WERTPAPIERGESCHÄFT

Hybride Geldanlage ist die Zukunft

Frank Hockemeier, Foto: Mainzer Volksbank eG

Vor fünf Jahren hatte die Mainzer Volksbank auf dem Campus der Universität ein Visualvest-Terminal installiert. Inzwischen ist klar: Digitale Angebote sind nicht automatisch das Ende der persönlichen Beratung. Sondern die Geldanlage wird zunehmend hybrid. Kunden, die früher ausschließlich auf persönliche Beratung gesetzt haben, werden offen für digitale Vermögensverwaltung. Umgekehrt erkennen Nutzer des Robo Advisors Visualvest da und dort auch den Nutzen der persönlichen Beratung. Das hat sich vor allem während der Corona-Pandemie gezeigt. Wichtig ist vor allem eines, sagt Frank Hockemeier: den Kontakt zum Kunden nicht zu verlieren. Red.

Digitale Geldanlage per Automat: Auf dem Campus der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz können Studierende Sparraten ab 25 Euro mittels eines modernen Anlageassistenten selbstständig anlegen. Vor fast fünf Jahren startete das Pilotprojekt der Mainzer Volksbank mit einem Visualvest-Terminal, das sich als digitales Beratungsangebot etabliert hat (siehe Beitrag in bank und markt 7/2017, Seite 28 ff.). Besonders in Zeiten der Corona-Pandemie sind solche Angebote keine Seltenheit mehr und sind nicht nur am Mainzer Campus gefragt.

Vom Pilotprojekt zu "MeinInvest"

Was als Pilotprojekt an der Universität begann, ist mittlerweile fest in das Produktsortiment der Mainzer Volksbank integriert. Unter dem Namen "MeinInvest" können alle interessierten Kunden einfach und digital ihre Geldanlage steuern. Der digitale Anlageassistent fragt dabei die Ziele, Wünsche und Risikobereitschaft des Kunden ab und macht daraufhin Vorschläge aus entsprechend zusammengestellten Portfolios.

MeinInvest setzt dabei auf die bewährte Visualvest-Plattform, einen digitalen Vermögensverwalter, und soll somit in erster Linie eine Alternative zur klassischen Vermögensberatung sein. Der Robo Advisor ist besonders für digitalaffine Kunden interessant, die ein niedrigschwelliges Angebot mit geringen Kosten und einfacher Struktur fokussieren.

"MeinInvest" hat mittlerweile sein Angebot stark ausgebaut und stellt eine professionelle Vermögensverwaltung für alle Alters- und Berufsgruppen dar. Ein Erfolg, der auf den Erfahrungen des Campus-Pilotprojektes aus dem Jahr 2017 beruht. Denn die gewonnenen Erkenntnisse sind in die Umsetzung und Kundenansprache eingeflossen. Insbesondere die Einfachheit des Sparens mit monatlichen Beträgen bereits ab 25 Euro ist für viele Nutzer ausschlaggebend für diese Anlagevariante. Aber auch größere Sparbeträge können online angelegt und verwaltet werden. Hinter dem digitalen Anlage-Assistenten MeinInvest stehen die Volks- und Raiffeisenbanken gemeinsam mit dem genossenschaftlichen Partner Union Investment.

Vermögen-Plus erweitert das Angebot

Auch für Kunden, die weiterhin auf eine persönliche Beratung nicht verzichten möchten, hat die Mainzer Volksbank ihr Produktangebot erweitert und Anfang des Jahres die Fonds-Vermögensverwaltung Vermögen-Plus erfolgreich eingeführt. Auch diese Lösung setzt wieder auf die digitale Analysestrecke, die durch ihre einfache Struktur und intuitive Anwendung schon bei MeinInvest überzeugen konnte. Im Unterschied zum Robo Advisor findet bei Vermögen-Plus die Kundenanalyse gemeinsam mit dem Kundenberater statt. Dies kann sowohl im Rahmen einer persönlichen Beratung in einer der Filialen als auch in Form einer Videoberatung stattfinden. Dieses Angebot richtet sich daher an alle Kunden, die auch bei der modernen Art der Geldanlage nicht auf die Expertise und Empfehlung ihres persönlichen Beraters verzichten möchten.

