Aufsätze

Update der Zahlungsverkehrsstudie - Neuerungen und Trends in der Zahlungsverkehrswelt

Der europäische Massenzahlungsverkehr befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Zum einen steht die Verwirklichung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area: Sepa) vor der Tür, zum anderen hat der rasante Fortschritt in der Informations- und Nachrichtentechnik auch im Zahlungsverkehr eine ganze Reihe von neuen Produkten hervorgebracht. Wenngleich sich viele Innovationen im Zahlungsverkehr noch in der Einführungs- und Wachstumsphase befinden, wird diesen ein hohes Entwicklungspotenzial zugebilligt.

Zahlungsverhalten im Blick

Um Informationen über Marktentwicklungen in Deutschland zu sammeln, hat die Bundesbank 2011 zum zweiten Mal nach 2008 das Zahlungsverhalten von Verbrauchern in Deutschland untersucht.1) Neben klassischen Einkaufsorten werden auch Zahlungen im Internet, an Privatpersonen, aber auch beispielsweise Taschengeldzahlungen erfasst. Die nächste Erhebung ist für 2014 geplant.

Die Erhebung umfasste einen Fragebogen und ein Haushaltstagebuch. Im Fragebogen wurden allgemeine Einstellungen und Verhaltensweisen zum Zahlungsverhalten abgefragt (zum Beispiel Besitz von Zahlungskarten, Einstellung zu innovativen Bezahlformen, Zahlungsverhalten im Internet). Das Haushaltstagebuch dient der Erfassung aller von den Befragten während einer Woche getätigten Transaktionen, ausgenommen sind lediglich regelmäßig wiederkehrende Zahlungen, wie zum Beispiel Miete oder Versicherungsbeiträge, die in der Regel unbar erfolgen. Im Mittelpunkt der Erfassung im Haushaltstagebuch stehen das genutzte Zahlungsinstrument (zum Beispiel Bargeld, Debitkarte), der Zahlungsbetrag und der Zahlungsort. Die Studie ist repräsentativ für alle in Deutschland Lebenden über 18 Jahre.

Unbare Zahlungsinstrumente weiter im Aufwind

Bargeld ist zwar weiterhin das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel, der Trend entwickelt sich jedoch kontinuierlich hin zu immer mehr unbaren Zahlungen. Der Barzahlungsanteil gemessen am Umsatz hat im Vergleich zu 2008 um fünf Prozentpunkte abgenommen (Abbildung 1).

Gemessen an der Transaktionszahl liegt der Barzahlungsanteil bei 82 Prozent, gegenüber 53,1 Prozent umsatzmäßigem Anteil. Diese deutliche Diskrepanz lässt sich folgendermaßen erklären: Vielen kleinen baren Zahlungen stehen nur wenige große unbare Zahlungen gegenüber. So ist Bargeld vor allem für kleine Beträge sehr gebräuchlich, wird aber auch in den mittleren Betragskategorien (20 bis 50 Euro) am meisten verwendet. Die Beliebtheit des Bargeldes unter 20 Euro hat auch damit zu tun, dass gerade in Geschäften, in denen kleine Umsätze anfallen (zum Beispiel Bäckereien, Kioske, Metzger), oftmals gar keine Kartenzahlung möglich ist. Die Girocard wird häufig erst bei Zahlungen ab 20 Euro eingesetzt, dafür aber bis hin zu mehr als 500 Euro. Die Kreditkarte spielt erst ab 100 Euro eine größere Rolle. Bei Beträgen über 500 Euro kommt auch die Überweisung verstärkt zum Einsatz (Abbildung 2).

Karten auf dem Vormarsch

Im Vergleich mit den Daten aus dem Jahr 2008 wird das Bargeld in den oberen Betragskategorien seltener verwendet. Dagegen haben Girocard und Kreditkarte merklich zugelegt. Diejenigen, die größere Beträge bar bezahlen, scheinen also zur Minderheit zu werden. Bei den unbaren Zahlungsinstrumenten ist die Girocard (ehemals ec-Karte) der eindeutige Spitzenreiter (28 Prozent), mit großem Abstand folgen Überweisung (8,2 Prozent) und Kreditkarte (7,4 Prozent).2)

Einst innovative Produkte wie die Geldkarte, die insbesondere für Kleinbetragszahlungen entwickelt wurde und somit eine Alternative zum Bargeld sein könnte, erfahren eine sinkende Akzeptanz (Umsatzanteil 0,1 Prozent). Die heutigen innovativen Zahlungsinstrumente (kontaktlose Karten, Bezahlverfahren mit dem Mobiltelefon) werden noch wenig bis gar nicht genutzt. Dies liegt unter anderem an der geringen Zahl an Akzeptanzstellen. Grundsätzlich mangelt es an attraktiven Alternativen zum Bargeld für Kleinbetragszahlungen.

