Messeausgabe

Flächenrevitalisierung durch Wohnbebauung - Standorte und Konzepte

Kauflust hat das Land erfasst. Doch nicht für Autos, Schuhe oder Schmuck öffnen die Deutschen ihre Brieftasche, sondern für den Traum von den eigenen vier Wänden. Bedingt durch Euro-Krise, Inflationsangst und niedrige Baugeldzinsen ist Betongold gefragter denn je. Besonders beliebt ist dabei Wohnraum in Ballungsgebieten: Sieben von zehn Wohnungen oder Häusern werden laut einer aktuellen Wohneigentumsstudie von TNS Infratest im Auftrag des Bundesbauministeriums in Großstädten erworben.

Daher stehen auch bei den meisten Projektentwicklern die Städte Hamburg, Berlin und München, der Großraum Frankfurt am Main und die Rheinschiene mit Köln und Düsseldorf ganz oben auf der Wunschliste. Diese Märkte weisen eine wachsende Nachfrage auf und bieten ausreichend Kaufkraft für ein überdurchschnittliches Transaktionsvolumen. Entsprechend stieg der Wohnungsbau in den deutschen Metropolen allein 2011 um 14 Prozent. Darüber hinaus sind aber auch Mittelstädte mit perspektivischem Bevölkerungswachstum, guten Bildungsangeboten sowie einem gesunden Arbeitsmarkt für Wohnentwickler interessant.

Vor allem zwei Fragen rücken dabei in den Mittelpunkt: Auf welchen Flächen kann der Nachfrage nach Wohnraum adäquat begegnet werden? Wie wird man dabei den veränderten Ansprüchen, Gewohnheiten und Bedürfnissen der Menschen an das Thema Wohnen gerecht? Neue Wohnwünsche, unterschiedliche innerstädtische Strukturen und stadtsoziologische Entwicklungen lassen diese Fragen nicht pauschal beantworten, Wohn- und Stadtquartiere nicht auf dem Reißbrett entwerfen.

Vielmehr gilt es, individuell in die Städte zu gehen und neue, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Denn zum einen ist Grund und Boden in Großstädten rar. Zum anderen muss das Bebauungskonzept zu den gewachsenen Strukturen einer Stadt sowie zum Standort insgesamt passen. In diesen Prozess der sich verändernden Anforderungen und gesellschaftlichen Bedürfnisse kann Projektentwicklung ganz unterschiedlich eingreifen: mit Refurbishment-Aktivitäten, einer innerstädtischen Verdichtung, der Entwicklung von Wohnquartieren, der Umsetzung von Großprojekten als Beitrag zur Neuordnung bestehender Stadtquartiere oder gar mit der Entwicklung von Quartieren selbst.

Innerstädtische Verdichtung

Gerade in gewachsenen, etablierten Stadtteilen sind Flächenrevitalisierungen durch eine Wohnbebauung nur begrenzt möglich. Hier ist daher eine gezielte Suche nach qualitativ hochwertigen Gelegenheiten der Verdichtung erforderlich. Gleichzeitig herrscht auf diesem Gebiet ein hoher Wettbewerb, da neben national tätigen Projektentwicklern auch lokale Mittelständler aktiv sind. Tendenziell lassen sich eher nur kleinere Projekte realisieren, die über einen einheitlichen Vertriebsweg als Eigentumswohnungen an private Kapitalanleger oder Selbstnutzer veräußert werden.

Die notwendige Basis ist ein verlässliches Baurecht, entweder nach klarem B-Plan oder nach § 34 des Baugesetzbuchs. Die Verdichtung selbst erfolgt entweder über die Schließung von Baulücken oder über die Bebauung von Innenhöfen. Letzteres ist dann denkbar, wenn die Baumasse das Gesamtgefüge nicht erschlägt und der Einblick der umliegenden Nachbarn in den Innenhof durch die gezielte Platzierung der Freisitze bzw. die Umsetzung von Grün- und Lichtkonzepten geschützt werden kann. Werden dann in räumlich beengten Verhältnissen innerstädtischer Quartiere noch ausreichend PKW-Stellplätze geschaffen, stellt insbesondere die Verdichtung mittels Innenhofbebauung eine ideale Kombination aus ruhigem und zentralem Wohnen dar.

Trotz steigender Tendenz, Leben und Arbeiten miteinander zu verbinden, ist die Entwicklung reiner Wohnviertel in der Stadtplanung nicht passé. Denn auch wenn viele Stadtteile großer Metropolen ihren stadtsoziologischen Wertewandel bereits vollzogen haben oder historisch als attraktive Wohnviertel gewachsen sind, ergeben sich auch hier Potenziale für eine Flächenrevitalisierung. Dies betrifft vor allem Großflächen, die zuvor für Gewerbe oder als Parkplätze genutzt wurden. Hierbei kann der Fokus auf eine ausschließliche Wohnnutzung gelegt werden, da die durch Infrastruktur und Nahversorgung geprägte Standortqualität bereits vorhanden ist.

