Bankgeschichte

Leistungsfähige Deutsche Banken - Bankhistorie als Geschichte friedlichen Fortschritts

Der Autor glaubt sich also in gewissem Sinne eine doppelte Legitimation, eine sachliche und eine gleichsam gefühlsbetonte, für sein Beginnen zu sichern, und er bittet den verehrten Leser, es ihm zugute zu halten, daß er auf diese Weise seine Ausführungen zum Thema "Leistungsfähige deutsche Banken" in mancher Hinsicht als eine Gelegenheit betrachtet, seine eigenen wirtschaftspolitischen und kreditwirtschaftlichen Überzeugungen in die Geschichte des Bankwesens hineinzuweben, das heißt also, aus eigenem von dem, was er in diesem halben Jahrhundert als Wirtschaftspolitiker und als ehemaliger "Bankstift" beobachtet hat, Schlüsse zu ziehen, die seiner Gesamteinstellung entsprechen: einer entschiedenen Bejahung marktwirtschaftlicher Grundsätze und unternehmerischer Dispositionsfreiheit als besten Garanten für den Fortschritt und den Wohlstand des ganzen Volkes. [...]

Die Entwicklungsgeschichte des deutschen Bankwesens ist charakterisiert durch immanente Kräfte der Ausbreitung in doppelter Hinsicht: geographisch ebenso wie in der Aufgabenstellung und den Funktionen. Was das Räumliche anlangt, so bietet die Historie der Commerzbank einen guten Anschauungsunterricht dafür, wie lokale Bedeutung und Wirkungsweise sich schrittweise zu regionaler, sodann zu nationaler und schließlich zu internationaler Geltung ausweiteten. Schon die Hamburger Gründung von 1870 griff bald über die Hansestadt hinaus, und bei den Frankfurter, Magdeburger und den Barmen-Düsseldorfer Instituten, die sich später mit dem Hamburger Haus zu einer Einheit verschmolzen, vollzog sich schon vor der Fusion eine Ausbreitung im gleichen Sinne, das heißt auf die Nachbarbezirke und teilweise schon darüber hinaus.

So entstanden aus den lokalen Geschäftsbereichen Regionalinstitute, und diese wiederum wurden durch Verschmelzungen zu einem den ganzen nationalen Bereich umfassenden Gebilde, wobei das Wörtlein national hier natürlich nicht im Sinne von nationalistisch zu verstehen ist, sondern nur so, daß das Wirkungsfeld des Instituts den ganzen Bereich des Staates, des Vaterlandes umfaßt oder daß die geschäftliche Zielsetzung doch wenigstens diesen Zustand anstrebt. Die letzte Stufe sodann ist der Weg in die Welt hinaus, die Internationalisierung, die geschäftliche Betätigung auch im Ausland, in letzter Ausprägung durch Interessennahme an ausländischen Banken oder durch Gründung eigener Institute mit Domizil in fremden Ländern. [...]

Konzentration kein "Machtstreben"

Hier mag nun sogleich eine Korrektur an landläufigen Vorstellungen angebracht erscheinen: Wie so oft in Debatten über die Struktur und die Entwicklungslinien von Wirtschaftszweigen erweist sich die Annahme, daß bestimmte Erscheinungen ein Produkt unserer Tage oder jedenfalls der "Neuen Zeit" seien, bei Lichte betrachtet, als ein Irrtum. Das gilt auch und gerade für die Konzentration im Bankwesen der Bundesrepublik, aber auch für diesen Zweig in der ganzen zivilisierten Welt. Die Historie der Commerzbank liefert in dieser Hinsicht recht illustratives Anschauungsmaterial. Schon die Gründung der Institute, aus denen die Commerzbank in ihrer Gestalt hervorging, wie sie sich beim hundertsten Geburtstag des Stammhauses, der damaligen Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg, darbietet, war das Produkt einer ganzen Reihe von Konzentrationsvorgängen, von Fusionen vormals selbständiger Institute: des Hamburger Hauses der Mitteldeutschen Creditbank, der Mitteldeutschen Privat-Bank und des Barmer Bank-Vereins. Aber auch diese vier Institute waren ihrerseits nach ihrer Gründung schon den Weg gegangen, der in immer größere Einheiten führte und der gekennzeichnet war durch Fusionen und durch Übernahme von Privatbankhäusern.

Die Geschichte der Commerzbank ist ein Dokument der Ratio, diesen Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung genommen, eine Historie also der rechnenden Vernunft, die ein Optimum an Leistung mit einem Minimum an Aufwand zu erzielen sucht und die dabei präzise darauf bedacht ist, durch Zusammenfassung ökonomischer Kräfte, personell wie materiell, das Gesamtpotential nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu steigern. Das ist der sprichwörtlich rote Faden, der sich in Gestalt solchen Rationalisierungsstrebens durch die ganze Geschichte der Commerzbank hindurchzieht.

Was dabei wohl am meisten auffällt, ist das Zusammenschmieden oder Zusammenwachsen von regionalen Teilbereichen zu einem einheitlichen Ganzen. Hamburg, Magdeburg, Meiningen, Berlin, Frankfurt am Main, Barmen, Düsseldorf - die Namen dieser Städte sind als Marksteine der Anfänge in das Buch der Geschichte eingeschrieben: In Nordwest-, Mittel-, West- und Südwestdeutschland lagen die Keime, und dort wuchsen zunächst die Pflanzen wenn man im botanischen Bild bleiben darf - jede für sich heran, bis die verschiedenen, zeitlich zum Teil weit auseinanderliegenden "Okulationen" das Ganze in seiner Einheit entstehen ließen. [...]

