Aufsätze

Private Banking: Wachstum ins Bodenlose?

Aufstrebende Volkswirtschaften Asiens und Osteuropas mit zum Teil sprunghaft ansteigenden Einkommen eröffnen im Private Banking weltweit neue Wachstumspotenziale. In Deutschland dagegen sieht es anders aus: Der Wettbewerb um eine zahlenmäßig weitgehend konstante Klientel wird härter und internationaler. Da liegt natürlich die Versuchung nahe, den Markt künstlich zu vergrößern - indem man die Einstiegsgrößen ins Private Banking einfach drastisch senkt. Fraglich ist, ob diese Rechnung aufgehen kann: Wird das Fraternisieren mit klassischer Retail-Kundschaft nicht zwangsläufig in einer Enttäuschung enden? Und wenn dem so ist: Wo sind die alternativen Wachstumsstrategien für "echtes" Private Banking?

Kaum Wachstum am deutschen Markt

Die Branche geht offenbar goldenen Zeiten entgegen. Laut dem Global Private Banking/Wealth Management Survey 2007 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) hat es seit Einführung der Studie 1993 unter "Private Bankern" keine solche Wachstumszuversicht gegeben wie heute. Befragt wurden weltweit Führungskräfte von mehr als 265 führenden Private-Banking-Instituten. Ihre Stimmung ist nahezu euphorisch: Weltweit betrachtet werde das angelegte Vermögen innerhalb der nächsten drei Jahre im Schnitt um jährlich 23 Prozent zunehmen - und die eigenen Geschäfte sogar um 30 Prozent. Ein Großteil des Wachstums freilich wird in den prosperierenden Regionen Asien-Pazifik und Osteuropa stattfinden, wo wir westlichen Banken zweifellos erst am Anfang des Möglichen stehen. Jedenfalls treibt allein die Nennung der BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China den internationalen Vermögensverwaltern Freudentränen in die Augen.

Während also dort noch Platz genommen wird an der Tafel, ist der Kuchen in Deutschland längst verteilt. Hier ist schon ein hoher Vermögensstand erreicht, die Zahl der Millionäre wächst nur geringfügig. Vor diesem Hintergrund sind einzelne Institute dazu übergegangen, die Tafel um im Bilde zu bleiben - zu verlängern: Durch eine Senkung der Einstiegsgrößen stellen sie zusätzliche Stühle bereit. Aber wird man an den neuen Tischgästen langfristig wirklich Freude haben?

Ursprünglich stand der Begriff Private Banking als Synonym für alle Betreuungsangebote für Wohlhabende. Dann hielt das Wealth Management für UHNWI (Ultra High Net Worth Individuals) Einzug in Deutschland, importiert vor allem durch Schweizer Anbieter und die Globalisierung der Märkte. Dieses neue Top-Segment nutzten einige Banken zum allgemeinen Downgrading: Sie öffneten das klassische Private Banking für Vermögen schon ab 30 000 Euro, und alles über 500 000 Euro galt fortan als ein Fall fürs Wealth Management. Der kurzfristige Effekt schien überzeugend, verzeichneten die Institute auf diesem Weg doch einen beträchtlichen Zuwachs an Neukunden und betreuten Assets.

Nachhaltiges Wachstum?

Doch wie ist es um die Nachhaltigkeit dieses Wachstums bestellt? Fest steht: Was zuvor als besseres Retailgeschäft galt, erhält unter dem neuen Etikett Private Banking keine höhere Wertigkeit, mag es auch dem Kunden zunächst so vermittelt werden. Tatsächlich ermöglicht diese Guthabenklasse nicht die ertragreichen Leistungen, die im Sinne der Kreditinstitute die tatsächliche Attraktivität der Vermögensbetreuung ausmachen. Als Konsequenz werden die Banken aus rein betriebswirtschaftlicher Logik bei weniger lohnenswerten Geschäften nicht "das volle Programm" fahren können - und auf diese Weise sowohl ihre Kunden enttäuschen als auch ihre Berater. Sie versperren sich damit letztlich auch den Weg zur einzig wirkungsvollen Wachstumsstrategie: dem Ausbau des Share of Wallet sowie der Akquisition von Beratern und Kunden anderer Anbieter.

