Schwerpunkt: Pfandbriefe und Pfandbriefbanken 2012

"Der Inhalt muss dem Qualitätsversprechen entsprechen"

I&F Seit nunmehr fünf Jahren steht die Finanzwirtschaft im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Von den Kreditinstituten hört man sehr viel und leider meistens nichts Gutes. Eine schärfere Regulierung ist die Folge. Wie wirkt sich das auf die Versicherungsunternehmen aus, die zum Beispiel als Hauptabnehmer für Pfandbriefe eng mit dem Bankensektor verbunden sind?

Traditionell gehören Pfandbriefe als risikoarme Investments zu den wichtigsten Kapitalanlagen der Versicherer. Allerdings lassen sich damit nicht mehr die Renditen erwirtschaften, die zur Erfüllung des Garantiezinses bei Kapitallebensversicherungen notwendig sind. Dass dieser jetzt auf 1,75 Prozent gesenkt wurde, interpretiert zwar das aktuelle Zinsniveau, doch erwarten die Kunden bei Kapitallebensversicherungen durchschnittlich etwa vier Prozent.

Diese Rendite ließ sich in der Vergangenheit mit Covered Bonds problemlos darstellen. Vor allem deutsche Pfandbriefe boten einen sehr hohen Standard. Es gab sie in jeder gewünschten Form, mit hoher Liquidität, exzellenter Bonität, gut diversifizierten Deckungsmassen und langen Laufzeiten. Damit passten die Papiere sehr gut in die Bilanz eines Versicherungsunternehmens.

I&F Heißt das, die Standards sind gesunken?

Pfandbrief ist ein Gütesiegel. Aber es muss auch sichergestellt sein, dass der Inhalt dem Qualitätsversprechen entspricht. Diesbezüglich hat es in der Vergangenheit zwei Verunsicherungen gegeben: Die erste ist die internationale Verbreitung der Covered-Bond-Idee. Daran haben die Pfandbriefbanken kräftig mitgewirkt, um neue Absatzmärkte zu erschließen. Es wurden jedoch nicht die einst hohen Standards deutscher Pfandbriefe durchgesetzt, sondern - ob bewusst oder unbewusst - eine qualitative Spreizung des Covered-Bond-Segments zugelassen.

Die zweite Verunsicherung stellt die Erweiterung der Sicherheiten dar. Warum ist der Öffentliche Pfandbrief heute ein Thema? Weil man ständig neue Kapitalmarktgeschäfte für deckungsfähig erklärt hat und bedenkenlos von einer Konvergenz der Eurozone ausgegangen ist. So kamen mit der Zeit immer neue Risiken in die Deckungsstöcke. Dabei ist zu bedenken, dass sich die Pfandbriefinvestitionen der Versicherungsunternehmen auf mehrere Milliarden Euro belaufen. Entsprechend summieren sich auch Markt- und Länderrisiken, die im Deckungspool vielleicht nur einen kleinen Anteil haben, im Anlageportfolio der Versicherer auf nennenswerte Beträge. Pfandbriefe sind unser "Brot und Butter"-Geschäft, aber es müssen auch "Brot und Butter" drin sein. Der Pfandbrief suggeriert einen hohen Standard, der jedoch nicht mehr gegeben ist. Heute ist mit erheblichem Aufwand wie bei einer CMBS die Dokumentation zu prüfen. Bevor man heute einen Covered Bond erwirbt, muss als erstes der Emittent und dann der Deckungsstock analysiert werden.

I&F Nun erklärt der Verband deutscher Pfandbriefbanken, dass er die Pfandbriefqualität doch kontinuierlich verbessere, mehr Transparenz schaffe und eine höhere Insolvenzfestigkeit der Deckungsmassen sicherstelle. Ist dem doch nicht so?

Hier wird der Saulus zum Paulus. Der Pfandbriefverband hat zehn Jahre lang versucht, den Pfandbrief zu liberalisieren. Es wurde nicht versucht, den Pfandbriefstandard hochzuhalten. Vor 1998 wurde kaum analysiert, welche Deckungswerte hinter einem Pfandbrief stehen. Ein Pfandbrief war ein Pfandbrief.