Damit sind die grundsätzlichen Seiten des Themas Konzentration angedeutet, und deshalb mögen hier noch einige Bemerkungen mehr prinzipieller Art vorweggenommen werden. Es ranken sich um diesen Begriff der Konzentration in der sogenannten öffentlichen Meinung immer wieder Mißverständnisse verschiedener Art, und was das Bankwesen anlangt, so verknüpfen sich diese Fehldeutungen dazu auch noch mit Irrtümern denen andere Wirtschaftszweige sich nicht oder nur selten ausgesetzt sehen. Meist kreisen diese Mißverständnisse zugleich um einen anderen Begriff, nämlich um das, was eine bestimmte öffentliche Meinung unter "wirtschaftlicher Macht" versteht oder verstanden wissen will. "Machthunger" der großen Banken und ihrer leitenden Männer gilt immer wieder als ein wesentliches Konzentrationsmotiv: Schwer auszurotten ist die Vorstellung, daß die Großbanken und ihre verantwortlichen Leiter eine Art von modernen gehobenen Sklavenhaltern seien, weniger vielleicht gegenüber ihren Mitarbeitern als gegenüber den Kunden.

"Commercium" als Fortschrittssymbol

Die nüchterne Wirklichkeit des Bankwesens und des Bankgeschäfts sieht ganz anders aus, wenn man bedenkt, in welchem Maße Konkurrenz um den Kunden, Wettbewerb um den Einleger, um den Kreditnehmer, aber auch um den Effektenkunden und überhaupt um jegliche Spezies aller derer herrscht, die eine Bank zu bedienen trachtet, denen sie dienen will - wenn man sich dies in der poesielosen und entgötterten Realität des Wettbewerbs betrachtet, so könnte man eher von genereller Ohnmacht der Bankfachleute sprechen: Sie sind Kaufleute, Unternehmer, und sie können, wie jeder Unternehmer, nur dann Erfolg haben, wenn sie es verstehen, ihren Geschäftspartnern bessere Dienste zu leisten als ihre Konkurrenten. Sie werden beherrscht von einer anonymen Macht, nämlich vom Markt, der unbarmherzig die Preise diktiert, im Falle der Banken also besonders die Zinsen, und zwar sozusagen auf beiden Seiten, im Soll und im Haben, auf der Aktiv- wie auf der Passivseite der Bilanz.

Das ist dem Fachmann nichts Neues, aber es verdient doch wohl einmal gesagt zu werden. Da es diese Macht der Bankiers gar nicht gibt, kann auch die Konzentration nicht aus Machtstreben abgeleitet werden, kann Machtzuwachs nicht das Konzentrationsmotiv sein. Dieser einfache Schluß liegt auf der Hand.

Die Konzentration im Bankwesen hat mehrere Gesichter, und zwar in dem Sinne, daß sie sich historisch betrachtet einerseits durch Übernahme von Privatbankiers in den Wirkungsbereich von Aktienbanken vollzog, ja daß man sogar sagen kann, die Entstehung der Gebilde, die wir etwa seit dem Beginn unseres Jahrhunderts als Großbanken bezeichnen, habe sich aus Wurzeln heraus vollzogen, die selbst dem Milieu des Privatbankiers angehörten, daß aber andererseits und sozusagen auf höherer Ebene sich auch Institute zusammenschlossen, die bereits dem Milieu der individuellen Haftung entwachsen und zu regional bedeutsamen Faktoren geworden waren.

In der Geschichte der Commerzbank läßt sich beides registrieren, denn die vier Säulen, aus denen das Institut in der heutigen, seit dem Anfang der dreißiger Jahre bestehenden Verfassung entstand, der Barmer Bank-Verein, die Mitteldeutsche Privat-Bank, die Mitteldeutsche Creditbank und die Commerz- und Disconto-Bank, waren selbst aus Privatbankfirmen entstanden oder doch von privaten Bankhäusern gegründet worden, und sie hatten auch in den Jahren bis zur Vereinigung in der Commerzbank noch eine gewisse Anzahl von Privatbankiers in sich aufgenommen. [...]

Die Gründe für diese Entwicklung, besonders für das schrittweise Zurücktreten des Privatbankiers im Rahmen der gesamten Kreditwirtschaft sind schon des öfteren erörtert worden und brauchen hier nicht in ihrer gesamten Breite rekapituliert zu werden. Es mag der Hinweis genügen, daß angesichts der Strukturwandlungen des Geldwesens und des Zahlungsverkehrs in den letztvergangenen hundert Jahren Haftungsprobleme entstanden, die mit dem individuell-privaten Vermögenseinsatz einfach nicht mehr zu bewältigen waren. Der Siegeszug des Buchgeldes, des giralen Zahlungsverkehrs ließ das Geldvolumen in Dimensionen anschwellen, an die vor hundert Jahren kein Mensch zu denken gewagt haben würde. In dieser Entwicklung lag ein unausweichlicher Sachzwang zur Errichtung von Geldinstituten, die mit einer breiteren Haftungsgrundlage zu arbeiten vermochten als ein Privatbankier und sein Familienvermögen. [...]

