Aufsätze

IFRS für den deutschen Mittelstand und Kreditfinanzierung

Nach der bisherigen Rechtslage sind IFRS zwingend nur im Konzernabschluss von kapitalmarktorientierten Unternehmen anzuwenden.1) Das IASB hat die Diskussion, in welcher Form die IFRS auch für kleine und mittlere Unternehmen angewendet werden sollen, selbst in die Hand genommen und in 2004 ein Diskussionspapier zu IFRS für "Small and Medium-sized Entities" (SME) herausgegeben.2) Im Oktober 2004 wurde ein Unterausschuss eingerichtet, dessen Ausrichtung dann im Februar 2005 eine markante Kurskorrektur erhielt, denn der Adressatenkreis der betroffenen Unternehmen wurde in "non-publicly accountable entities" (NPAE) geändert.3)

Konsultationsphase läuft

Mit einem zur Diskussion gestellten Fragenkatalog soll ermittelt werden, ob und gegebenenfalls wie die IFRS für Unternehmen, die zwar nicht der Öffentlichkeit zur Rechenschaft, wohl aber externen Adressaten gegenüber zur Finanzberichterstattung verpflichtet sind, angepasst werden müssen.4) Für das Jahr 2006 ist der Entwurf eines Standards angekündigt worden, der im Jahr 2007 verabschiedet werden könnte.5) Am 4. August 2006 wurde die aktuelle Arbeitsversion des Standards, die noch nicht zur Kommentierung bestimmt ist, vom IASB veröffentlicht.6)

Die Frage, welche Unternehmen unter die "SME" fallen, wird vom IASB negativ abgegrenzt.7) Es handelt sich um Unternehmen, die nicht an einem öffentlichen Markt notiert sind oder die Notierung beantragt haben oder treuhänderisch Gelder für andere Personen halten (wie zum Beispiel Kreditinstitute oder Versicherungen).

Hierauf basierend ist es die Aufgabe des jeweiligen nationalen Gesetzgebers, den exakten Anwendungsbereich abzugrenzen, wenn der SME-Standard in nationales Recht überführt werden soll.

Im folgenden Text soll für den relevanten Kreis von Unternehmen einheitlich die deutsche Bezeichnung "KMU" (kleine und mittlere Unternehmen) verwendet werden. Nach der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), Bonn, handelt es sich um Unternehmen, die weniger als 500 Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erwirtschaften.8) Die Bedeutung der KMU zeigt sich daran, dass diese Unternehmen im Jahr 2003 in Deutschland 99,7 Prozent aller Unternehmen mit 40,8 Prozent des Umsatzes und 70,2 Prozent der Beschäftigten stellten.9)

Allerdings ist diese Gruppe selbst äußerst heterogen, da sowohl der nur örtlich tätige Kleinstunternehmer als auch der Mittelständler erfasst wird, der bereits international agiert, und aufgrund seiner Größe gegebenenfalls bereits den Kapitalmarkt mit Wertpapieren in Anspruch nimmt. Deshalb können sich deutliche Unterschiede bei den Anforderungen an die Jahresabschlüsse ergeben. Denn bei größeren Unternehmen sind die zu bilanzierenden Sachverhalte in aller Regel komplexer gelagert und häufig andere Finanzinstrumente und damit abweichende Informationsanforderungen (zum Beispiel von Eigenkapitalfonds) vorhanden.

Kapitalbeschaffung im Mittelstand

Die Erweiterung des Anwendungskreises der IFRS auf KMU wird häufig damit begründet, dass sich die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung verbessern würden.10) Dies könnte daraus resultieren, dass die Adressaten des Jahresabschlusses mittels einer Rechnungslegung nach IFRS besser über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens informiert werden.

Adressaten des Jahresabschlusses bei KMU sind zunächst die Eigenkapitalgeber. Hunderttausende von kleinen bis Kleinstunternehmen haben einen Inhaber oder mehrere Familienangehörige als Inhaber/Kapitalbeteiligte. Ferner sind im Mittelstand Kapitalstrukturen von Bedeutung, bei denen sich eine überschaubare Anzahl von Partnern zusammengeschlossen haben. Der für die kapitalmarktorientierten Unternehmen prägende Principal-Agent-Konflikt, das heißt die Informationsasymmetrien zwischen dem angestellten Management und dem selbst nicht an der Geschäftsführung beteiligten Kapitaleigner ist hier nicht in dem Maße vorhanden, denn das Zusammenfallen von Eigentum und Management ist gerade eines der qualitativen Merkmale, das KMU auszeichnet.

