Leitartikel

The fundamental things apply as time goes by

Obwohl der Pfandbrief unmittelbar nichts mit der Krise des Marktes für zweitklassige Hypothekendarlehen in den USA zu tun hat, so bleibt er doch von dem sich dadurch verschlechterten internationalen Kapitalmarktumfeld nicht unberührt. Vor diesem Hintergrund darf es als Fingerzeig verstanden werden, wenn der Präsident der Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Henning Rasche, zur Titelmusik des Hollywood-Klassikers "Casablanca" vor die in Frankfurt versammelte Pfandbriefgemeinde trat, um über Covered Bonds im Allgemeinen und Pfandbriefe im Speziellen, über Marktentwicklung und Market Making zu reden. Doch was hat Casablanca mit dem Pfandbrief zu tun? Film und Song handeln von Werten, die auch schwierige Zeiten überdauern: "The fundamental things apply as time goes by", heißt es da. Für den Pfandbrief sind diese Werte vor allem Sicherheit und Verlässlichkeit, weil sich nur damit die Zuneigung der Investoren auch in turbulenten Phasen gewinnen und erhalten lässt.

Doch wie im Film zwischen Ingrid Bergman und Humphrey Bogart, so ist auch die Beziehung der Investoren zum Pfandbrief nicht unkompliziert. So mancher mag dem Pfandbrief untreu geworden sein, waren doch die Renditeaussichten von CDOs, MBS und anderem Strukturierten zu verlockend. Doch vielleicht hätte man es mit dem "Schau' mir in die Augen, Kleines", wie es die deutsche Synchronkunst so schön dichtete, nicht so wörtlich nehmen sollen. Denn Bogarts gebrummter Trinkspruch "Here's looking at you" soll ursprünglich all jene warnen, die einem das Geld aus den Taschen ziehen wollen, während man den Humpen hebt. Wer nur den Extra-Schnaps, aber nicht das damit ein-hergehende Risiko des Geldverlustes sah, schiebt jetzt Katerstimmung und aus so manchem Anlage-Flirt wurde nicht die große Liebe, sondern eine Tragödie.

Bei so viel Enttäuschung misstraut jeder jedem und darunter leidet, wenn auch zu Unrecht, der Pfandbrief. Dass sich die Pfandbriefbanken momentan mit Jumbo-Emissionen zurückhalten ist nur verständlich. Denn angesichts des zweistelligen Spreads, mit denen derzeit strukturierte Covered Bonds vor allem von angelsächsischen Banken in den Markt gegeben werden müssen, würde eine Jumbo-Pfandbriefemission dem Produkt mehr schaden als nutzen. Die aktuelle Vertrauenskrise ist keine Pfandbriefkrise. Im Gegenteil, traditionelle und Namenspfandbriefe werden auch weiterhin in großer Stückzahl zu hohen Preisen platziert. Banken mit beträchtlichem Staatskreditgeschäft verbuchen derzeit sogar Sondergewinne, weil sie im Repo-Geschäft Papiere der öffentlichen Hand zu Höchstpreisen verleihen können. An Liquidität herrscht deshalb kein Mangel und damit auch kein Zwang zu Jumbo-Emissionen. Was für ein Glück.

Gleichwohl machen Verzerrungen an den Swap- und Govie-Märkten die Preisbildung bei Pfandbriefen schwieriger, was wiederum den Handel der Banken untereinander ins Stocken bringt. Hier steht nichts Geringeres als die Funktionsfähigkeit des Jumbo-Pfandbriefmarktes auf dem Spiel. Dabei hat der Verband seine Hausaufgaben gemacht. Nachdem die drohende Insolvenz der AHBR im Jahr 2005 dazu führte, dass deren Jumbo-Papiere nicht mehr gehandelt wurden, suchte und forderte der vdp den Dialog mit den Market Makern, um deren Handeln auch in Zeiten der Ungewissheit verlässlich zu gestalten. Dass sich die Market Maker entschieden haben, entsprechend der Mindestanforderungen für Jumbo-Pfandbriefe die Geld-Briefspannen zu verdreifachen, hat zwar einige Emittenten murren lassen, doch die Aufrechterhaltung der Liquidität - auch zu einem etwas höheren Preis vermochte einen möglichen Imageverlust für das Produkt abzuwenden. Dass inzwischen die Geld-Briefspannen teilweise zurückgenommen wurden und die Market Maker zwischenzeitlich versuchten, den Pfandbrief in einem Premi-um-Segment vom übrigen Covered-Bond-Markt abzuheben, darf als Anerkennung für die Qualität des Produktes gesehen werden. So vorteilhaft ein permanentes Market Making für die Liquidität des Jumbo-Pfandbriefs ist, es hat Tücken. Denn die Verpflichtung der Market Maker, sich jederzeit auch untereinander Geld- und Briefkurse zu stellen, führte in dem aktuellen Klima des Misstrauens dazu, dass die Preise ein Stück weit verdorben wurden. Es mag keine schöne, aber notwendige Lösung sein, wenn Emittenten und Verband überlegen, diesen Interbankenhandel bis zur Normalisierung des Kapitalmarktes auszusetzen.

