Gespräch des Tages

Deutsche Börse - Mit Beharrlichkeit zum "Sieg"?

Eines kann man der Deutschen Börse gegenwärtig wohl kaum vorwerfen: dass sie keine Hartnäckigkeit demonstriere. Aber was bleibt ihr auch? Die Euronext-Führung gibt sich so, als sei der Deal mit der US-amerikanischen Nyse längst "gelaufen". Dem Vernehmen nach scheint sich gegenwärtig auch ein Teil ihrer Aktionäre dafür auszusprechen. Damit hat die Börsenkonsolidierung in Europa eine aus Frankfurter Sicht unschöne Bahn eingeschlagen. Denn freilich kann es als ambitionierter Akteur nicht das Ziel der Deutschen Börse sein, sich durch die im Lachmann-Report vorgeschlagene Einbringung des Aktienmarkts in die (Nyse/-)Euronext zerschlagen zu lassen. Ohnehin wurde allein das erhebliche Entgegenkommen im eigenen Angebot an Euronext hierzulande oft schmerzlich aufgenommen man denke nur an den Verzicht auf die vielgerühmte elektronische Handelsplattform Xetra, einst der Stolz der Börse. Einen reinen Handelsplatz wird es in Frankfurt zwar in jedem Fall auch weiterhin geben. Unter der Herrschaft von Nyse und Euronext würde der Einfluss der hiesigen Finanzcommunity aber erheblich sinken.

Ob der nun mit der Borsa Italiana unterzeichnete Letter of Intent zur Schaffung einer pan-europäischen Börse mit föderaler Struktur tatsächlich das Momentum für eine innereuropäische Lösung gestärkt hat, wie es vom Frankfurter Handelsplatzbetreiber selbstbewusst dazu heißt, ist zumindest fraglich. Dafür ist der Mailänder Handelsplatz schlichtweg zu klein, vermutlich selbst dann, wenn das politische Gewicht des Landes mit in die Waagschale geworfen wird. Vielleicht aber hat die Absprache den Frankfurtern ja etwas mehr Neutralität im Auftreten verschafft. Denn nun steht Frankreichs Euronext nicht mehr dem "Erzfeind" Deutschland gegenüber, sondern einer Koalition engagierter europäischer Handelsplätze.

In dem von Paris Europlace in Auftrag gegebenen Report, der explizit die für Euronext ratsamen Optionen bevorzugen sollte, wird zwar ein pan-europäischer Ansatz sogar ausdrücklich empfohlen. Und die französischen Finanzplatzvertreter unterstützen das New Yorker Angebot in der vorliegenden Form auch nicht, sei es ob der möglichen Ausweitung der US-Regulierungsvorschriften auf Europa oder der vertraglich wohl nicht sicherzustellenden Autonomie von Euronext. Dennoch beharrt die Führung der Mehrländerbörse demonstrativ auf dem US-französischen Zusammenschluss. Dass von den Amerikanern wirklich mehr - unternehmerische und politische - Freiheit zu erwarten ist, als von einem wohl befürchteten "Vizeposten" hinter dem nach Marktkapitalisierung größeren deutschen Widersacher im Rahmen einer föderalen Europa-Börse, mag dabei etwas irrational erscheinen.

Leicht gerät überdies vergessen, dass Börsen echte Kernelemente eines Finanzmarktes sind. Das gilt auch und gerade für den neu aufzubauenden Finanzplatz Europa. Da es hier schon genug Barrieren zu überwinden gibt, ist eine gewisse Integrität notwendig. Wie schnell dieses hehre Ansinnen aber anderen (wirtschaftlichen oder politisch motivierten) Zielen weichen muss, hat allein das Hin- und Her im Börsengeschehen der letzten Zeit verdeutlicht. Insofern liegt es auch in der Verantwortung der Akteure, für das Wohlergehen des Marktes zu handeln. Damit müssen die Frankfurter Börsianer in Paris und anderswo noch stärker argumentieren. Daneben haben sie immer noch eine ganze Reihe (ökonomischer) Argumente auf der Hand. Beharrlichkeit ist also tatsächlich das Gebot der Stunde. Den vorläufigen Ausgang, zumindest aber die Richtung der Konsolidierung der Börsen in Europa werden letztendlich im Dezember die Euronext-Aktionäre verkünden. Ob sie dann losgelöst von politischen Einflüssen oder Überlegungen entscheiden können?

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