In der Regel sind auch hier bauordnungsrechtliche Änderungen unumgänglich. Meist geht die Erstellung neuer Bebauungspläne beziehungsweise die Schaffung von Baurecht auf die Initiative der Entwickler zurück. Sie benötigen dafür eine hohe Sensibilität, da durch das bereits gut funktionierende Umfeld ein Beziehungsgeflecht besteht. Abhängig von der Größe der Entwicklung sind unterschiedliche Zielgruppen- und Nutzerorientierungen zu erwägen. Ein Mix aus Eigentums- und Mietwohnungen ist jedoch nicht immer automatisch angebracht.

Großprojekte als Beitrag zur Neuordnung

Stadtquartiere befinden sich in stetiger Bewegung. Hier können Großprojekte einen wichtigen Beitrag zu einer zielgerichteten Neuordnung und Weiterentwicklung leisten. Für Projektentwickler kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, die Möglichkeiten frühzeitig zu erkennen und daraus eigene Projekte zu realisieren. Dafür ist eine hohe Standortexpertise gefragt. Oftmals finden Neuordnungsprozesse in Quartieren in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt statt, die historisch sowohl durch Wohnen, als auch Gewerbe, in großen Teilen sogar durch Produktionsstätten geprägt sind.

In solchen Quartieren entstehen über die Zeit vielerorts Brachen, da gewerbliche Betriebe ihre innenstadtnahen Standorte aufgrund von Flächenengpässen aufgeben. Diese Areale können unter Beachtung besonderer Bezüge neu entwickelt werden. Auch hier ist eine enge Zusammenarbeit mit der Kommune unerlässlich, da bauordnungsrechtliche Neuausrichtungen nötig sind oder infrastrukturelle Verbesserungen erbracht werden müssen. Solche großflächigen Projekte beinhalten im Interesse einer generationsübergreifenden, vitalen Gesamtentwicklung neben Miet- und Eigentumswohnungen oftmals auch Einfamilien- oder familiengerechte Stadthäuser. Nur so lassen sich unterschiedliche Zielgruppen zusammenführen und Monotonie vermeiden. Diese Durchmischung der Einwohner sorgt über eine lange Zeitachse hinweg für eine hohe Wertstabilität. Sie ist vor allem dann wichtig, wenn zur gezielten Risikominimierung der Entwicklung ein Stückvertrieb beziehungsweise ein Verkauf an institutionelle Anleger erfolgt.

Städte bieten mit ihrer inneren Weiterentwicklung Raum für neue Stadtquartiere. Gemeinsamer Nenner dabei ist eine nicht wohntypische Vornutzung der entsprechenden Flächen, wie beispielsweise Industrie-, Bahnhofs- und Hafenanlagen oder gar ehemalige Krankenhaus- und Gefängnisareale. Dies macht eine grundlegende, baurechtliche Neuordnung nötig. Hieraus resultiert eine intensive kommunalpolitische Zusammenarbeit, da zum einen die Problematik Wohnraum-Wunsch versus Gewerbesteuereinnahmen aufgelöst werden muss und zum anderen Baurecht und Erschließungsgenehmigung immer mit öffentlich rechtlichen Verträgen zur Schaffung der quartierbezogenen Infrastruktur einhergehen. Die Aufbereitung dieser Areale ist oft mit der Beseitigung von Altlasten verbunden. Um eine hohe Akzeptanz des neuen Quartiers zu garantieren, müssen Öffentlichkeit und Nachbarn frühzeitig in die Planungen einbezogen werden und eine aktive Beteiligung muss möglich sein. Solche Maßnahmen sind kosten- und zeitintensiv, sodass Quartierentwicklungen umfängliche Kapazitäten des Entwicklers im Hinblick auf Know-how, Finanzierung und Ressourcen erfordern. Hier kann eine Aufteilung des Areals in Baufelder und deren Verkauf an Dritte helfen, Komplexität und Entwicklungsrisiken zu reduzieren.