Neben den rein quantitativen Veränderungen, die sich im Laufe dieser hundert Jahre vollzogen haben, ist nun aber vor allem auch ein qualitativer Strukturwandel von mindestens ebenso großem Gewicht, nämlich das relative Zurücktreten der Eigenkapitalien als Haftungsbasis. Vor hundert Jahren und noch um die Jahrhundertwende sah die Bilanz einer typischen Aktienbank etwa so aus, daß die Summe sich zu siebzig oder gar achtzig Prozent aus Kapital und offenen Reserven und aus nur zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent "Creditoren" zusammensetzte - eine für unsere Zeit gar nicht mehr faßliche Relation. [...]

Am Beginn der siebziger Jahre bewegen sich die Relationen Eigenmittel/Bilanzsumme zwischen dreieinhalb und fünf Prozent, ein Faktum, das sich eigentlich nicht anders umschreiben läßt, als daß ein früher nie gekanntes Maß an öffentlichem Vertrauen an die Stelle materieller Fundamente getreten ist, in einer Entwicklung, die sich über Jahrzehnte herausgebildet hat und die den vielleicht wichtigsten Strukturwandel darstellt, obwohl oder gerade weil sich kaum jemand von dem Charakter und der Bedeutung dieser Wandlung Rechenschaft ablegt.

Geldinstitute mit Goldbasis

Um noch einmal kurz bei den "Creditoren" zu verweilen, also bei dem, was man heute als Einlagen zu bezeichnen pflegt, womit eine bestimmte Art von Verbindlichkeiten gemeint ist, so ist es sprachgeschichtlich nicht ohne Reiz, sich daran zu erinnern, daß das Vokabularium des deutschen Bankwesen ganz allgemein an älteste italienische Überlieferungen anknüpfte. [...] Commercium war für die Römer der Inbegriff der friedlichen ökonomischen Erschließung der weiten Welt, Sinnbild und Werkzeug des zivilisatorischen Fortschritts. [...]

Eine andere Erinnerung mag in diesem Zusammenhang noch geweckt werden: Die Kapitalien der Banken, die im vorigen Jahrhundert gegründet wurden und aus deren Zusammenfassung später die heutigen Großbanken entstanden, wurden zumeist durch Einzahlung von Gold aufgebracht. Dies geschah nicht nur im Hinblick auf gesetzliche Vorschriften, welche den Notenbanken schon damals und teilweise bis heute noch die Verpflichtung auferlegten, ihre Verbindlichkeiten, hauptsächlich also den Banknotenumlauf, durch bestimmte Prozentsätze in Gold zu "decken", sondern auch aus einem allgemeineren Grunde, weil nämlich der Währungscharakter dieses edelsten Metalls eine fest verwurzelte Vorstellung war und weil die öffentliche Meinung das gemünzte Gold als ein so unumstößliches und gleichsam gottgewolltes Fundament der wirtschaftlichen Ordnung betrachtete, daß ein Geldinstitut ohne Goldbasis schlechthin unvorstellbar war.

Diese Identifizierung wirtschaftlicher Solidität und Seriosität mit dem Gold als Kapitalbasis der Geldinstitute hat sich lange erhalten und wirkt in der heutigen internationalen Währungsordnung und in den Statuten der nationalen Notenbanken nach, aber im Bereich der Geschäftsbanken ist man längst über diese Reste des Metallismus, wenn man sie so nennen darf, hinausgewachsen, aus dem einfachen Grunde, weil das Giralgeld, das Buchgeld, das sich in bloßen Aufzeichnungen in den Kontobüchern der Banken manifestiert, weil dieses stofflose Geld ein unentbehrliches Requisit des modernen Zahlungsverkehrs mit seinen noch immer anschwellenden Summen geworden ist.

Demnächst werden wir es vielleicht erleben, daß das Buchgeld in seiner heutigen Form seinerseits gewissermaßen abstirbt und ersetzt wird durch Datenspeicher, durch elektronische Vorgänge in Speichergeräten, womit ein weiteres Stadium der Entstofflichung, also einer speziellen Art von Abstraktion sich vollziehen wird - wer vermöchte zu sagen, ob es das letzte sein wird? Am Kapitalmarkt, im Wertpapierwesen sind wir noch ein Stück zurück, aber auch hier drängt die Entwicklung zur Abstraktion: Der Sammelverwahrung von Effekten wohnt der immanente Drang zum stückelosen Wertpapier inne. Zum Teil ist diese Form schon verwirklicht, zum anderen harrt auch hier die Verwandlung in einen elektronischen Vorgang.

