Schwerpunkt: Bewertungsfragen

Bewertung von Wohnimmobilien interne oder externe Lösung?

Bei der Bewertung ihrer Immobilienbestände haben Wohnimmobilien-Aktiengesellschaften die Wahl: Entweder sie beauftragen externe Sachverständige damit oder sie übernehmen diese Aufgabe selbst und ziehen externe Gutachter lediglich zur Prüfung der eigenen Ergebnisse heran. Die Delegation an externe Dienstleister wird häufig mit geringeren Kosten begründet. Spätestens auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass eine solche Make-or-Buy-Entscheidung gerade unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit keineswegs immer zugunsten der externen Wertermittlung ausfallen muss.

Kritisches Hinterfragen der Wertentwicklung

Vielmehr erweist sich bei umfassender Betrachtung oft die kontinuierliche interne Wertermittlung als wirtschaftlich vorteilhafter. Das gilt vor allem dann, wenn die unter Einsatz entsprechender EDV-Tools gewonnenen Daten nicht nur für eine einmalige stichtags- oder anlassbezogene Wertermittlung genutzt werden, sondern auch als Grundlage für eine wertorientierte Portfoliosteuerung dienen.

Die aktuelle Marktentwicklung zwingt Unternehmen dazu, zwischen interner und externer Lösung genau abzuwägen. Es gilt, die jeweiligen Folgen zu analysieren und die Grundlage der Entscheidung gegebenenfalls auch überzeugend nach innen und außen zu kommunizieren. Viele Immobilien-Aktiengesellschaften werden zurzeit an der Börse mit deutlichen Abschlägen auf den Net Asset Value ihrer Immobilienportfolios gehandelt. Dafür gibt es vor allem zwei wesentliche Gründe: Zum einen herrscht aufgrund der anhaltenden Finanzmarktkrise bei potenziellen Anlegern Unsicherheit im Hinblick auf die weiteren Entwicklungsperspektiven der Immo-bilien-Aktiengesellschaften. Zum anderen bringen potenzielle Anleger den Immobiliengesellschaften ein gewisses Misstrauen entgegen und hinterfragen die veröffentlichten Angaben zur Wertentwicklung ihrer Immobilienportfolios.

Investoren fordern ein hohes Maß an Transparenz, um die Werthaltigkeit und Zukunftschancen der Immobiliengesellschaften besser beurteilen zu können. Und wer nach der Transparenz der Immobilienbewertung fragt, gelangt schnell zu der Frage, ob dafür eine interne oder eine externe Lösung vorzuziehen sei.

Da die Immobiliengesellschaften die Wertermittlungen in den meisten Fällen von unabhängigen Bewertern durchführen lassen, kann die Transparenz dieser Bewertungen immer nur so hoch sein wie die Ausführungen in den Drittgutachten selbst. Die verwendeten Drittgutachten werden aber häufig nur zu bestimmten Anlässen - beispielsweise für die Bilanz oder im Zusammenhang mit der Finanzierung - erstellt. Nur selten werden sie für Zwecke der internen wertorientierten Portfoliosteuerung und des Reportings der Gesellschaften verwendet.

Für die Portfoliosteuerung erstellen die Gesellschaften daher häufig zusätzliche interne Berechnungen, um die Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen ermitteln zu können, weitere Analysen anzustoßen oder um die Objekte zu identifizieren, die nicht mehr in das eigene Portfolio und zur Investitionsstrategie passen. Kurzum, obgleich die Gesellschaften sich für das Outsourcing der Immobilienbewertungen entschieden haben, befassen sie sich ebenfalls sehr intensiv mit der Werthaltigkeit ihrer Immobilienbestände.

Nutzung der internen Erfahrungen und Ressourcen

Ein oft übersehener Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass die Gesellschaften ihr Portfolio in der Regel besser kennen als Externe. Denn sie haben über Jahre Detailwissen über den Bestand, beispielsweise zur Mietpreisbindung bei geförderten Beständen, zur Ausstattung der einzelnen Mietwohnungen, aber auch zur Mieterzufriedenheit und zur Beliebtheit einzelner Gebäude bei Mietern, gesammelt. In der Praxis ist es nahezu unmöglich, dieses auf unterschiedliche Personen und Bereiche des Unternehmens verteilte Wissen umfassend an externe Sachverständige weiterzugeben, da es keine geeigneten Schnittstellen für diese Informationen gibt.

Für dieses Dilemma gibt es grundsätzlich zwei Lösungsansätze: Entweder werden die unabhängigen Gutachter mit einer höheren Transparenz in den Gutachten beauftragt (Buy-Lösung) und die dafür benötigten Schnittstellen werden mit der Portfoliosteuerung und vorhandenen Portfoliomanagementsystemen erarbeitet oder aber man verlagert die Bewertung komplett ins eigene Haus (Make-Lösung). Unterstützung des

Portfoliomanagements

Bei einer Make-Lösung können die Gesellschaften zum einen selbst steuern, in welcher Detailtiefe die Werte und die Bewertungsannahmen ermittelt und dann im weiteren Verlauf veröffentlicht werden sollen. Zum anderen können die Bewertungen als Ausgangsbasis für die Portfoliosteuerung dienen. Dazu werden sie um weitere Bausteine ergänzt, mit denen dann eine wertorientierte Steuerung möglich ist. Dies bedeutet eine wertvolle Unterstützung des Portfoliomanagements. Denn durch Simulationen über die Entwicklung verschiedener Parameter des Portfolios können die Auswirkungen unterschiedlicher Szenarios auf die Wertentwicklung des Portfolios analysiert werden.