Die Qualität eines Stadtquartiers wird durch das Zusammenspiel unterschiedlichster Nutzungsarten wie Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung sowie Freizeit-, Bildungs- und Kinderbetreuungsangebot bestimmt. Ziel dabei muss sein, ein offenes Quartier zu schaffen und keinen abgeschlossenen Ort, der die Bewohner von der Stadt, in der sie leben, trennt und Menschen aus den umliegenden Stadtteilen fernhält. Das gesamte Umfeld muss von dem Nutzungsmix spürbar und nachhaltig profitieren können. Die Angebote sollen sich ergänzen und nicht gegenseitig behindern. Dies macht eine breite Expertise des Entwicklers und hohe Affinitäten zu den späteren Nutzern erforderlich.

Refurbishment

Last but not least sind Refurbishments von leer stehenden Büro- und Gewerbeimmobilien bei gleichzeitiger Umwidmung eine weitere Chance, Wohnraum zu schaffen. Oftmals besteht darin die letzte Chance, einen nachhaltigen Immobilienwert zu realisieren. Gleichzeitig wird eine solche Änderung häufig von Kommunen explizit gewünscht, da neuer Wohnraum zum einen sehr flächenressourcenschonend geschaffen werden kann. Zum anderen tragen Umwidmungen dazu bei, Stadtteilen eine Belebung durch neue Nutzungsmischungen zu ermöglichen. Doch nicht jedes Gebäude ist dafür geeignet.

Vor der eigentlichen Entscheidung ist eine umfangreiche Due Diligence notwendig. Denn neben der von außen eher leicht zu beurteilenden Eignung des Standorts ist auch die bauliche Umsetzbarkeit von zentraler Bedeutung. Schließlich müssen Gebäudetiefen, Deckenhöhen und Erschließungskerne zu einer Wohnnutzung passen. Die Umnutzung muss baurechtlich eingebettet sein, denkmalschutzrechtliche Kriterien überprüft werden und das Kostenrisiko überschaubar sein. Erst wenn all dies inklusive einer entsprechenden Genehmigungsfähigkeit gegeben ist, lohnt sich das Unterfangen. Grundsätzlich dürfte dem Refurbishment wegen sich kontinuierlich ändernder Rahmenbedingungen auf dem Immobilienmarkt aber eine steigende Bedeutung in vielen Städten zukommen, um dort den Wohnraummangel zu lindern.

"In Zukunft denken"

Unabhängig für welche Art und Weise der Flächenrevitalisierung sich Projektentwickler entscheiden, stehen sie vor der Herausforderung, neben den Aspekten Nutzungsvielfalt, Lebensqualität und Sicherheit auch das nachhaltige Bauen und Betreiben ihrer Projekte zu gewährleisten. Hierbei gilt es, Ressourceneinsatz, Energieverbrauch, Emissionen aber auch die Flächenversiegelung zu reduzieren.

Bei Stadtquartieren kommen noch Kriterien wie die Kombination verschiedener Nutzungen und ihre Flexibilität, Freiflächenangebote, Effizienz von IT- und Kommunikationsinfrastruktur sowie die Integration hinzu. Darüber hinaus müssen Projektentwickler heute das Know-how besitzen, eine dezidierte Auswahl der am besten zum Standort passenden Primärenergieversorgung vorzunehmen. Daher gilt es standortabhängig zu entscheiden, ob Fernwärme, ein Blockheizkraftwerk, Geothermie, Solarenergie, Pellets oder gar Mischformen langfristig die effektivste Versorgungsform sind.

"In Zukunft denken" heißt aber auch, Projekte und Quartiere bereits in der Konzeptions- und Planungsphase im gesamten Lebenszyklus vorzudenken und dafür Sorge zu tragen, dass beispiels weise Nutzerfluktuation nicht zu einem Attraktivitäts- oder Wertverfall führt. Entsprechend müssen Grundrisse so geplant werden, dass der Wohnraum über eine lange Phase und ohne Barrieren bewohnbar ist. Die Architektur muss anspruchsvoll, aber zeitlos sein, und darf die Funktionalität des Wohnens nicht beeinträchtigen. Individuelle Wünsche verwirklichen zu können, darf nicht außer Acht gelassen werden. Dieser erfolgreiche Spagat ist nicht umsonst die Königsdisziplin in der Wohnungsentwicklung.

Vor diesem Hintergrund muss Projektentwicklung bei der innerstädtischen Flächenrevitalisierung in Zukunft noch stärker vernetzt denken, muss die Aktivitäten, die unser Alltagsleben bestimmen, intensiver miteinander verbinden. Dies wird umso einfacher, je mehr Raum Städte und Kommunen geben, nicht mehr nur einzelne Projekte zu entwickeln, sondern ganze Quartiere, in denen neben dem Wohnen auch andere Aktivitäten stattfinden können. Denn genau an diesem Punkt wird Projektentwicklung endgültig zur Stadtentwicklung.

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