Aufsätze

Islamic Banking das Marktpotenzial in Deutschland

Die Trendscouts dieser Welt sind sich darüber einig, dass eine zunehmende Individualisierung, die New-Work-Globalisierung, die Golden Age Revolution sowie die fortschreitende Informationstechnologie die Megatrends in Bezug auf die Kundenanforderungen von heute und vor allem von morgen sein werden. Stand früher für die Finanzdienstleister ein Standardprodukt ohne Differenzierung im Fokus, so ist es heute ein sich an den Werten und Normen sowie den individuellen Bedürfnissen orientierendes Leistungs- und Produktbündel, welches im Rahmen eines Life-Support-Konzeptes potenzielle Interessenten gewinnen und langfristig binden soll. Auch die US-Subprime-Krise hat dazu geführt, dass internationale Investoren sich verstärkt den Islamic Banking Tools zuwenden.

Kundenspezifische Segmentierung

Die kundenspezifische Segmentierung gewinnt in diesem Zusammenhang besonders an Bedeutung. Schon heute zeichnet sich ab, wer im Wettbewerb um die Kunden von morgen die Nase vorne haben wird. In diesem Zusammenhang wird im Bereich Financial Services auch das Schlagwort "Globales-Ethno-Marketing" genannt, durch dessen Einsatz eine Marktdifferenzierung erzielt werden soll, indem man eigenständige Distributionswege etabliert und für spezielle Kundensegmente adäquate Lösungen anbietet.

In den USA zeigen sich bereits die Erfolge eines konsequent verfolgten Ethno-Marketingkonzeptes. Das riesige Potenzial wurde erkannt und der Markt nach kulturell bedingten Kriterien segmentiert. Dies spiegelt sich vor allem in der Kaufkraft der Minderheitsethnien in den USA wider. Wenn man etwa die Hispanics, Afro Americans, Asiens aufsummieren und gesondert ausweisen würde, dann wäre diese Gruppe die sechst-kaufkräftigste Nation der Welt.

Eine auf ethnische Zielgruppen spezialisierte Geschäftsbank ist zum Beispiel die amerikanische Wells Fargo Bank, die sich durch ihre Fokussierung auf die Kundenwünsche der spanischsprachigen Minderheit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil im US-Bankenmarkt sichern konnte. Während der S&P Index in den Jahren 1999 bis 2004 lediglich ein Wachstum von einem Prozent aufweisen konnte, die Bankwerte zehn Prozent Wachstum verbuchten, betrug der Anstieg bei Wells Fargo mehr als das Doppelte, nämlich 24 Prozent. Obwohl 80 Prozent des Wachstums aus dem Cross-Selling resultieren, wurden alleine 2004 fast 500 000 neue Hispanic-Kunden gewonnen, 1 700 neue Arbeitsplätze geschaffen und 100 neue Filialen eröffnet. Die durchschnittliche Abschlussquote je Mitarbeiter liegt aktuell bei 5,2 Produkten je Tag, Tendenz steigend.

Während sich Ethno-Banking, teilweise wird auch vom Minority-Banking gesprochen, wie es in Deutschland zum Beispiel bereits durch das Bankamiz-Konzept (Finanzlösungen für türkischstämmige Kunden) der Deutschen Bank aktuell an 41 Standorten angeboten wird und dort mehr als 45 000 Kunden gewinnen konnte, auf kulturell bedingte Unterschiede im Kaufverhalten spezialisiert (insbesondere Sprache und Distributionskanal), geht Islamic Banking noch einen Schritt weiter.

Was sind aber nun die Grundlagen des Islamic Banking? Die islamische Ökonomie richtet sich nach der Shariah, die nicht das islamische Recht ist, sondern die Gesamtheit aller Gebote und Verbote, welche die rechtgemäße Lebensauffassung, den "Code of Conduct" für den Muslim darstellt (siehe auch Kreditwesen 6-2008 - Red.). Die Shariah basiert dabei auf den Primärquellen Koran und Sunna (das überlieferte und beispielhafte Verhalten des Propheten Mohammad (s.a.s.). In westlichen Ländern wie Großbritannien (UK), den USA oder Kanada hat sich Islamic Banking bereits etabliert, während es im Gegensatz dazu, in Deutschland noch keine Umsetzung einer Islamic-Banking-Strategie im Retailbereich gibt.

