Kreditwesen international

EU-Maßnahmen für sichere Derivatemärkte

Im Zuge der Finanzmarktkrise sind insbesondere die Derivatemärkte in den Fokus der Politik und der Regulatoren gerückt. Over-the-Counter-Derivaten (OTC-Derivate) und hierbei insbesondere Kreditderivaten, wie zum Beispiel Credit Default Swaps (CDS), wird ein maßgeblicher Anteil an der aktuellen Finanzmarktkrise zugesprochen. Das in den vergangenen Jahren massive Wachstum der gehandelten Volumina hat zu einer verstärkten Risikoübernahme ohne tatsächliche Investition in das Basisinstrument (Hebeleffekt) geführt. Ferner hatte das Wachstum große Abhängigkeiten der Finanzdienstleister untereinander zur Folge, was die Verschärfung der Subprime-Krise zu einer allgemeinen Vertrauens- und Liquiditätskrise erst ermöglicht hat.

Vier zentrale Handlungsfelder

Aufgrund der mangelnden Transparenz der OTC-Märkte blieben die möglichen Folgen lange Zeit unbemerkt und wurden erst mit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise offenkundig. Daraufhin hat die EU-Kommission, auch auf Initiative des G20-Treffens im September 2009, im Rahmen diverser Arbeitspapiere und sonstiger Mitteilungen in 2009 - unter anderem KOM(2009) 563 vom 20. Oktober 2009 - vier zentrale Handlungsfelder identifiziert, um die Auswirkungen der Risiken der OTC-Derivatemärkte auf die Stabilität der gesamten Finanzmärkte zu reduzieren:

Standardisierung der Prozesse: Beim Abschluss von Derivaten sollen standardisierte Verträge zum Einsatz kommen, um die operationellen Risiken zu reduzieren. Darüber hinaus sollen verstärkt elektronische Akzeptanz- und Bestätigungsdienstleistungen in Anspruch genommen werden sowie eine Automatisierung von Zahlungen und der Prozesse bei der Sicherheitenverwaltung erreicht werden.

Verwendung von Transaktionsregistern sowie zentrale Datenspeicherung: Hierdurch soll eine Erhöhung der Transparenz für die Aufsichtsbehörden durch Speicherung von Daten wie Transaktionsanzahl und Volumen und somit eine bessere operative Beaufsichtigung der außerbörslichen Derivatemärkte erreicht werden. Auch soll eine Steigerung der operationellen Effizienz durch Nutzung dieser Informationen im Rahmen der Abrechnung und Zahlungsanweisungen für Derivate ermöglicht werden.

Abwicklung über zentrale Clearingstellen (Central Counterparty Clearing, CCP-Clearing): Die Kommission sieht hierin den wichtigsten Pfeiler des Maßnahmenkatalogs. Hierdurch sollen die Ausfallrisiken der Gegenpartei (des Kontrahenten) begrenzt werden, die nach Ansicht der Kommission bislang nicht korrekt bewertet wurden. Rechtsvorschriften sollen auf europäischer Ebene erlassen werden, um Unterschiede in der nationalen Gesetzgebung zu beseitigen und einen einheitlichen Rahmen für das Clearing von Derivaten sicherzustellen.

Nutzung organisierter Handelsplätze: Im Einklang mit den im Rahmen des G20-Treffens getroffenen Vereinbarungen soll der Handel in allen Derivaten, die an einer Börse gehandelt werden können, auch über eine solche oder einen anderen organisierten Handelsplatz entsprechend der Definition der MiFID erfolgen. Die hierzu notwendigen Anforderungen hinsichtlich der Harmonisierung der Vorhandels- und Nachhandelstransparenz, sollen im Rahmen der Überarbeitung der MiFID in 2010 konkretisiert werden.

Anreize

Ziel der angestrebten Standardisierungsbemühungen ist es nicht, den Abschluss "maßgeschneiderter" Derivate zu untersagen. Denn die unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse und individuellen Bedürfnisse der Marktteilnehmer erfordern weiterhin kundenspezifische und damit maßgeschneiderte Kontrakte. Darüber hinaus ist bei mangelnder Liquidität in bestimmten Assetklassen ein zentrales Clearing nicht sinnvoll. Um jedoch auch im Bereich der maßgeschneiderten Kontrakte Mindeststandards sicherzustellen, sind weitere Maßnahmen angedacht, die insbesondere die Besicherung der Derivate und die Eigenkapitalanforderungen betreffen.

Die EU-Kommission setzt dabei stark auf Anreize. Um eine ausreichende Besicherung zu gewährleisten und einen Anreiz zur Nutzung des zentralen Clearings zu geben, sollen Initial und Variation Margin offengelegt werden. Darüber hinaus sollen die Eigenkapitalanforderungen für nicht zentral abgewickelte Kontrakte zunehmen.

Zudem wird angedacht, die Vorschriften zur Unterlegung der operationellen Risiken zu ändern, um die Standardisierung von Verträgen und der elektronischen Verarbeitung zu incentivieren.

Reaktionen des Marktes auf die Bestrebungen der EU-Kommission sind bereits zu beobachten. So haben sich einige der wichtigsten CDS-Händler im Februar 2009 zur Nutzung von CCPs für das Clearing von geeigneten CDS auf europäische Referenzadressen und Indizes verpflichtet. Bis dato haben zwei zentrale Clearinghäuser die Erlaubnis zum Clearing von CDS erhalten.

Paradigmenwechsel

Bei allen avisierten Maßnahmen ist eine enge, globale Zusammenarbeit mit den G20-Mitgliedern und insbesondere mit den US-Behörden vorgesehen, die ebenfalls an einem entsprechenden Regulierungsrahmen für die OTC-Derivatemärkte arbeiten, um aufsichtsrechtliche Arbitragemöglichkeiten zwischen Ländern weitgehend zu verhindern.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass ein Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Regulierung der OTC-Derivatemärkte zu beobachten ist, die bislang relativ wenig reguliert waren. Darüber hinaus soll ein rechtliches Rahmenwerk geschaffen werden, das es den Marktteilnehmern ermöglicht, die inhärenten Risiken besser bewerten und steuern zu können. In einem ersten Schritt sollen die CDS-Märkte reformiert werden.

Im Nachgang plant die Kommission, die Derivatemärkte für weitere Assetklassen wie Rohstoffe und Agrarprodukte sowie den Markt für Emissionszertifikate anzugehen. Dabei denkt die Kommission auch über den Vorschlag von Vorschriften nach, die es den Regulierungsbehörden ermöglichen, Positionen zu limitieren, um unangemessenen Preisschwankungen beziehungsweise Spekulationsblasen entgegenzuwirken. Die legislative Umsetzung der Maßnahmen soll im Jahr 2010 erfolgen.

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