T2S im Zusammenspiel mit Target-2

Marc Bayle, Director General, Market Infrastructure and Payments, European Central Bank, Frankfurt am Main - Als entscheidend für den Erfolg der Plattform T2S bezeichnet der Autor das Zusammenspiel mit dem Zahlungsverkehrssystem Target-2. Zusammengenommen könnten beide Systeme ihren Teilnehmern ein grenzüberschreitendes Liquiditäts- und Sicherheitenmanagement ermöglichen. Die automatische Selbstbesicherung durch eine Liquiditätsbrücke zwischen T2S und Target-2 und die Rückführung von Innertageskrediten bezeichnet er als das funktionale "Sahnehäubchen" von T2S. (Red.)

Heute möchte ich Ihnen etwas über den Stand von Target-2-Securities (T2S) und sein Zusammenspiel mit Target-2 erzählen. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen für einen kurzen Ausblick auf die Zukunft dieser beiden Systeme. Bevor ich beginne, noch ein Satz zu meiner Person: Ich leite das Generaldirektorat Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr bei der Europäischen Zentralbank seit etwa einem Jahr und war zuvor unter anderem als T2S-Projektmanager tätig. T2S liegt mir persönlich sehr am Herzen. Ich habe das Projekt im Jahr 2006 mit initiiert und war in allen Projektphasen aktiv involviert.

Als das T2S-Projekt 2008 als Antwort auf die Fragmentierung des Wertpapier-Settlements in Europa aus der Taufe gehoben wurde, schwebte den Verantwortlichen genau das vor, was mit Target-2 im Zahlungsverkehr bereits gelungen war: die Schaffung einer gemeinsamen und harmonisierten europäischen Infrastrukur. Mit T2S wird das Wertpapier-Settlement in Europa effizienter, sicherer und auch kostengünstiger. Außerdem bilden Target-2 und T2S eine infrastrukturelle Grundlage der Kapitalmarktunion und leisten somit einen wichtigen Beitrag zu ihrem "Single Rulebook".

Mitwirkung von Banken und Zentralverwahrern

Eine weitere Gemeinsamkeit von T2S und Target-2 ist die Tatsache, dass die Nutzer - in erster Linie Banken und Zentralverwahrer (also CSDs) - an ihrer Entwicklung von Anfang an aktiv mitgewirkt haben. Sei es etwa bei der Festlegung der funktionalen Anforderungen und einheitlichen Nutzungsregeln für die beiden Systeme oder auch durch die Beteiligung an den umfangreichen Tests sowie Migrations- und Betriebssimulationen. Das hat zur Effizienz, Nutzerorientierung und Sicherheit dieser Marktinfrastrukturen erheblich beigetragen und nur so kann auch in Zukunft ihre notwendige Weiterentwicklung sichergestellt werden, die hier gleich noch Thema sein soll.

T2S wird in einer Woche Wirklichkeit sein. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, Ihnen einen kurzen Statusbericht zu geben. Unzählige Testtage liegen hinter uns. Seit Mitte vorigen Jahres hat zuerst die EZB die T2S-Plattform für das gesamte Eurosystem getestet. Und danach haben es die CSDs beziehungsweise seit März dieses Jahres auch die Banken der ersten Migrationswelle auf Herz und Nieren geprüft.

In den vergangenen Wochen hat es öffentliche Spekulationen über den Go-live-Termin am 22. Juni 2015 gegeben. Ich kann Ihnen versichern, dass T2S startklar ist. Wenn zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht die letzte Unzulänglichkeit ausgemerzt ist, was bei einem Projekt dieser Größe und Komplexität nicht verwunderlich ist, so bin ich doch sicher, dass wir die verbleibenden Dinge baldmöglichst beheben werden. Wir sind uns der massiven Veränderungen bewusst, die T2S für den Kapitalmarkt bringen wird, und damit der enormen Wichtigkeit einer reibungslosen Migration.

Italien: Settlement-Tätigkeiten ab Ende August

Für das Go-live reicht es aber natürlich nicht aus, dass die T2S-Plattform und dass das Eurosystem startklar ist, auch die migrierenden CSDs und deren Kunden müssen bereit sein. Von den fünf Märkten der ersten Migrationswelle haben vier Länder grünes Licht für den 22. Juni gegeben, nämlich Griechenland, Malta, Rumänien und die Schweiz.

