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Regulierung: Leitplanken neu beschrieben

Günter Luz/Werner Neus/Paul Scharpf/Peter Schneider/Max Weber (Hrsg.): Kreditwesengesetz (KWG), Kommentar zu KWG inklusive SolvV, LiqV, Gro-MiKV, MaRisk; 2227 Seiten, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2009; 199,95 Euro; ISBN 978-3-7910-2589-6

Wenn von politischer Seite Vorschläge über Konsequenzen aus der schwersten Finanzmarktkrise der Nachkriegszeit unterbreitet werden, dann steht eine Verschärfung und Ausweitung der Bankenregulierung meist ganz oben auf der Agenda. Die Art und Weise der Beaufsichtigung von Kreditinstituten - im Zuge des Basel-II-Prozesses nach jahrelanger Vorarbeit ja ohnehin erst seit Kurzem in neuem Gewande - wird daher auch in den kommenden Jahren ein "Dauerbrenner" in der politischen Diskussion bleiben.

In diesem von mitunter gravierenden Veränderungen geprägten Umfeld ist es unverzichtbar, die derzeit gültigen Leitplanken für das Handeln des Bankmanagements präzise vor Augen zu haben. Hier legt nun ein Autorenteam mit renommierten Vertretern aus Bankenaufsicht, Wirtschafts- und Verbandsprüfung sowie Hochschule ein über zweitausend Seiten starkes Werk vor, das die für Kreditinstitute wesentlichen Normen darstellt, analysiert und mit konkreten Hinweisen zur praktischen Ausgestaltung beziehungsweise Umsetzung in der Bankpraxis versieht.

Positiv hervorzuheben bei einem Kommentar, der sich in erster Linie an die Praktiker aufseiten der Prüfenden und Geprüften wendet, ist die Einführung, in der Werner Neus (Tübingen) - gerade vor dem Hintergrund der immer weiter ausufernden Vorschriften - den Bedarf und die Konzeptionen der Bankenregulierung auf Basis der theoretischen Literatur hinterfragt.

Auch gibt er einen kompakten Überblick über die zentralen Entwicklungslinien der Aufsichtsnormen vom Reichs-Kreditwesengesetz 1934 bis zum Basel-II-Paket. Hier zeichnet sich trotz der stetig komplexer gewordenen quantitativen Normen für die vergangenen Jahre ein klarer Trend zu einer prinzipienbasierten, qualitativen Aufsicht ab. Dies bedeutet, das die Kontrolle der Potenziale und Prozesse des Risikomanagements in den Kreditinstituten an Bedeutung gewinnt. Damit einher gehen aber Schwierigkeiten in der (schon nationalen, insbesondere aber darüber hinausgehenden) Harmonisierung und Standardisierung des Aufsichtshandelns dort, wo nicht mehr alles "mit dem Zollstock gemessen" werden kann.

Bei der folgenden Darstellung und Erörterung der Normen sind die Proportionen angemessen gewählt: Die ersten gut tausend Seiten sind dem Kreditwesengesetz gewidmet, dabei allein rund 150 Seiten dem zentralen § 10 (Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen). In der zweiten Hälfte werden ausführlich die Solvabilitätsverordnung (etwa 150 Seiten zu den auf dem internen Rating basierenden Ansätzen zur Ermittlung von Risikogewichten (IRBA), 120 Seiten über die Vorschriften zu der im Krisenzusammenhang besonders virulenten Verbriefung) und knapper die Großkredit- und Millionenkredit- sowie die Liquiditätsverordnung behandelt.

Die Ausführungen sind bis in technische Einzelfragen hinein sehr detailliert, was über die bereits genannten Abschnitte hinaus etwa bei der besonders anspruchsvollen Behandlung von Kreditminderungstechniken auffällt.

Zugleich bemühen sich die Autoren aber um Bodenhaftung, indem sie stets die Handhabung für die mit Aufsichtsfragen in der Praxis befassten Mitarbeiter von Banken und Wirtschaftsprüfungen im Blick behalten. An manchen Stellen - dieser Einwand gilt aber mehr aus der Perspektive der Wissenschaft - hätte man sich indes ein kritischeres Hinterfragen der Normen gewünscht, so, wie von Neus in seiner Einleitung angelegt: etwa in Bezug auf zahlreiche willkürliche, politischen Prozessen entstammende Elemente der Regelungen wie zum Beispiel den "Skalierungsfaktor" oder aber die Nicht-Berücksichtigung des Zinsänderungsrisikos im Anlagebuch.

Ein derart umfangreiches und von zahlreichen Experten getragenes Werk braucht eine erhebliche Vorlaufzeit. Es ist deshalb nur zu verständlich, wenn die derzeitige Krise und die Frage nach notwendigen Veränderungen in den Aufsichtsnormen nur am Rande auftauchen. Insofern darf man sich aber schon auf die nächste Auflage dieses Kommentars freuen, der aufgrund seiner Qualität in Breite und Tiefe der Darstellung zur Pflichtlektüre für alle mit der Regulierung befassten oder an ihr interessierten gehört.

Prof. Dr. Stephan Paul

Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum

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