Die Vorteile des Share of Wallet liegen auf der Hand: Angesichts geringer Akquisitionskosten bieten bestehende Kundenvermögen eine attraktive Quelle für neue Assets, Einkünfte und eine höhere Profitabilität. Darüber hinaus steigt mit der Höhe seines prozentual angelegten Vermögens auch die Loyalität eines Kunden und dementsprechend seine Qualität als Empfehler für Neukunden. Nach Angaben von PwC verfügen in Deutschland zwei Drittel der Befragten über 40 bis 60 Prozent des Vermögens ihrer Klienten. Diese Einschätzung erscheint optimistisch, verteilen Kunden ihre Gelder doch üblicherweise auf zwei bis drei Institute.

Wie gelingt es aber, bestehende Beziehungen nicht nur zu festigen, sondern auszubauen? Gerade weil die Gelder üblicherweise auf mehrere Institute verteilt sind, gilt es besser zu sein als andere und die Erwartungen des Kunden an das Private Banking möglichst überzuerfüllen. Wie sehen diese Erwartungen aus?

Persönliche Beziehung und Beratungsqualität

Private-Banking-Leistung bedeutet mehr als nur gute Produkte. Dem Kunden sind Performance, Produktfeatures oder Kosten natürlich nicht egal, aber in erster Linie entscheiden das Vertrauen, die langfristige Beziehung zum Berater, Intensität und Individualität der Betreuung über die Qualität und Akzeptanz des Leistungsangebots. Menschen vertrauen den Banken ihr Vermögen an. Sie erwarten eine Geschäftspartnerschaft, müssen die Gewissheit haben können, dass ihr Geld in guten Händen ist, dass der Berater das von ihnen Erreichte in Ehren hält, ihre Ziele versteht, sich kompetent und souverän damit befasst. Und es geht auch um Flexibilität: Steht der Berater jederzeit zur Verfügung, wenn nötig auf dem Golfplatz? Wie viel Zeit nimmt er sich? In diesem Zusammenhang stellt sich für Kunden auch die Frage, auf welche Experten sie bei Bedarf zurückgreifen können, sei es zu Immobilien-, Kredit-, Steuer-, Stiftungs- oder Nachlassfragen.

Es sind die persönliche Beziehung und die Beratungsqualität, die den Kern von erfolgreichem Private Banking ausmachen. Das Commerzbank Private Banking investiert daher gezielt in die Qualifikation seiner Mitarbeiter, in die Betreuungsgrundsätze sowie das Beziehungsmanagement zum Kunden. Es werden neue Eventformate entwickelt mit dem Ziel, den Kundenkontakt auch informell zu intensivieren. Und nicht zuletzt wird die Vernetzung innerhalb des Commerzbank-Konzerns weiter ausgebaut, um eine ganzheitliche Betreuung bieten zu können.

Anziehungskraft der Unternehmenskultur

Wenn es gerade das Verhältnis zwischen Kunde und Berater ist, das die Wertigkeit des Private Banking bestimmt, wird abgespecktes Private Banking ab 30 000 Euro umso fragwürdiger. Wie festgestellt, wäre es für Banken schlichtweg unrentabel, Kunden am oberen Ende des Retailbereichs die gleiche Betreuung zukommen zu lassen wie den "richtig Reichen". Qualifizierte Berater sind teuer und rar gesät, man wird sie also tunlichst für das ertragreiche Geschäft im Kernsegment des Private Banking einsetzen. Trifft der Kunde im vermeintlichen Private Banking aber lediglich auf seinen mit einer neuen Visitenkarte ausgestatteten Privatkundenbetreuer, ohne wirklich eine intensivere und professionellere Behandlung zu erfahren, wird sich das Blatt schnell wenden und seine zunächst gefühlte Bestätigung und Wertschätzung bald in Desillusion umschlagen. Eine Bindung des neu gewonnenen Kunden, der Ausbau des Share of Wallet oder gar sein Einsatz als Empfehler werden damit eher unwahrscheinlich.

