Girokonto

Ein Plädoyer für das gebührenfreie Girokonto

Prof. Dr. Jürgen Weber, Vorsitzender des Vorstand, Sparda-Bank Hessen eG, Frankfurt am Main

Das gebührenfreie Girokonto ist die Eintrittskarte zu einer guten und gewinnbringenden Geschäftsbeziehung, meint Jürgen Weber. Sein Haus will deshalb so lange wie möglich daran festhalten. Zwar sind wichtige Erträge, mit denen das Girokonto früher quersubventioniert wurde, weggefallen. Aber mit einer im Vergleich zu anderen Genossenschaftsbanken geringeren Dividende sind etwa Jahresgebühren für die Debitkarte verzichtbar. Red.

"Das kostenlose Girokonto ist ein Auslaufmodell." Seit Monaten lesen wir dies tagtäglich in der Presse - verbunden mit den Schlagworten Niedrigzinspolitik, Kostendruck, Ertragseinbrüche, teure Filialen, Ende der "Kostenloskultur", Umdenken der Banken. Ohne Zweifel stehen alle Institute der deutschen Bankenlandschaft, auch die Genossenschaftsbanken, unter erhöhtem Druck und müssen sich der Frage stellen, wie das Girokonto auch künftig betriebswirtschaftlich sinnvoll angeboten werden kann. Die Sparda-Bank Hessen hat aktuell mehr als 385 000 Kunden. Würde sie für die Girokonten Kontoführungsgebühren erheben, so käme sie in der Hochrechnung auf eine Einnahme von mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr. Soweit die Theorie. Denn in der Praxis ist für die Bank die Antwort ganz klar: Das Girokonto ist und bleibt gebührenfrei - so lange dies nur irgendwie wirtschaftlich vertretbar ist. Nicht allein, weil dies ein Instrument zur nachhaltigen Neukundengewinnung und Kundenbindung ist, sondern vielmehr aus tiefer Überzeugung und Wertschätzung gegenüber den Mitgliedern und Kunden.

Ein Konto mit dem Wir-Prinzip

Eine These des Frankfurter Zukunftsinstituts lautete bereits vor einigen Jahren: Soziale Innovationen werden die Zukunft prägen, sogar mehr noch als technische. Menschen wollen Gemeinschaft, weil sie die höchste Form der Beziehung ist. Diese These ist Tatsache geworden: Das "Wir" steht hoch im Kurs. Teilen und vernetzen, Kooperationen und Kollektive sind Synonyme einer neuen Lebens- und Arbeitsweise. Denn in gleichem Maße, in dem die Individualisierung und Globalisierung voranschreitet, wächst auch der Wunsch nach gemeinschaftlicher Identität und nach Kultur, die Beziehungen schafft.

Die Suche nach einem Wir, das zusammenführt ohne einzuengen, macht dementsprechend auch vor Unternehmen nicht halt. Menschen entscheiden sich nicht mehr allein aufgrund von Produktvorteilen für eine Marke oder Dienstleistung, sie erwarten eine gemeinsame verbindende Vision. Die haben Genossenschaftsbanken. Darum sprechen Kunden, Mitglieder und Mitarbeiter gleichermaßen von "ihrer Bank". Weil sie Mitglied einer Gemeinschaft sein können, die für Solidarität, Kraft und Wertebewusstsein steht.

Dieses "Wir-Prinzip" zu bewahren und weiterzudenken, ist unsere vorrangige Aufgabe für die Zukunft. Das Girokonto bleibt also kostenlos und es wird mit einem "Wir-Gefühl" aufgeladen: Seit April 2017 wertet die Sparda-Bank Hessen ihr Girokonto mit einer "neuen Währung" auf - mit den Sparda-Freudepunkten. Diese können die Kunden dann unter dem Motto "Hessen helfen Hessen" an gemeinnützige und soziale Vereine verteilen. So spendet die Genossenschaftsbank gemeinsam mit ihren Kunden und hat damit ein Konto, das Gutes für die Gemeinschaft tut.