Ist diese ganze Entwicklung eine Art von Entseelung? Wer die Dinge so betrachten wollte, würde den Fortschritt verteufeln, die Rationalisierung des Geldwesens, die eine unvermeidliche Begleiterscheinung, ein notwendiges Pendant zur Technisierung, zur Rationalisierung, zur Mechanisierung und Maschinisierung der Gütererzeugung und des Verkehrswesens war und ist, das sozusagen natürliche Gegenstück zur Massenproduktion und den Massenumsätzen in der modernen Volkswirtschaft. Man könnte sagen, daß das Maschinenkapital, das die Industrialisierung ermöglicht hat, nun auch in das Geldwesen, in die Kreditwirtschaft Einzug hält, daß es auch hier die Massierung der Werte die Potenzierung der Zahlen überhaupt erst zu realisieren erlaubt. Die Gehilfen des Bankiers werden zu Technikern, aus dem Buchhalter mit dem Federkiel und der guten Handschrift wird der Operator des Computers, der Programmierer, der elektronische Ströme und Apparaturen wirken läßt: Das Commercium bedient sich dieser technischen Fortschritte, es kommt ohne sie nicht aus.

Größe und Universalität

Den deutschen Großbanken ist im Laufe der Jahrzehnte hin und wieder vorgeworfen worden, daß sie sich einer Gesinnung der Gigantomanie verschrieben hätten. Wer ihnen dies unterstellt oder ihnen gar eine Art von Elefantiasis bescheinigen möchte, der vergißt oder weiß nicht, daß es draußen in der Welt Gebilde gibt, die in ihren Größenordnungen den deutschen Banken weit vorausgeeilt sind. Unter den zwanzig größten Banken der Welt befindet sich kein einziges deutsches Institut, wohl aber sind es amerikanische Banken, welche die Spitzenpositionen in bezug auf Bilanzsumme und Geschäftsumfang wie auch hinsichtlich der Eigenkapitalien innehaben, gefolgt vor englischen, italienischen, japanischen und französischen Instituten.

Die größte der amerikanischen Großbanken weist eine Bilanzsumme, auf Deutsche Mark umgerechnet von mehr als 100 Milliarden aus, die größte britische Bank erreicht 60 Milliarden. Die deutschen Großbanken kommen nur an ein Sechstel bis ein Viertel der Hundertmilliardenlinie heran - ein Faktum, das man nicht übersehen sollte und das an und für sich schon Beweis genug ist gegenüber dem Vorwurf der Gigantomanie. [...]

Das, was wir heute unter einer Universalbank verstehen, existierte also seinem Wesen nach schon vor hundert Jahren, und dieser Typ erwies sich auch als so lebenskräftig, daß schon frühzeitig und ganz besonders in den beiden letztvergangenen Jahrzehnten auch andere Institute und Institutsgruppen auf diese Linie einschwenkten. Vor dreißig oder vierzig Jahren wäre es schlechthin undenkbar gewesen, daß sich die Sparkassen als Universalbanken bezeichnet und als solche betätigt hätten - heute tun sie es mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, ohne aber dabei die Formel vom "öffentlichen Auftrag", den sie für sich ins Treffen zu führen pflegen, aufgeben zu wollen.

Wie dem auch sei, dieser Wandel ist wohl die denkbar beste Bestätigung für die Richtigkeit, die Zweckmäßigkeit und die Praktikabilität der Universalbank als modernen, besser gesagt, allseitig und umfassend modern gewordenen Typs bankgeschäftlicher Betätigung. Wer seiner Kundschaft alle nur denkbaren Bankleistungen anzubieten vermag, wer alles in einem Hause, unter einem Dach hat und offerieren kann, der schafft sich allein schon mit diesem Faktum ein Fundament, das betriebswirtschaftlich nicht nur im Sinne des Schwankungsausgleichs zwischen den Ertragschancen der einzelnen Zweige unschätzbare Vorteile bietet, sondern auch insofern, als jeder dieser Zweige von latentem Werbewert für die anderen sein kann, wenn die Koordinierung im Gesamtbereich der Universalbank optimal gelingt. Dies wiederum setzt eine gewisse Größe voraus wie denn überhaupt der Zug zur Konzentration und das Streben nach Universalität der bankgeschäftlichen Leistungen in mancher Hinsicht nur zwei Seiten ein und derselben Sache sind. [...]

Ein Seitenblick mag in diesem Zusammenhang den Eigentumsverhältnissen im deutschen Bankwesen gewidmet werden. Unter den Aspekten, wie sie in der Gegenwart, am hundertsten Geburtstag der Commerzbank, vorherrschen, ist es nicht mehr recht vorstellbar, daß Institute, welche die Funktion einer Notenbank, eines Zentralinstituts, haben, von "Kapitalisten" gegründet wurden, wie es bei mehreren jener Banken der Fall war, aus denen die Commerzbank zusammenwuchs. Diese Institute hatten freilich als Notenbanken nur ein verhältnismäßig kurzes Leben, denn schon 1875 nahm ihnen die Gesetzgebung des jungen Deutschen Reiches das Notenprivileg, das später in der Deutschen Reichsbank monopolisiert wurde, aber auch diese war ihrer Rechtsform nach ein Privatunternehmen, eine Art von Aktiengesellschaft, freilich eine Kapitalgesellschaft sui generis mit speziellen Eigenheiten, die bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts erhalten blieben, deren Erörterung aber nicht hierher gehört.