Die Verdrängung von Bargeld ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wobei es gleichermaßen Faktoren gibt, die die Bargeldnutzung fördern, beispielsweise ist Bargeld nicht nur gesetzliches Zahlungsmittel, sondern auch subjektive Faktoren, wie die gefühlte Kostenkontrolle beim Blick in den Geldbeutel, tragen zur Nutzung bei.

Ein wichtiger Faktor für die steigenden Nutzungszahlen von unbaren Zahlungsinstrumenten ist der zunehmende Besitz von Zahlungskarten (Abbildung 3).

Debit- versus Kreditkarte

Der deutsche Markt für Zahlungskarten ist dominiert vom Debitkartensystem der Deutschen Kreditwirtschaft, der Girocard. 94 Prozent der Befragten besitzen eine Girocard. Die große Verbreitung ergibt sich, weil jeder Girokonto-Inhaber ohne Aufforderung vom kontoführenden Kreditinstitut eine entsprechende Karte erhält. Im Vergleich zu 2008 ist vor allem bei den 18- bis 24-Jährigen eine deutliche Zunahme von 84 Prozent auf 92 Prozent festzustellen. Eine mögliche Ursache könnte die zu nehmende Nutzung von sogenannten Jugendkonten/Taschengeldkonten sein: Dies sind auf Guthabenbasis (ohne Dispositionskredit) zu führende Girokonten.

Die Kreditkarte nimmt wie 2008 den zweiten Platz mit einem Anteil von 33 Prozent ein, deutlich hinter der Girocard. Jedoch verzeichnet sie ein hohes Wachstum: Seit 2008 gibt es sechs Prozentpunkte mehr Kreditkartenbesitzer. Gleichzeitig stieg die Bekanntheit der Kreditkarte um 18 Prozentpunkte an. Mögliche Ursachen für die Zunahme könnten der wachsende Online-Handel und verstärkte Vertriebsanstrengungen der Kartensysteme und Kreditkartenemittenten sein. Nahezu kein Zuwachs ist bei den 18- bis 24-Jährigen zu beobachten. Ein Grund hierfür ist, dass die Vergabe an die Bonität gebunden ist, die in dieser Altersgruppe eher geringer ausfällt.

Internethandel

Ein weiterer Faktor für die generell steigende Bedeutung von unbaren Zahlungsmitteln dürfte der wachsende Online-Handel sein. Im Internet werden vorwiegend unbare Zahlverfahren verwendet. Die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, Internetkäufe bar zu zahlen, zum Beispiel Zahlung per Nachnahme, wird am wenigsten genutzt (Abbildung 5).

Die Mehrheit der Online-Kunden präferiert neben der Zahlung per Überweisung nach Lieferung mit 48 Prozent mittlerweile Internetbezahlverfahren, zu denen beispielsweise Pay-Pal, Giropay und "Sofort Überweisung" zählen. Während die Nutzung von Internetbezahlverfahren deutlich um 21 Prozentpunkte auf 31 Prozent zunahm, verzeichnet die Zahlung per Vorkasse einen Rückgang um 16 Prozentpunkte auf 26 Prozent. Der Handel folgt damit immer häufiger dem Kundenwunsch, von der Vorkasse abzugehen und sich auf die Internetzahlverfahren einzulassen.

Internetzahlverfahren setzen sich folglich immer stärker durch. Sie ergänzen und verdrängen klassische unbare Zahlungsinstrumente wie die Überweisung. Dieser Trend weist auf eine spürbare Nachfrage nach spezialisierten Zahlungsinstrumenten hin. So wird Pay-Pal von 87 Prozent aller Nutzer von Internetzahlverfahren genutzt, gefolgt von "Sofort Überweisung" mit neun Prozent und Giropay mit drei Prozent.