Zwischen Tradition und Moderne

Unsere Genossenschaftsbank wurde vor 120 Jahren von Eisenbahnern für Eisenbahner gegründet. In früheren Zeiten waren Genossenschaften oft die einzige Möglichkeit für bestimmte Bevölkerungsschichten, Zugang zu bezahlbaren Krediten zu erhalten. Genossenschaftliche Werte wie Solidarität, Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit und Mitbestimmung prägten die Beziehungen damals - und heute. Als hessische Genossenschaftsbank sieht sich die Bank immer in der Herausforderung, wichtige traditionelle Werte zu erhalten, den Fördergedanken zu leben und gleichzeitig diese mit modernem Bankgeschäft unter den aktuellen Rahmenbedingungen zu vereinen.

Quersubventionierung wird schwieriger

Und diese Bedingungen sind aufgrund der Null- und Negativzinspolitik der EZB für regionale Banken besonders schwierig: Durch die lange Niedrigzinsphase brechen - wie bei allen anderen Instituten - auch bei der Sparda-Bank Hessen Erträge weg, mit denen zum Teil das Girokonto quersubventioniert wurde.

Zugleich sind Kreditinstitute derzeit mit einer Flut von regulatorischen Anforderungen und folglich auch enormen Kosten konfrontiert. Und sie müssen mit der Zeit gehen und hohe Summen in die neuen technischen Möglichkeiten der digitalen Welt investieren. Damit reagieren auch wir auf die veränderten Kundenbedürfnisse und ermöglichen den Kunden, ihr Banking einfach, sofort und von überall zu erledigen.

Trotz dieses schwierigen Umfeldes sieht die Sparda-Bank Hessen die Basis für eine gute Kundenbeziehung auch künftig in dem Girokonto zum Nulltarif. Denn dieses ist die Eintrittskarte zu einer guten und gewinnbringenden Geschäftsbeziehung. Ob Geldanlage in klassische Bankprodukte oder in Fonds, ob Bausparen, Baufinanzierung oder Privatkredit, ob Versicherungen oder Vorsorgeprodukte - das Ziel muss sein, möglichst mit dem Gehaltskonto eine langfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen und über Generationen hinweg das "richtige Banking" anzubieten. Das Girokonto ist dafür das Ankerprodukt. Zufriedenheit und eine Bindung über Jahrzehnte bringen dem Geldinstitut mehr ein als Entgelte es tun könnten.

Seit 1993 bescheinigt die unabhängig durchgeführte Verbraucherstudie "Kundenmonitor Deutschland" den Sparda-Banken jährlich in Folge Platz 1 für die Kundenzufriedenheit unter den Banken und Sparkassen. Zufriedenheit bringt neue Kunden. Jeder dritte Neukunde kommt auf Empfehlung zur Sparda-Bank Hessen. Und mindestens sieben von zehn Kunden werden auch Mitglied der Genossenschaftsbank.

Hohe Dividenden zum Anlocken?

Wer als Kunde auch Mitglied einer Genossenschaft ist, erhält eine jährliche Dividende als Anteil am gemeinsamen Erfolg. In den vergangenen Jahren lag die Gewinnausschüttung bei der Sparda-Bank Hessen bei rund drei Prozent. Mit Verwunderung stellen wir immer wieder fest, dass genossenschaftliche Institute 5, 6 oder gar 7 Prozent an Dividende an ihre Mitglieder ausbezahlen. Warum können sie das? Nicht, weil sie höhere Gewinne erzielen oder viel besser wirtschaften als die anderen, sondern weil sie für die Kontoführung und die damit verbundenen Leistungen wie zum Beispiel die Girocard von ihren Kunden Gebühren einsammeln. Diese schütten sie dann zum Teil an ihre Mitglieder in Form einer sehr hohen, nicht marktgerechten Dividende wieder aus.

Wichtiger als eine hohe Dividende ist für die Sparda-Bank Hessen die Zufriedenheit und Treue der Kunden und Mitglieder. Das Institut sieht sich als starke Wertegemeinschaft, die durch Respekt und Aufrichtigkeit gekennzeichnet ist. Ein Ausdruck dieser gegenseitigen Haltung ist und bleibt - solange es wirtschaftlich vertretbar ist - das gebührenfreie Girokonto.

Zum Autor Prof. Dr. Jürgen Weber, Vorsitzender des Vorstand, Sparda-Bank Hessen eG, Frankfurt am Main

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