Gegenstand derartiger Simulationen und Szenarioanalysen könnten beispielsweise die wirtschaftlichen Auswirkungen von Modernisierungsmaßnahmen und von damit gegebenenfalls verbundenen Mieterhöhungen oder auch von energetischen Sanierungsmaßnahmen sein. Eine solche Möglichkeit versetzt das Unternehmen in die Lage, wichtige Entscheidungen im Rahmen der Portfoliosteuerung ohne Einbindung Dritter und ohne aufwendige Nebenrechnungen zeitnah zu treffen und Handlungsbedarf rechtzeitig zu erkennen.

Gewährleistung der Unabhängigkeit

Eine berechtigte Frage, die in diesem Zusammenhang vor allem von Investorenseite schon häufig thematisiert worden ist, ist die nach der Unabhängigkeit der jeweiligen Wertermittlungsergebnisse. Wie kann diese Unabhängigkeit gewährleistet werden? Entscheidet sich das Immobilienunternehmen für eine Bewertung im eigenen Haus, so ist dafür zunächst ein geeignetes Bewertungsmodell auszuwählen oder zu programmieren. Dazu bedarf es eines bestimmten Fachwissens, das - sofern nicht im eigenen Haus vorhanden - eingekauft werden muss.

Doch bevor es an die eigentliche Wahl der Bewertungsmethodik und die Programmierung eines Bewertungsmodells geht, muss zunächst analysiert werden, welche Informationen für die Bewertung zur Verfügung stehen. Neben dem Mengengerüst der Immobilien selbst sind dies beispielsweise Analysen des Bestands (Fluktuation, Leerstand, Schönheitsreparaturen bei Mieterwechsel), Marktinformationen, Wirtschaftsdaten und vieles mehr. All diese Daten haben eines gemeinsam: Sie sollen in irgendeiner Form in die spätere Wertermittlung einfließen.

Viele Möglichkeiten im DCF-Verfahren

Erst wenn man weiß, welche Informationen der Wertermittlung zugrunde gelegt werden können, und den Bestand genau kennt, kann man das am besten geeignete Bewertungsverfahren auswählen. Im Regelfall bildet bei großen Wohnimmobilienbeständen das Discoun-ted-Cash-Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) eine sinnvolle Grundlage, da hier die speziellen Besonderheiten des jeweiligen Portfolios sehr transparent und übersichtlich dargestellt werden können.

Da das DCF-Verfahren nicht normiert ist, stehen den Anwendern dieses Verfahrens zahlreiche Ausgestaltungsmöglichkeiten offen. Die Kunst besteht darin, einen guten Ausgleich zwischen Transparenz und Effizienz zu erreichen. Denn einerseits ist das DCF-Verfahren so auszugestalten, dass die Transparenz gewahrt ist und die Wertermittlung so genau wie möglich durchgeführt werden kann. Andererseits muss die Methodik jedoch besonders effizient gestaltet sein, da die Wertermittlungen sonst aufgrund der Vielzahl der zu betrachtenden Objekte einen zu langen Zeitraum in Anspruch nehmen und nicht zu hinreichend schnell verwertbaren Ergebnissen führen.

Eine weitere wesentliche Anforderung ist die Aussagekraft im Detail. So sollte nicht nur der Portfoliowert insgesamt stimmen, sondern auch eine möglichst realistische Abbildung der Werte der Einzelobjekte erreicht werden, da der Einsatz des Bewertungsmodells in der Portfoliosteuerung andernfalls scheitern würde. Damit wird deutlich, dass nicht die Immobilienbewertung selbst die eigentliche Herausforderung darstellt, sondern vielmehr die Erstellung und Programmierung eines methodisch nachvollziehbaren Modells, das eine schnelle und genaue Bewertung des Bestands ermöglicht und auf das gegebenenfalls weitere Bausteine für die Steuerung des Portfolios aufgesetzt werden können.

Alles andere ist dann Fleißarbeit - sei es der fehlerfreie Export der Daten in das Bewertungsmodell, die Ableitung der Wertparameter auf Basis einer intensiven Marktforschung und von Regressionsanalysen oder die Sicherstellung einer einheitlichen Vorgehensweise. Letztere kann beispielsweise durch das Aufstellen bestimmter Richtlinien für die Bewertung gewährleistet werden. Lässt man die Einhaltung dieser Richtlinien dann noch von einer dritten Partei überprüfen, sorgt dies für zusätzliche Sicherheit.

Glaubwürdigkeit gegenüber den Investoren

Wie lässt sich aber nach Bewertung des eigenen Bestands den Anlegern gegenüber glaubhaft machen, dass die Bewertung "stimmt"? Auch hierfür gibt es verschiedene Wege. So können Unternehmen die Bewertungsannahmen und -ergebnisse auf Einzelobjektbasis veröffentlichen und damit jedem Dritten die Möglichkeit geben, die Werte zu überprüfen. Diese Arbeit kann man den Anlegern aber auch abnehmen, indem man die Wertermittlungen auf Stichprobenbasis von unabhängigen Dritten, das heißt von externen Bewertungsspezialisten, nochmals analysieren lässt. Hieraus können sich wiederum sinnvolle Erkenntnisse für die eigene Wertermittlung und die zugrunde gelegten Annahmen ergeben. Nutznießer einer solchen Überprüfung der Bewertungsergebnisse ist auch das Portfoliomanagement, das auf eine unabhängige Quelle verweisen kann und dadurch auch in internen Diskussionen an Glaubwürdigkeit gewinnt.

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