Aufsätze

Die aufsichtsrechtliche Behandlung Islam-konformer Investitionen

Islamic Banking & Finance ist ein Geschäft wie jedes andere auch. Dieses wird exemplarisch deutlich bei der hohen Anzahl von Islamic Banking & Finance-Kunden ohne eine islamische Religionszugehörigkeit. Daraus ist zu schließen, dass der Name leicht irreführend sein kann und eine Analyse unabdingbar ist, da die Tätigkeit von Investmentgesellschaften längst nicht mehr auf die islamisch geprägten Staaten beschränkt ist. So wird in Luxemburg aktuell eine verstärkte Aktivität von islamischen Fonds beobachtet.

Als erfolgreicher Nischenmarkt bereits etabliert

Die Thematik des Islamic Banking & Finance ist in der globalen Finanzwelt bereits als erfolgreicher Nischenmarkt etabliert. In den vergangenen zehn Jahren haben nach und nach immer mehr Finanzhäuser islamisch-konforme Produkte an den Markt geführt. Zu den Vorreitern zählte die Citigroup, die 1996 eine Filiale in Bahrain eröffnete. Ihr folgten später HSBC, ABN Amro, Société Générale und eine Reihe weiterer Häuser. Gab es 1999 weltweit noch rund ein Dutzend Islam-Fonds, so sind es inzwischen schon mehr als 760, Tendenz wachsend.1)

Nunmehr hat jüngst die Deutsche Bank einen entsprechenden Anlauf unternommen, indem sie Sukuk (in diesem Fall "Zertifikate") auf die von Dow Jones entwickelten Islamic-Market-Indizes anbietet. Diese werden in Übereinstimmung mit den Gesetzen des islamischen Rechts zusammengestellt und sind von Sharia-Gelehrten (Ethikkommission) überwacht. Um dauerhaft erfolgreich zu sein, haben die Deutsche Bank und die als Co-Emittent fungierende National Commercial Bank of Saudi-Arabia bei den nun aufgelegten Zertifikaten eine quantitative Analyse-Funktion integriert. Die Zielgruppe haben die Banker allerdings klar eingegrenzt. Diese Produkte sind vor allem ausgerichtet auf vermögende Privatkunden im Mittleren Osten und in Asien, jedoch bisher nicht in Deutschland.2)

Nachholbedarf in Deutschland

Das eigentliche Geschäft mit Islam-konformer Kapitalanlage machen die großen Finanzhäuser nämlich immer noch im arabischen Raum. Rund 270 Milliarden Dollar sind weltweit in den vergangenen Jahren in diesen Nischenmarkt geflossen, die jährlichen Wachstumsraten lagen häufig bei mehr als 20 Prozent.

Wirft man jetzt einen Blick auf die gegenwärtige Situation des Islamic Banking & Finance in der Bundesrepublik Deutschland, ist es erstaunlich, dass die Entwicklung in diesem Segment nicht weiter fortgeschritten ist.

Die Commerzbank-Investmenttochter Cominvest brachte vor zirka zwölf Jahren einen Aktienfonds in islamischer Tradition mit dem Namen Al Sukoor, der auf den GCC Markt fokussiert war. Der Vertriebsfokus lag auf GCC, die im Jahr 2000 mehr auf Real Estate Investment gesetzt haben (mit einem hohen Preisniveau). Die Ereignisse von "9/11" beeinflussten die Wertentwicklung negativ. In Deutschland war der Fonds weder bekannt noch wurde er von der Cominvest aktiv vertrieben. Exemplarisch scheiterte das Experiment der Commerzbank letztendlich auch an der fehlerhaften Vertriebs- und Marketingstrategien. Das Ergebnis war bis Ende 2005, mehr als fünf Jahre nach dem Start, dass das Anlagevolumen gerade einmal vier Millionen Euro betrug. Um einen Fonds ansatzweise rentabel zu betreiben, gelten in der Branche 20 Millionen Euro als absolutes Minimum.