Wie dem auch sei, Tatsache war, daß viele Aktienbanken als Notenbanken ins Leben gerufen wurden, und zwar traten stets Privatbankiers als Initiatoren und auch als formale und materielle Gründer auf. Der privatwirtschaftliche Charakter und seine ausdrückliche Betonung kam auch darin zum Ausdruck, daß bei der Fusion der Commerz- und Disconto-Bank mit der Mitteldeutschen Privat-Bank (im Jahre 1920) das Wort "Privat" in die neue Firma übernommen wurde. Man hielt es also offenbar für wichtiger als das Wort Disconto und ebenso inhaltsschwer wie das Wort Commerz.

Damit hielt man auch terminologisch Abstand von den staatlichen Instituten größeren oder kleineren Formats wie sie etwa in Gestalt der alten Preußischen Staatsbank (Seehandlung) oder ähnlicher Banken anderer Bundesstaaten existierten, teils mit, teils auch ohne Notenprivileg. Der Wegfall des Notenausgaberechts war natürlich dazu angetan die privatwirtschaftlichen Funktionen der Aktienbanken noch stärker als vorher zu akzentuieren, denn da hinfort die Qualität der Währung eindeutig und ausschließlich in die Verantwortung des Staates überging, wurden die Aktienbanken nun zu dem, was man später als Geschäftsbanken bezeichnete.

Darunter versteht man heute allerdings alle Institute außer der Notenbank, also auch die Sparkassen, die Staatsbanken, die genossenschaftlich organisierten Kreditinstitute, die Realkreditbanken, die Teilzahlungsfinanzierungsbanken, kurzum alles, was nicht Zentralbank, nicht Währungsbank ist. Der moderne Ausdruck Geschäftsbank deckt sich aber keineswegs mit einer Kennzeichnung der Eigentumsverhältnisse. In den seit 1870 verflossenen hundert Jahren hat sich dabei das Gewicht der öffentlichen Hand als Eigentümer von Geldinstituten erheblich verstärkt. Von 650 Milliarden DM Bilanzsumme aller deutschen Geschäftsbanken entfallen heute 350 Milliarden DM auf Institute, die in staatlichem oder kommunalem Eigentum stehen; vor hundert Jahren dürfte diese Quote wesentlich geringer gewesen sein, wenn sie sich auch nachträglich kaum noch errechnen läßt.

Was die Großbanken anlangt, so sehen sie in ihrer Geschichte auf einige Jahre zurück, in denen sie eine Umstülpung ihrer Eigentumsverhältnisse hinnehmen mußten: In der schweren Wirtschaftskrise am Anfang der dreißiger Jahre mußte das Deutsche Reich ihre Aktienmajoritäten an sich ziehen, um hiermit und mit anderen Vorkehrungen die Einleger zu schützen und den Zahlungsverkehr aufrechterhalten zu können. Aber einige Jahre später glückte die Reprivatisierung. [...]

Dichtung und Wahrheit

Strukturprinzipien und Organisationsformen der Universalbank sind seit langer Zeit und bis in die Gegenwart hinein immer wieder Gegenstand von Debatten gewesen, in denen Zweifel an der Sachgerechtigkeit dieser Gebilde geäußert wurden. Soweit sich diese Kritiken auf ausländische Beispiele andersartiger Funktionsstrukturen im Bankwesen berief und beruft, ist den Kritikern zunächst einmal entgegenzuhalten, dass das Bankwesen nicht das einzige Sachgebiet ist, auf dem Unterschiede in den Organisationsprinzipien unternehmerischer Funktionen bestehen. [...]

Die Universalbank ist in Deutschland in der historischen Entwicklung der Kreditwirtschaft nicht konstruiert worden, sondern gewachsen; sie ist das Produkt einer organischen Entwicklung, wie sie von unternehmerisch gesinnten Fachleuten den Bedürfnissen der Kundschaft angepaßt wurde. Dabei sind Gebilde entstanden, die, wie schon angedeutet, "alles unter einem Dach" vereinigen: das Einlagen- und das Kreditgeschäft, die Depotfunktion, den Effektenhandel und das Emissionsgeschäft, den Devisenhandel und die Außenhandelsfinanzierung, die Anlageberatung, neuestens auch noch andere Dienstleistungen wie die Vermögensverwaltung, um nur die wichtigste Leistungen zu nennen, denen sich die moderne deutsche Universalbank widmet.

Hin und wieder werden ihr Ratschläge erteilt oder es wird sogar der Gesetzgeber ermahnt, in diese Universalität einzugreifen, wobei zumeist die Abtrennung des Effektengeschäfts und seine Verselbständigung in sogenannten Broker-Firmen nach dem Muster der in den Vereinigten Staaten von Amerika üblichen Arbeitsteilung empfohlen wird. Indessen wird dabei übersehen oder verschwiegen, daß drüben, jenseits des großen Teichs, gerade in unserer Zeit die Funktion des Brokers, also des Effektenhändlers als selbständigen individuellen Unternehmers durchaus nicht stets und nicht in jeder Hinsicht als die ideale Lösung der sich für den Wertpapierhandel stellenden Aufgaben empfunden wird. Die US-Broker sehen sich wachsender Kritik ausgesetzt, die unter anderem auf dem Vorwurf fußt, daß sie mit der Lieferung der Effekten an ihre Kunden in Rückstand und dabei in Schulden geraten, im Verhältnis zu denen ihre Eigenkapitalien zu gering sind, woraus sich auf die Dauer schwere Komplikationen ergeben, welche die US-Börsenbehörden auch schon zu Monita und zu Eingriffen veranlaßt haben.