Unsicherheiten hinsichtlich der Sepa-Lastschrift

Die Zahlung per Lastschrift im Internet hat gegenüber 2008 um drei Prozentpunkte auf 18 Prozent zugelegt. Mit Blick auf den bevorstehenden Umstieg auf die Sepa-Lastschrift verdient dies hohe Beachtung. Denn auch die Sepa-Lastschrift sollte für den Internethandel nutzbar sein. An dieser Stelle fehlen kreditwirtschaftliche Angebote, wie die Mandatserteilung über das Internet in rechtlich einwandfreier Art und Weise vorgenommen werden kann. Die zurzeit bestehende Unsicherheit, wie die Sepa-Lastschrift im Online-Handel rechtssicher eingesetzt werden kann, könnte zu einer Verdrängung dieses Zahlungsinstruments führen - zugunsten von Internetzahlverfahren oder der Kreditkarte.

Eigentlich sollte sich die Kreditwirtschaft bei Bezahlverfahren im Online-Handel in einer guten Ausgangsposition befinden, denn Girokonten werden schließlich von fast jedem bei ihnen geführt. Und auch wenn das Vertrauen in die Banken in den letzten Jahren sicher gelitten hat, so sind sie den anderen Zahlungsdienstleistern sicherlich weit voraus. Diesen Vertrauensvorsprung sollte die Kreditwirtschaft nutzen, um im Markt für Internetzahlverfahren nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Innovative Zahlverfahren noch in den Kinderschuhen

Insgesamt betrachtet spielen Internetzahlverfahren und weitere innovative Zahlverfahren in Deutschland derzeit aber immer noch eine untergeordnete Rolle: Auch wenn den Internetbezahlverfahren eine wachsende Bedeutung zukommt, ist der Marktanteil insgesamt noch gering: Nur 1,7 Prozent der in der Studie berücksichtigten Transaktionen wurden mithilfe von Internetzahlverfahren abgewickelt. Kontaktlose Zahlverfahren mit der Karte oder mit dem Mobiltelefon sowie andere innovative Zahlverfahren mit dem Mobiltelefon spielen bislang keine beziehungsweise fast keine Rolle.

Dies liegt vor allem bei den Kontaktloszahlungen an der fehlenden technischen Ausstattung der Zahlungskarten: Bisher ist nur ein Bruchteil der in Deutschland umlaufenden Zahlungskarten für Kontaktloszahlungen geeignet. Ebenso verhält es sich bei Mobiltelefonen, bei denen nur wenige neue Modelle über die benötigte NFC-Technologie verfügen. Hinzu kommt die bisher geringe Verbreitung von Kontaktlos-Terminals im Einzelhandel. Innovationen konnten sich bisher also nicht durchsetzen. Hier besteht deutliches Wachstumspotenzial insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ausstattung mit NFC-Technologie bei Mobiltelefonen und Terminals stetig zunimmt.

Perspektiven im Zahlungsverhalten

In Hinblick auf Perspektiven im Zahlungsverhalten von Verbrauchern wurde in der Studie nach der Bekanntheit von Kontaktloszahlung mit Karte und Mobiltelefon sowie sonstigen Zahlverfahren mit dem Mobiltelefon gefragt.

Angesichts der derzeit mangelnden Einsatzmöglichkeiten und des geringen Verbreitungsgrades der entsprechenden Zahlungsinstrumente ist es bemerkenswert, dass etwa die Hälfte aller Befragten die drei innovativen Zahlverfahren kennt. Am bekanntesten sind die Kontaktloszahlungen mit dem Mobiltelefon, die in Deutschland faktisch kaum im Einsatz sind. Die Bekanntheit dieser Verfahren ist sicherlich der hohen Beachtung zuzuschreiben, die solche meist im Pilotverfahren befindlichen Produkte in den Medien finden.

Gefragt nach den Gründen der potenziellen Nutzer, weshalb sie die Verfahren nicht nutzen würden, wird vielfach erklärt, an solchen Verfahren habe man keinen Bedarf. Dies zeigt, dass innovative Zahlverfahren für potenzielle Nutzer einen Zusatznutzen gegenüber den vertrauten Zahlungsmitteln bieten müssen (zum Beispiel Rabatte, Fahrkarte).