Beispiel aus Sachsen-Anhalt

Exemplarisch positiv legte vor ungefähr acht Jahren das Bundesland Sachsen-Anhalt eine islamisch-konforme Anleihe auf. Die Landesregierung in Magdeburg übertrug eine Reihe von Nutzungsrechten an Gebäuden des Finanzamtes von Sachsen-Anhalt an eine neu gegründete Zweckgesellschaft (englisch Special Purpose Company (SPV)). Diese finanzierte den Deal mit Hilfe einer Anleihe, die - ganz nach den Regeln des Islams - statt Geldzinsen die Mieteinnahmen an die Anleger ausschütten soll.3) Der besondere Clou der Konstruktion: Die landeseigene Stiftung hat ihren Sitz in den Niederlanden - eben um Steuern zu sparen. Das Bundesland Sach-sen-Anhalt zahlte die vereinbarten Leasingraten an das SPV, das wiederum damit die Sukuk-Investoren bediente. Zum Ende wurde das Leasingverhältnis durch eine Einmalzahlung von 100 Millionen Euro getilgt.

Anhand der genannten Beispiele wird es deutlich, dass eine generelle Verneinung von Islamic Banking & Finance in der Bundesrepublik Deutschland nicht bestätigt wird. Im Folgenden wird die Herausforderung von Islamic Banking & Finance analysiert. Warum wird Islamic Banking & Finance in Deutschland nicht oder kaum angeboten?

Europäischer Pass als Grundlage

Bereits in den achtziger Jahren erfolgten erste Anfragen interessierter Kreise (zumeist Vertreter von Banken aus muslimisch geprägten Staaten, die in Deutschland über Geschäftsstellen aktiv sind) an das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen - BAKred. In diesbezüglichen Gesprächen wurde dabei darauf verwiesen, dass solche Geschäftsaktivitäten nicht im Kreditwesengesetz vorgesehen sind und es auch mit Blick auf einen gleichen Wettbewerb/bankaufsichtsrechtliche Vergleichbarkeit sowie hinsichtlich des Einlagenschutzes Bedenken gibt.

Die Bedenken wurden durch den europäischen Pass aufgehoben. Der "europäische Pass" findet als bildliche Bezeichnung im Banken- und dem Versicherungsrecht konkrete Anwendung. Es ist die seit 1993/94 eine durch EU-Banken - beziehungsweise Versicherungsaufsichtsrecht - gegebene pslgkacreuehn-ale Genehmigung für Ein ditinstitute und Wertpapierunternehmen sowie Versicherungen im Europäischen Wirtschaftsraum.4) Mittels einer in ihrem Herkunftsland erteilten Betriebserlaubnis können diese Unternehmen in allen anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowohl durch Zweigstellen als auch mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen tätig werden. Die Aufsicht für diese Tätigkeit wird dann auch vom Herkunftsland her wahrgenommen. Exemplarisch kann eine islamische Bank in Großbritannien mit Hilfe des europäischen Passes eine Zweigstelle in Deutschland eröffnen.

Abschreckung durch schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit

Ebenfalls ist der große Anlageskandal bei den meisten türkischen Mitbürgern nicht in Vergessenheit geraten. Von 1995 bis 2002 hatten türkische Gesellschaften in Moscheen, türkischen Zeitungen und Kulturvereinen für vermeintlich islamischkonforme Geldanlagen geworben. Diese sind bekannt geworden unter dem Oberbegriff Konya-Modell - Kombassan, Yimpas, Jet-Pa und eine Reihe kleiner Unternehmen. Das exzellente Marketing, unter anderem durch die Einbindung von türkischen politischen Mandatsträgern, führte maßgeblich zum Erfolg des Vertriebs des Konya-Modells. Zwischen 200000 und 300000 in Deutschland lebende Türken konnten sie für das "Konya-Modell", das unter dem Vorwand der Einhaltung islamischer Regeln hohe Gewinnausschüttungen versprach, überzeugen.