Nachdem der Pfandbrief sehr stark liberalisiert wurde, muss heute genau geprüft werden, was im Deckungsstock enthalten ist. Es wurden Schiffe pfandbrieffähig, neuerdings sogar Flugzeuge. Jeder Investor muss sich fragen, ob er die Ausweitung der Sicherheiten mitmachen möchte, also auch seine eigenen Anforderungen liberalisiert. Die Antworten hängen davon ab, welche Innovationsprämien dafür geboten und welche neuen Risiken eingegangen werden. Weiterhin gefragt sind jedenfalls die "unbedenklichen", mit inländischen, breit gestreuten und hochgranularen Immobilienfinanzierungen besicherten Pfandbriefe. Doch die sind selten geworden und deshalb sehr teuer.

I&F Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die starke Abnahme der Neuemissionen und des Umlauf von Jumbo-Pfandbriefen?

Darin sehen wir eine Rückkehr zu "alten Tugenden". Die Entwicklung des Jumbo-Segments Mitte der neunziger Jahre war richtig. Allerdings kam es in der Folgezeit zu einigen Übertreibungen. Beispielsweise sah der Standard ursprünglich ein Mindestvolumen von einer Milliarde D-Mark vor. Dann wurde diese Größe verdoppelt auf eine Milliarde Euro. In der Folgezeit kamen sogar Pfandbriefe von mehreren Milliarden Euro auf den Markt. Heute sind Jumbo-Pfandbriefe selten. Deutsche Banken bevorzugen inzwischen Bench-mark-Emissionen mit einem Volumen von bis zu 500 Millionen Euro - also im Prinzip den alten Jumbo-Standard.

I&F Ein Blick auf die Spreads, mit denen diese Pfandbriefe vermarktet werden, zeigt allerdings, dass die Nachfrage trotzdem sehr groß ist. Zudem sind die Orderbücher mehrfach überzeichnet. Wie passt das mit Ihrer Kritik zusammen?

Das ist der momentanen Marktlage geschuldet, in der sehr viel Liquidität auf der Suche nach Anlagen ist. Nehmen wir ein Beispiel: Polen ist mit einer Anleihe auf den Markt gekommen, die innerhalb von zwei Stunden sechsfach überzeichnet war. Das angebotene Volumen wurde daraufhin verdreifacht. Das zeigt, dass alles, was im Moment als kaufbar eingestuft wird, vom Markt regelrecht aufgesogen wird. Pfandbriefe gehören dazu.

I&F Sind die Pfandbriefe zu teuer?

Hypothekenpfandbriefe sind sehr nahe an den Bundesanleihen bepreist, die wiederum derzeit viel zu teuer sind. Denn aus den deutschen Fundamentaldaten, also den Wachstums- und Inflationsperspektiven und dem euroländischen Zinsniveau et cetera lässt sich dieser Preis nicht herleiten. Vielmehr ist er Ausdruck der Kapitalflucht nach Deutschland. Folglich sind auch die Renditen für Pfandbriefe nicht auskömmlich. Versicherungsunternehmen wollen ihr angelegtes Geld nach einer bestimmten Zeit zurückbekommen und für die Zeit der Ausleihung eine angemessene Vergütung erhalten - also "Return on the Money" statt "Return of the Money". Dafür sind 1,75 Prozent, wie sie Pfandbriefe derzeit bieten, zu wenig.

I&F Aber welche Alternative gibt es?

Der Pfandbrief ist grundsätzlich ein gutes Produkt. Doch erleben wir derzeit, dass nach Möglichkeit jede Finanzierung in den Pfandbrief gepackt wird. Dabei haben wir keine Berührungsängste mit CMBS, CDO oder Public Private Partnerships. Nur sollten die Dinge beim Namen genannt, eine entsprechende Dokumentation geliefert und eine risikoadäquate Rendite geboten werden.

Immer öfter weichen Investoren auf ausländische Covered Bonds aus. Wobei auch hier das Problem besteht, dass die guten Papiere zu teuer und die gut rentierlichen zu intransparent sind. Beispielsweise sind die Covered-Bond-Gesetze in Australien und Neuseeland zu liberal gehalten.

I&F Können sie auf Unternehmensanleihen ausweichen?