Doch noch wichtiger als der Zusatznutzen ist für die Befragten die Sicherheit der Zahlverfahren. Denn Sicherheitsbedenken werden als wichtigster Grund für eine ablehnende Haltung genannt. Auch aus Sicht der Bundesbank ist Sicherheit im Zahlungsverkehr - neben der Effizienz - das Schlüsselthema. Denn beim Bezahlen kommt es den Nutzern vielfach mehr auf Sicherheit als auf Bequemlichkeit an. Daran müssen die Anbieter neuer Lösungen ebenso ansetzen wie Regulatoren und Zentralbanken. Denn ohne Sicherheit gibt es keine Effizienz im Zahlungsverkehr. Neue Produkte sollten mindestens so sicher sein, wie die bestehenden Zahlverfahren. Dies berücksichtigt die Bundesbank in ihrer Überwachungsrolle im Zahlungsverkehr.

Türöffner für neue Kunden und Märkte

Kurz- bis mittelfristig setzt sich der Trend einer langsamen, aber kontinuierlichen Substitution von Bargeld durch unbare Zahlungsinstrumente fort.

Das Angebot von Zahlungsmitteln bestimmt das Portfolio, aus dem Händler und Verbraucher Zahlungsinstrumente wählen können, wobei dieses zunehmend verfeinert und für Einzelhändler attraktiver wird. Verbraucher nutzen vor allem die Zahlungsmittel, denen sie vertrauen und die der Händler ihrer Wahl akzeptiert. Zudem sind die Deutschen eher konservativ in ihrem Zahlungsverhalten: Fast 60 Prozent der Befragten gaben an, bei den ihnen vertrauten Zahlungsmitteln verbleiben zu wollen.

Bei Kleinbetragszahlungen unter 20 Euro wird fast ausschließlich auf Bargeld zurückgegriffen. Die Geldkarte, einst als Alternative zum Bargeld bei Kleinbeträgen konzipiert, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Attraktive Lösungen für bargeldlose Kleinbetragszahlungen fehlen demnach am Markt.

Im Bereich der Internetzahlverfahren lässt sich zwar feststellen, dass diese gemessen an allen Transaktionen noch einen geringen Anteil haben, aber ihre Bedeutung nimmt stetig zu. Der Markt befindet sich hier in einer entscheidenden Phase, denn für Verbraucher sind die mit dem zunehmenden Online-Handel gelernten Zahlungsinstrumente sicher prägend für die Zukunft. Die Anbieter dieser Instrumente sind daher in einer vorteilhaften Ausgangsposition.

Innovative Zahlverfahren außerhalb des Online-Handels haben Potenzial für die Zukunft, sind aber derzeit noch zu vernachlässigen. Den Sicherheitsbedenken der potenziellen Nutzer schenkt die Bundesbank besondere Beachtung, denn ohne Sicherheit gibt es keine Effizienz im Zahlungsverkehr. Um den Bedarf an neuen Zahlverfahren bei den potenziellen Kunden zu wecken, müssen diese aber nicht nur sicher sein, sondern auch einen Zusatznutzen neben dem reinen Bezahlen bieten. Hier kann ein gewisses Maß an Kooperation von Anbietern und Händlern durchaus ein Türöffner für neue Kunden und Märkte sein.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass nicht mit einer schnellen Veränderung der Zahlungsgewohnheiten zu rechnen ist. Mittelfristig ist zu erwarten, dass der Bargeldanteil umsatzmäßig unter 50 Prozent fällt. Feststellen könnte die Bundesbank dies bereits in der Erhebung zur dritten Studie zum Zahlungsverhalten in Deutschland, die voraussichtlich 2014 durchgeführt wird.

Fußnoten:

1) Vgl. Deutsche Bundesbank, Zahlungsverhalten in Deutschland, 2009; Deutsche Bundesbank, Zahlungsverhalten in Deutschland 2011, 2012.

2) Vgl. Deutsche Bundesbank, Zahlungsverhalten in Deutschland 2011, S. 37, 2012.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich des "Zahlungsverkehrssymposiums 2013" der Deutschen Bundesbank. Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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