Doch diese wurden veruntreut und die Einleger verloren die investierten Gelder (geschätzte bis zu 25 Milliarden Euro). Der hohe Investitionsgrad von "Schwarzgeldern" spielte auch eine Rolle. Die deutsche Bankenaufsicht reagierte sofort und schloss ihrerseits die in Deutschland ansässige Geschäftsstelle - allein schon, um Plünderungsaktionen vermeiden zu helfen. Dort konnte man sich bis zur Schließung als stiller Teilhaber - und eben nicht als herkömmlicher Einleger/Sparkunde - in der Türkei engagieren. Da aber diese Geschäftsstelle deswegen keinem deutschen Einlagensicherungssystem angehörte, blieb den Kunden nur anteilig, was die Konkursmasse nach türkischem Recht noch hergab.5)

Die Vermeidung des Images eines dubiosen Schneeballsystems innerhalb des Islamic Banking & Finance ist unter Marketing- und Vertriebsaspekten zu berücksichtigen. Die offene Kommunikation und die objektive Nachvollziehbarkeit verbessert die öffentliche Wahrnehmung des Islamic Banking & Finance in der Bundesrepublik Deutschland.

Gesellschaftliche Belange im Vordergrund

Neben den genannten Argumenten ist die Wahrnehmung des logisch inkonsistenten Vorgehens im Islamic Banking & Finance durch angebliche "Umgehungsgeschäfte" zu deklarieren. Der Gedanke mit komplexeren Verträgen, exemplarisch das konventionelle Geldzinsgeschäft "umzubenennen", aber letztendlich das Gleiche abzubilden, ist nicht richtig. Die Dynamik der gesellschaftlichen Diskussionen über die Anlagebeziehungsweise Finanzinstrumente wird dabei nicht berücksichtigt. Im Grunde steht das Wohlergehen der gesellschaftlichen Belange im Vordergrund, ähnlich wie bei einer regionalen Genossenschaftsbank. Zu den genannten Punkten kommt die Überwindung von Informationsasymmetrien zwischen den Anbietern und Kunden als wesentliche Herausforderung für das Gelingen des Islamic Banking & Finance in der Bundesrepublik Deutschland.

Wieder auf den eingangs gestellten Fragenkreis zurückkommend, ist zu bemerken, dass es bis heute in Deutschland kein lizenziertes Kreditinstitut gibt, das überwiegend oder ausschließlich islamische Bankprodukte anbietet. Wohl aber gibt es seit wenigen Jahren einige Großbanken, die außerhalb Deutschlands allererste Aktivitäten in diese Richtung entfalten, in Fachkreisen auch "islamische Fenster" genannt.6)

In Deutschland haben also nach islamischen Prinzipien arbeitende Anlageinstrumente bis heute immer noch Seltenheitswert, obwohl Islamic Banking & Finance als alternatives Investment und im Rahmen der Risikobeimischung als ein Nischenprodukt weltweit Beachtung findet. Inzwischen scheint aber Bewegung in diese Frage gekommen zu sein, denn die Finanzdienstleistungsaufsicht beschäftigt sich nunmehr verstärkt mit dieser Frage und der Aspekt einer von ihr dazu ausgerichteten Tagung "Conference on Islamic Finance", 2009 in Frankfurt am Main, fand bereits mit der ersten Ankündigung in Fachkreisen ein großes Echo.7)

Islamic Banking & Finance in Deutschland?

Neben der ganzheitlichen Institutsbetrachtung besteht die Frage, welche Dienstleistungen im Rahmen des Islamic Banking & Finance von konventionellen Instituten unter den bestmöglichen ökonomischen und regulatorischen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten sind. Außer dem zuletzt boomenden, aber nun kritisierten Geschäft mit Sukuk (der Begriff Sukuk besitzt eine Bedeutungsvielfalt, darunter können sich grob islamische Anleihen besser Zertifikate, Fonds, Aktie oder auch ABS-Strukturen subsumieren) und dem Leasinggeschäft, ist vor allem das Investmentfondsgeschäft ein ideales Instrument im Islamic Banking & Finance-Geschäft in der Bundesrepublik Deutschland. Das islamische Rechtsverständnis widerspricht im Grunde nicht dem Investmentgesetz (InvG) und kann daher aufsichtsrechtlich behandelt werden. Im Folgenden werden Möglichkeiten eines islamischen Investmentfonds in der Bundesrepublik Deutschland skizziert.