Nach dem ausführlichen Analyseprozess wird das Geld entsprechend der individuellen Auswahl angelegt und durch Union Investment verwaltet. Je nach Ausrichtung und aktueller Markteinschätzung wird die Anlage breit auf viele verschiedene Fonds und ETFs aufgeteilt. Der Kunde kann jederzeit flexibel Ein- und Auszahlungen vornehmen oder auch kontinuierlich über einen monatlichen Sparplan ein Vermögen aufbauen. Das Konzept der vollständigen Transparenz wird abschließend über einen Online-Zugang und das regelmäßige Reporting für den Kunden abgerundet. Diese moderne Anlagelösung verbindet also die Möglichkeiten der digitalen Welt mit der Vertrauensbildung einer persönlichen Beratung und schafft somit für die Kunden trotz anhaltendem Niedrigzinsumfeld eine Geldanlage mit Ertragspotenzial.

Hybride Variante mit dem größten Zufluss

Die hohe Akzeptanz der neuen digitalen beziehungsweise hybriden Anlageformen ist nicht nur bei der Mainzer Volksbank spürbar, sondern spiegelt sich im gesamten genossenschaftlichen Sektor wider. So konnte Visualvest als Robo Advisor beziehungsweise technischer Plattformanbieter für die Genossenschaftsbanken in den ersten vier Monaten des Jahres das betreute Anlagevermögen erneut verdoppeln und hat mittlerweile die Schwelle von zwei Milliarden Euro überschritten. Die Anlagen setzen sich grundsätzlich aus drei Bereichen zusammen:

- zum einen als Direktprodukt unter eigenem Namen, - dann bei über 400 Volks- und Raiffeisenbanken als Whitelabel-Produkt in der Regel unter dem Namen "MeinInvest"

- und dann in der hybriden Variante "Vermögen-Plus", die ebenfalls auf die technische Plattform des Anlageassistenten von Visualvest beruht.

Dabei ist der mit Abstand größte Zufluss bei der Vermögen-Plus-Variante und damit weiterhin im stationären Vertrieb zu verzeichnen. Daraus lassen sich zwei Dinge ableiten: Zum einen sind Kunden und ehemalige Sparer auf der Suche nach neuen Anlageformen und werden aufgrund der weiter anhaltenden Niedrigzinsphase und des Wegfalls klassischer Sparmöglichkeiten somit zu Anlegern. Unterstützend wirkt hier sicher, dass mit Vermögen-Plus eine professionelle Vermögensverwaltung auch bereits für kleinere Anlagevermögen geschaffen wurde. Zum anderen wird eine qualitativ hochwertige Beratung auch weiterhin vom Kunden genutzt und geschätzt. Und durch die digitalen Entwicklungssprünge, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurden, gilt mehr denn je der Grundsatz: Beratung wann und wo der Kunde dies fordert.

Nachhaltige Produkte auf dem Vormarsch

Ein weiteres Thema, das weiter deutlich an Bedeutung gewinnt, ist die nachhaltige Geldanlage. Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten ist dabei in den letzten Jahren nicht nur im Bereich der digitalen Geldanlage spürbar gestiegen. Auch in der persönlichen Beratung vernehmen die Kundenberater der Mainzer Volksbank ein wachsendes Bewusstsein für Umwelt und Gesellschaft, auch im Zusammenhang mit der eigenen Geldanlage. Schon jetzt machen Wertpapierprodukte mit nachhaltigen Kriterien beim Neuabsatz über 50 Prozent bei der Mainzer Volksbank aus - Tendenz steigend.

Doch wie erhält das Thema Nachhaltigkeit in der Praxis den Einzug in die Anlageberatung? Kurz gesagt: Der Kunde wird aktiv auf das Thema angesprochen. Dies erfolgt sowohl im Rahmen der digitalen Anlageberatung, wie zum Beispiel bei MeinInvest, als auch im persönlichen Beratungsgespräch. Äußert der Kunde dann sein Interesse an einer nachhaltigen Geldanlage, wird der Anlagevorschlag auch explizit darauf ausgerichtet. Neben den seit diesem Jahr verfügbaren nachhaltigen Varianten von MeinInvest und Vermögen-Plus gibt es darüber hinaus noch eine Vielzahl unterschiedlichster Anlagelösungen, die gemäß nachhaltigen Grundsätzen investieren.

Neben den bekannten Parametern Verfügbarkeit, Rendite und Sicherheit wird das Portfolio somit um eine weitere Dimension ergänzt: die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Die Auswahl der Anlagen erfolgt dabei nach festen ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien - allgemein auch als ESG-Kriterien bezeichnet. Diese drei Buchstaben umschreiben die nachhaltigkeitsbezogenen Verantwortungsbereiche von Unternehmen und Staaten: E steht für Enviroment (Umwelt), S für Social (Soziales) und G für Governance (Führungsqualität).