Wie dem auch sei, der Ruf nach einer "Dekonzentration" bankgeschäftlicher Funktionen findet in der Bundesrepublik eigentlich kein ermutigendes Echo in der sogenannten öffentlichen Meinung, wenn man von vereinzelten Stimmen absieht. Zwar mögen sich in der Vergangenheit hin und wieder Gefahren einer gewissen Pflichtenkollision ergeben haben angesichts der Tatsache, daß eine Universalbank, die beispielsweise bei Abstimmungen in den Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften das Stimmrecht sowohl für Eigen- wie für Kundschaftsbesitz ausübt und die zugleich als Kreditgeber des betreffenden Unternehmens fungiert, aber auch noch ein Vorstandsmitglied in den Aufsichtsrat eben dieses Unternehmens entsandt hat, sich Vermutungen dahingehend aussetzt, daß diese verschiedenen Funktionen miteinander in Widerspruch geraten könnten.

Zwar mögen sich aus solchen Konstellationen hin und wieder Reibungen ergeben haben, jedoch wird niemand behaupten können, daß hierin ein Systemmangel läge, ein prinzipieller und kontinuierlicher Verstoß gegen Gesetz und Geschäftsgebräuche. Aber wir haben leider in der öffentlichen Meinung in Deutschland eine Art von grundsätzlicher Neigung, dem Unternehmertum und somit auch den Bankiers zunächst einmal von vornherein bösen Willen zu unterstellen und zugleich ausländische Organisationsformen und Gebräuche a priori für die besseren zu halten, besser im Sinne sogar einer quasi-moralischen Betrachtungsweise. [...]

Stille Reserven

Man kann im übrigen die Zusammenhänge, die sich bei einer Universalbank aus der Funktions-Addition, die vielleicht besser als Funktions-Multiplikation bezeichnet wird, nicht richtig würdigen, wenn man nicht bedenkt, daß die Großbanken, und dies gehört mindestens indirekt auch zum Thema Universalbanken, Eigentümer stattlicher Aktienpakete sind, mag es sich nun um Industriewerte oder anderes, vor allem um Aktien von Kaufhausunternehmungen handeln. Zum Teil stammen diese bedeutenden Aktienpakete aus "alten Zeiten", freilich nicht aus der sogenannten "guten alten Zeit", sondern aus Phasen der Not: Es sind teilweise die Resultate von Sanierungsoperationen, die in oder nach der Weltwirtschaftskrise am Beginn der dreißiger Jahre durchgeführt werden mußten und bei denen die Großbanken Forderungen, soweit sie nicht langfristig konsolidiert werden konnten, in Aktien umwandelten.

In vielen dieser Pakete liegen, nachdem sie jahrzehntelang durchgehalten und in den Aufschwung seit der Geldreform von 1948 herübergetragen worden sind, jetzt stille Reserven von vielen Hunderten von Millionen Deutsche Mark. So sind aus Kindern der Not, einst mit sorgenvoller Stirn betrachtet, schließlich kräftige, gesunde, blühende Familienmitglieder geworden, wenn dieses Bild erlaubt ist.

Eine gedrängte Würdigung der vielseitigen Fragen, die sich aus dem Organisationstyp der Universalbank ergeben, muß indessen doch wenigstens noch kurz auf folgendes eingehen: Vieles von den Mißverständnissen, die sich bei der Beurteilung des Verhältnisses der Großbanken oder überhaupt der Banken einerseits und der Aktionäre von Industrie- oder anderen Aktiengesellschaften andererseits immer wieder konstatieren lassen, geht wohl darauf zurück, daß die Beziehungen zwischen den Vorständen und Aufsichtsräten der Gesellschaften und ihren Aktionären nicht mehr nach rein geschäftlichen, kommerziellen Gesichtspunkten gesehen werden, sondern daß diese Betrachtungsweise, wie sie dem alten Aktiengesetz zugrunde lag, durch sogenannte gesellschaftspolitische Elemente gleichsam getrübt worden ist.

Die schlichte Wahrheit, daß die Interessen der Aktionäre und die Interessen des Unternehmens selbst, an dem sie beteiligt sind, aber auch die Interessen der Banken sowohl als Mitaktionäre wie als Kreditgeber gar nicht auseinanderlaufen können, wird vielfach nicht mehr zur Kenntnis genommen, sondern ersetzt durch eine Art von Klassenkampf-Ideologie, wenn man diesen zugegebenermaßen überspitzten, im Kern aber doch wohl richtigen Ausdruck gebrauchen darf. Vorstände und Aufsichtsräte, welche die Gesamtheit ihrer Aktionäre schlecht behandeln, sei es, daß sie ihre Publizitätspflichten vernachlässigen, sei es, daß sie in der Behandlung des Gewinns, in seiner Aufteilung für Rücklagen und für Ausschüttungen an die Aktionäre nicht das Optimum und die richtigen Proportionen finden, diese Vorstände und Aufsichtsräte werden dadurch eine Verärgerung des Kapitalmarktes bewirken, und sie werden sich infolgedessen ins eigene Fleisch schneiden, sich selbst Schwierigkeiten bereiten, wenn sie den Markt früher oder später in Anspruch nehmen müssen, um sich neue Finanzierungsmittel, neues Eigenkapital zu verschaffen.