Grundlagen der Investmentgesellschaften: Nach dem InvG erwirbt der Anleger Investmentanteile an der Kapitalanlagegesellschaft (KAG), die im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages i. S.d. § 675 BGB, auf eine Dienstleistung i. S.d. §§[611]ff. BGB zur Verwaltung des Sondervermögens verpflichtet ist. Die treuhänderische Verwahrung (§ 24 InvG) des Sondervermögens erfolgt durch die unabhängige Depotbank (Kontrollfunktion; § 27 InvG). Die KAG oder InvAG investieren das Kapital (Sondervermögen; § 30 InvG) von zahlreichen Anlegern in Vermögensgegenstände mit dem Ziel einer Kapitalrendite und Kapitalwertsicherung (§ 31 InvG). Aufgrund der gemeinschaftlichen Kapitalanlagen, ist die Summe des eingesammelten Investmentvermögens in höherem Umfang als im Vergleich zur Anlage in Einzelwerte, dabei kommen die Aspekte der Rendite- und Risikosteuerung zum Tragen (Abbildung).

In der Abbildung stellt das Investmentdreieck die grundlegenden rechtlichen Funktionen der Anleger, Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank dar. Die KAG legt das Vermögen ausschließlich zum Zweck der Verwaltung fremden Kapitals an. Der Depotbankvertrag regelt die Beziehungen zwischen der KAG und der Depotbank. Einige aufsichtsrechtliche Besonderheiten bringt die Frage die Genehmigungs- beziehungsweise Anzeigeverfahren eines islamischen Sondervermögens in der Bundesrepublik Deutschland hervor, diese werden im Folgenden skizziert.

Das richtlinienkonforme "islamische" Sondervermögen

Die inländischen und ausländischen EU-Investmentvermögen (Ucits), die ihre Anteile in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich vertreiben, bedürfen der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Mit der entsprechenden Änderung im InvG wurde der europäische Pass auf Investmentfonds und Verwaltungsgesellschaften entsprechend erweitert. Nach der Verordnung (EU) Nr. 584/2010 können inländische und ausländische Investmentgesellschaften Anteile des Sondervermögens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum öffentlich vertreiben.

Verwaltungsgesellschaften erhalten erstmalig eine EU-weit gültige Zulassung, wenn sie die neu formulierten Anforderungen erfüllen und das vorgesehene Anzeigeverfahren einhalten. Einmal zugelassen, darf eine Verwaltungsgesellschaft dann ihren Aktivitäten auch in anderen Mitgliedstaaten mit Hilfe von Zweigniederlassungen oder im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs nachgehen. In diesem Fall verfügt dann nicht nur das Sondervermögen, sondern auch die Kapitalanlagegesellschaft über einen europäischen Pass.

Diese Perspektive könnte für das beschleunigte Anbieten entsprechender Fondsfinanzprodukte mit islamischer Basis im kontinental-europäischen Wirtschaftsraum von Interesse sein. Denkbar ist die Konstruktion eines rechtlich selbstständigen, nach dem Islam konformen Regeln arbeitenden Fondsanbieters in London, wo bekanntlich schon seit Jahren ein gut funktionierender islamischer Finanzmarkt eingerichtet ist. Dieser kann im Zuge der Heimatlandaufsicht problemlos das unkomplizierte und schnelle Anzeigeverfahren des EU-Passes nutzen und auf diesem Weg in jedes beliebige Land der Europäischen Union als Anbietender "einreisen".8)

Aufsichtsrechtliche Herausforderungen

Die islamische Rechtsgrundlage: Die Grundlagen der Harmonisierung zwischen dem Islamic Banking & Finance und dem Islam leitet sich aus der Quelle ab, welche als primär und als wichtigste angesehen wird, dem Koran. Ihm folgt die Sunna, welches sekundär die überlieferten Äußerungen und Handlungen des Propheten Muhammed (sav.) berichtet. Die dritte Quelle Idschma beschreibt den Konsens der Rechtsgelehrten, die im Koran und in der Sunna nicht festgelegten Rechtsfragen abdeckt. Wenn ein Fall aus allen drei oben genannten Quellen nicht zufriedenstellend gelöst werden kann, folgt die Qiyas, der Analogieschluss der Quellen auf neue Fälle.

