Aufsätze

Die Nutzung unbarer Zahlungsinstrumente in Deutschland

Der europäische Zahlungsverkehr befindet sich in einer Phase bedeutender und zukunftsweisender Umbrüche, die sich auch auf das Bezahlen in Deutschland auswirken. Neben der Entwicklung eines gemeinsamen Binnenmarktes im Zahlungsverkehr zählen hierzu insbesondere technologische Neuerungen, die beispielsweise über Produktinnovationen oder die Weiterentwicklung bestehender Bezahlverfahren nach und nach zu Veränderungen im Kundenverhalten führen dürften. Bedingt durch unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen und Kundenbedürfnisse innerhalb Europas ist zu erwarten, dass die Auswirkungen dieser Entwicklungen in den verschiedenen Ländern voneinander abweichen. Als Basis für eine detaillierte Analyse des Bezahlverhaltens in Deutschland führte die Deutsche Bundesbank eine umfangreiche Studie zum Besitz und Einsatz von Zahlungsinstrumenten durch.

Nutzung von Zahlungsinstrumenten in Europa

Hinsichtlich der Nutzung von Zahlungsinstrumenten in verschiedenen europäischen Ländern weist ein Vergleich von Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Deutschland sowohl zeitpunktbezogen als auch bei Betrachtung der Veränderungen über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg zum Teil erhebliche Unterschiede aus (Abbildung 1). Während in Frankreich und dem Vereinigten Königreich im Jahr 2000 die meisten Transaktionen mittels Schecks und Kartenzahlungen abgewickelt wurden, waren in Deutschland überwiegend Überweisungen und Lastschriften eingesetzt. Bis zum Jahr 2007 stieg in allen drei Ländern die Gesamtzahl der Transaktionen wenn auch mit unterschiedlicher Dynamik - weitestgehend unter Beibehaltung der bisherigen Verhaltensmuster an. Damit steht einem moderaten Wachstum im deutschen Kartensegment ein starker Zuwachs bei den Lastschriften gegenüber, während Überweisungen leicht rückläufig sind und Scheckzahlungen fast vollständig an Bedeutung verlieren. In Frankreich und dem Vereinigten Königreich hingegen ist annähernd eine Verdopplung der Kartenzahlungen zu verzeichnen. Zudem geht auch in diesen beiden Ländern die Schecknutzung zurück. Dieser Rückgang fällt jedoch in Frankreich am schwächsten aus, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass hier Scheckzahlungen für Kunden traditionell besonders kostengünstig abgewickelt werden.

Studie zum Zahlungsverhalten

Um verlässliche Daten zum Besitz von Zahlungsinstrumenten sowie aktuelle Informationen über die Zahlungsgewohnheiten in Deutschland zu erhalten, führte die Deutsche Bundesbank im Jahr 2008 eine Studie zum Bezahlverhalten in Deutschland durch.1) Hierfür wurde eine repräsentative Gruppe von etwa 2 200 Personen um eine Selbsteinschätzung ihres Zahlungsverhaltens und der für sie relevanten Bestimmungsgründe für die Auswahl von Zahlungsinstrumenten gebeten sowie zu ihrem Besitz an Bargeld und ausgewählten unbaren Zahlungsinstrumenten befragt.

Darüber hinaus dokumentierten die Befragten über eine Woche hinweg ausführlich ihr tatsächliches Zahlungsverhalten im Rahmen eines Zahlungstagebuchs. Da die Untersuchung primär auf die Analyse der Verhaltensmuster am Point-of-Sale (PoS)2) abzielte, wurde schwerpunktmäßig die Nutzung von Bargeld und kartenbasierten Zahlungsinstrumenten (Debitkarte3), Kreditkarte und Geldkarte) betrachtet. Auf die nähere Untersuchung von Überweisungen und Lastschriften wurde hingegen verzichtet, da diese am PoS von untergeordneter Bedeutung sind.

