Aufsätze

Die vierte Pfandbriefgattung - der Flugzeugpfandbrief

Mit der Novelle des Pfandbriefgesetzes1) vom März 2009 sowie der kurz danach in Kraft getretenen Verordnung zur Flugzeugbeleihungswertermittlung2) wurde mit dem Flugzeugpfandbrief eine weitere Pfandbriefgattung eingeführt. Deutsche Kreditinstitute gehören seit Langem zu den Weltmarktführern in der Luftfahrtfinanzierungsbranche, sodass bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Pfandbriefgesetz in den Jahren 2004 bis 2005 das Thema Flugzeugpfandbrief im Finanzausschuss des Bundestages diskutiert wurde. Die gesetzlichen Regelungen zum Flugzeugpfandbrief orientieren sich sehr eng an den Vorschriften zum Schiffspfandbrief und wurden nur insoweit geändert, wie es die branchenspezifischen Unterschiede erforderten. Insofern trifft der Investor auf ein vertrautes Regularium.

"Geschäftsfeld Flugzeugfinanzierung"

Das Geschäftsfeld Flugzeugfinanzierung beinhaltet die zweckgebundene Vergabe hypothekarisch gesicherter Darlehen zur Anschaffung von Fluggerät, das heißt insbesondere von Verkehrs- und Frachtflugzeugen. Die typischen Portfolios deutscher Kreditinstitute setzen sich fast ausschließlich aus den Produkten der beiden Duopolisten Airbus und Boeing (im Segment der Flugzeuge jenseits der 100 Sitze) sowie den beiden Regionalflugzeugherstellern Embraer und Bombardier zusammen. Geschäftsflugzeuge (Business Jets), Segelflugzeuge oder Flugzeuge aus chinesischer oder russischer Produktion spielen hier keine Rolle.

Es ist grundsätzlich in vier Flugzeugklassen zu unterscheiden: Die erste Gruppe bildet die Klasse der sogenannten "Wide-Body Aircraft" wie die Airbus A380-, Boeing B747-(Jumbo), B777- oder B787-Flugzeuge (Dreamliner), deren Anschaffungskosten zwischen 75 bis 230 Millionen US-Dollar liegen. Klassische Kontinentalverkehrsflugzeuge wie die Airbus A320- oder Boeing B737-Modelle werden als "Narrow Bodies" bezeichnet und kosten zwischen 35 und 60 Millionen US-Dollar. Die dritte Kategorie bilden die Regionalflugzeuge der Hersteller Embraer und Bombardier oder des italie-nisch-französischen Unternehmens ATR, deren Anschaffungskosten im Bereich von 15 bis 35 Millionen US-Dollar anzusiedeln sind. Die vierte Gattung bilden Frachtflugzeuge, wobei sich die Finanzierer hier fast exklusiv auf die Produkte der Hersteller Boeing und Airbus konzentrieren. Der Anschaffungswert von Frachtflugzeugen liegt zwischen 100 bis 190 Millionen US-Dollar.

Das Geschäftsmodell der Flugzeug finanzierenden Banken ist im Regelfall eher objektbezogen, das heißt dem Betreiber des Flugzeugs - der Fluglinie - kommt nicht die alleinige Schlüsselrolle zu. Der objektbezogene Ansatz erlaubt es, eine Transaktion vom Betreiberrisiko zu entkoppeln. Dies ist möglich, da die Flugzeugbewerterfirmen sehr verlässlichen Verfahren zur präzisen Vorhersage von Flugzeugwertverläufen entwickelt haben. Insofern kommen bei der Auswahl der zu finanzierenden Objekte nur solche Flugzeugmuster in Betracht, deren langfristige Zukunftswerte Stabilität aufweisen können. Der objektbezogene Ansatz spiegelt auch ein sehr wesentliches Element der Luftfahrtbranche wider - die Bedeutung der Leasingfirmen. Ungefähr ein Drittel der zirka 20 000 Flugzeuge umfassenden Weltflotte wird im sogenannten "operating lease" benutzt, das heißt von Leasingfirmen an die Fluglinien vermietet. Insofern treten die Leasingfirmen regelmäßig als Käufer und damit auch als Darlehensnehmer in Kauf- und Finanzierungstransaktionen auf.

Die Leasingfirmen gewährleisten bei einem Ausfall der originären Fluglinie die Neuvermietung des Flugzeugs. Die Bewertung von Flugzeugen erfolgt durch spezialisierte Gutachterfirmen, die mitunter seit den 1960er Jahren im Markt etabliert sind. Die Gutachterfirmen haben vielfach Zugang zu den Preisen von An- und Verkäufen und sind daher in der Lage, ihre Wertgutachten und Prognosen auf echte und global gültige Marktwerte stützen zu können.