Das wohl populärste Kriterium für Islamic Banking & Finance-Konzepte ist das Geldzinsverbot (Riba).9) Zu beachten ist die Vermeidung des "Glückspieles" (Maysir) bei denen es nur Gewinner oder Verlierer gibt. Des Weiteren ist kurzfristiges Handeln untersagt. Für den Aktienhandel gilt die jedoch nicht, aber natürlich nur unter der Bedingung, dass es keinen "Haram" beinhaltet. Der Begriff Haram heißt wörtlich "nicht erlaubt" und bezieht sich vordergründig auf die Investitionen in Rüstungsgütern (gilt nicht für Waffen zur Landesverteidigung), Prostitution, Alkohol und Schweinefleisch sowie Tabak.10) Die klare Regelung heißt Profit Loss Sharing, das heißt, die Vertragsparteien sind sich einig bei der Haftung von Verlusten beziehungsweise die Aufteilung der entstehenden Gewinne. Alle Transaktionen sollen einen realwirtschaftlichen Hintergrund haben, deren rechtlicher Eigentümer beziehungsweise vertraglich eigentumsberechtigt ist.

Zusätzlich hat in der islamischen Ökonomie ein jeder die Pflicht, 2,5 Prozent seines Vermögens (Boden und Vieh haben andere Steuersätze), bei einem Mindestvermögen in Höhe von zirka 100 Gramm Gold (Nisab; Existenzminimum) an Bedürftige abzugeben. Das ist das sogenannte Zakat (eine religiös motivierte Abgabe, im Idealfall wird dieses als Quellensteuer erhoben. Sie ist nicht mit säkularen Steuern zu verrechnen und die Zahlung der Zakat ist nach Ablauf eines Mondjahres fällig. Die nähere Auseinandersetzung mit Thema Zakat würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher wird dieses nicht näher erläutert. Zusammengefasst finden sich in der Übersicht 1 die Kriterien der islamischen Ökonomie.

Islamisch-konforme Anlagegrundsätze

Die Anlagegrundsätze: Nach § 43 Abs. 4 Satz 1, Nr. 1 InvG steht, "nach welchen Grundsätzen die Auswahl der zu beschaffenden Vermögensgegenstände erfolgt, insbesondere welche Vermögensgegenstände in welchen Umfang erworben werden dürfen ..." Dabei ist die Schwierigkeit objektiv, nachvollziehbare detaillierte islamisch-konforme Anlagegrundsätze innerhalb der Vertragsbedingung zu definieren. Die Auslegung des islamischen Rechts ist je nach Denkschule im Detail vielfältig.

In der Praxis haben sich zwei Möglichkeiten etabliert, um islamisch-konforme Anlagegrundsätzen zu beschreiben. Entweder wird der Verweis in den Anlagegrundsätzen, auf bereits akzeptierte anerkannte islamisch-konforme Investments angegeben. Der Indexanbieter Dow Jones & Co., MSCI Inc. bietet etwa islamisch-konforme Indizes an, die Unternehmen in den USA, Singapur, Japan, Europa und Malaysia abbilden oder der Fonds stellt eigene maßgebliche islamisch-konforme Anlagegrundsätze/Anlagepolitik auf. Die sogenannte "Investment Restriktion List" definieren dabei die objektiv nachvollziehbare Anlagegrundsätze des Fonds.

Funktion der Ethikkommission: Die Ethikkommission (auch genannt: Sharia Board),11) setzt sich aus einer Mindestanzahl von drei Rechtsgelehrten und/oder Experten zusammen und ist in gewisser Weise als Anlageausschuss (das "vierte" Element am Investmentdreieck) rein beratend tätig. Deren Aufgabe ist neben der Konkretisierung (Zertifizierung - Fatwa) noch nicht bestehender islamisch-konformer Produkte, die laufende Überprüfung des Managements, die Geschäftsprozesse und Anlageentscheidungen auf die Einhaltung der oben erwähnten islamischen ökonomischen Kriterien.12)

Bei Produktinnovationen ist zusätzlich die Einholung einer Meinung (Pre-Fatwa) erforderlich. Produktmanagement und Ethikkommission arbeiten zusammen. Nach Einholung einer Grundsatzentscheidung werden die vertraglichen Dokumente aufgesetzt und dann final der Ethikkommission zur Prüfung vorgelegt. Am Ende des Prozesses erfolgt die Zertifizierung in Form einer Stellungnahme (Fatwa).