Es ist also der beste Beweis für die langfristige und wohlverstandene Identität der Interessen des Unternehmens und seiner Aktionäre. Für die Großbanken als Aktiengesellschaften ist diese Betrachtungsweise vielleicht noch wichtiger als für das Gros der Industrie-Aktiengesellschaften, und zwar aus zwei Gründen: Die Großbanken stützen sich selbst auf eine sehr große Anzahl von Aktionären, sie sind zumal es nicht einmal nennenswerte Paketbildungen in ihrem eigenen Aktionärskreis gibt - im wahrsten des Wortes Publikumsgesellschaften, in einem Maße wie nur verhältnismäßig wenige Unternehmen der Industrie, und sie müssen zugleich in einem vielleicht noch höheren Maße als Industrie-Unternehmungen bedacht sein auf das hier nur ganz kurz angedeutete Optimum in der Verwendung des Gewinns. Hinzu kommt aber noch ein zweites: Leitende Männer der Großbanken sitzen in den Aufsichtsratsgremien einer großen Anzahl von Industriegesellschaften und spielen dort mit ihren Ratschlägen, und indem sie Kontakte herstellen, eine traditionell sehr wichtige Rolle. Diese leitenden Männer der Großbanken stehen auf solche Weise gleichsam im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, und sie gelten infolgedessen oft als Adressaten der Kritik, die von Aktionären, mehr noch von den Funktionären von Aktionärsvereinigungen betrieben wird, einer Kritik, die sich ihrerseits auch wieder häufig aus Missverständnissen erklärt: Die Großbanken, so kann man hören, haben sich zu Beherrschern der Industrie aufgeschwungen, alles muß nach ihrer Pfeife tanzen, mit den Stimmen der Aktionäre, die ihnen ihre Effektendepots anvertraut haben, sind sie die wahren Regenten der Industrie und was dergleichen Fabeln und Legenden mehr sind.

Tote und lebendige Milliarden

Fabeln und Legenden - die Wahrheit, die Tatsachen sehen ganz anders aus. Die Großbanken haben in der Tat viele Sitze in den Aufsichtsräten der Industrie inne, aber aus keinem anderen Grunde als dem der geschäftlichen Beziehungen, die sich vollkommen zwanglos und sozusagen automatisch daraus ergeben, daß bei ihnen, den leitenden Männern der Großbanken, so viele Fäden des Wirtschaftslebens zusammenlaufen, daß sie hieraus ständig Anregungen für ihre Kunden, nämlich eben die großen Industriefirmen, zu schöpfen vermögen und daß sie vor allem auch berufen sind, die Verträge mit den Vorstandsmitgliedern der Industriegesellschaften abzuschließen, eine der wichtigsten Funktionen des Aufsichtsrats, die eine große Verantwortungslast bedeutet.

Das Bankenstimmrecht, noch genauer gesagt: die Stimmrechtsvertretung durch die Banken, fälschlich immer wieder als "Depotstimmrecht" bezeichnet, ist keineswegs als ein Instrument zu verstehen, mittels dessen die Großbanken eine Art von Herrschaft über die Industrie ausüben und sich Mandate sichern können, sondern es ist gewissermaßen das kleinere Übel, um die Stimmen der Aktionäre, denen es ja größtenteils gar nicht möglich ist, die Hauptversammlungen selbst zu besuchen, überhaupt zur Geltung zu bringen. Die Banken kleben auch nicht an der Stimmrechtsvertretung. Wenn jemand etwas noch Besseres zu erfinden vermag, werden sie zweifellos sich einer Diskussion darüber nicht verschließen - diese Debatte ist sogar bereits im Gange.

Im Jahre 1920, stand Deutschlands Geldwesen und mit ihm seine Banken in den Anfängen einer Währungszerrüttung, für die es in der Geschichte kein Beispiel gab. [...] Die Geschichte lehrte wieder einmal, daß die Menschen nichts aus ihr lernen. "Mark gleich Mark", diese alte These eines höchstrichterlichen Urteils wurde 1920 zum Sinnbild einer Art von Erblindung vor dem wirklichen monetären Geschehen, das die alte Mark auf ein Billionstel herabdrückte. Fünfundzwanzig Jahre später, im Jahre 1945, als die Bank ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag hätte begehen können, existierte weder die Bank selbst noch eine deutsche Währung.

Neuanfang auf Basis der Geldreform

Die Commerzbank war durch Besatzungsdiktat zerschnitten, in neun Teile zerstückelt, und der gigantische Notenumlauf, riesige Wogen schmutzigen Papiers, tote Milliarden, verdienten nicht den Namen Währung. Die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg und der politische und moralische Zusammenbruch von 1945 waren in ihren wirtschaftlichen Wirkungen der schwerste Schlag, den das deutsche Volk hinzunehmen hatte, zu vergleichen nur mit den Katastrophen des Dreißigjährigen Krieges. Es dauerte bis zum Sommer 1948, ehe auf der Basis einer neuen Währung das Bankwesen wieder einigermaßen regulär zu arbeiten beginnen konnte. Dann schuf die Geldreform eine neue, wenn auch anfänglich ein wenig problematische Grundlage, auf der das Kreditgeschäft der Banken sich von neuem entwickeln konnte: als unentbehrliches Fundament erster Zahlungsmittelversorgung und erster Finanzierung des Wiederaufbaues.