Dabei erfreut sich Islamic Banking, vor wenigen Jahren noch als marginale Randerscheinung gebrandmarkt, einer zunehmenden Beliebtheit, und dies nicht nur in der arabisch geprägten Region (Gulf Corporation Council - GCC), sondern auch in nicht islamisch geprägten Ländern (siehe Übersichten 1 bis 3).

Erfahrungswerte aus UK

Dass Islamic Banking auch im Retailgeschäft der westlichen Hemisphäre angekommen ist, zeigen die Erfahrungswerte er Islamic Bank of Britain in UK, welche eit August 2004 operativ tätig ist. Die akuellen Zahlen aus dem Geschäftsbericht 007 ergeben folgendes Bild: acht Niederassungen; Kundenzahl 42 000, wovon 4 Prozent Onlinebanking und 20 Prozent as Telebanking nutzen. Die Einlagen beragen 135 Millionen britische Pfund und ie Anzahl der Konten 64 000. eben der Islamic Bank of Britain existieen in UK noch vier weitere vollumfängiche islamische Banken, beispielsweise die uropean Islamic Investment Bank (Investentbank - eröffnet im April 2006) und ie Bank of London and the Middle East eröffnet im Juli 2007).

Außerdem bieten eine Vielzahl von konentionellen Banken wie HSBC , die bereits eit 1998 eine eigenständige Tochter unter em Namen HSBC Amanah betreibt oder loyds TSB islamisch konforme Produkte im ahmen eines Islamic Windows an. Hier ällt auf, dass britische Banken nicht die robleme einer möglichen Markenverwäserung sehen, sobald sie aktiv ein Islamic indow öffnen, sondern auf die natioalen und internationalen Vorteile dieser aßnahme fokussieren.

Die muslimische Community in UK ist abei gekennzeichnet durch folgende soiodemografische Faktoren: 1,8 Millionen uslime bedeuten einen Anteil an der Geamtbevölkerung von drei Prozent. Allein 0 Prozent der Muslime leben dabei im roßraum London, 30 Prozent davon sind ünger als 15 Jahre, 52 Prozent jünger als 4 Jahre. 20 Prozent der Kinder im Alter on 0 bis 15 Jahren im Londoner Großraum ind Muslime. Hinzu kommen 500 Millioen Muslime, die jährlich UK besuchen. Die inancial Services Authority (FSA) schätzt, ass die Bankanlagen der Muslime sich auf ,8 Milliarden US-Dollar belaufen. Das gechätzte Volumen im Bereich islamischer ausfinanzierungen beträgt neun Milliaren britische Pfund.

Wirtschaftliche Kraft der Muslime in Deutschland

Die Zahlen und Daten in Deutschland, welhe die wirtschaftliche Kraft der Muslime nbelangen, sind ebenfalls eindrucksvoll: on den 7,3 Millionen Migranten in der undesrepublik sind zirka 3,4 Millionen uslime, davon zirka 1,8 Millionen Türken 2,8 Millionen unter Einbeziehung der Eingebürgerten - Prognose bis 2010: drei Millionen). Außerdem leben hier unter anderem 160 000 Bosnier, 75 000 Iraker, 70 000 Marokkaner, 60 000 Iraner, 55 000 Afghanen und 40 000 Libanesen.

Innerhalb der türkischstämmigen Community in Deutschland sind 77 Prozent zwischen 14 und 49 Jahre alt (in der deutschen Bevölkerung beträgt der Anteil an dieser Altersgruppe 56 Prozent). Sie repräsentieren 720 000 Haushalte mit durchschnittlich 3,4 Personen (gegenüber 1,8 Personen in den deutschen Haushalten), die über ein durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen von zirka 1 917 Euro verfügen (bei der deutschen Bevölkerung: 2 596 Euro).