Werthaltigkeit und Bewertung

Während der letzten und bis dato schwersten Krise der Luftfahrt in den Jahren 2001 bis 2003 hat sich eindrucksvoll gezeigt, dass Flugzeuge wertstabile Wirtschaftsgüter sind, sofern es sich nicht um veraltete Flugzeugmodelle handelt. Die Krise war insofern bemerkenswert, als dass mehrere für sich allein genommen bereits schwerwiegende Faktoren kumuliert auftraten der "11. September", der zweite Irakkrieg, die SARS-Epidemie und eine zyklische Abschwungphase der Luftfahrtbranche ausgelöst durch den Strukturwandel bei den großen US-Fluglinien. Bei den Flugzeugtypen, die die Kernflotten der deutschen Flugzeugfinanzierer bilden, waren im Zeitraum 2001 bis 2003 lediglich moderate Werteinbußen festzustellen.

Ein wesentlicher Grund für die Werthaltigkeit von Flugzeugen ist der hohe technische Standardisierungsgrad. Dieser erleichtert die Weitervermarktung erheblich, da die möglichen Verkaufsinteressenten sehr einfach gefunden und die Flugzeuge ohne großen Aufwand auf die Bedürfnisse des Interessenten angepasst werden können. Als weiterer Grund ist der sehr aktive Zweitmarkt für gebrauchte Flugzeuge zu nennen. Dieser ist insbesondere für die bereits erwähnten Leasingfirmen relevant, deren Geschäft neben dem Vermieten vor allem im An- und Verkauf von Flugzeugen besteht.3) Leasingunternehmen sind somit mittlerweile neben den Fluggesellschaften als eine echte zweite Betreibergruppe im Luftfahrtmarkt zu klassifizieren.

Vor diesem Hintergrund hat der Ausfall der das Flugzeug originär betreibenden Fluglinie im Regelfall allenfalls einen zeitlich begrenzten negativen Einfluss auf den Flugzeugwert. Da die Luftfahrtbranche schon immer zyklischen Schwankungen unterworfen war, gehört die Restrukturierung oder Abwicklung von Fluglinien zum festen Bestandteil. Allein im abgelaufenen Jahrzehnt ist es zu zahlreichen Insolvenzen namhafter und großer Fluglinien gekommen, von denen beispielhaft US Airways, Delta Airlines, United Airlines, Air Canada, Swissair oder Sabena zu nennen sind. Sofern im Markt gängige und technisch nicht überholte Flugzeuge aussortiert wurden, konnte meist in einem überschaubaren Zeitraum eine Anschlussbeschäftigung gefunden werden. Nach der Krise Anfang des letzten Jahrzehnts erlebte die Luftfahrtindustrie 2004 bis 2007 eine bis dahin beispiellose Boomphase mit Rekordbestellungen und Rekordablieferungen. In 2008 kam es dann zu einer gewissen Marktberuhigung, die 2009 von der Weltfinanzkrise überholt wurde. Die Passagierzahlen stabilisierten sich aber im Lauf des zweiten Halbjahres 2009 und die Planzahlen der Luftfahrtexperten für 2010 gehen von einer Steigerung des Sitzladefaktors (das heißt dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Beförderungsleistung und der angebotenen Kapazität) um 4,5 Prozent sowie des Frachtaufkommens von sieben Prozent aus.4)

Langfristiger Wachstumstrend

Grundsätzlich können derartige zyklisch auftretende Schwächephasen den langfristigen Wachstumstrend der Luftfahrtindustrie zwar verzögern, aber nicht stoppen. Experten gehen im Passagierverkehr von Wachstumsraten von 5,9 Prozent pro Jahr und im Frachtverkehr von 6,7 Prozent pro Jahr bis 2025 aus. Nach Prognosen der Hersteller und Luftfahrtexperten5) ist in den kommenden 20 Jahren ein Bedarf von bis zu 30 000 neuen Flugzeugen zu erwarten, was einem Finanzierungsvolumen von zirka 3,2 Billionen US-Dollar entspricht.6)

Diese Wachstumsvorhersage ist wesentlich auf zwei Aspekte zurückzuführen: Zum einen ist der Anstieg der Bevölkerung insbesondere in Asien und die sich auf diesem Kontinent relativ stark entwickelnde Wirtschaftskraft zu nennen, woraus ein erhöhter Bedarf an Kapazität resultiert. Zum anderen muss bis 2025 ein signifikanter Anteil der aktuellen Weltflotte ersetzt werden, um die sehr bald vorherrschenden Anforderungen an modernes und vor allem effizientes und umweltschonendes Fluggerät erfüllen zu können (Abbildung).