In gleichem Maße wie Kunden ein hohes Vertrauensverhältnis erwarten und eine langfristige, kontinuierliche Betreuung, steigt auch die Bedeutung des einzelnen Beraters. Bleibt er beim Unternehmen, besteht die größte Chance, die durch ihn betreuten Kunden zu halten. Und gelingt der Transfer eines qualifizierten Beraters von der Konkurrenz zum eigenen Unternehmen, besteht zudem die Möglichkeit, auch dessen Kunden hinzuzugewinnen. So unerlässlich qualifizierte Relationshipmanager also für die Kundenbindung sind und damit letztlich für das Erreichen der gesetzten Wachstumsziele - so schwer sind sie zu finden. Nach Angaben von PwC schätzen nur 17 Prozent der befragten Führungskräfte ihre Berater als höchst befähigt ein. Und lediglich 26 Prozent sind zuversichtlich, innerhalb der kommenden drei Jahre genügend von ihnen anwerben zu können.

Wie gelingt es, Berater zu gewinnen und langfristig ans Unternehmen zu binden? Laut der Studie sind es nicht das Gehalt oder mögliche Boni, die nach Ansicht des Beraters die Attraktivität seines Arbeitsplatzes ausmachen. Bedeutend wichtiger sind ihm das Verhältnis zum Management, die Unternehmenskultur und insbesondere die ihm gebotenen Aufstiegsmöglichkeiten. Hier geht es vor allen Dingen darum: Fühlt sich der Berater seiner Bedeutung für das Geschäft entsprechend respektiert und geschätzt? Bietet ihm sein Arbeitgeber Entwicklungsmöglichkeiten, Fortbildungschancen, sodass er nicht den Eindruck gewinnt, auf der Stelle zu stehen und seinen Werdegang unter anderem Dach weiterführen zu müssen?

Reduzierte Einstiegsgrößen?

Mit der Wertschätzung des Beraters steigen unwillkürlich seine Loyalität zum Arbeitgeber und die Identifikation mit dessen Leistungsangebot. Dies wiederum macht seine Beratung glaubwürdiger und bildet eine fruchtbare Grundlage für nachhaltige Kundenbeziehungen. An diesem Punkt hat das Commerzbank Private Banking angesetzt und die Position des Senior-Relationshipmanagers entwickelt. Dahinter verbirgt sich nicht nur ein Titel, sondern eine echte Fachkarriere, die im fachlichen Sinne wie im Hinblick auf die Vergütung nach oben offene Entwicklungsmöglichkeiten vorsieht - ein Prinzip, das sich im Investment Banking längst bewährt hat. Können die neuen Private-Banking-Modelle mit reduzierten Einstiegsgrößen vergleichbare Perspektiven bieten? Wodurch erfährt der Berater die Zufriedenheit, die für seine Bindung zum Unternehmen unerlässlich ist? Zweifellos wird sie steigen mit der Bedeutung der ihm anvertrauten Kunden, der Höhe ihres Vermögens. Ist ein Berater jedoch für die Betreuung von Kunden eingesetzt, die dem Retail-Segment näher stehen als dem ursprünglichen Private Banking, wird seine Motivation rasch nachlassen.

In diesem Zusammenhang lohnt auch ein Blick auf die Abgrenzung des Private Banking nach oben, also zum Wealth Management: Sie ist nicht immer eindeutig. Die übliche Einteilung nach Assets under Management (AuM) trifft selten eine korrekte Aussage über das Potenzial, aber auch die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden. Ein älterer Kunde mit mittlerem Vermögen und kleinem Haushaltsnettoeinkommen beispielsweise ist mittelfristig weniger attraktiv als ein junger Professional mit nur kleinem Kapitalstock, aber hohem Einkommen. Bedeutsamer ist das Verhältnis zwischen Asset under Management, Alter und Haushaltsnettoeinkommen sowie die Komplexität der Vermögens- und Familienstrukturen.

