Aufsätze

Das Scheitern der Börsenfusion - neue Chancen für den Finanzplatz Frankfurt

Es mag manchen überraschen: Aber das Veto der Europäischen Kommission gegen die Börsenfusion von Deutscher Börse und New York Stock Exchange war kein Anlass zu spontanen Jubelfeiern und Freudengesängen. Sicherlich, die hessische SPD begrüßt in der Konsequenz das Scheitern der Fusion. Doch darf dieser kurzfristige politische Erfolg nicht darüber hinwegtäuschen, dass nun alle Beteiligten diese Entscheidung auch und insbesondere als Chance für eine notwendige Neuausrichtung begreifen müssen. Das bedeutet für die Anhänger der Fusion: nicht lange Wunden lecken - es müssen neue, valide und zukunftssichernde Konzepte für den Finanzplatz Frankfurt auf den Tisch! Fachliches Know-how in der Region erhalten Die geplante Fusion der Deutsche Börse AG und der New York Stock Exchange jedenfalls war nicht dazu angetan, die Banken- und Finanzmetropole Frankfurt in eine stabile Zukunft zu leiten. Spätestens nach Ablauf der Festschreibung der anfänglichen Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Deutschen Börse im Jahre 2015 wäre der Standort Frankfurt von der Wall Street an die Wand gedrückt worden. Paris kann ein Lied davon singen, was es bedeutet, in einer Fusion mit der Nyse unterzugehen. Der Finanzplatz hat seit der Nyse-Euro-next-Fusion gegenüber dem dominanten amerikanischen Partner deutlich an Bedeutung und Einfluss verloren. Dies ist Frankfurt nun glücklicherweise jetzt erspart geblieben. Schließlich kann es sich Frankfurt nicht leisten, mit einer in die Bedeutungslosigkeit abdriftenden Deutschen Börse eine seiner wichtigsten Triebfedern für den Finanzplatz zu verlieren. Denn mit der Entscheidung der Europäischen Union bleiben nun die Arbeitsplätze und damit auch ein großes Maß fachlichen Know-hows in der Region erhalten. Das ist ein Pfund, mit dem die Finanzmetropole Frankfurt wuchern konnte, nun weiterhin kann und in Zukunft auch können muss. Fehleinschätzung der Kommission als Segen für den Finanzplatz Nichtsdestoweniger teilt die hessische SPD die inhaltliche Begründung des Widerspruches der Europäischen Kommission gegen die Fusion - insbesondere deren Definition des der Entscheidung zugrunde liegenden relevanten Derivatemarktes - nicht. Es ist Unfug, den regulierten Teil des Derivatehandels zum Maßstab für eine Marktbeherrschung zu machen. 90 Prozent des Handels finden außerhalb der Börsen statt. Diese Bereiche müssen aus den Hinterzimmern raus und zurück an die Börse. Dennoch ist diese Fehleinschätzung der Kommission ein Segen für den Finanzplatz. Jetzt gilt es aber, den Blick nach vorn zu richten. Strategische Weiterentwicklung mit Blick auf Wachstumsmärkte Das Scheitern der Fusion hat aber auch zwei zentrale Fragen in den Mittelpunkt der jetzt anstehenden Diskussionen gerückt. Erstens drängt sich natürlich die Frage auf, wie und mit welcher Strategie sich die Deutsche Börse in den kommenden Monaten und Jahren weiterentwickeln will und kann, um ihre starke Rolle im weltweiten Konzert der Börsenbetreiber wenigstens zu erhalten, bestenfalls aber noch weiter auszubauen. Hier besteht die Chance sehr klar in einer durchdachten und weitsichtigen Internationalisierungsstrategie. Die SPD hat in der geplanten Fusion nie die notwendige strategische Neuausrichtung der Deutschen Börse im Sinne einer langfristigen Zukunftssicherung gesehen. Das wurde mehr als deutlich gemacht. Vielmehr wirkte die Partnerwahl fast einfallslos und ohne Gespür für die tatsächlichen Zukunftsaufgaben, die Finanzunternehmen zu bewältigen haben. Mit der Deutsche Börse AG und der Nyse/Euronext wollten sich zwei Unternehmen mit einem weitgehend deckungsgleichen Angebotsportfolio und ähnlichen Problemen verbinden. Stattdessen hätten sie auch in neue Wachstumsmärkte investieren oder über neue und innovative Produkte ihre Marktanteile ausbauen können. Intelligente globale Positionierung gesucht Mit einer intelligenten globalen Positionierung, die mehr als der simple Zusammenschluss zweier Partner ist, kann die Deutsche Börse auch künftig ihre wichtige Rolle in der Finanzwelt verteidigen, ihre positive Entwicklung fortsetzen und damit auch dem gesamten Finanzplatz Frankfurt positive Impulse geben. Eine Internationalisierungsstrategie könnte dabei insbesondere unter der Zusammenarbeit mit Partnern im asiatischen Raum, in den arabischen Golfstaaten oder in Südamerika Erfolg versprechend sein. Ein solcher Weg wäre ausdrücklich zu unterstützen. Zweitens stellt sich insbesondere der Sozialdemokratie aber auch die Frage, welche Auswirkungen das Scheitern der Fusion auf die weitere, längst überfällige Regulierung der globalen Finanzmärkte haben wird? Denn die gesamte Diskussion der Börsenfusion hat auch vor dem Hintergrund der enormen Auswirkungen der Finanzkrise, die ganze Staaten mit sich zu