Zumindest deutsche Unternehmensanleihen können den Pfandbrief nicht ersetzen. Zum einen werden auch bei ungedeckten Papieren renommierter Firmen die Risiken nicht angemessen bepreist, obwohl sie höher als bei Pfandbriefen sind. Zum anderen passen die Laufzeiten von fünf bis sieben Jahren nur bedingt zum langfristigen Anlagehorizont der Versicherungen.

I&F Welche Auswirkungen wird Solvency II auf die Pfandbriefanlagen der Versicherungen haben?

Bei der Gothaer wird Solvency II bereits approximiert. Sowohl bei Pfandbriefen als auch bei Staatsanleihen findet eine Bonitätsdifferenzierung zwischen den Emittenten statt, aus der eine entsprechende Eigenkapitalunterlegung folgt, obwohl das von den Regulierern bei EU-Staaten nicht gefordert wird. Somit unterlegen wir Pfandbriefe mit der gleichen Metrik wie Euroland-Staatsanleihen.

I&F Gibt Solvency II mit der Nullgewichtung von Staatsanleihen vor dem Hintergrund der griechischen Tragödie die falschen Anreize?

Solvency II wurde auf den Weg gebracht, als von einer europäischen Schuldenkrise noch keine Rede war. Daher darf die neue Regulierung nicht als Reaktion auf die Entwicklungen in Griechenland, Spanien, Irland, Italien oder Portugal gesehen werden, aber sie kommt wahrscheinlich auch nicht ungelegen. Selbstverständlich steuert ein Souverän im Sinne einer Financial Repression mit der Regulierung von einzelnen Wirtschaftsbereichen das Verhalten der Unternehmen.

Daher gehen wir auch von einem Fortbestand der Eurozone aus, obwohl sich ihre Form möglicherweise verändern wird. Politisch werden nun die Maßnahmen ergriffen, die lange herbeigesehnt und bislang versäumt wurden. Jetzt ist der Druck sehr groß und der Kapitalmarkt ungeduldig, aber die unternommenen Schritte sind richtig. An der Eurozone wurde immer kritisiert, dass die Arbeitsmobilität für eine funktionierende Währungsunion zu gering ist. Jetzt erleben wir, wie junge Europäer intensiv Fremdsprachen lernen, um in anderen europäischen Ländern arbeiten zu können. Das ist die Flexibilität, die mit der Idee Europas immer verbunden wurde.

I&F Wie wichtig ist den Investoren das Triple-A bei Pfandbriefen?

Unter Solvency II ist das Triple-A eine wichtige Komponente, aber letztlich kommt es auf die richtige Mischung von Bonitäten, Laufzeiten, Renditen, Emittenten und Deckungswerten im Covered-Bond-Portfolio an. Das Rating allein ist nicht ausschlaggebend.

Im Verlauf der Krise ist das Senior-Unse-cured-Rating der Banken immer weiter erodiert, also teurer geworden. Um sich zumindest im pfandbrieffähigen Bereich weiterhin günstig refinanzieren zu können, versuchen sie durch immer höhere Überdeckungen, das Pfandbrief-Rating so hoch wie möglich zu halten. Irgendwann werden die Banken diese Strategie aufgeben müssen, weil sie zu teuer wird. Ohnehin wird die Struktur eines Pfandbriefs durch ein paar Prozent zusätzliche Überdeckung nur geringfügig verbessert.

I&F Wie bewerten Sie im Zusammenhang mit den Covered Bonds das Krisenmanagement der Europäischen Zentralbank (EZB)?

In der Rückschau haben die geldpolitischen Maßnahmen der EZB sicherlich einigen Druck von den Banken genommen. Allerdings hatte das seinen Preis. Denn die immense Liquidität im Markt sucht nun dringend sichere Anlagen. Dies erklärt, warum sich der Bund inzwischen faktisch zinslos Geld leihen kann und die Pfandbrief-Spreads weiter sinken. Nutznießer war vor allem Deutschland, während beispielsweise Spanien und seine Banken weiter in die Bredouille gerieten.

I&F Ist die Übergewichtung von Rentenpapieren im Anlageportfolio der Versicherungen heute ein Problem?