Dabei werden Fragen, wie zum Beispiel "Wie steht ein Unternehmen in der Öffentlichkeit da?" oder "Wie nachhaltig ist dessen Geschäftsmodell?" betrachtet. Weiterhin existieren gewisse Ausschlussregeln für Unternehmen, die in unethischen Geschäftsfeldern aktiv sind, wie beispielsweise in der Herstellung von Streubomben.

Die Bedeutung nachhaltiger Geldanlage für die Zukunft hat sich auch bei der EU durchgesetzt. Schätzungen der EU-Kommission zufolge müssen allein die Staaten der Europäischen Union jährlich rund 180 Milliarden Euro zusätzlich investieren, um die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen des Klimawandels umzusetzen. Außerdem müssen bis 2030 auch noch die Ziele des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden.

Pflicht zur ESG-Präferenzabfrage

trifft auf Kundeninteresse Zur Finanzierung der notwendigen Maßnahmen soll auch Kapital von privaten und institutionellen Anlegern gewonnen werden. Dafür werden jetzt einige Anstrengungen unternommen, um Kapital in nachhaltige Investments umzulenken. Im Rahmen der sogenannten EU-Offenlegungsverordnung, deren erste Regelungen bereits im März 2021 in Kraft getreten sind, soll unter anderem eine einheitliche Transparenz über die Verfügbarkeit und die Qualität nachhaltiger Kapitalanlagen gewährleistet werden. Dem Kunden soll somit eine schnelle Einschätzung über den Grad der Nachhaltigkeit eines Anlageproduktes ermöglicht werden. In einem zweiten Schritt hat der Anlageberater seinen Kunden künftig aktiv zu fragen, ob er bei seiner Kapitalanlage Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen möchte. Diese sogenannte ESG-Präferenzabfrage ist vermutlich ab dem kommenden Jahr verpflichtend.

Da aber schon heute eine große Bereitschaft seitens des Kunden besteht, Nachhaltigkeit auch bei der Geldanlage zu berücksichtigen, sollte in diesem Fall einmal nicht auf die verpflichtende Vorgabe der Regulierung gewartet werden, sondern das Thema schon heute in den Beratungsprozess integriert werden. Idealerweise kann so ein sonst oft eher sachliches Thema wie Geldanlage mit einem Gespräch über Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltige Zukunft mehr Emotionen beim Kunden auslösen.

Hybride Geldanlage setzt sich durch

Digitale Anlageformen, wie zum Beispiel Robo Advisor, stellen ein noch junges Angebot dar, werden aber nach den ersten Jahren im Einsatz immer beliebter. Es zeigt sich aber auch die Tendenz, dass aktuell eine Kombination aus persönlicher Beratung und digitaler Vermögensverwaltung mehr an Bedeutung gewinnt und in der Zukunft vermutlich die Regel sein wird.

- Kunden, die in der Vergangenheit ausschließlich eine persönliche Beratung der Bank genutzt haben, stehen zunehmend positiv der Ergänzung durch digitale Anlagemöglichkeiten mit Vermögen-Plus offen gegenüber.

- Ebenso werden Nutzer, die über den digitalen Anlageassistenten von MeinInvest den Einstieg gefunden haben, mit der Zeit vermutlich auch das Angebot einer persönlichen Beratung annehmen, um sich bei komplexeren Lebenssituation individuelle Empfehlungen von Anlageexperten zu holen.

Diese Entwicklung zeigt, dass digitale Angebote nicht automatisch das Ende einer persönlichen Beratung von Mensch zu Mensch bedeutet - was früher oftmals prophezeit wurde. Sicherlich gibt es auch im Bankensektor disruptive Tendenzen durch digitale Entwicklungen in einigen Teilbereichen. Allerdings findet in der Geldanlageberatung bei den Banken eher eine Evolution als ein Aussterben statt. Die Kombination aus persönlicher Beratung und digitalen Unterstützungsleistungen, was in der Bankenpraxis oftmals als Omnikanal bezeichnet wird, spiegelt die Wünsche der zunehmend hybrideren Bankkunden wider.

