Aufsätze

Portabilität und Separation von Sicherheiten und Derivatepositionen für börsliche und OTC-Derivategeschäfte

Aufgrund der Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise seit 2008 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen im Rahmen des G20-Gipfels im September 2009 in Pittsburgh unter anderem den außerbörslichen (Over The Counter, OTC-)Handel mit Finanzderivaten transparenter und sicherer zu machen. Das soll vor allem durch eine Abwicklung standardisierter OTC-Derivate über zentrale Gegenparteien und die Meldung von OTC-Derivaten an Transaktionsregister erreicht werden.

Sicherheiten als wesentlicher Aktionsparameter

Die Verordnung der Europäischen Union über Märkte für Finanzinstrumente, OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (European Market Infrastructure Regulation - EMIR) soll die Transparenz und die Sicherheit bei OTC-Geschäften erhöhen.1) Zukünftig soll der (außerbörsliche) Handel von OTC-Derivaten so weit wie möglich über zentrale Gegenparteien (auch zentrale Kontrahenten genannt, Central Counterparties - CCP) abgewickelt und mit ausreichenden Sicherheiten unterlegt sowie an zentrale Register (Transaktionsregister) gemeldet werden. CCPs treten als Vertragspartei zwischen Verkäufer und Käufer; sie sind für den Käufer von Wertpapieren Verkäufer und für den Verkäufer Käufer.

Auch für die bilateralen OTC-Geschäfte, die also nicht über CCPs durchgeführt werden, existieren Vorschriften zur Reduzierung des Risikos. Bislang war der außerbörsliche Handel von Derivaten zwischen Finanzmarktteilnehmern weitgehend unreguliert. Ein wesentlicher Aktionsparameter bilden die zu stellenden Sicherheiten, mit denen die Geschäfte sowohl von den Käufern als auch den Verkäufern gegenüber den CCPs zu unterlegen sind. Die Bedeutung der Stellung von Sicherheiten ergibt sich aus folgenden Gründen:

1. Der Handel von standardisierten OTC-Derivaten hat grundsätzlich über CCPs zu erfolgen. Ausnahmen gelten lediglich für nicht-finanzielle Unternehmen bei der Absicherung von geschäftlichen Risiken, bei Unterschreiten der Schwellenwerte, bei Geschäften innerhalb einer Unternehmensgruppe sowie bei nicht-standardisierten OTC-Geschäften.

2. Es sind zwingend Sicherheiten zu stellen.2) 3. Durch die Stellung von Sicherheiten wird der Liquiditätsrahmen der handelnden Vertragsparteien eingeschränkt.

4. Die CCPs müssen zugelassen sein und unterliegen der Aufsicht durch die nationalen Behörden, in Deutschland also der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) beaufsichtigt das Transaktionsregister. Beim Clearing wird zwischen General Clearing Mitgliedern (GCM) und Direct Clearing Mitgliedern (DCM) unterschieden: Während GCM das Clearing nicht nur für sich und ihre eigenen Kunden ausführen, sondern es auch Dritten, wie beispielsweise andere Kreditinstitute anbieten, wickeln DCM nur ihre eigenen Positionen und die ihrer Kunden ab.

Getrennte Buchung

Durch die EMIR-Verordnung3) und das EMIR-Ausführungsgesetz4) wurden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, dass alle Marktteilnehmer - also sowohl die Clearing-Mitglieder als auch die Non-Clearing-Mitglieder - im Falle der Insolvenz eines GCM oder eines DCM ihre Derivatepositionen sowie die damit verbundenen und hinterlegten Sicherheiten im Falle einer Insolvenz des GCM oder des DCM unmittelbar, unverzüglich und vollständig auf einen anderen Clearer übertragen können. Sicherheiten können Barmittel oder Wertpapiere sein, die zur Abdeckung der Initial Margin, die dem allgemeinen Kursrisiko Rechnung trägt, und der Variation Margin, die den "Mark to Market"-Verlust/Gewinn unmittelbar abdeckt, verwendet werden. Die von den Kunden gestellten Sicherheiten würden also auch uno actu mit übertragen. Dafür müssen diese Sicherheiten jedoch von den Vermögenswerten und Positionen des GCM und des DCM getrennt geführt und gebucht (Separation) und ebenfalls die Derivatepositionen für jeden Kunden einzeln geführt werden.

Das war bislang nicht der Fall. Denn derzeit gehen die von den Kunden geleisteten Sicherheiten in den Besitz des GCM oder des DCM über, und die Derivatepositionen der Kunden werden en bloc undifferenziert (das heißt nicht nach einzelnen Kunden unterschieden) verwaltet. Sie werden gegenüber dem Zentralen Kontrahenten (CCP, zum Beispiel Eurex Clearing AG) als eine Agent-Position geführt, bei der Long- und Short-Positionen unmittelbar durch den GCM oder den DCM miteinander verrechnet werden können. Nur auf die verbleibende Differenz zwischen Long- und Short-Positionen müssen von dem GCM oder dem DCM gegenüber dem CCP Sicherheiten geleistet werden. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass das GCM oder das DCM erheblich mehr Sicherheiten von seinen Kunden erhielt, als es gegenüber dem CCP selber leisten musste und daraus einen zusätzlichen Ertrag erwirtschaften konnte.