Doch nicht nur mit Marktwidrigkeiten hat der (Jumbo-)Pfandbrief zu kämpfen. Auch seine exzellente Qualität kann die Produktion und den Absatz erschweren, weil Emittenten und Deckungsstöcke hohe Ansprüche erfüllen müssen, was sich selbstverständlich im Preis widerspiegelt. So verliert der Pfandbrief trotz seines hohen Ansehens national und international Marktanteile. Laut aktueller Bundesbank-Statistik stieg der Brutto-Absatz von Hypothekenpfandbriefen bis zum Jahr 2003 kontinuierlich auf 47,8 Milliarden Euro, um dann bis zum Ende 2006 auf 24,5 Milliarden Euro und somit unter das Niveau von 1999 abzusinken. Bei den Öffentlichen Pfandbriefen reduzierte sich der Brutto-Absatz seitdem sogar von 187,7 Milliarden Euro auf 99,6 Milliarden Euro. Damit machen Pfandbriefe nur noch 20 Prozent des Bruttoabsatzes aller Bankschuldverschreibungen in Deutschland aus, während es 1999 noch 48 Prozent waren. Besonders auffällig ist der relative Bedeutungsverlust des Pfandbriefs bei den öffentlich-rechtlichen Instituten, wo der Anteil von 51 Prozent im Jahr 1999 auf 19 Prozent im Jahr 2006 zurückging. Bei den privaten Hypothekenbanken bringen es Pfandbriefe immerhin noch auf 55 Prozent - gegenüber 73 Prozent vor sieben Jahren.

Drei Gründe sind für diese Entwicklung maßgeblich: Erstens hat das verhaltene Kreditgeschäft keinen höheren Pfandbriefabsatz erfordert. Zweitens passen moderne Finanzierungen aufgrund ihrer Struktur, ihrer geografischen Zuordnung oder ihrer Laufzeit nicht immer in den Deckungsstock. Und drittens bewirkte der Wegfall der staatlichen Garantien für Sparkassen und Landesbanken, dass Emissionen dieser Adressen nicht mehr in die Deckung für Öffentliche Pfandbriefe genommen werden können. Dass die Pfandbriefbanken auch nicht an die von großvolumigen Platzierungen geprägte Emissionspolitik zum Ende der neunziger Jahre anknüpfen wollen, weil dies wirtschaftlich nicht immer sinnvoll war, kommt noch hinzu.

Auch die seit 2002 stagnierende Emissionstätigkeit und das seit 2004 sinkende Umlaufvolumen im Jumbo-Segment sprechen nicht gegen den Pfandbrief. Vielmehr zeigt es die Reife des 1995 geschaffenen Marktes, der den bis dahin gelegentlich schwer handelbaren Pfandbrief auch für ausländische Investoren attraktiver machen sollte. Der Erfolg hat Nachahmer gefunden. Seit 1999 werden in Frankreich Obligations Foncières und in Spanien Cédulas begeben. Seitdem hat sich die Covered-Bond-Familie auf 14 Länder erweitert - jüngst um Schweden, Norwegen und die USA. Als größte Konkurrenten der Jumbo-Pfandbriefe haben sich aber die Cédulas gemausert. Im ersten Halbjahr 2007 hatten die spanischen Covered Bonds am Gesamtemissionsvolumen von 101,86 Milliarden Euro immerhin einen Anteil von 30 Prozent, während Jumbo-Pfandbriefe nur auf 22 Prozent kamen. Nur beim Umlaufvolumen dominieren die Pfandbriefe noch mit rund 40 Prozent Marktanteil vor den Cédulas, die etwa 30 Prozent ausmachen. Derweil verlangsamt sich aber auch bei den spanischen Jumbos das Wachstum.