Marktdurchdringung

Bei der Befragung nach Besitz und Bekanntheit von Bargeld beziehungsweise Zahlungskarten (Abbildung 2) war es wenig überraschend, dass alle Teilnehmer der Studie Bargeld kennen und besitzen. Auf den zweiten Rang kommt die Debitkarte mit 91 Prozent. Ihre hohe Marktdurchdringung spiegelt die fast vollständige Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Girokonten wider, zu denen die Debitkarte quasi als Standardprodukt ausgegeben wird. Sie zeigt damit aber auch, dass der Zahlungsverkehr in Deutschland ein klassischer Bankenmarkt ist, in dem Nichtbanken eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Eine deutlich geringere Verbreitung weist die Kreditkarte auf. Nur 27 Prozent der Befragten erklären sie zu besitzen, aber immerhin weiteren 70 Prozent ist sie zumindest bekannt. Die relativ geringe Verbreitung der Kreditkarte bei zugleich hohem Bekanntheitsgrad dürfte insbesondere auf die umfassende Versorgung von Bankkunden mit Debitkarten und Dispositionskrediten sowie die häufig mit Kreditkarten verbundenen zusätzlichen Gebühren zurückzuführen sein. Dies sowie die Ergebnisse der im Zusammenhang mit der Bundesbank-Studie vorgenommenen mikroökonomischen Analyse deuten darauf hin, dass die Kreditkarte in Deutschland eher als Zahlungsinstrument und weniger als Instrument zur Kreditaufnahme genutzt wird. Somit dürften Kredit- und Debitkarte eher in einem subsidiären als komplementären Verhältnis zueinander stehen.

Als weiteres interessantes Ergebnis zeigt die Studie, dass die Wahrnehmung der Geldkarte noch hinter derjenigen der Kreditkarte liegt. So gaben nur 21 Prozent der Befragten an, eine Geldkarte zu besitzen. Dieser Umstand überrascht vor allem im Hinblick darauf, dass fast 80 Prozent der ausgegebenen 92 Millionen Girocards mit dieser Zahlungsfunktion ausgestattet sind. Zwischen Bekanntheit und tatsächlicher Verbreitung der Geldkarte besteht somit eine deutliche Diskrepanz. Der Bekanntheitsgrad von Kunden- beziehungsweise Bonuskarten liegt mit 19 Prozent nur wenig hinter dem der Geldkarte.

Differenzierung nach Zahlungsbeträgen

Die Auswertung der von den Studienteilnehmern geführten Zahlungstagebücher weist bei der Analyse der Verwendung von Zahlungsinstrumenten in Abhängigkeit vom Zahlungsbetrag signifikante Unterschiede auf (Abbildung 3). So werden kleinere Beträge bis 20 Euro in knapp 95 Prozent aller Fälle bar bezahlt, und auch Beträge zwischen 20 und 50 Euro werden noch zu 73 Prozent bar beglichen. Bargeld nimmt somit in diesem Bereich eine dominierende Rolle ein: Einerseits sind viele Verbraucher nicht gewohnt niedrige Summen mit Karten zu bezahlen, andererseits wird in vielen typischen Bereichen für Kleinbetragszahlungen, wie zum Beispiel beim Bäcker oder am Kiosk, keine Alternative zur Barzahlung angeboten. Die Geldkarte, die ursprünglich für Kleinbetragszahlungen konzipiert worden war, hat
selbst im Bereich bis fünf Euro mit einem Anteil von nur einem Prozent lediglich marginale Bedeutung.

Mit steigendem Zahlungsbetrag wird Bargeld jedoch zunehmend durch unbare Zahlungsinstrumente verdrängt, in erster Linie durch die Debitkarte, die ab Zahlbeträgen von 20 Euro stärker genutzt wird. Allerdings vermag es die Debitkarte mit 38 Prozent der Transaktionen nur im Bereich von 100 bis 500 Euro das Bargeld als meistgenutztes Instrument abzulösen. Bei Beträgen über 500 Euro wird bereits wieder häufiger mit Bargeld gezahlt. Demgegenüber erreicht die Kreditkarte in keinem Segment einen bedeutenden Anteil an den getätigten Zahlungen. Sie wird am ehesten für Beträge zwischen 50 und 500 Euro eingesetzt, kommt aber selbst hier nur auf sechs Prozent aller Transaktionen, was den subsidiären Charakter von Kredit- und Debitkarte in Deutschland bestätigt.