Die Definition des "Liste der Restriktionen" (Anlagegrundsätze), Überwachung der Anlagepolitik und die Erstellung allgemeiner Leitlinien, sind die grundlegenden Rollen der Rechtsgelehrten. Die Investmententscheidung obliegt dem Fondsmanager, der sich an die Vorgaben der Ethikkommission hält.

Mitglieder der Ethikkommission dürfen in keiner Weise für das zu überprüfende Institut tätig sein, können aber für verschiedene Institute im Bereich der Produktentwicklung beziehungsweise Kontrolle aktiv werden. Die Liste der Restriktionen für die Anlagegrundsätze sind im Kern das Industry-Screening, Financial-Ratio-Screening und Quality-Screening (Übersicht 2), dies gilt allgemein für alle islamisch-konforme Investments.

Das positive Ergebnis des Industry- Screenings, Financial-Ratio-Screenings und Quality-Screenings wird durch die Zertifizierung (Fatwa) der Ethikkommission bestätigt und laufend überprüft.

Automatische Spende für soziale Projekte

Purifikation: Für eine entsprechend qualifizierte Auswahl von Unternehmen ist also zum einen entscheidend, was die Unternehmen herstellen oder mit welcher Art von Waren sie Geschäfte machen. Zum anderen ist entscheidend, ob die Unternehmen zu viel an Geldzinsen verdienen. Ein Minimum an Geldzinsgeschäften ist also auch hier unvermeidlich. Lassen sich Geldzinsen einfach nicht vermeiden, so werden diese bisweilen für wohltätige Zwecke gespendet. Die Verantwortlichen des Aktienfonds geben zu, dass die Geschäfte mit dem Fonds aufgrund dieses Minimums an Zinsen nicht ganz "rein" sind, was die Einhaltung islamischer Regeln betrifft. Nicht zuletzt, um dieses Manko "auszugleichen", wird ein gewisser Anteil des Fondsgewinns automatisch für soziale Projekte gespendet. Die Verfehlungen können zum Teil durch Spenden an gemeinnützige Organisationen geheilt werden.

Haftungsrisiken dynamischer Interpre tationspluralismus und Werbung: Der dynamische Interpretationspluralismus ist gegeben, und zwar aufgrund von verschiedenen Auslegungen der Denkschulen. Dieses kann eine Verzögerung oder im Nachgang die "islamische Fatwa" revidieren und ein Haftungsrisiko auslösen. Im Vorfeld ist daher im Verkaufsprospekt und in den wesentlichen Anlegerinformationen, ein ausführlicher Hinweis auf die Verantwortung der Ethikkommission aufzunehmen, die im Fall nicht allgemein vertretener Auslegung in Haftung genommen werden können. Der Haftungsausschluss für die Initiatoren und der Investmentgesellschaft ist notwendig.

Die Marketingaktivitäten in Form von jeglicher Werbung der "islamischen Fatwa" sind rechtlich schwierig und sollten nicht aktiv angewendet werden. Die kompetente Rolle der Rechtsgelehrten, die laufend die Überprüfung des Managements, der Geschäftsprozesse und der Anlagepolitik auf die Einhaltung von Industry-Screening und Financial-Ratio-Screening, ist als Werbung in Form der absoluten Transparenz anzusehen. Die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells von Islamic Banking & Finance ist mangels hinreichender Erfahrung national noch nicht gegeben.