In ihren Kapitalanlagen passen sich die Versicherer im Rahmen der gesetzlichen Regeln dem Markt an. Beides ändert sich im Laufe der Zeit. Richtig ist, dass Fixed-Income-Investitionen schon immer dominierten, aber es gab auch Zeiten, in denen einige Versicherer zwischen 20 und 30 Prozent Aktienquote aufwiesen. Bei der Gothaer Asset Management entfallen derzeit 85 Prozent der Investitionen im Konzern auf Rentenpapiere. Das ist einerseits die Folge der regulatorischen Vorgaben, die europäische Staatsanleihen klar begünstigen, andererseits aber auch den sehr langfristigen Verbindlichkeiten geschuldet, denen bilanziell ein Anlagevermögen mit kongruenten Laufzeiten gegenüberstehen muss.

I&F Wie soll sich die Immobilienquote der Gothaer Asset Management entwickeln?

Innerhalb der kommenden drei Jahre wird ein erheblicher Teil unserer Immobilienanlagen ausgezahlt. Würde das zurückfließende Geld nicht wieder in Immobilien angelegt, fiele die Immobilienquote auf etwa 5,5 Prozent. Um die zehn Prozent von heute zu halten, muss also wieder kräftig investiert werden.

I&F Wenn die Versicherungswirtschaft bei ihren Anlageentscheidungen in erster Linie auf den Emittenten abstellt, warum werden dann immer noch Pfandbriefe erworben statt Senior-unsecured-Anleihen?

Banken können immer noch Covered Bonds begeben und auch absetzen - vor allem mit mittleren Laufzeiten von fünf bis sieben Jahren. Dagegen werden Kredite mit Laufzeiten über fünf Jahren für Banken zu teuer. Hier könnten tatsächlich Versicherungen ins Spiel kommen. Für Banken ist es aus Gründen der Eigenkapitalbindung günstig, Immobilienfinanzierungen mit kürzeren Laufzeiten herauszulegen, während es für Versicherungen von Vorteil ist, wenn sie längerfristige Hypothekenkredite abschließen. Eine Finanzierung könnte daher so gestaltet sein, dass die Bank die Immobilienfinanzierung akquiriert und die Assekuranz den Kredit zum Beispiel nach fünf Jahren übernimmt. Dieses Modell am Markt durchzusetzen, ist jedoch derzeit schwierig. Wir haben solche Transaktionen schon vereinzelt durchgeführt, aber einen richtigen Markt gibt es dafür bislang nicht.

I&F Wer will das "Produkt" (noch) nicht?

Seitens der Versicherungswirtschaft ist das Interesse groß und sie hat auch das Know-how dafür. Aber die Banken sind sehr preisbewusst. Somit ist vieles von der Struktur und von den Sicherheiten interessant und auch darstellbar, liefert aber aus Sicht der Assekuranz noch nicht die nötigen Renditen. So ist es noch ein Spiel auf Zeit: Die Banken müssen ihre Bilanzen bereinigen, um ihre Kapitalbasis zu stärken, gleichzeitig haben die Versicherungen Anlagedruck und müssen ihre Liquidität mit der geforderten Rendite möglichst langfristig investieren. Wir erwarten aber, dass in den nächsten Jahren Bewegung in den Markt kommt, weil verbriefte Kredite, die vor 2008 vergeben wurden, in erheblichem Umfang fällig werden.

I&F Unterbietet die Assekuranz dabei teilweise die Banken?

Versicherer rechnen die Risiken auch nicht anders als Banken. Im pfandbrieffähigen Bereich mit den Banken zu konkurrieren ist schwer. Warum und vor allem wie sollte die Assekuranz den aktuellen Hypothekenzins unterbieten? Viel interessanter sind aus Sicht der Versicherungsunternehmen die über 60 Prozent hinausgehenden Beleihungsausläufe, die von den Banken faktisch nicht mehr angeboten werden. Gleichzeitig sind nur wenige Investoren in der Lage und bereit, mehr als 15 bis 25 Prozent Eigenkapital einzubringen. Folglich ist der Abschnitt zwischen 55 und 85 Prozent, der auch als Mezzanine bezeichnet wird, ein Bereich, in dem die Assekuranz aktiv werden und bei überschaubarem Risiko attraktive Renditen erzielen kann.

Grundsätzlich wären die Versicherungen die richtigen Partner, denn sie suchen lange Laufzeiten, solide Sicherheiten, Diversifizierung und höhere Renditen. All das könnten Mezzanine-Finanzierungen bieten. Aber noch wird das höhere Risiko nicht entsprechend bepreist.

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