Diese Ergebnisse der Zahlungstagebuchauswertung entsprechen auch den ebenfalls in der Umfrage ermittelten Bestimmungsfaktoren für die Auswahl von Zahlungsinstrumenten am PoS. Danach macht etwa die Hälfte der Befragten ihre Entscheidung von der Höhe des verfügbaren Bargeldbestandes abhängig, während die Höhe des zu zahlenden Betrags als zweitwichtigstes Kriterium von 46 Prozent der Befragten genannt wird. Danach folgen mit deutlichem Abstand die mit dem Einsatz des Zahlungsinstrumentes verbundenen Kosten, zu denen auch der Aufwand für den Bargeldbezug am Geldautomaten oder Bankschalter zählt. Solange also der Kaufpreis den Bargeldbestand - laut Studie im Durchschnitt 118 Euro - nicht übersteigt, ist die Neigung der Verbraucher in Deutschland, ihre Einkäufe bar zu bezahlen relativ stark ausgeprägt. Dies wird zusätzlich durch das dichte Netz von Geldautomaten begünstigt, über die der Bargeldbestand schnell und günstig wieder aufgefüllt werden kann.

Altersabhängig

Ein weiterer Schwerpunkt der Auswertung der Zahlungstagebücher lag auf dem Einfluss soziodemografischer Faktoren - wie zum Beispiel Alter, Einkommen und Bildungsstand - auf das Zahlungsverhalten. Hinsichtlich des Alters (Abbildung 4) dominiert in allen Altersstufen das Bargeld. Allerdings ist zu erkennen, dass die Neigung mittels Debitkarte zu bezahlen bei den Befragten zwischen 25 und 54 Jahren mit 27 beziehungsweise 31 Prozent am stärksten ausgeprägt ist, während der Barzahlungsanteil bei jüngeren beziehungsweise älteren Befragten mit 69 und 65 Prozent am größten ist. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass in diesen Altersgruppen die Bedeutung von Kleinbetragszahlungen am stärksten ist. Zudem könnte es bei den älteren Befragten eine Rolle spielen, dass die Debitkarte erst seit Anfang der neunziger Jahre als Zahlungsinstrument am PoS akzeptiert wird, sodass ihr Einsatz heute vielen älteren Menschen nicht schon in jüngeren Jahren zur Gewohnheit geworden ist.

Diese Argumentation geht von der Annahme aus, dass "Bezahlen" ein erlernter Prozess ist und heute junge Menschen ihre Zahlungsgewohnheiten mit zunehmendem Alter grundsätzlich beibehalten. Demgegenüber kommt eine im Rahmen der Bun-desbank-Studie vorgenommene mikroökonomische Analyse zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von Zahlungsinstrumenten auf rationalen Entscheidungen basiert und damit durch soziodemografische Aspekte wie etwa dem Alter beeinflusst wird. Demnach würden Menschen im Laufe ihres Lebens ihr Zahlungsverhalten verändern.

Zahlungsverhalten an verschiedenen Zahlungsorten

Ob es nun - entsprechend dem ersten Erklärungsansatz - in der Zukunft zu einer "generationenbedingten" Zunahme von Kartenzahlungen sowie einer stärkeren Nutzung innovativer Bezahlverfahren kommen wird, oder ob ausgehend von rationalem Verhalten der Verbraucher ceteris paribus die derzeitige Nutzung von Zahlungsinstrumenten bestehen bleibt, dürfte am ehesten über einen intertemporalen Vergleich zu klären sein.

