro.

17)Deshalb wird dieses Phänomen auch als Crow-ding-out-Effekt bezeichnet.

18)Der IWF-Kredit ist noch niedriger verzinst. Für 8,2 Milliarden Euro verlangt der Fond lediglich 1,28 Prozent per annum, Beträge darüber hinaus werden mit 3,28 Prozent per annum verzinst. Auf diese Sätze kommt eine Bearbeitungsgebühr von 0,5 Prozent.

19)Bei einer längeren Laufzeit erhöht sich der Aufschlag auf vier Prozentpunkte. Wird der Rückzahlungstermin verpasst, kommt ein Strafzins auf die ausgefallene Rate von zwei Prozentpunkten hinzu.

20)Hintergrund ist das griechische Geschäftsbankensystem, welches unter Liquiditätsabflüssen aufgrund der griechischen Staatsschuldenkrise leidet. Zur Refinanzierung reichen diese Banken griechische Staatsanleihen an die EZB weiter. Von besonderer Brisanz ist diese Regelung, indem sie auch für neu begebene Staatsschuldtitel gilt.

21)Rein formal verstößt die EZB nicht gegen das Verbot des unmittelbaren Erwerbs von staatlichen Schuldtiteln (Art. 123 Abs. 1 AEUV), da der Ankauf mittelbar über die Börse erfolgt. Ähnlich handeln seit geraumer Zeit die amerikanische und die britische Zentralbank. Allerdings unterscheidet das lockerere Stabilitätsverständnis sowie das Selbstverständnis in der Rolle als Marktakteur diese Institutionen von der bisherigen Politik der EZB.

22)Publikumswirksam unternahm die EZB am 17. Mai 2010 auch Gegengeschäfte im gleichen Umfang.

Prof. Dr. Dirk Meyer , Institut für Volkswirtschaftslehre , Helmut-Schmidt-Universität
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