Gespräch des Tages

Nasdaq/OMX - Nächstes Stadium der Börsenkonsolidierung?

Eines kann man der Nasdaq sicherlich nicht nachsagen: Dass sie den Schritt nach Europa nicht versuchen würde. Immerhin hat sie nun mit der freundlichen Übernahme der skandinavischen OMX eine ganze Reihe vergeblicher Versuche zu einem vermeintlich erfolgreichen Abschluss gebracht. Zur Erinnerung: Bereits im Jahr 2002 hatte sich die US-amerikanische Technologiebörse gemeinsam mit den zusammengeschlossenen Handelsplätzen in Berlin und Bremen angeschickt, die "Nasdaq Europe" aufzubauen - und ist damit kläglich gescheitert. Schon nach wenigen Monaten machte dann der neue Börsenchef Robert Greifeld dem Debakel ein Ende, weil keine nennenswerten Volumina auf die neue Plattform gelockt werden konnten. Und noch in allzu frischer Erinnerung ist der missglückte Versuch, zuerst freundlich, dann feindlich, in London Fuß zu fassen. Nicht einmal ein Prozent der Anteile haben die LSE-Aktionäre der US-Börse am Ende angedient. Einst war die Nasdaq in der Übernahmeschlacht mit der australischen Macquarie Bank dem damaligen "weißen Ritter" Nyse noch zuvorgekommen. Jetzt sitzt sie zunächst einmal auf ihrem bereits erworbenen Paket von knapp 30 Prozent an dem Londoner Handelsplatz und muss für die 3,7-Milliarden-Dollar-Übernahme der OMX Schulden machen.

Angesichts der Tatsache, dass die Skandinavier nicht die erste Wahl der Nasdaq für eine Landungsbrücke in Europa waren, drängt sich die Frage auf, ob der geplante Zusammenschluss zur Nasdaq OMX Group doch nur eine Verzweiflungstat ist. Immerhin sind der skandinavische Handelsplatzbetreiber und die London Stock Exchange zwei gänzlich unterschiedliche Gebilde. Während man sich in London fast monolithisch als Aktienbörse aufgestellt hat und eher auf Marktvolumen setzt als auf Diversifikation, ist die OMX Betreiberin der Handelsplätze in Stockholm, Helsinki, Kopenhagen, Island, Riga, Tallin und Vilnius und hat kürzlich noch die Börse in Armenien übernommen. Hinzu kommt die Positionierung als Technologieanbieter - das Unternehmen liefert die Han-dels-IT für 60 Börsen in 50 Ländern. Aber ein ganz besonderes "Leckerli" bringt der Börsenbetreiber zweifellos mit. Denn was aus amerikanischer Sicht wohl mit am reizvollsten an dem neuen Konstrukt sein dürfte, sind die Aktivitäten der skandinavischen Börsenorganisation im europäischen Derivatemarkt. Letzterer wäre über London nämlich nicht direkt zugänglich gewesen. Nun hat sich die Nasdaq den drittgrößten Handels- und Clearingplatz für Aktienderivate in Europa gesichert. Und dass gerade in diesem Segment weltweit eine ganze Menge an Potenzial vermutet wird, zeigt allein die gerade erst angekündigte Übernahme der International Stock Exchange durch die Deutsche Börse.

Ist mit Nyse-Euronext, Nasdaq-OMX und Deutsche Börse/Eurex-ISE die europäisch-amerikanische Börsenkonsolidierung nun also abgeschlossen? Für die ganz großen Akteure scheint dies allenthalben ratsam, zumindest für den Moment. Denn diese sind in nächster Zeit wohl erst einmal mit der Bewältigung der gerade laufenden Integrationen beschäftigt. Und schiere Größe kann nur dann das Gebot der Stunde sein, wenn aufgrund von Skalenvorteilen am Ende auch tatsächlich höhere Gewinne zu erwarten stehen - gerade auch weil die attraktivsten Stücke des Kuchens erst einmal aufgeteilt sind. Ohnehin hat sich bislang noch keine Atlan-tik-übergreifende Konstellation überhaupt als lebensfähig erwiesen, vielmehr gab es mit Nasdaq Europe oder Eurex US bekanntlich schon überaus namhafte Fehlschläge.

Allerdings sind da ja noch die 30 Prozent der LSE-Anteile im Beteiligungsportfolio der Nasdaq. Hätte die US-Börse keinerlei Verwendung mehr dafür, hätte man die längst abstoßen können und für die OMX-Übernahme weniger oder keine Schulden machen müssen. Und die Ankündigung der Technologiebörse, weiter aktiv an der Konsolidierung teilnehmen zu wollen, wird man in London auch keineswegs überhört haben. Allerdings sieht es der Takeover-Code der City vor, dass ein neues Angebot der Nasdaq, dann gestärkt durch die Reserven der Skandinavier, nicht vor Februar 2008 kommen darf, ein Jahr nach der letzten Offerte. Dass sich die breite Aufstellung der OMX und das Volumen der LSE auch nicht widersprechen müssen, sondern sich im Gegenteil gut ergänzen könnten, hat man übrigens auch in Stockholm schon früh erkannt: Im August des Jahres 2000 hatten die "Svennies" bekanntlich schon einmal vergeblich versucht, sich den deutlich größeren Londoner Handelsplatz feindlich einzuverleiben. Bei aller gebotenen Zurückhaltung könnte also schon im ersten Quartal nächsten Jahres mit der Nasdaq-OMX-LSE Group die nächste Konsolidierungswelle auf dem Programm stehen. Auch wenn weder die US-Amerikaner noch die Skandinavier in London besonders willkommen sein dürften.

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