Aufsätze

Reform der Aufsichtsräte von Banken - Lösung des Problems?

Mittlerweile geht die Subprime-Krise in ihr drittes Jahr und ist nicht mehr allein auf den Finanzsektor beschränkt, sondern hat auch weite Teile der Realwirtschaft erfasst. Während die Maßnahmen der Regierungen und Zentralbanken weltweit zunächst darauf abzielten, die unmittelbaren Folgen der Krise auf die Realwirtschaft und den Finanzsektor zu begrenzen, geht es mittlerweile darum, künftige Krisen zu verhindern. Ein zentrales Ziel dieser Maßnahmen ist, die Corporate Governance im Bankensektor zu verbessern, da Defizite bei der Corporate Governance als eine der Hauptursachen für die Entstehung der Finanzmarktkrise gesehen werden.1) Kritik an der Güte der Überwachung Insbesondere die Vergütungssysteme für Bankmanager werden für die Krise verantwortlich gemacht, da sie das Management zur Erzielung kurzfristiger Gewinne und zum Eingehen hoher Risiken motiviert haben sollen. Darüber hinaus richtet sich die Kritik auf die Aufsichtsräte der Banken, die nach Ansicht der Öffentlichkeit ihre Überwachungsfunktion nicht ordnungsgemäß wahrgenommen haben. Diese Sichtweise stimmt mit den Ergebnissen einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter mehr als 200 Vertretern aus dem Finanzsektor überein. Danach sind knapp 90 Prozent der befragten Finanzmarktexperten der Ansicht, dass die Bankaufsichtsräte für die Krise mitverantwortlich sind (siehe Abbildung 1).2) Finanzexperten sehen Reformbedarf bei den Aufsichtsratsstrukturen von Banken. Sie kritisieren vor allem die fehlende Unabhängigkeit, Erfahrung und Fachkenntnis der Aufsichtsratsmitglieder. Darüber hinaus konzentriert sich die Kritik auf die Struktur der Aufsichtsräte, die eine effiziente Kontrolle erschwere. Um künftige Krisen zu vermeiden, werden derzeit unterschiedliche Regelungen diskutiert, mit denen die Kontrolle durch den Aufsichtsrat verbessert werden soll. Reformbedarf sehen auch die vom ZEW befragten Experten. Rund 90 Prozent von ihnen halten Änderungen der Aufsichtsratsstrukturen bei Banken für notwendig (siehe Abbildung 1). Zuletzt standen insbesondere die Anfang Juni im Grünbuch der EU-Kommission veröffentlichten Vorschläge zur Reform der Aufsichtsratsstrukturen im Zentrum der Diskussion.3) Um die Kontrolle durch den Aufsichtsrat zu stärken, sieht die Kommission spezielle Anforderungen hinsichtlich der Erfahrung und der Fachkenntnis der Aufsichtsratsmitglieder vor. Nach Einschätzung der vom ZEW befragten Experten geht dieser Ansatz in die richtige Richtung. Rund 70 Prozent von ihnen halten Anforderungen an das Qualifikationsprofil und mehr als die Hälfte Anforderungen an die Erfahrung der Aufsichtsratsmitglieder für sehr geeignet, um die Kontrolle durch den Aufsichtsrat zu verbessern (siehe Abbildung 2). Informationsrecht gegenüber dem Vorstand stärken Wichtig ist nach Ansicht der Experten auch, das Informationsrecht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand zu stärken und die Anzahl der Aufsichtsratsmandate pro Aufsichtsratsmitglied zu begrenzen. Letzteres wird auch von der EU-Kommission aufgegriffen und soll sicherstellen, dass die Aufsichtsratsmitglieder ausreichend Zeit haben, um ihren Pflichten ordnungsgemäß nachkommen zu können. Eher fragwürdig ist hingegen, ob Anforderungen an eine größere Vielfalt zum Beispiel hinsichtlich des Geschlechts oder des kulturellen und sozialen Hintergrunds der Aufsichtsratsmitglieder, wie im Grünbuch vorgeschlagen, die Qualität der Kontrolle verbessern. Neben der mangelnden Expertise der Aufsichtsratsmitglieder wird vor allem auch deren Abhängigkeit vom Vorstand kritisiert. Eine Möglichkeit, die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats zu erhöhen, ist es, den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat erst nach Ablauf einer bestimmten Frist zu erlauben. Durch eine Sperrfrist kann die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats erhöht und die Befangenheit eines ehemaligen Vorstandsmitglieds im Aufsichtsrat reduziert werden. Diese entsteht dadurch, dass häufig die Folgen des eigenen Handelns kontrolliert werden müssen. Eine Sperrfrist wird von knapp zwei Drittel der Experten für geeignet oder sehr geeignet gehalten, um die Kontrollfunktion durch den Aufsichtsrat zu verbessern. Deutlich skeptischer sind die Experten hingegen gegenüber