Wenn für den Kapitalanleger, der in eine Aktiengesellschaft am anonymen Kapitalmarkt investiert, die (kurzfristige) Rendite seines Investments im Vordergrund steht, benötigt er ein Beurteilungsinstrument, das ihn mit entsprechenden Informationen versorgt. Vor diesem Hintergrund ist die IFRS Rechnungslegung mit ihrer Orientierung an periodengerechter Erfolgsermittlung, Bewertung zum Fair Value und umfangreichen Angaben in den Notes, nicht nur sinnvoll, sondern wünschenswert.

Dagegen steht für viele Mittelständler eine andere Zielsetzung als die kurzfristige Rendite im Vordergrund, nämlich die unternehmerische Tätigkeit, der Erhalt des Unternehmens sowie dessen langfristige Wertsteigerung.1) Statt eines Jahresabschlusses, der schwerpunktmäßig entscheidungsrelevante Informationen für Anleger am anonymen Kapitalmarkt vermittelt, wird sich der Blick vielmehr auf einen schlanken, konservativ aufgestellten Abschluss richten und eine chancenorientierte, an Marktwerten ausgerichtete Bilanzierung mit einer Vielzahl von Angaben in den Notes (im Anhang) strikt ablehnen. Denn für die betriebswirtschaftliche Analyse wird der Mittelständler auf Auswertungen und Analysen zurückgreifen, die zunächst ausschließlich für den/die Inhaber eingerichtet sind. Eine Verknüpfung der Betriebsbuchhaltung mit der Finanzbuchhaltung erscheint bis heute einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen weder notwendig noch effizient.12)

Kein Eingriff in das Eigentumsrecht

Zudem will der Mittelständler eines auf gar keinen Fall: Dass die Konkurrenz oder eine für ihn nicht definier- und eingrenzbare Öffentlichkeit Betriebsinterna erfährt dies wird vielmehr als Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht empfunden.13)

Neben den Eigenkapitalgebern hat gerade für KMU die Fremdfinanzierung, vor allem durch Kreditinstitute und Lieferanten, eine besondere Bedeutung.14) In der Literatur wird häufig die These vertreten, dass diese Geldgeber - gerade vor dem Hintergrund von Basel II - eine Bilanzierung nach IFRS verlangen könnten.15) Ziel dieses Beitrags ist es aufzuzeigen, inwieweit eine Rechnungslegung nach IFRS von Banken verlangt werden soll, beziehungsweise, ob es sinnvoll für KMU ist, den Banken eine solche Rechnungslegung anzubieten.

Informationsinteressen der Kreditinstitute als Fremdkapitalgeber

Während der Principal-Agent-Konflikt auf der Seite der Eigenkapitalgeber bei KMU wenig bedeutend ist, erlangt dieser Konflikt auf der Seite der Fremdkapitalgeber hohe Relevanz. Aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen Unternehmer und Fremdkapitalgeber kann ersterer seine Informationsvorteile zulasten des Fremdkapitalgebers ausnützen. Darüber hinaus ist auch eine asymmetrische Verteilung von Chancen und Risiken gegeben: Die Gewinnchance des Fremdkapitalgebers ist auf den vereinbarten Zins beschränkt, während sein Verlustrisiko das gesamte eingesetzte Kapital umfasst. Dagegen besitzt der Unternehmer als Eigentümer neben der vollen Gewinnchance zwar das Risiko des Totalverlusts seines Investments, kann dieses Risiko jedoch durch entsprechend umfangreiche Fremdfinanzierung auf den Fremdkapitalgeber abzuwälzen versuchen. Gerade deshalb suchen letztere sich durch das Stellen von Kreditsicherheiten oder durch die Bereitstellung von Informationen abzusichern.

Bei der Frage, ob es für Kreditinstitute sinnvoll ist, ihre Firmenkunden zu veranlassen, auf IFRS überzugehen, ist zunächst festzustellen, dass Kreditwürdigkeitsprüfung und Rating die Bonität, das heißt die Lage, Entwicklung und Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens erfassen wollen. Mit Hilfe der von der Bank eingesetzten Ratingverfahren wird eine Ausfallwahrscheinlichkeit für einen Beobachtungszeitraum von einem Jahr ermittelt. Bei der hierzu vorzunehmenden Beurteilung durch eine Jahresabschlussanalyse darf die Art der Rechnungslegung jedoch keine Rolle spielen. Denn der Jahresabschluss bildet nur die Lage des Unternehmens ab, die jedoch selbst unberührt davon bleibt, welche Rechnungslegungsregeln angewendet werden.

