Kreditwesen-Weintipp

Zeltinger Sonnenuhr

Ganz den alten Weinlesetraditionen entsprechend verarbeitete Molitor nur absolut gesunde, handverlesene Trauben. Nach der Kaltmazeration - eine Standzeit vor der eigentlichen Gärung, die ein besseres Abpressen ermöglicht und zugleich Fruchtigkeit gewährleistet - leitete sich der Gärprozess mit den Hefen aus dem Weinberg von selbst ein. Der Weinausbau erfolgte später im Holzfass. So gelang eine trockene Riesling Spätlese, die keinen Vergleich zu scheuen hat: der 2005er Zeltinger Sonnenuhr Riesling Spätlese trocken. Auf blauem Devon-Schieferboden gewachsen, brachten die Trauben einen Wein von unvergleichlicher Finesse und Tiefe hervor.

Die Bezeichnung "trockene Spätlese" ist pures Understatement. Schon die Aromen ihres Dufts erinnern an Pfirsich, Limette und rosa Grapefruit. Im Hintergrund finden sich rauchige Noten, eine ausgeprägte Mineralität sowie Akazienblüten, Honig und wilde Kräuter. Am Gaumen entwickelt sich eine große Eleganz mit glasklaren fruchtigen Pfirsich- und Honigmelonentönen sowie eine spielerische Süße, die von einer vibrierenden Säure ausgeglichen wird. Dieser Wein strotzt vor reifen Fruchtnoten, Schmelz und Rasse.

Markus Molitor führt sein Weingut seit dem Jahr 1984 in achter Generation. Die Weingärten mit 38 Hektar Rebfläche sind zum überwiegenden Teil mit Riesling bestockt. Während andere Winzer an Mosel, Saar und Ruwer ihre Weinberge aufgeben, weil sich die Arbeit in den Steillagen wirtschaftlich kaum lohnt, kauft Molitor Lagen hinzu - vornehmlich die mit alten, wurzelechten Reben. Mit ihnen ist sein Weingut national und international bekannt geworden.

Eine der Molitorschen Spitzenlagen liegt in der Zeltinger Sonnenuhr an der Mittelmosel gegenüber der Ortschaft Zel-tingen-Rachtig. Sein Weingut ist der größte in dieser weniger als 20 Hektar großen Spitzenlage. Der Name des Weinbergs stammt von einer Sonnenuhr, die angeblich seit 1620 den Weinberg ziert. Die Lage ist hauptsächlich durch Blauschiefer geprägt, der im Untergrund besonders massiv ist. Daher ist sein Wasserhaltevermögen relativ gering, was in extrem heißen Jahren zu Trockenstress bei den Trauben führen kann. Der steinige, feinblättrig blaue Schieferverwitterungsboden ist leicht erwärmbar und ermöglicht eine gute Ausreifung der Trauben. Hier stehen Rieslingstöcke in einem Alter von 80 bis 100 Jahren. Diese wurden wurzelecht gepflanzt und sind bis heute von der Reblaus verschont geblieben, mit der andere Winzer seit Jahrzehnten zu kämpfen haben. Nicht nur Molitors größte trockene und feinherbe Auslesen reifen hier, sondern auch viele seiner edelsüßen Spitzenweine. Klimatisch befindet sich die Zeltinger Sonnenuhr in einer sehr privilegierten Position: Sie liegt in einer Übergangszone maritimen Einflusses hin zum Kontinentalklima. Durch die natürliche Barriere der Eifel liegen diese Lagen im Regenschatten und sind vor starken Westwinden gut geschützt. Ihre ältesten und besten Parzellen sind klein terrassiert und mit absoluten Minierträgen von zehn bis 20 Hektolitern je Hektar Erzeugern wie Molitor vorbehalten, die bereit sind, für ihre Qualitätserzeugnisse am wirtschaftlichen Limit zu arbeiten. Dafür belohnt sie die Zeltinger Sonnenuhr mit Weinen von einem ausgeprägten Terroir und einer atemberaubender Fülle.

Weintipp aus dem Buch: 100 Meisterwerke des Weines - Deutschland

Hrsg. Ralf Frenzel Tre Torri Verlag

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