Anfang der achtziger Jahre traf ich Dieter Glüder das erste Mal. Wir waren beide wissenschaftliche Assistenten am Institut für Markt und Plan der Universität Frankfurt. Seine Aussagen waren schon damals klar und präzise abgeleitet. Selten habe ich in den über dreißig Jahren danach jemanden getroffen, der eine derart klare analytische Begabung hatte.
Seine Doktorarbeit behandelte die Entstehung multinationaler Banken. Sie hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Nach fünf Jahren Anstellung an der Universität Frankfurt ging Dieter Glüder 1987 zur KfW, wo zunächst die Förderpolitik sein Arbeitsgebiet wurde. Und wie jedes Thema packte er es grundlegend an. Davon zeugt noch heute sein bereits 1993 publiziertes Buch zur Förderpolitik der öffentlichen Banken.
Es folgten Tätigkeiten im Treasury und schließlich die Bereichsleitung Kreditverbriefung, wo er mit den synthetischen Verbriefungsplattformen Promise und Provide einen beispielhaften Weg etablierte, um die Eigenkapitalsituation deutscher Banken zu verbessern. Heute, noch Jahre danach, haben diese bis 2008 genutzten Verbriefungsplattformen einen hervorragenden Ruf. Sein profundes Wissen der Bankwirtschaft kam ihm auch in der Zeit seiner Abordnung von der KfW in das Bundesfinanzministerium in den frühen neunziger Jahren zugute. Hier beschäftigte er sich mit bankaufsichtsrechtlichen Themen und der KWG-Novelle.
Im Februar 2004 kamen unsere Wege wieder zusammen. Er erzählte von Verbriefungen und der True Sale Initiative, fragte mich, ob ich nicht Interesse hätte an der Geschäftsführung einer neuen Gesellschaft dazu. Die ersten zwei Jahre machten wir die TSI gemeinsam, ich als Vollzeit-Geschäftsführer, er in Teilzeit neben seiner Bereichsleiter-Tätigkeit in der KfW. Danach stand er mir als Berater zur Seite.
Viel ist heute die Rede von qualitativ hochwertigen Verbriefungen, von einem Regelwerk für standardisierte, einfache und transparente Transaktionen, das die EU im Rahmen der Kapitalmarktunion schaffen will. Im Kern sind es die Ideen von Dieter Glüder, mit denen er bereits vor mehr als fünfzehn Jahren als Bereichsleiter Verbriefung in der KfW begann und dies 2004 mit der Etablierung der TSI fortsetzte.
Anfang August 2007 geradezu über Nacht wurde Dieter Glüder dann Kapitalmarktvorstand der durch US-Subprimeinvestments schwer angeschlagenen IKB. Angesichts der bedrohlichen Lage hatte deren Aktionärin KfW sofort reagiert und mit Dieter Glüder und Günther Bräunig zwei ihrer besten Manager mit den Aufräumarbeiten betraut. Glüder, der stets für Qualität im Verbriefungsmarkt stand, schaute in den Abgrund von US-Subprime. Es folgten sicherlich keine leichten acht Jahre. Doch er meisterte sie mit Bravour, bis er im November 2015 aus dem Vorstand der Bank ausschied.
Über all die Jahre blieb Dieter Glüder aber auch als IKB-Vorstand der TSI eng verbunden. Er war ein beliebter Moderator bei vielen Veranstaltungen. Witz, Humor, Gelassenheit waren seine Markenzeichen. Schärfer wurde seine Argumentation nur, wenn es um die vielen kleinen und großen Denkfehler und Widersprüche in den aufsichtsrechtlichen Reaktionen auf die Finanzkrise ging. Die Klarheit, mit der er selbst komplexe aufsichtsrechtliche Zusammenhänge sezierte und mit Theorie und Praxis konfrontierte, wurde von allen Zuhörern immer wieder bewundert.
Über welche Themen Dieter Glüder auch immer sprach - Aufsichtsrecht, Verbriefungsmarkt, Finanzkrise - nie kamen Zweifel an seiner Fachkompetenz auf. Ohne Vorlagen und Notizen konnte er über die komplexesten Zusammenhänge sprechen, den Bogen schlagen von Wirtschaft, über Kapitalmarkt zu Geldpolitik und Finanzmarktaufsicht. Nach seinem Ausscheiden aus der IKB im November 2015 strebte er keine neue Managementaufgabe mehr an. Er wollte - wie er sagte - kürzer treten, sich auf seine Familie konzentrieren, er ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. Daneben wollte er im Rahmen der TSI sich in einem Projekt zum Thema Finanzmarktregulierung und Kapitalmarktunion engagieren. Wir freuten uns darauf, ihn wieder in unseren Reihen zu haben. Mehrfach tauschten wir uns in den letzten Wochen über das gemeinsame Projekt aus.
Dieter Glüder verstarb am 2. Februar 2016 plötzlich und unerwartet im Alter von 60 Jahren. Er wird uns sehr fehlen.
Dr. Hartmut Bechtold, Geschäftsführer, True Sale International GmbH, Frankfurt am Main