Rechtliche Grundlagen

Das aus Pfandbriefsicht entscheidende Sicherungsinstrument ist das Registerpfandrecht an Luftfahrzeugen7) - umgangssprachlich und als Oberbegriff "Flugzeughypothek" genannt.8) Die Regelungen zum Registerpfandrecht gemäß dem Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen sind mitunter identisch zu den Vorschriften zur Schiffshypothek gemäß dem Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken9), welche wiederum weitgehend mit dem Hypothekenrecht übereinstimmen.

Von großer Bedeutung ist die internationale Anerkennung von Flugzeughypotheken, da Flugzeuge weltweit im Einsatz sind und vom Hypothekengläubiger selbst oder von Dritten zu Verwertungszwecken festgesetzt werden können. Zur Sicherstellung der gegenseitigen Anerkennung nationaler Flugzeughypotheken wurde bereits 1948 das sogenannte Genfer Pfandrechtsabkommen10) geschlossen, das von fast 90 Staaten ratifiziert wurde und seit Jahrzehnten ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet. In Fortentwicklung der Grundidee der weltweiten Anerkennung von Flugzeughypotheken ist im Jahr 2006 mit der sogenannten Kapstadt-Konvention11)eine neuartige Art von Abkommen in Kraft getreten: In diesem Abkommen geht es nicht mehr um die Anerkennung nationaler Flugzeughypotheken, sondern um die Begründung eigenständiger "internationaler Sicherungsrechte", die innerhalb der Vertragsstaaten anzuerkennen sind.

In der Praxis sind neben den Flugzeughypotheken noch weitere Sicherheiten bedeutsam, die die Stellung des Darlehensgebers ergänzen und verbessern: Die Abtretung der Rechte aus Leasingverträgen gewährleistet in den gängigen Finanzierungskonstruktionen einen schnelleren Zugriff auf das Flugzeug als dies bei der Verwertung einer Flugzeughypothek der Fall wäre. Weiterhin erfolgen Abtretungen hinsichtlich der Ansprüche gegen den Versicherer und bezüglich der Herstellergarantien. Die Regelungen zum Flugzeugpfandbrief wurden vom Gesetzgeber bewusst

sehr eng an die bewährten Regelungen zum Schiffspfandbrief angelehnt, um zu unterstreichen, dass Flugzeugpfandbriefe von der Struktur her denselben Qualitätsanforderungen unterliegen.12) Grundsätzlich kommen nur Flugzeuge als Deckungswert in Frage, die in einem öffentlichen Register eingetragen sind (§ 26b Abs. 1 PfandBG). Hierdurch wird sichergestellt, dass ein im Deckungsstock befindliches Flugzeug jederzeit die verkehrsrechtlichen Anforderungen der zuständigen Luftverkehrsbehörde erfüllt und somit flugtauglich ist. Als deckungstaugliches Sicherungsinstrument kommen neben dem deutschen Registerpfandrecht an Luftfahrzeugen nur solche ausländischen Flugzeughypotheken in Betracht, die dem Gläubiger eine mit dem Registerpfandrecht vergleichbare Rechtsposition bieten (§ 26 a S. 1 i. V. m. § 26 b Abs. 4 S. 1 PfandBG). Der Haftungsverbund der jeweiligen Flugzeughypotheken (und damit der Deckungswert) umfasst auch die Triebwerke (§ 26 b Abs. 1 S. 2 PfandBG). Deren Einbeziehung in den Haftungsverbund ist gegebenenfalls schuldrechtlich sicherzustellen, wobei dies bereits jetzt dem Standard der Finanzierungspraxis entspricht.13)

