Gespräch des Tages

Mittelstand - Liquidität contra Finanzanlage?

Der Mittelstand kann sich derzeit nicht beklagen, denn die Auftragsbücher sind voll. Die Unternehmen verzeichnen nicht nur deutliche Umsatzsteigerungen, auch die Umsatzrentabilität erhöhte sich. Das nutzen die Unternehmen zum einen zur Stärkung der eigenen Mittel, die Eigenkapitalquote liegt nach Berechnungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes mit 18,3 Prozent auf dem höchsten Stand seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1995. Zum anderen verfügt der Mittelstand über Liquiditätsreserven, die nicht nur in Anlagen und Maschinen reinvestiert, sondern auch am Kapitalmarkt angelegt werden können.

Aktuell haben rund 60 Prozent der Mittelständler in Deutschland akuten Anlagebedarf. Das durchschnittliche Anlagevolumen hat sich von rund 100000 Euro im Jahr 2009 auf rund 1,2 Millionen Euro im vergangenen Jahr mehr als verzehnfacht. Allerdings liegt es immer noch ein gutes Stück unter dem Vorkrisenniveau aus 2007 mit durchschnittlich 1,7 Millionen Euro. Das ergab die Studie "Finanzanlageverhalten und Finanzanlagebedürfnis mittelständischer Unternehmen" der Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) in Bielefeld, die im Auftrag der Commerzbank durchgeführt wurde. Hinsichtlich der Anlageformen setzen die Unternehmen vorzugsweise auf Sichteinlagen und Festgeld (81 beziehungsweise 70 Prozent) mit einer Laufzeit von unter einem Jahr. Nur ein Anteil von 26 Prozent will längerfristig investieren, wobei dies meist mit der Abdeckung von Pensionsverpflichtungen oder der Speisung eines betrieblichen Altersvorsorgesystems einhergeht. Neben Sichteinlagen und Festgeldern wurden aufgrund der starken Exportorientierung des Mittelstandes Anlagen in Fremdwährungen (plus 18 Prozent gegenüber 2009) und in Derivaten ausgebaut, die inzwischen von gut einem Fünftel der Befragten eingesetzt wird.

Angesichts der präferierten kurzfristigen Anlage zum Parken von überschüssiger Liquidität sind die Renditeerwartungen der mittelständischen Unternehmer mit aktuell 2,6 Prozent (5,88 Prozent im Jahr 2007 und 5,24 Prozent 2009) ambitioniert. Denn auch wenn Banken vor dem Hintergrund aufsichtsrechtlicher Vorgaben um Einlagen werben, sind nur einige Häuser bereit, dafür deutlich über zwei Prozent Zinsen zu zahlen und dann meist auch nur für ausgewählte Unternehmen und im längerfristigen Termingeldbereich. Im Umgang mit ihrer Bank legen die Unternehmer großen Wert auf persönliche Beratung. 40 Prozent der Befragten (der höchste Wert in dieser Kategorie über alle bisher durchgeführten Studien der FHM) erachten dies als sehr wichtig, für 90 Prozent ist sie zumindest wichtig. Vor allem der Kompetenz des Beraters, guter Servicequalität und Vertrauenswürdigkeit messen die Unternehmen sehr hohe Bedeutung bei. Eigenschaften, die der eigentlichen Aufgabe des Finanzsektors, der Realwirtschaft zu dienen, widerspiegeln. Als Folge der Diskussion um die Stabilität von Banken ist für drei Viertel der Befragten wichtig, dass das Institut einem Einlagesicherungsfonds angehört.

Erstaunlich ist, dass viele Unternehmen die angelegten Festgelder über Jahre hinweg immer wieder verlängern, um jederzeit liquide sein zu können, ohne sie tatsächlich abzurufen. Damit werden viele Renditepotenziale verschenkt. Natürlich hat die Commerzbank als Auftraggeberin der Studie auch Lösungen parat, wie sich beides (Liquidität und eine überlegte Anlagestrategie) erreichen lässt. Eine Taktik bestünde etwa in der Staffelung von Termingeldern mit unterschiedlichen Laufzeiten, um besser mit dem Zeitversatz zwischen Produktion und Verkauf und damit dem Liquiditätsbedarf umzugehen. Für stark exportorientierte Unternehmen bieten sich laut Commerzbank sogenannte Enhanced Deposits an. Dabei werden die überschüssigen Bestände in Fremdwährungen, die nicht zum Begleichen von Rechnungen oder Ähnlichem benötigt werden, mit Laufzeiten von bis zu einem Monat investiert. Der Kunde kann dabei einen Zins von bis zu vier Prozent erzielen. Am Ende der Laufzeit entscheidet allerdings die Bank, ob die Gelder zu einem vorher festgelegten Kurs in Euro oder in US-Dollar zurückgezahlt werden.

Bei allem richtigen Engagement der Commerzbank darf eines nicht vergessen werden: Den Mittelständler als Kunden haben viele Banken ins Herz geschlossen. Und in der Regel bekommt nur der sein Geld, der dem Unternehmer auch mit Geld, sprich Kredit bei Bedarf zur Seite steht.

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