Bei der Datenerhebung zur Durchführung der internen Ratingverfahren der Banken wird zwar häufig erfasst, welche Rechnungslegungsgrundsätze das zu analysierende Unternehmen angewendet hat. Diese Information wirkt sich jedoch regelmäßig nicht ratingverbessernd oder -verschlechternd aus,16) sondern dient als Basis dafür, wie der Jahresabschluss zu analysieren ist und wie Kennzahlen gebildet werden können.17) Ein Ziel der Jahresabschlussanalyse für Zwecke der Kreditgewährung ist die Ermittlung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit durch eine Cash-Flow-Analyse.18) Für die Beurteilung, ob hier IFRS-Jahresabschlüsse geeignet sind, ist auf zwei Punkte hinzuweisen.

Ermittlung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit

Auf der einen Seite sind die Kreditbeziehungen im Mittelstand oft langfristig angelegt - häufig besteht die Verbindung eines Kunden zu seiner Bank bereits seit Generationen -, da gerade in Deutschland der langfristige Kredit eine besondere Bedeutung hat.19) Deshalb sind Kreditinstitute bei der Ermittlung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit an Informationen interessiert, die langfristige Entwicklungen zuverlässig aufzeigen. Kurzfristig orientierte Systeme stoßen auf weniger großes Interesse. Wenn - wie in einer IFRS-Rechnungslegung - der Preis der Chance für ein Mehr an Informationen (zum Beispiel durch Bewertung zum Fair Value) deren größere Unzuverlässigkeit ist,20) wird der Kreditanalyst höheres Gewicht auf die Zuverlässigkeit legen.21)

Auf der anderen Seite gehen in die Berechnung der für die Kapitaldienstfähigkeitsrechnung verwendeten Cash-Flow-orientierten Kennzahlen bilanzielle Wertänderungen, die keine Zahlungsvorgänge auslösen (zum Beispiel bei der Fair-Value-Bewertung), nicht ein. Im Ergebnis sind diese Kennzahlen weitgehend unabhängig von der Art der Rechnungslegung, so dass sie durch die Umstellung auf IFRS kaum beeinflusst werden.22) Deshalb ist es bei der Analyse eines Abschlusses, insbesondere aber eines IFRS-Abschlusses, durch Banken üblich, bestimmte Korrekturen vorzunehmen, zum Beispiel die Eliminierung von Gewinnen aus der Neubewertung von Sachanlagen, die Kürzung des aktivierten Goodwill, der aktiven latenten Steuern und der selbst erstellten immateriellen Vermögenswerte oder der Abzug der Gewinne aus langfristiger Fertigung.

Es handelt sich hierbei um Werte, die entweder erheblichen Ermessensspielräumen und damit der Gefahr der Unzuverlässigkeit unterliegen, und/oder für die Ermittlung des Cash-Flow keine Rolle spielen, da den Erträgen beziehungsweise Aufwendungen keine Zahlungen in derselben Periode gegenüberstehen. Insoweit wird bei der Bilanzanalyse eine Überleitung auf eine (Struktur-)Bilanz vorgenommen, die sich einer solchen annähert, die nach HGB-Vorschriften erstellt wurde.23)

Zugriff auf interne Informationen

Oftmals haben Kreditinstitute als Adressaten des Jahresabschlusses Zugriff auf interne Informationen des Unternehmens (zum Beispiel monatliche oder quartalsmäßige Betriebswirtschaftliche Auswertungen mit entsprechenden Erläuterungen), um sich auch unterjährig über dessen Lage zu informieren. Für die Analyse, ob Kapitaldienstfähigkeit gegeben ist, stellt gerade bei KMU die Entwicklung des Geschäftsgirokontos - sofern das Kreditinstitut eine wesentliche Bankverbindung ist - eine wichtige Informationsquelle dar.24) Denn aus der Kontoführung, in der sich die Umsätze als Zahlungseingänge und die Aufwendungen (zum Beispiel Material- oder Personalaufwand) als Zahlungsausgänge widerspiegeln, können bereits Entwicklungen oder Warnsignale erkannt werden, lange bevor die Jahresabschlüsse überhaupt vorliegen.