Kundenklassifizierung allein nach qualitativen Merkmalen

Wie etwa ordnet man einen Kunden ein, der trotz eines eher durchschnittlichen Vermögensniveaus typische Wealth-Ma-nagement-Leistungen nachfragt wie die Gründung und Verwaltung einer Stiftung? Weist man ihm die zweite Reihe in der Oberklasse zu - mit entsprechend "zweitklassiger" Stiftungsberatung? Zufriedenstellen wird ihn diese Lösung kaum, ist es doch die intensive, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung auf Augenhöhe, die ein Kunde vom Private Banking erwartet.

Die für eine langfristige und nachhaltige Kundenbeziehung notwendige Wertschätzung wird er nur empfinden, wenn er sich tatsächlich in der ersten Reihe weiß, ganzheitlich und umfassend betreut wird - und dies je nach seinem individuellen Bedarf und nicht gemessen an rein quantitativen Faktoren. Es sind allein qualitative Merkmale, die eine Klassifizierung in Private Banking und Wealth Management begründen können.

Gleichermaßen stellt sich die Frage, wie es sich auf die Motivation eines Private- Banking-Beraters auswirkt, wenn ihm durch eine formalistische Aufspaltung in Private Banking und Wealth Management regelmäßig die in seinen Augen interessantesten Kunden genommen werden. Denn gerade Kundenbeziehungen mit einem umfangreichen und komplexen Vermögen sind es schließlich, die einem Berater die größten Profilierungschancen und eine überdurchschnittliche Lernkurve ermöglichen. Hat er aber von vornherein keine Aussicht, diesen Gipfel zu erreichen, wird er das Klettern wohl gar nicht erst beginnen. Für beide Seiten vorteilhaft kann also letztlich nur das nach unten limitierte, aber nach oben offene Private-Banking-Angebot sein.

Wichtige Kommunikation nach außen

Großen Einfluss sowohl auf die Zufriedenheit des Kunden wie auch auf die Identifikation des Beraters mit seinem Unternehmen hat schließlich auch die Kommunikation nach außen. Wie eine Studie des Instituts für Markencontrolling Brand-Control unter 1 000 befragten Gutverdienern der Zielgruppe ergeben hat, liegt das Hauptproblem vieler Anbieter darin, dass sie ihre gebotene Diskretion bei Bankgeschäften mit einem aggressiven Marktauftritt verwechseln - der letztlich nur bei sehr wenigen ankommt. Gut bewertet werden Kampagnen wie auch jene der Commerzbank, die den Kunden, seine Wünsche und Erwartungen ins Zentrum der Anzeige oder des Spots stellen. Negativ wirken hingegen Kampagnen, in denen Banken nur vom Engagement ihrer eigenen Berater sprechen oder davon, ihre Spitzenposition verteidigen zu wollen.

Was folgt am Ende? Die unter dem Label Private Banking angebotenen Leistungen werden sich zunehmend voneinander entfernen. Während einige Anbieter nach Wachstum am unteren Rand des Zielmarktes - und darüber hinaus - suchen, halten andere, etwa die traditionsreichen Privatbankiers, an ihren nachhaltigen Erfolgsrezepten fest und verweigern sich dem Trend zur "Sozialisierung" des Private-Banking-Angebotes. Sie werden mittel- und langfristig mit einem Ausbau des tatsächlich lukrativen höheren Kundensegments belohnt. Die Annäherung an das Retail-Geschäft hingegen birgt die große Gefahr spürbar sinkender Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit: Zählten sie sich bislang zur Oberklasse, droht nun der Einzug des "Gewöhnlichen". Das ist eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit dieser Anbieter - und letztlich der ganzen Branche.

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