einer Begrenzung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder und einer erfolgsabhängigen Entlohnung der Aufsichtsräte. Reform der Aufsichtsräte in Deutschland In Deutschland wurden seit Ausbruch der Krise bereits einige Maßnahmen zur Stärkung des Aufsichtsrats ergriffen. Bisher sind hiervon jedoch überwiegend börsennotierte Banken betroffen. So sieht beispielsweise der Deutsche Corporate Governance Kodex seit Kurzem vor, dass bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats darauf zu achten ist, dass die Mitglieder über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen, damit sie ihrer Aufgabe ordnungsgemäß nachgehen können.4) Des Weiteren schlägt der Kodex vor, dass Vorstandsmitglieder erst nach einer Frist von zwei Jahren in den Aufsichtsrat wechseln dürfen. Abgeschwächt wird diese Anforderung dadurch, dass ein Aktionär diese Regelung unterlaufen kann, wenn er mehr als 25 Prozent der Stimmrechte besitzt. Weitaus problematischer ist allerdings, dass der Kodex selbst für börsennotierte Banken nicht bindend ist. Vor allem kleinere Banken wenden den Kodex nicht an, während die Großbanken in der Regel die Empfehlungen des Kodex vollständig umgesetzt haben. Die meisten Landesbanken wenden den Kodex ebenfalls nicht an. Das ist problematisch, weil insbesondere die Landesbanken Defizite bei der Corporate Governance aufweisen. So zeigt eine Studie von Hau und Thum (2009) für 29 deutsche Banken, dass die Aufsichtsräte der Landesbanken im Vergleich zu den Privatbanken deutlich weniger Erfahrung und weniger Fachkenntnisse haben als die Aufsichtsräte von Privatbanken. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Unterschiede eine wesentliche Ursache für die hohen Verluste der Landesbanken in der Finanzkrise waren.5) In die richtige Richtung Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die im Grünbuch veröffentlichten Vorschläge in die richtige Richtung gehen. Vor allem der Vorschlag, höhere Anforderungen an die Qualifikation und die Erfahrung der Aufsichtsratsmitglieder zu stellen, ist positiv zu bewerten und sollte die Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat verbessern. Der Vorschlag, ehemaligen Vorstandsmitgliedern erst nach Ablauf einer bestimmten Frist die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zu ermöglichen, ist ebenfalls eine wichtige Weichenstellung. Angesichts der Expertise ehemaliger Vorstandsmitglieder ist diese einem vollständigen Verbot des Wechsels in den Aufsichtsrat allemal vorzuziehen. Dennoch bleibt fraglich, ob durch die angestrebten Reformen eine künftige Krise verhindert werden kann. Der Grund hierfür ist, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats von den Aktionären gewählt werden. In Deutschland setzt sich der Aufsichtsrat beispielsweise bei Banken mit mehr als 2000 Mitarbeitern zu zwei Dritteln aus Aktionärsvertretern und zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer zusammen. Damit wird der Aufsichtsrat faktisch von den Aktionären kontrolliert und hat deren Interessen zu vertreten. Da die Aktionäre ihr Vermögen diversifizieren können und die Verluste im Falle einer Insolvenz auf ihre Eigenkapiteleinlage begrenzt sind, haben die Aktionäre einen starken Anreiz, das Risiko zu erhöhen, um die Rendite auf ihre Beteiligung zu steigern. Dieser Anreiz war insbesondere in den Jahren vor dem Ausbruch der Finanzmarktkrise stark ausgeprägt, da sich viele Aktionäre an stets höheren Erträgen und Eigenkapitalrenditen erfreuten.6) Hätte ein Bankmanager zu dieser Zeit eine eher konservative Strategie zulasten der Rendite verfolgt, wäre er Gefahr gelaufen, seine Position zu verlieren, entweder weil die Aktionäre ihn abgewählt hätten oder die Bank übernommen worden wäre. Zusätzlich wurde die Risikoneigung der Manager durch die bestehenden Vergütungssysteme erhöht. Über Letztere wird im Aufsichtsrat entschieden, der im Interesse der Aktionäre den Vorstand kontrolliert. Insofern kann die Vergütungspolitik der Banken vor der Krise auch als Maßnahme der Aktionäre verstanden werden, den Vorstand zum Eingehen hoher Risiken zu motivieren und die Eigenkapitalrendite kurzfristig zu erhöhen.7) Stärkere Unabhängigkeit von den Aktionären Bezogen auf die Reformvorschläge für den Aufsichtsrat bedeutet das, dass Anforderungen beispielsweise an die Qualifikation oder die Erfahrung der