Für den fünften Markt, Italien, gibt es einen Vorschlag des italienischen CSD und dessen Klienten für ein spezifisches Migrationsszenario. Dieser Vorschlag, der von allen an T2S teilnehmenden CSDs vollumfänglich unterstützt wird, sieht vor, dass der italienische Markt zwei zusätzliche Monate für verbleibende Testaktivitäten erhält und somit ab dem 31. August 2015 mit Settlement-Aktivitäten beginnen wird. Das "T2S Board" des Eurosystems, dem ich als Chairman vorstehe, unterstützt diesen Vorschlag ebenfalls. Am kommenden Mittwoch wird das Governing Council der EZB hierüber abschließend entscheiden.

Ich bin überzeugt, dass T2S in ein paar Jahren zurückblickend als mindestens genauso großer Erfolg wie Target-2 beurteilt werden wird. Als ein Erfolg für die Eurozone und für ganz Europa, denn ich gehe davon aus, dass dann neben dem Euro weitere Währungen "an Bord" sein werden!

Für den Erfolg und Nutzen von T2S ist das Zusammenspiel mit Target-2 entscheidend. Zusammengenommen erlauben beide Systeme den Banken und anderen Kunden, ihr grenzüberschreitendes Liquiditäts- und Sicherheitenmanagement zu optimieren und europaweit auszubauen. Ich denke dabei vor allem an die verschiedenen Innovationen in T2S und die Verknüpfung der T2S-Geldkonten mit den Target-2-Geldkonten. So kommt zum Beispiel die Liquiditätsbrücke zwischen T2S und Target-2 nicht nur bei der flexiblen Übertragung von Zentralbankgeldsalden zum Tragen, sondern auch bei der automatischen Selbstbesicherung (auto-collateralisation) und der Rückführung von Innertageskrediten. Auto-collateralisation ist das Gegenstück des Innertageskredits auf der Target-2-Seite und sozusagen das funktionale "Sahnehäubchen" von T2S. Sie ist vielseitig konfigurierbar und erlaubt sowohl teilnehmenden Banken als auch ihren Kunden, die Anzahl fehlgeschlagener Instruktionen zu reduzieren und erhebliche Wertpapier- und Liquiditätsersparnisse zu erzielen.

Hinzu kommt die Tatsache, dass T2S eine weitreichende Harmonisierung von Marktstandards und -usancen ausgelöst hat, von der die Banken profitieren und die ohne T2S so wahrscheinlich nicht stattgefunden hätte. Ich denke da vor allem an die europaweite Einführung des Abwicklungszyklus "T+2" , den T2S-Kalender mit harmonisierten Abwicklungszeiten, die einheitlichen Standards für Corporate Actions und nicht zuletzt an den ISO20022-Nachrichtenstandard, den T2S als weltweit erste große Marktinfrastruktur verwendet. Auch für Target-2 wird die Implementierung dieses neuen Nachrichtenstandards angestebt.

Dies bringt mich zu meinem Zukunftsausblick. Natürlich steht für uns derzeit das reibungslose Gelingen von T2S im Vordergrund. Wir denken aber auch über Möglichkeiten nach, wie Target-2 und T2S betrieblich, wirtschaftlich und entwicklungstechnisch optimiert und damit zukunftsfähig gemacht werden können. So überlegen wir zum Beispiel, ob durch T2S weitere Effizienzgewinne in Bezug auf das Sicherheitenmanagement erzielbar wären. Und auch durch die fortschreitende Globalisierung der Kapitalmärkte - als Stichwort sei hier nur der chinesische Renminbi genannt - durch die Vernetzung der ihnen zugrundeliegenden Marktinfrastrukturen und durch Innovationen im Massenzahlungsverkehr bieten sich für T2S und Target-2 Herausforderungen und Chancen zugleich.

Dieser Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Zahlungsverkehrssymposium 2015 der Deutschen Bundesbank am 15. Juni 2015 in Frankfurt am Main. Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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