Dabei fällt auf, das der durchschnittliche deutsche Haushalt zirka zehn Prozent seines Nettoeinkommens als Spargeld zurücklegt, während es bei türkischen Haushalten mit 21 Prozent fast doppel so viel ist. Die gesamte jährliche Kaufkraft innerhalb der türkischen Community liegt bei zirka 25 Milliarden Euro, die zu 95 Prozent in der Bundesrepublik ausgegeben wird, da die Auslandstransfers signifikant zurückgegangen sind.

Allein die aktuell von türkischen Unternehmen in Deutschland erwirtschafteten 50 Milliarden Euro sollen sich bis 2010 nahezu verdoppeln, und das jährliche Sparvolumen soll sich auf 1,6 Milliarden Euro beziehungsweise zirka eine Milliarde Euro an Versicherungsprämien belaufen.

Bekenntnis zum Islam über die Generationen hinweg

Ein Blick auf die religiöse Zugehörigkeit lässt erkennen, dass sich zirka 95 Prozent der in Deutschland lebenden Türken zum Islam bekennen, und zwar unabhängig von den drei bereits in Deutschland lebenden Generationen (also der ersten Generation im Alterssegment 40 bis 70 Jahre, der zweiten Generation im Alterssegment 20 bis 40 Jahre und der dritten Generation bis 20 Jahre). Dabei hat sich die Selbsteinschätzung zur religiösen Verbundenheit von 2000 auf 2005 signifikant erhöht. Gaben im Jahre 2000 noch sieben Prozent an, sehr religiös und 64,6 Prozent religiös zu sein, so waren es 2005 bereits 28,1 Prozent, die sich als sehr religiös und 55,2 Prozent als religiös bezeichneten.

Bemerkenswert ist, dass neben den 2,6 Milliarden Euro, welche jährlich von türkischen Mitbürgern bereits in deutsche Bank- und Versicherungsprodukte investiert werden, es türkische Teilhabergesellschaften vor einigen Jahren (1995 bis 2002) sehr erfolgreich geschafft haben, mindestens weitere fünf bis 25 Milliarden Euro innerhalb der türkischen Community einzusammeln.

Die unter dem Namen Konya-Modell in der Türkei bekannt gewordenen Teilhabergesellschaften haben auch in der Bundesrepublik mit Verweis auf eine islamisch korrekte Geldanlage erheblichen Mittelzufluss generiert. So hatte zum Beispiel die Yimpas Group bis Jahresultimo 2001 zirka 150 Millionen Euro generiert. Das Unternehmen Jetpa hat vor allem in NRW zirka 250 Millionen Euro eingesammelt. Dabei konzentrierten sich die Teilhabergesellschaften auf Städte und Bundesländer mit dem höchsten Anteil an türkischen Bewohnern (Übersicht 4).

Übung mit einem aktiv gemanagten islamisch konformen Fonds

Mit einem einmaligen Marketing-Mix Konzept wurde innerhalb kurzer Zeit viel Liquidität eingesammelt, und wie bei jedem Schneeballsystem wurde auch in der Anfangsphase eine islamisch konforme Gewinnbeteilung für das eingezahlte Investment ausgeschüttet. Leider war die Konzeption jedoch von Anfang an nicht auf Basis einer soliden Due Diligence aufgebaut, sondern ihr Ziel war eindeutig, die eingesammelten Gelder zu veruntreuen. Insgesamt beläuft sich der Schaden auf geschätzte fünf bis 25 Milliarden Euro.

Auf der anderen Seite hatte die 100-prozentige Commerzbanktochter CICM (Commerz International Capital Management GmbH), als renommiertes deutsches Finanzinstitut im Januar 2000 zusammen mit der saudi-arabischen Dallah-Al-Barak-Bank einen aktiv gemanagten islamisch konformen Fonds (Al-Sukoor European Equity Fund/Falken-Fonds) aufgelegt, der seine Anlagegrundsätze nach den Vorgaben der islamischen Gelehrten ausgerichtet hatte und deshalb im Rahmen eines Industry Screenings nicht in folgende Unternehmenssektoren investieren durfte: Konventionelle Banken und Versicherungen, Alkohol oder Tabak, Schweinefleisch, Glücksspiel, Nachtclubs, Pornografie oder ähnliche Aktivitäten sowie Herstellung und Distribution von Rüstungsgütern.