Auf der Grundlage des Zahlungstagebuchs ergeben sich weiterhin signifikante Unterschiede hinsichtlich der Nutzung von Zahlungsinstrumenten an verschiedenen Zahlungsorten (Abbildung 5). So dominiert - gemessen am Anteil der am jeweiligen Zahlungsort abgewickelten Transaktionen - Bargeld vor allem in der Gastronomie, an Automaten sowie beim Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs. Die Debitkarte hingegen findet ihre größte Verwendung an Tankstellen und wird außerdem relativ häufig bei längerfristigen Anschaffungen sowie in Hotels eingesetzt. Für die Kreditkarte ergibt sich ein signifikanter Transaktionsanteil lediglich bei der Bezahlung in Hotels. In fast allen übrigen betrachteten Einsatzbereichen schneidet sie deutlich schlechter ab als Bargeld und Debitkarte.

Diese Auswertung spiegelt die bereits dargestellte Abhängigkeit der Auswahl des Zahlungsinstruments vom Zahlungsbetrag wider, nach der Bargeld vor allen Dingen bei niedrigen Beträgen präferiert wird. Darüber hinaus wird aber auch deutlich, wie wichtig die Akzeptanz von Zahlungsinstrumenten am PoS ist: So werden Kartenzahlungen in Cafés oder Schnellrestaurants oft nicht akzeptiert, während die Barzahlung (zum Beispiel per Nachnahme) bei Interneteinkäufen oder Bestellungen im übrigen Versandhandel häufig nur zu vergleichsweise schlechten Konditionen möglich ist.

Zukünftige Entwicklung

Die Entwicklung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area) sowie die bevorstehende Umsetzung der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (Payments Services Directive) in nationales Recht, werden zu einer weiteren Harmonisierung und Öffnung des europäischen Zahlungsverkehrsmarktes führen. Da hierdurch neuen Zahlungsdienstleistern der Markteintritt erleichtert wird, ist auch in Deutschland mit einer Zunahme des Wettbewerbs im Massenzahlungsverkehr zu rechnen, der wiederum eine weitere Konsolidierung in diesem Marktsegment nach sich ziehen dürfte. Darüber hinaus sind aber auch vielfältige Differenzierungen im Zusammenhang mit neuen Dienstleistungsangeboten beziehungsweise Produktinnovationen zu erwarten. Beispiele hierfür sind die (Weiter-)Entwicklung von elektronischen und mobilen sowie von kontaktlosen und biometrischen Bezahlverfahren.

Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zahlungsgewohnheiten von Jung und Alt sowie sich ändernder Konsumgewohnheiten, wie zum Beispiel dem wachsenden Trend zum Einkaufen im Internet, ist zudem nicht ausgeschlossen, dass die Innovationen von heute die Zahlungsgewohnheiten der Zukunft prägen. Hier steht insbesondere noch der Durchbruch unbarer Zahlungsinstrumente im Bereich der Kleinbetragszahlungen aus, in dem die Geldkarte bis heute nicht die erhoffte Akzeptanz gefunden hat, in dem aber künftig zum Beispiel mobile beziehungsweise kontaktlose Bezahlverfahren durchaus eine wichtigere Rolle spielen könnten.

In diesem Marktumfeld dürfte es für Kreditinstitute entscheidend sein, den Anschluss an die aktuelle Entwicklung nicht zu verpassen. Wollen sie auch weiterhin eine wichtige Rolle im Massenzahlungsverkehr spielen, werden sie kaum umhin kommen, ihre Geschäftsmodelle zu überprüfen, neue Trends aufzunehmen und diese mit entsprechenden Kundenlösungen aufzugreifen. Andernfalls könnte über kurz oder lang der Verlust wichtiger Marktanteile an neue und flexiblere Anbieter im Zahlungsverkehr drohen. Das Vertrauen der Kunden in ihre Hausbank ist dabei eine gute Voraussetzung, auch zukünftig erfolgreich Zahlungsverkehrsdienstleistungen am Markt anzubieten, und sollte als Anreiz dienen, die Aktivitäten in diesem Bereich zu verstärken.

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