Leitartikel

Zinswende

Baugeld wird teurer. Zugegeben braucht es für diese Prognose wenig prophetische Gaben, denn noch immer liegen die aktuellen Hypothekenzinsen unterhalb des langjährigen Durchschnitts. Nachdem Hypothekenzinsen Anfang September 2010 mit knapp 2,5 Prozent auf das bisher niedrigste Niveau fielen, war ein Wiederanstieg ohnehin wahrscheinlich. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Zinsen innerhalb von nur dreieinhalb Monaten um mehr als 100 Basispunkte nach oben sprangen. Der Grund für die Turbulenzen und die sich abzeichnende Zinswende ist die Schuldenkrise. Bis Ende August 2010 waren die Rentenmärkte die bei Investoren bevorzugte Sammelstelle von Kapital. Das änderte sich mit Ausbruch der von Griechenland ausgehenden Euro-Krise. Massenweise suchten die Anleger sichere "Häfen", allen voran deutsche und US-amerikanische Staatsanleihen. 1,81 Prozent Rendite für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit markierten Ende August 2010 einen Rekordtiefstand. Parallel dazu dümpelten die Aktienmärkte müde vor sich hin. So oszillierte der Deutsche Aktienindex (Dax) mehrere Monate um die Marke von 5 900 Punkten.

Erst mit der Irlandkrise änderte sich die Sicht der Investoren. War die Griechenlandkrise von den politischen Führern Europas noch als Ausnahmefall deklariert worden, stellte sich mit Irland die Frage, ob nicht noch weitere Euro-Länder in extreme Schieflage zu geraten drohen. Portugal, Spanien und Italien wurden immer wieder als nächstmögliche Kandidaten für den europäischen Rettungsschirm gehandelt. Der Vertrauensverlust in die Bonität der sogenannten PIIGS-Staaten ließ allerdings nicht nur deren Finanzierung teurer werden, sondern bewirkte seit September 2010 auch, dass die Renditen für deutsche Staatsanleihen stiegen. Zwar weit weniger stark als bei den PIIGS-Staaten, so aber doch immerhin um 0,8 Prozentpunkte. Mit anderen Worten: Es wollten mehr Investoren Bundesanleihen verkaufen als es Käufer gab. Stattdessen drängt es die Anleger wieder stärker in die Aktienmärkte. Allein der Dax kletterte innerhalb von nur drei Monaten auf über 7 000 Punkte und schließt damit das Jahr mit einer Performance von beachtlichen 18 Prozent ab.

Diese Entwicklung dürfte anhalten, wenn größere Euro-Staaten wie Spanien oder Italien wanken. Die Last der Stabilisierung des Eurosystems müsste dann eine kleine Gruppe bonitätsstarker Staaten schultern - allen voran Deutschland. Dass sich dadurch auch die Finanzierungskosten der Bundesrepublik erhöhen, wäre per se noch kein gravierendes Problem. Bedenklicher ist, dass wieder einmal die falschen Anreize gesetzt werden. Staaten, die miserabel haushalten und notwendige Reformen aufschieben, werden durch den Euro-Rettungsschirm erneut mit Finanzierungskonditionen beglückt, die nicht ihrer Bonität entsprechen. Denn die gemeinsam geschaffene Zweckgesellschaft soll Anleihen mit AAA-Note emittieren. Doch wer sollte dieses Rating rechtfertigen? Wohl kaum Portugal, Irland, Italien, Spanien oder Griechenland. Mit dem Rettungsschirm kapern diese Länder die Bonität Deutschlands, das im zurückliegenden Jahrzehnt nicht von sozialen Einschnitten zurückschreckte. Deutschland muss sich fragen, ob es diesen Preis für die gemeinsame Währung und für die europäische Einigung bezahlen will oder sogar muss, weil es wie kaum ein anderes Mitgliedsland vom einheitlichen europäischen Wirtschafts- und Währungsraum profitiert.

Derweil muss auch die Europäische Zentralbank (EZB) die Rentenmärkte stützen. Für rund 72 Milliarden Euro hat sie bislang Staatsanleihen im Sekundärmarkt aufgekauft. Zweifellos sind die Spreadausweitungen bei Anleihen der Peripheriestaaten seit Mai letzten Jahres gestoppt worden, doch jetzt kommen die Währungshüter aus der Nummer nicht mehr so leicht heraus. Sie müssen weiter kaufen. Aber dieses Portfolio belastet die Bilanz der EZB und zehrt an deren Eigenkapital. Dass sie mehr Geld braucht, hat sie schon Mitte Dezember 2010 angekündigt. Dabei kann der EZB-Rat laut Statut die Aufstockung des

Grundkapitals von aktuell 5,8 Milliarden Euro auf zehn Milliarden Euro ohne die Zustimmung der Regierungen der Euro-Länder beschließen. Erst wenn mehr Mittel benötigt werden, bedarf es eines gemeinsamen Beschlusses. Dass die Bundesregierung postwendend ihre Zustimmung signalisierte, dürfte wohl auch mit dem Kalkül verbunden sein, damit das vom Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker vorangetriebene Thema der Euro-Bonds elegant in den Papierkorb zu drücken.

Auch in den USA sucht man einen Ausweg aus der Staatsschuldenkrise. Während sich Europa harte Sparmaßnahmen verordnet und damit Einbußen beim Wachstum und bei der Beschäftigung in Kauf nimmt, setzen die Vereinigten Staaten vollends auf die Konjunkturstimulation durch gewaltige Ausgabenprogramme und Steuergeschenke. Die Folge: Zwischen 2007 und 2010 stieg die Staatsverschuldung der USA von 60 auf 100 Prozent des BIP. Auch die Federal Reserve lässt keinen Zweifel daran, dass sie so lange Geld druckt und in Umlauf bringt, bis die Inflation steigt. Die Hoffnung ist, dass ein Wirtschaftsaufschwung angeschoben wird, der sich quasi selbst finanziert. Doch gelten nach der Finanzmarktkrise noch die gleichen Transmissionskanäle wie ehedem? Investoren haben ihre Zweifel und zeigen diese mit Risikoaufschlägen für US-Staatsanleihen. So steigt die Umlaufrendite, die wiederum ein wichtiger Indikator für die Zinsentwicklung ist.

Für den sich gerade erst wieder belebenden deutschen Eigenheimmarkt sind das schlechte Nachrichten. Seit gut 15 Jahren sinkt die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen kontinuierlich, sodass auch die Preise in weiten Teilen des Landes stagnieren oder sogar fallen. Laut Bundesbank ging die Summe der an private Bauherren ausgereichten Hypothekendarlehen von Ende 2006 bis Mitte 2010 von 795 auf 788,7 Milliarden Euro zurück. Erst das Zinstief im dritten Quartal dieses Jahres ließ das Volumen wieder auf 792,9 Milliarden Euro steigen. Doch zuletzt sank die Kreditnachfrage nach Erkenntnissen des Finanzierungsvermittlers Dr. Klein wieder. Hatte der durchschnittliche Hypothekenkredit im September 2010 noch ein Volumen von 149 000 Euro, so waren es im Folgemonat 145 000 Euro. Für die Bausparkassen dürfte es dagegen die lange ersehnte Zinswende sein. Sensibilisieren doch steigende Hypothekenzinsen für den Kernnutzen des Bausparens: die Sicherung niedriger Darlehenszinsen für die Zukunft. L. H.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X