Zusätzlich mussten die Kriterien eines Financial Ratio Screening eingehalten werden, die den Ausschluss von Unternehmen mit Verschuldungsgrad (Gesamtverschuldung/durchschnittliche Marktkapitalisierung) kleiner 33 Prozent, deren Summe an liquiden Mitteln sowie zinsbasierten Wertpapieren unter 33 Prozent, deren Debitorenstände unter 45 Prozent; und deren Zinseinnahmen unter fünf Prozent liegen mussten.

Aus einer Commerzbank Masterlist Europe, welche 1 055 Unternehmen enthielt, wurden im Rahmen des Industry Screening 756 Unternehmen herausgefiltert, welche in dem zweiten Schritt dem Financial Ratio Screening unterzogen wurden, sodass am Ende noch 317 erlaubte Unternehmen im Fonds vorhanden waren, zu denen Unternehmen aus den Segmenten Gesundheitswesen, Pharma, Energie, Metalle und Bergbau, Öl und Transportwesen gehörten. Dennoch wurde der Fonds Ende 2005 geschlossen.

Gründe für den gescheiterten Versuch

Die Gründe für die Schließung des am Ende mit lediglich knapp vier Millionen Euro ausgestatteten Fonds waren vielschichtig. Zum einen wurde der Fonds nicht in der relevanten Zielgruppe in Deutschland aktiv beworben, des Weiteren waren die Aktienmärkte nach dem 11. September 2001 einer deutlichen Kurskorrektur unterworfen und schließlich war in der GCC-Region, wo der Fonds durchaus beworben wurde, zum damaligen Zeitpunkt nicht die Equi-ty-, sondern die Real Estate Story das vorherrschende Anlagethema.

Interessanterweise hat der Dow Jones Islamic Market Index, der bereits seit 1999 besteht, gezeigt, dass seine Anlagekriterien die Anleger, unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit sehr wohl von extremen Wertberichtigungen zu schützen vermag, als er zum Beispiel Unternehmen wie Worldcom, Enron oder Tyco aus dem Index nahm, da sie die Knock-out-Kriterien des Financial Ratios Screening durchbrochen hatten.

Jüngstes Beispiel für die Sinnhaftigkeit eines islamisch basierten Investmentansatzes vor dem Hintergrund der allgemeinen Subprime-Krise ist der Dow Jones (DJ) Arab 50 Titans, der seit Anfang 2008 zu den besten regionalen Indizes zählt. Seit dem 1. Januar ist eine Rendite von 7,1 Prozent zu verzeichnen. Betrachtet man die letzten 52 Wochen, konnte der Index um gut 40 Prozent zulegen (Stand Ende April 2008). Damit lässt er den DJ Euro Stoxx 50, den DJ Global 50 und den DJ Asia 50 deutlich hinter sich.

Ethische Anlagegrundsätze ein globales Thema

Was jetzt im ersten Schritt in Deutschland erforderlich ist, sind daher keine kurzfristigen Marketingstrategien, sondern zielgruppenspezifische Konzepte, die darauf setzen, auf fundierter Grundlage geeignete, islamisch konforme Konzepte (Fonds, Vorsorge und Hausfinanzierung) zu entwickeln oder diese, da schon vorhanden im Rahmen eines Labeling für den deutschen Markt bereitzustellen, wobei diese dann über speziell geschulte Mitarbeiter am Point of Sale offeriert werden.

Diese Vorgehensweise erfordert jedoch die Bereitschaft, im Rahmen des Market-Entry-Prozesses zu investieren und das Verständnis für die religiösen Vorschriften, die im Islamic Business beachtet werden müssen. Die Etablierung eigener Shariah Supervisory Boards ist dabei nicht zwingend unter Kostenaspekten erforderlich.

Aufgrund der Erfahrungen in Indonesien oder Malaysia kann davon ausgegangen werden, dass sharia-konforme Investments nicht nur für Muslime, sondern auch für andere Zielgruppen von Interesse sind, denn die Umsetzung ethischer Anlagegrundsätze erfreut sich zunehmend einer größeren Nachfrage.

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