Des Weiteren erstreckt sich der Deckungsstock auf alle Forderungen, die auf die Substanz des Flugzeugs gerichtet sind (§ 26b Abs. 5 PfandBG). Hierdurch stehen die Ansprüche auf Leistungen aus Herstellergarantien, der Flugzeugversicherung sowie aus Leasingverträgen zugunsten der Pfandbriefgläubiger als zusätzlicher Deckungswert zur Verfügung. In § 26 c PfandBG werden die Mindestanforderungen hinsichtlich der Versicherung eines deckungsfähigen Flugzeugs aufgestellt: Es muss zu jeder Zeit mindestens zu 110 Prozent der ausstehenden Darlehensforderung versichert sein (§ 26 c Abs. 1 S. 1 PfandBG), und die Flugzeughypothek (oder eine schuldrechtliche Regelung) müssen den Zugriff auf die Sachversicherung sicherstellen (§ 26 c Abs. 4 PfandBG). Die Beleihung darf maximal bis zum 20. Lebensjahr eines Flugzeuges reichen (§ 26 b Abs. 3 PfandBG), was aufgrund der langfristigen Wertstabilität eine sachgerechte Begrenzung darstellt.

Im Hinblick auf den Beleihungswert sieht § 26 b Abs. 2 S. 1 PfandBG vor, dass die Beleihung auf 60 Prozent des Flugzeugbeleihungswertes beschränkt ist, welcher wiederum nach der Regelung des § 26 d PfandBG in Verbindung mit der Flugzeugbeleihungswertermittlungsverordnung (FlugBelWertV) zu bestimmen ist. Grundsätzlich muss die Ermittlung des Flugzeugbeleihungswertes im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung unter Berücksichtigung der nachhaltigen Objektmerkmale sowie unter Nichtberücksichtigung spekulativer Elemente erfolgen, was im Einklang mit § 16 PfandBG (bezüglich Immobilien) und § 24 PfandBG (bezüglich Schiffen) steht. Das Schlüsselelement der FlugBelWertV ist das dreifache Obergrenzenmodell, welches konzeptionell an die Schiffsbeleihungswertermittlungsverordnung14) angelehnt ist. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 FlugBelWertV darf der Beleihungswert keinen der drei folgenden Werte übersteigen erstens den aktuellen Marktwert gemäß § 5 FlugBelWertV, zweitens den durchschnittlichen Marktwert der letzten zehn Jahre gemäß § 10 FlugBelWertV und drittens den sogenannten Wert bei ausgeglichenen Marktbedingungen und durchschnittlichem Zustand gemäß § 11 FlugBelWertV.

Möglichkeit zur Diversifikation

Letzterer Wert tritt an die Stelle des "Neubaupreises" beziehungsweise "Kaufpreises" nach der SchiffsBelWertV, da in der Luftfahrtindustrie die Neubau- oder Kaufpreise aufgrund diverser Umstände im Regelfall nicht den tatsächlichen Wert des Flugzeuges widerspiegeln. Dieser Wert bei ausgeglichenen Marktbedingungen und durchschnittlichem Zustand ist ausweislich der Verordnungsbegründung über den Industriestandardwert "Base Value" zu bestimmen15), welcher wiederum mittels der Definition des Dachverbands der Flugzeuggutachter zu determinieren ist.16) Der Base Value wird sowohl mittels historischer Wertverläufe als auch mittels Zukunftsprognosen bei Unterstellung eines ausgeglichenen Marktumfelds bestimmt. Die Heranziehung des Base Values ist deshalb sachgerecht, weil dieser Wert ausgewiesen schwankungsarm und nachhaltig ist.

Sofern nur eine kürzere als eine zehnjährigen Historie (oder gar keine) zur Bestimmung des Durchschnittswertes eines Flugzeugmusters vorhanden ist, hat die Festlegung des Beleihungswertes auf Basis eines mit einem Abschlag von zehn Prozent reduzierten Base Values zu erfolgen (siehe § 4 Abs. 2 Satz 2 FlugBelWertV). Auch diese Regelung stimmt konzeptionell mit der SchiffsBelWertV überein. Die Vorschrift dient der Förderung der Einbeziehung neuen Fluggeräts in die Deckungsstöcke: Bei neu eingeführten Flugzeugmustern begründet die Tatsache, dass ein solches Modell den neuesten Stand der Technik widerspiegelt, eine hohe Wertstabilität über einen längeren Zeitraum. Da der Base Value ohnehin einen konservativen Wert darstellt, ist der im Vergleich zur SchiffsBelWertV geringe Abschlag von nur zehn Prozent sachlich gerechtfertigt.17)

Flugzeuge sind erwiesenermaßen wertstabile Wirtschaftsgüter und die Luftfahrtbranche ist eine Wachstumsindustrie mit erheblichem Finanzierungspotenzial. Insofern bietet der Flugzeugpfandbrief interessante Möglichkeiten zur Diversifizierung bei der Investition in Pfandbriefe.

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