Bei KMU dienen diese Informationen in vielen Fällen als primäre Informationsquelle des Kreditinstituts, so dass Jahresabschlüsse lediglich zur Plausibilisierung der bereits vorliegenden Informationen herangezogen werden. Insoweit kommt einem Jahresabschluss nach IFRS nicht die Bedeutung zu, die er für einen Anleger am Kapitalmarkt hat, der sich im Wesentlichen auf Jahresabschlüsse stützt. Dem Transparenzinteresse der Kreditinstitute ist somit außerhalb des Jahresabschlusses kostengünstiger Rechnung zu tragen, als dies durch eine Rechnungslegung nach IFRS möglich wäre.

Zudem ist nicht anzunehmen, dass die Art der Rechnungslegung die Effizienz und Transparenz der Beurteilung erhöht, selbst wenn IFRS einheitlich bei einer Vielzahl von Unternehmen angewendet werden.25) Denn ein Vergleich mit der Analyse eines HGB-Abschlusses zeigt, dass die komplexen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie die zahlreichen Möglichkeiten der Bilanzpolitik, welche die IFRS bieten, bei der Beurteilung eines Abschlusses sorgfältiger analysiert werden müssen sowie höhere Fachkenntnisse, einen vermehrten Zeitaufwand und damit höhere Kosten erfordern.26)

Wenn es derzeit keinen Anlass für Kreditinstitute gibt, eine Bilanzierung nach IFRS zu verlangen, könnte es trotzdem für KMU sinnvoll sein, freiwillig auf IFRS umzustellen. Denn für die Bonitätsbeurteilung spielt neben der Beurteilung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit die Eigenkapitalquote eine große Rolle, die bei deutschen Unternehmen traditionell niedrig ausfällt.27) Eine andere Interpretation des Realisationsprinzips sowie ein größerer Umfang der Fair-Value-Bewertung führt unter Umständen im Jahr der Umstellung zu einem Anstieg des Eigenkapitals in der Bilanz, in den Folgejahren jedoch gegebenenfalls zu größerer Volatilität dieses Postens.28)

"Konservative" und "progressive" Bilanzierer

Wie oben bereits ausgeführt, ist aus Sicht eines Kreditinstituts zunächst die Zuverlässigkeit der ermittelten Zeitwerte kritisch zu hinterfragen. Wenn eine Korrektur bei der Bilanzanalyse erfolgt oder gar entsprechende Prüfungshandlungen verlangt werden, kann sich der erhoffte Vorteil schnell verflüchtigen oder in einen Kostennachteil verkehren.

Daneben ist auch die Frage der Relevanz zu stellen, das heißt, inwieweit eine Verbesserung der Eigenkapitalquote gerade bei den Unternehmen eintritt, die diese benötigen: Tendenziell dürften positive Auswirkungen bei so genannten "konservativen" HGB-Bilanzierern (Unternehmen, die alle Wahlrechte so ausnützen, dass der Gewinn möglichst niedrig ermittelt wird) eintreten, während dieser Effekt bei so genannten "progressiven" HGB-Bilanzierern (Unternehmen, die alle Wahlrechte so ausnützen, dass der Gewinn möglichst hoch ermittelt wird) schwächer ausfällt beziehungsweise sich sogar umkehrt.

Gerade "konservative" Bilanzierer sind oft Unternehmen, deren Finanzierungsbedingungen aufgrund guter Bonität gut sind, während die "progressive" Bilanzierung häufig aus schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen resultiert. Kurz gesagt: Unternehmen, die eine Verbesserung erreichen, brauchen diese nicht, während Unternehmen, die eine Verbesserung notwendig hätten, diese nicht erreichen können.

Die im Durchschnitt niedrige Eigenkapitalquote bei KMU, häufig sogar ein negatives Eigenkapital, haben es bisher bereits notwendig gemacht, stille Reserven zu ermitteln, damit die Bonität des Unternehmens zutreffend beurteilt werden kann. Der Kreditsachbearbeiter des Kreditinstituts hat in der Regel Informationen über stille Reserven und Lasten vorliegen beziehungsweise wird sie auf Nachfrage erhalten können. Selbst wenn diese Informationen bei der Berechnung von Kennzahlen in den verwendeten Analyse- und Ratingsystemen nicht explizit erfasst sind, werden sie doch bei der abschließenden Bonitätsbeurteilung berücksichtigt, die in die Kreditentscheidung mündet, so dass insoweit keine Rechnungslegung nach IFRS benötigt wird.