Dass der Investor mittlerweile zwischen 70 verschiedenen Jumbo-Emittenten wählen kann, erweitert zwar seine Möglichkeiten bei der Diversifikation, doch steigen damit auch die Ansprüche an die Analyse. Denn die nationalen Covered Bonds unterscheiden sich in ihren Sicherheitsmechanismen zum Teil grundlegend. Für die meisten gibt es eigene Gesetze, nur in Großbritannien und den USA werden Covered Bonds ausschließlich auf vertraglicher Basis strukturiert. Doch während in Großbritannien bereits an einem entsprechenden Gesetz gearbeitet wird, droht in Deutschland ein strukturierter Covered Bond der Landesbank Berlin (LBB) den Pfandbriefmarkt aufzubrechen. Dass sich die LBB dabei das Image des Originals zunutze macht und ihr Produkt als "pfandbriefähnlich" bezeichnet, mag zwar von hoher Wertschätzung des Pfandbriefs zeugen, es gefährdet aber zugleich in hohem Maße dessen Benchmark-Funktion. Während sich der Investor bei einem Pfandbrief darauf verlassen kann, dass ihm bei Insolvenz des Emittenten das Gesetz die Isolierung der Deckungsmassen zur Bedienung seiner Ansprüche garantiert, bildet ein strukturierter Covered Bond dieses Versprechen nur vertraglich ab. Ob aber die Justiz im Ernstfall diese Bevorzugung der Covered-Bond-Zeichner vor den anderen Gläubigern der Bank anerkennt, bleibt abzuwarten. Dass die Emission mehrfach verschoben wurde, dürfte dem ungünstigen Kapitalmarktumfeld geschuldet sein. Denn nach den Irrungen und Wirrungen bei CDOs und RMBS ist alles, was "structured" heißt, schwer platzierbar.

Und dennoch: Wenn trotz des guten Images, der hohen Transparenz und der gesetzlichen Sicherheiten des Pfandbriefs ein Kreditinstitut sich die Mühe macht, einen strukturierten Covered Bond zu kreieren, so scheinen das zwei Jahre alte Pfandbriefgesetz und seine Begleitverordnungen Nachbesserungen zu vertragen. Diesen Bedarf hat der Verband erkannt, und er will noch in diesem Jahr dem Bundesfinanzministerium einen Entwurf vorlegen, damit bereits 2008 die Novelle des Pfandbriefgesetzes das Parlament passieren kann. Hauptanliegen muss eine vereinfachte Anwendung des Refinanzierungsregisters sein, denn dessen Möglichkeiten werden bislang zu wenig genutzt. Vor allem kleinere Institute wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken tun sich mit einer Übertragung von Vermögenswerten und der damit einhergehenden Bilanzverkürzung schwer.

Handlungsbedarf gibt es auch beim Rating. Denn die gegenwärtige Spreizung von Triple-A bis Single-A wird dem Pfandbrief nicht gerecht. Angesichts der Tatsache, dass in über 100 Jahren noch kein Pfandbrief ausfiel, ist es schwer zu begründen, warum Moody's und Fitch ihre Pfandbriefbenotung eng an das Emittenten-Rating koppeln. Da deutsche Kreditinstitute meist etwas schwächer rentieren als beispielsweise spanische Banken, werden Cédulas trotz geringerer Sicherheiten in der Regel öfter mit der Bestnote versehen, als dies bei Pfandbriefen der Fall ist. Dass dennoch selbst für Double-A geratete Pfandbriefe höhere Preise gezahlt werden als für andere Covered Bonds, spricht für das große Vertrauen der Investoren.

Um die Attraktivität des Pfandbriefs für die Emittenten zu erhöhen, müssen vor allem der bürokratische und aufsichtsrechtliche Aufwand begrenzt und die zulässigen Deckungswerte erweitert werden. So wäre die Refinanzierung von Flugzeughypotheken durch Pfandbriefe ein einfacher und längst überfälliger Schritt. Dagegen sollten MBS, Covered Bonds und Pfandbriefe auch weiterhin nicht zur Deckung von Pfandbriefen zugelassen werden. Denn wie will man hierfür einen "Beleihungswert" ermitteln? Und mahnt nicht die aktuelle Krise, dass man bereits Verbrieftes nur mit äußerster Vorsicht weiter verbriefen sollte? Der Pfandbrief steht für Stabilität und Verlässlichkeit.

The fundamental things apply as time goes by. L. H.

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