reißen versucht, stattgefunden. Die SPD tritt auch in Zukunft vehement für mehr Transparenz und Kontrolle auf den Finanzmärkten ein und fordert grundsätzlich eine stärkere Orientierung der Finanzmärkte an den Interessen des Gemeinwohls. Neue Finanzarchitektur für Europa Dabei kann und wird die Deutsche Börse ein wichtiger Partner sein! Denn auch mit Blick auf diesen Aspekt ist der Erhalt eines so bedeutenden Akteurs wie der Deutschen Börse, der sich im Kern vielmehr den deutschen und europäischen Vorstellungen von Aufsichts- und Regulierungsnotwendigkeiten gegenüber den globalen Finanzmärkten verpflichtet fühlt als die Nyse/Euronext es je getan hätte, essenziell. Wenn die derzeitige Krise in Europa aber langfristig bewältigt werden soll, gilt es neben den unbestritten notwendigen strukturellen Reformen in den betroffenen Ländern vor allem, die Finanzmärkte schnell und langfristig zu stabilisieren. Dafür ist es wichtig, ein ganzes Bündel von aufeinander abgestimmten Maßnahmen und Instrumenten zu schnüren. So ist eine grundlegend neu aufgestellte Finanzmarktarchitektur in Europa erforderlich, die es ermöglicht, das ruinöse Zockertum einiger schwarzer Schafe auf den Finanzmärkten effizient zu unterbinden. Dies ist langfristig nur durch ein Maximum an Markttransparenz und eine funktionierende und effektive Finanzaufsicht möglich. Die SPD erneuert daher die Forderung nach einer Stärkung und Zentrierung aller europäischen Finanzaufsichtsbehörden am Standort Frankfurt. Grundlegende Umorientierung der Finanzwirtschaft befördern Außerdem gilt es, eine grundlegende Umorientierung der Finanzwirtschaft zu befördern - weg von einer kurzfristigen Renditeoptimierung und hin zu langfristigen Finanzierungen - um mehr Stabilität ins System zu bringen. Dazu müssen die aktuell nur für Banken geltenden strikteren Re-gulierungs-, Aufsichts- und Transparenzvorschriften umgehend auf alle Akteure des Finanzmarktes, insbesondere Schattenbanken und Hedgefonds, ausgeweitet und deren Einhalten kontrolliert werden. Um in Zukunft Krisen wie die derzeitige vorzubeugen, muss der Wildwuchs an den Kapitalmärkten gestoppt werden. Alle Finanzdienstleistungen haben einer grundsätzlichen Börsenpflicht zu unterliegen, um den sogenannten "Grauen Markt" endlich trocken zu legen. Kein Produkt und kein Akteur auf dem Finanzmarkt darf ohne Kontrolle bleiben. Gerade die Verbörsung der wichtigsten und volumenstärksten sogenannten Over-The-Counter-Produkte, die damit standardisierter und transparenter und aufgrund der Registrierung in der Börsenplattform zu Nettogrößen saldiert würden, könnten dem System deutlich mehr Stabilität verleihen. Ausschließlich spekulative Finanzinstrumente ohne realwirtschaftlichen Zusammenhang oder Begründung müssen aber konsequent verboten werden. Unabhängige Ratingagentur(en) schaffen Nicht fehlen darf in einem solchen Paket die längst überfällige Einführung einer europaweiten moderaten Finanztransaktionssteuer von beispielsweise 0,1 Prozent mit dem Rückgrat einer Börsenumsatzsteuer. Damit kann ein Lenkungseffekt erzielt werden, der bestimmte Produkte für Finanzmarktakteure schlicht unattraktiv macht. Außerdem wird mit einer solchen Sanktionierung auch eine angemessene Beteiligung der Verursacher an der Bewältigung der Kosten der Krise erreicht. Dazu kommen die vorläufig zum Tabuthema erklärten Eurobonds sowie die nochmalige Aufstockung des europäischen Rettungsschirms ESM beides sind wichtige Bausteine zur langfristigen Beruhigung der Märkte. Die hessische SPD befürwortet des Weiteren ausdrücklich die Einrichtung von mindestens einer unabhängigen, wünschenswerterweise sogar zwei europäischen Ratingagenturen, um den amerikanischen Agenturen eine wirkungsvolle Alternative entgegenzustellen. Diese könnte per Satzung die aktuell vorhandenen gravierenden Interessenkonflikte - die zu bewertenden Institutionen bezahlen die Ratingagenturen für ihre eigene Bewertung - aushebeln. Zudem müssen die bestehenden privaten Ratingagenturen unter eine stärkere Aufsicht gestellt werden, einschließlich einer Haftung, wie sie für Wirtschaftsprüfer üblich ist. All diese Maßnahmen verschaffen am Ende den zeitlichen Spielraum für die notwendigen strukturellen Reformen, die in allen europäischen Ländern notwendig sein werden, um mittel- und langfristig die tiefroten Staatshaushalte, auch in Deutschland, zu stabilisieren und die aufgelaufenen Schulden zu tilgen und zukünftig weitere Krisen zu verhindern. Hierzu bedarf es neben den genannten Sofortmaßnahmen eines neuen, starken "Europäischen Paktes für Wachstum und Stabilität", inklusive einer ernsthaften Haushaltsüberwachung und automatischen Sanktionsmechanismen, durchgeführt und überwacht durch eine echte europäische Wirtschaftsregierung, die diesen Namen auch verdient hat.

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