Die angemessene Information des Anlegers vor dem Erwerb von Investmentanteilen (Verkaufsunterlagen und Hinweispflichten § 121 InvG) wird durch die kostenlose und unaufgeforderte Bereitstellung des ausführlichen Verkaufsprospektes und durch die wesentlichen Anlegerinformationen erreicht. Auf die Anfrage des Anlegers muss die KAG kostenlos die Zurverfügungstellung des ausführlichen Verkaufsprospektes (einschließlich Vertragsbedingungen) und des zuletzt veröffentlichten Jahres- und Halbjahresberichtes bereitstellen.

Offene Kommunikation

Das deutsche Recht steht islamischen Fonds nicht entgegen, solange die Vermeidung des dynamischen Interpretationspluralismus der Denkschulen (insbesondere bei Veröffentlichungspflichten, Prospekthaftung und die Werbung nach § 124 InvG) berücksichtigt werden. Ein weiterer Aspekt sind die Marketingaktivitäten und Vertriebsstrukturen, vor allem sind diese im Privatkundengeschäft von besonderer Bedeutung. Exemplarisch sollten daher Kooperationen mit der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. oder ähnlichen Vereinigung gesucht werden, um den erfolgreichen Vertrieb des Produktes zu garantieren.

Daher sollte das Ziel sein, die offene Kommunikation, die objektive Nachvollziehbarkeit der Funktion der Ethikkommission, der Anlagepolitik, der Purifikation und die Anlegergrundsätze (Industry-Screening, Financial-Ratio-Screening und Quality-Screening) ergänzend zu den allgemeinen konventionellen Vorgaben der Investmentfonds zu berücksichtigen, um einen erfolgreichen ersten Schritt in diesem Segment zu gehen.

Der Artikel spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung der Verfasser wider.

Fußnoten

1) The CityUK: Islamic Finance 2011 report. May 2011: S. 7.

2)Vgl. Gassner, Michael/Wackerbeck, Philipp: Islamic Finance: Islam-gerechte Finanzanlagen und Finanzierungen, Köln, Bank-Verlag, 2007, S. 33ff.

3) Vgl. BFinance, "Sachsen-Anhalt emittiert Sukuk Bond", 12. Juli 2004.

4) Vgl. Springer Fachmedien, "Gabler's Wirtschaftslexikon", Kurzerklärungen.

5) Vgl. Innovationsreport, "Islamic Finance braucht eine Lobby", 11. November 2008.

6) Vgl. International Financial Services, London (IFSL) Islamic Finance 2010 Studie: S. 3.

7) Netzseite BaFin: "Islamic Finance, German regulator BaFin organizes Islamic finance conference", aufgerufen am 1. Juli 2009.

8) Liste der ausländischen EU-Investmentvermögen (UCITS), die ihre Anteile in der Bundesrepublik Deutschland öffentlich vertreiben dürfen unter http://www.bafin.de/cln_228/SharedDocs/Downloads/DE/Verbraucher/Recherche/marginal/li__invest__pdf, templateId=raw, property=publicationFile. pdf/li_invest_pdf.pdf.

9) Literaturempfehlungen zur Geldzinsproblematik (deutschsprachig): Amereller, Florian: Hintergründe des "Islamic Banking": Rechtliche Problematik des Riba-Verbotes in der Sharia und seine Auswirkungen auf einzelne Rechtsordnungen arabischer Staaten, Berlin, Duncker & Humblot GmbH, 1995; Lohlker, Rüdiger: Das islamische Recht im Wandel: Riba, Zins und Wucher in Vergangenheit und Gegenwart, Münster, Waxmann Verlag, 1999; Bälz, Kilian Rudolf: Versicherungsvertragsrecht in den arabischen Staaten, Berlin, Verlag Versicherungswirtschaft e. V., 1997.

10) Vgl. Bergmann, Daniel: Islamic Banking - Ein Studienhandbuch, Norderstedt, Books on Demand GmbH, 2008, S. 37

11) Vgl. The Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI): Shari´a Board, http://www.aaoifi.com/sharia-board.html, aufgerufen am 6. September 2011.

12) Vgl. Gassner, Michael/Wackerbeck, Philipp: Islamic Finance: Islam-gerechte Finanzanlagen und Finanzierungen, Köln, Bank-Verlag, 2007, S. 33-36.

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