Am Ende des Jahres, das den drei westlichen Besatzungszonen die notwendige Geldreform bescherte, betrugen die Aktiva der Kreditinstitute in der Bundesrepublik (einschließlich der Sparkassen, der Realkreditbanken und aller anderen Institute) 12 Mrd. DM. Gegen Ende des Jahres 1969 waren sie auf fast 700 Mrd. DM angewachsen, Spiegelbild des Wachstums, das der Aktionsradius der Kreditwirtschaft in diesen zwei Jahrzehnten erfuhr. Die privaten Banken (ohne die Hypothekenbanken) waren an der Endsumme, wenn man sie so nennen kann, mit rund 160 Mrd. DM beteiligt, darunter die Großbanken für sich betrachtet mit 70 Mrd. DM, nach gut 2 Mrd. 1948. Alle privaten Kreditinstitute in der Bundesrepublik verfügten 1948 zusammen über knapp 4 Mrd. Einlagen; bis Herbst 1969 war dieser Block auf 140 Mrd. DM angewachsen, das Giralgeldvolumen im engsten Sinne, nämlich die Sichteinlagen auf knapp 40 Mrd. DM.

Und eine weitere Abrundung des Bildes: Die Spareinlagen aller Kreditinstitute stiegen in den zwanzig Jahren seit der Geldreform von rund 1 Mrd. DM auf rund 190 Mrd. DM - Zahlen, die man sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zu erträumen gewagt haben würde.

An die toten Milliarden denkt nun schon kaum noch jemand. Das Leben selbst, die wirtschaftliche Entwicklung, der Fleiß der Menschen hat neuen Milliarden zum Leben verholfen. Ohne dieses Aufblühen der Bankbilanzen, wenn man die Gesamtentwicklung mit diesem Bild illustrieren darf, wäre das Wachstum des Bruttosozialprodukts, das sich in dieser Zeit von jährlich 100 Mrd. auf fast 600 Mrd. DM erhöhte, nicht vorstellbar und nicht praktikabel gewesen, die Investitionstätigkeit hätte auf dem kümmerlichen Stand verharrt, wie er unmittelbar nach dem verlorenen Krieg zu konstatieren war, die Normalisierung der Lagerhaltung und die Renaissance des Außenhandels wäre ausgeblieben - kurzum: Die Leistungen der Banken waren von der finanziellen Seite her kardinale Voraussetzungen des Wiederaufbaus und der sich anschließenden Phase einer fast ununterbrochenen Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Leistung.

Das mag schon fast wie eine Selbstverständlichkeit anmuten, aber unmittelbar nach der Geldreform hätte niemand sich auch nur im entferntesten eine solch steile Entwicklung zu erhoffen gewagt. Die Leiter der deutschen Banken gingen nach dem Schock, den die Bereinigung der zweiten großen Inflation unseres Jahrhunderts mit sich brachte mit Elan und Risikofreudigkeit, fast könnte man sagen: mit an Tollkühnheit grenzender Verve an den Wiederaufbau heran, und was die Großbanken anbelangt, so vermochte ihre Zerschlagung die Ansätze zu einer kreditwirtschaftlichen Normalisierung und zum Neubau des Kreditgebäudes zwar zu erschweren und zu verzögern, aber nicht zu zerstören. [...]

Trend zur Expansion

Was das Bankwesen selbst anlangt, so ist über die zeitweiligen Pausen im Wachstum des Geschäftsvolumens hinweg der Trend zur Expansion auch im Psychologischen wirksam geblieben: Kaum jemand vermag sich noch vorzustellen, daß dieser Ausweitung auch einmal Grenzen gesetzt sein könnten, wobei sicherlich mitspricht, daß die Zahl der Fachleute, die in der Geschichte des Bankwesens die Ereignisse von 1929 bis 1932 als denkende Menschen erlebt haben, aus natürlichen Gründen in progressiver Abnahme begriffen ist, ein Gesichtspunkt, der von der heute in der Vollkraft ihrer Wirksamkeit stehenden Generation hin und wieder nicht genügend gewürdigt wird.

Wie dem auch sei, der Blick in die Geschichte kann nicht ausschließlich als enthusiasmierend empfunden werden, und Goethe hat diesen Ausspruch ja wohl auch nur so gemeint, daß er sagen wollte, der Enthusiasmus sei das Beste, was die Geschichte in uns erweckt, er hat also andere Wirkungen nicht ausgeschlossen, und zu diesen anderen Wirkungen hat wohl auch zu gehören, daß man sich hin und wieder schwerer Zeiten erinnert und nicht dem Übermut huldigt, menschlichem Wissen und menschlichem Streben seien überhaupt keine Grenzen gesetzt. [...]"

Die Redaktion veröffentlicht in dieser speziellen Ausgabe einen Beitrag, den der frühere Chefredakteur dieser Zeitschrift, Volkmar Muthesius, in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Commerzbank im Jahre 1970 publiziert hat. Sie meint, dass einige der Gedanken auch heute noch bedenkenswert erscheinen. Teilweise wurden Zwischenüberschriften und Absätze neu eingefügt.

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