Da bei der Bilanzanalyse Vorjahresvergleiche angestellt werden, führt eine gegenüber der HGB-Bilanz verbesserte Eigenkapitalquote ceteris paribus nur dann zu einer positiveren Beurteilung, wenn auch eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr eintritt, wobei hier selbstverständlich der nach IFRS ermittelte Vorjahreswert und nicht die Eigenkapitalquote nach HGB heranzuziehen ist. Zudem werden bei der Bilanzanalyse Branchenvergleiche angestellt. Wenn eine Vielzahl von Unternehmen die Rechnungslegung umstellt, werden auch die Vergleichszahlen entsprechend verändert. Eine verbesserte Eigenkapitalquote ist also nur dann vorteilhaft, wenn gleichzeitig zumindest keine Verschlechterung gegenüber dem Branchenschnitt auf Basis der IFRS eintritt.

Wenn die Hoffnung der Verbesserung des Ergebnisses des bankinternen Ratings darauf basiert, dass mit den Maßstäben der Beurteilung eines HGB-Abschlusses die Eigenkapitalquote des IFRS-Abschlusses bewertet wird, stellt sich dies schnell als Trugschluss heraus. Denn das bei den Internen Ratingverfahren der Banken notwendige Backtesting der Verfahren führt rasch zu einer Anpassung der Ratingkriterien, wenn Ausfälle in größerem Umfang als bisher eintreten.29) Die Ratingverfahren werden dann neu kalibriert, so dass sie eine höhere Eigenkapitalquote als bei einem HGB-Abschluss für eine gute Ratingeinstufung fordern.

Die wesentlichen Ergebnisse des Beitrags können in folgenden Thesen zusammengefasst werden: Kreditinstitute als Fremdkapitalgeber der KMU stellen bei ihrer Jahresabschlussanalyse vor allem auf die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit sowie die Eigenkapitalquote ab. Hierbei kommt der Zuverlässigkeit der Jahresabschlusszahlen eine besondere Bedeutung zu. Zudem sind für die Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit Cash-Flow-orientierte Kennzahlen bedeutsam. Beides führt dazu, dass für bilanzanalytische Zwecke in einem IFRS-Abschluss eine Reihe von Korrekturen vorgenommen werden, deren Ergebnis eine Bilanz ist, die annähernd einer nach HGB erstellten entspricht.

Keinerlei Druck

Zusätzliche Informationen über das Unternehmen (unternehmensinterne Rechnungen wie Betriebswirtschaftliche Auswertungen, insbesondere aber Daten der Kontoführung) liegen dem Kreditinstitut im Regelfall vor und führen zu zeitnahen Informationen über das Unternehmen, so dass (IFRS-)Jahresabschlüsse häufig nur der Plausibilisierung bereits vorliegender Daten dienen.

Die Hoffnung, durch Bilanzierung nach IFRS ein verbessertes Rating aufgrund einer erhöhten Eigenkapitalquote zu erreichen, wird durch Branchen- und Zeitvergleiche relativiert. Zudem ist es ein Trugschluss zu erwarten, dass Benchmarks, die für die Beurteilung eines HGB-Abschlusses dienen, unbesehen auf die Beurteilung von IFRS-Abschlüssen übertragen werden.

Deshalb scheint es für KMU wenig sinnvoll zu sein, im Hinblick auf die Kreditbeziehung ihre Jahresabschlüsse nach IFRS aufzustellen. Damit gilt es aber mit dem modernen Märchen aufzuräumen, das von interessierter Seite gerne kolportiert wird, ungeachtet des minimalen Wahrheitsgehaltes: Banken würden von ihren Kreditnehmern - auch mit Blick auf Basel II - zunehmend IFRS-Abschlüsse verlangen. Zum einen kann man nur ironisch räsonieren, dass Basel II wohl bald für jede denkbare anglo-amerikanische Grausamkeit - völlig zu Unrecht - herhalten muss. Zum anderen haben erst in 2004 Vertreter aller drei Säulen der deutschen Kreditwirtschaft (Privatbanken, Genossenschaftsbanken, Sparkassen) auf Befragen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags mit dieser Mär aufgeräumt und unmissverständlich erklärt, dass sie keinerlei Druck ausüben, den HGBdurch einen IFRS-Abschluss abzulösen.30)

Noch keine Bewertungen vorhanden


X