Aufsichtsratsmitglieder das Risiko einer Bank solange nicht verringern, wie sich bei den Aktionären die den Aufsichtsrat wählen - nicht die Erkenntnis durchsetzt, dass höhere Renditen nur durch das Eingehen höherer Risiken erzielt werden können. Das scheint in den Jahren vor der Krise nicht der Fall gewesen zu sein, wie Gropp und Köhler (2010) in ihrer Studie zeigen.8) Sie untersuchen, ob Banken, die von ihren Eigentümern kontrolliert werden, höhere Verluste infolge der Krise erlitten haben als Banken, die von ihren Managern kontrolliert werden. Ihren Ergebnissen zufolge mussten Banken, die in Ländern mit einem höheren Aktionärsschutz ansässig sind, größere Verluste hinnehmen als Banken, die in Ländern beheimatet sind, in denen die Aktionäre weniger Rechte zur Durchsetzung ihrer Interessen haben. Das deutet darauf hin, dass Banken, die von ihren Eigentümern kontrolliert werden, höhere Risiken eingegangen sind als Banken, die von ihren Managern kontrolliert werden.9) Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, nicht allein die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats gegenüber dem Management, sondern auch gegenüber den Aktionären zu erhöhen. Die EU-Kommission greift diesen Punkt indirekt auf, indem sie fordert, dass der Aufsichtsrat auch stärker auf die Interessen der Arbeitnehmer und Einleger eingehen soll. Eine Möglichkeit, den Aufsichtsrat konkret zu einer langfristigen Perspektive bei der Kontrolle des Vorstands zu bewegen und damit stärker die Interessen der Arbeitnehmer und Einleger zu vertreten, ist, die Entlohnung des Aufsichtsrats vom Erreichen langfristiger Ziele abhängig zu machen. Das Grünbuch schlägt weiter vor, die Leistung des Aufsichtsrats durch externe Institutionen evaluieren zu lassen. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Vorschläge zur Reform der Aufsichtsräte an den richtigen Stellen ansetzen. In Bezug auf die Abhängigkeit des Aufsichtsrats von den Aktionären und der stärkeren Ausrichtung des Aufsichtsrats auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsstrategie besteht hingegen noch Nachbesserungsbedarf. Fußnoten 1) Siehe zum Beispiel den von der OECD herausgegebenen Bericht "The Corporate Governance Lessons From the Financial Crisis" oder den von der EU veröffentlichten Larosière Report. Beide Berichte stammen aus dem Jahr 2009. 2) Die Umfrage wurde im Januar 2010 vom ZEW im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests durchgeführt. An der Umfrage haben sich 222 Experten aus dem Finanzsektor beteiligt. 3) Grünbuch der EU-Kommission zu "Corporate Governance in Financial Institutions and Remuneration Policies". 4) Für einen Überblick über weitere Maßnahmen, die von der Bundesregierung im Laufe der Finanzmarktkrise zur Verbesserung der Corporate Governance von Banken verabschiedet wurden, siehe M. Köhler, 2010: Corporate Governance and Current Regulation in the German Banking Sector: An Overview and Assessment, in: ZEW Discussion Paper, No. 10-002. 5) H. Hau und M. Thum, 2009; "Subprime Crisis and Board (In-)Competence: Private vs. Public Banks in Germany", in: Economic Policy, Vol. 24, S. 701-751. 6) Siehe hierzu zum Beispiel den Larosière Report oder Seite 4 im Grünbuch. 7) Zur Risikoneigung des Managements siehe zum Beispiel die Arbeiten von Y. Amihud und B. Lev, 1981: Risk Reduction as Managerial Motive for Conglomerate Mergers, in: Bell Journal of Economics, Vol. 12, S. 605-617; B. Holmstrom and J. Ricart I Costa, 1986: Managerial Incentives and Capital Management, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 101, S. 835-860 und D. Hirshleifer and A. V. Thakor, 1992: Managerial Conservatism, Project Choice, and Debt, in: Review of Financial Studies, Vol. 5, S. 437-470. 8) R. Gropp und M. Köhler, 2010: Bank Owners or Bank Managers: Who is Keen on Risk? Evidence From the Financial Crisis, in: ZEW Discussion Paper, No. 10-013. 9) Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen die Studien von A. Beltratti und R. Stulz, 2009: Why Did Some Banks Perform Better During the Credit Crisis? A Cross-Country Study of the Impact of Governance and Regulation, in: NBER Working Paper, No. 15180 und R. Fahlenbrach und R. Stulz, 2009: Bank CEO Incentives and the Credit Crisis, in: NBER Working Paper, No. 15212, Abbildung 1.

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