In Zukunft wird das nicht mehr möglich sein. Für jeden einzelnen Kunden (im Sinne einer Legal Entity) wird ein eigenes Unterkonto beziehungsweise Unterdepot eingerichtet - mit den jeweiligen Positionen und den Sicherheiten in bar und in Form von Wertpapieren. Der Kunde erhält dadurch eine wesentlich höhere Transparenz und Rechtssicherheit, insbesondere wenn sein GCM oder DCM in Insolvenz geht. In diesem Fall müssen zukünftig die Positionen und Sicherheiten unverzüglich auf einen von dem Kunden dann noch zu bestimmenden neuen Clearer übertragen werden können, damit er mit Blick auf seine Risiken, Positionen und sein Hedging handlungsfähig bleibt.

Haftungsrisiken für den Börsenbetreiber

Wenn zum Beispiel ein Fonds große Positionen in Dax- oder Bund-Futures unterhält, die zum jeweils großen, quartalsmäßigen Verfalltermin am dritten Freitag im Monat September 2013 fällig werden und eine Hedge-Position für ein Milliardenvermögen des Fonds an hinterlegten Wertpapieren darstellt, ist die jederzeitige Übertragbarkeit und Zugriffsmöglichkeit des Kunden eine zwingende Voraussetzung, denn zur Fälligkeit muss er entweder ein Roll Over der Positionen beziehungsweise Futures-Kontrakte vornehmen oder eine Lieferung seiner Wertpapiere gegen seine Short-Derivatepositionen ausführen können.

Außerdem sind nach der Novelle der Insolvenzordnung (InsO) in Deutschland, die am 1. April 2013 in Kraft trat, die von den Kunden geleisteten Sicherheiten nun nicht mehr der Insolvenzmasse des insolventen GCM oder DCM zuzurechnen, sondern müssen richtigerweise sofort für eine Übertragung freigegeben werden. Diese Regelung war lange überfällig, handelt es sich dabei doch eindeutig um das Vermögen der Kunden. Für den Börsenbetreiber (CCP) selber können sich allerdings daraus Nachteile ergeben, da er gegebenenfalls im Rahmen des sogenannten Nachteilsausgleiches Haftungsrisiken ausgesetzt ist, die seine Existenz bedrohen können.

Die durch EMIR erreichte Portabilität und Separation von Sicherheiten und Derivatepositionen der Kunden sind somit zwei ganz wichtige Schritte, die schon lange überfällig waren.

Auf Struktur und Zusammensetzung der hinterlegten Sicherheiten achten

Unabhängig von der jetzt erfolgten rechtlichen Neuordnung hinsichtlich Portabilität und Separation von Sicherheiten sollte seitens der Sicherungsnehmer stärker auf die Qualität der Besicherung geachtet werden. Häufig leisten Kunden Sicherheiten in der Form, dass sie Inhaberschuldverschreibungen ihres Clearers (in der Regel eine Bank) kaufen und hinterlegen. Im Falle der Insolvenz des GCM oder des DCM sind diese Sicherheiten aber meist weitgehend wertlos und es könnte daher zu Unterdeckungen der Derivatekontrakte kommen. Das wird durch das Instrument der Credit Value Adjustments (CVAs) derzeit nur unzureichend abgebildet, über die eine Korrektur von Derivatekontraktwerten durch die Verschlechterung der Bonität des Vertragspartners Rechnung getragen wird.5) Deshalb sollte stärker auf die Struktur und Zusammensetzung der hinterlegten Sicherheiten geachtet werden.

Fußnoten

1) In den USA erfolgt die Regulierung über den "Dodd-Frank Act".

2) Zuvor wurden OTC-Derivategeschäfte oft ohne direkte Besicherung gegen Kreditlinien durchgeführt.

3) Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, am 16. August 2012 in Kraft getreten.

4) Ausführungsgesetz zur Verordnung Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, am 16. Februar 2013 in Kraft getreten.

5) Zu Credit Value Adjustments vgl. Martin, Marcus; Bächstädt, Karl-Heinz; Pietrzak, Michael, Neue Methoden und Ansätze zur Quantifizierung und Kapitalunterlegung der Kontrahentenrisiken, in: Erben, Roland Franz (Hg.), Risiko-Manager Jahrbuch 2012/2013, Köln 2012, S. 56 bis 65, hier S. 62 bis 64.

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