Persönliche Beratung hat in der Krise hohen Stellenwert

Die Corona-Pandemie hat für digitale Angebote wie ein Katalysator gewirkt - ein regelrechter Turbo sowohl bei der technischen Entwicklung als auch beim Nutzungsverhalten. Online-Angebote und Videoberatung sind im täglichen Leben vieler Kunden Normalität geworden, was auch nach der Pandemie nicht zurückgehen wird. Aber auch die persönliche Bratung hat weiterhin einen hohen Stellenwert.

Auch dies wurde insbesondere zu Beginn der Krise im Frühjahr 2020 wieder recht deutlich. Hier konnte die Mainzer Volksbank durch Flexibilität in der Kommunikation und die Nähe zu ihren Kunden beweisen, warum eine regionale Volksbank zu Recht Partner in jeder Situation ist. Aufgrund der ungewohnten Situation, der recht heftigen Reaktion an den Kapitalmärkten und der ungewissen Zukunft herrschte ein hohes Maß an Unsicherheit oder teilweise sogar Panik bei den Kunden. Dort hatte dann der Kundenkontakt, und zwar über alle digitalen Kommunikationswege, oberste Priorität. Neben dem klassischen Telefonanruf und dem Ausbau der Videoberatung wurde auch die Informationsversorgung über neu geschaffene Online-Webinare in das Beratungsangebot der Bank mit aufgenommen. Trotz gebotener Abstandsregeln konnte so die Nähe zu den Kunden aufrecht gehalten werden. Das hat weiteres Vertrauen geschaffen, was Kunden besonders in Krisenzeiten extrem wichtig ist.

Online-Beratungsplattformen und Apps für junge Kunden

Durch die gewonnenen Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die hybride Nutzung der Bankangebote weiterhin zunehmen wird. Denn genauso, wie man vielleicht bei einer einfachen Erkältung "Dr. Google" für erste Behandlungsmöglichkeiten nutzt, dann aber bei schwerwiegenderen Symptomen doch den persönlichen Besuch beim Arzt vorzieht, wird sich auch die Entwicklung bei der Geldanlage vollziehen. Während man sich online informiert und vielleicht auch erste, kleinere Abschlüsse vornimmt, werden komplexere Fragen der eigenen persönlichen Lebenssituation weiterhin direkt mit dem Bankberater besprochen. Dieses Verhalten zeigt sich bereits im besonderen Maße bei den jüngeren Kunden.

Für die Banken ist es in dieser Entwicklung nun besonders wichtig, nicht den Kontakt zum Kunden zu verlieren. Allein die regionale Präsenz reicht heute nicht mehr als Entscheidungskriterium aus. Vielmehr haben Anleger mittlerweile umfangreiche Informationsmöglichkeiten und das Angebot überregionaler Anbieter scheint unerschöpflich.

Über eigene Apps oder Online-Beratungsplattformen werden wir zukünftig versuchen, insbesondere online-affine junge Kunden optimal noch besser zu erreichen. Kunden werden sich über diese Medien gezielt informieren können und auch erste Berechnungen durch Eingabe der persönlichen Situation sind über verschiedene Tools möglich. Wann immer es notwendig ist oder für den Kunden erforderlich erscheint, kann ein Berater durch eine Online-Terminvereinbarung hinzugezogen werden. Die Beratung wird dann digital oder persönlich in der Filiale effizient fortgesetzt. Ziel ist immer, gemeinsam eine individuelle Lösung für den Kunden zu erarbeiten.

Kunden werden ihre Bank in der Zukunft stärker denn je daran messen, wie die eigenen Nutzungsvorlieben erfüllt werden. Hier gilt es sich als Bank entsprechend zu positionieren und den digitalen Wandel konsequent als Chance zu betrachten. Damit am Ende nicht doch noch Bill Gates Recht bekommt, der bereits 1994 prophezeit hat: "Banking is necessary, banks are not!"

Abschließend lässt sich somit zusammenfassen: Nicht das Entweder-oder, sondern vielmehr das Sowohl-als-auch bestimmt die Zukunft einer "hybriden Bank". Die Bereiche digitale Angebote und persönliche Präsenz werden immer weiter verschmelzen. Ebenso werden neben diesem technologischen Fortschritt auch der Klimawandel und das wachsende Nachhaltigkeitsbewusstsein jedes Einzelnen und der Volkswirtschaft insgesamt den Prozess der Geldanlage grundlegend verändern.

Frank Hockemeier , Stellvertretender Leiter Private Banking , Mainzer Volksbank eG
Noch keine Bewertungen vorhanden


X