Interview

Uwe Fröhlich "Wir wollen mehr als nur Bankprodukte ins Internet bringen"

Von außen betrachtet scheint derzeit die Stimmung in der Genossenschaftsorganisation besser zu sein als im Rest der hiesigen Bankenwelt. Sind Ihre Kollegen allesamt zufrieden?

Zufrieden ist vielleicht der falsche Begriff. Die Verantwortlichen in der gesamten Organisation beschäftigen sich sehr aktiv mit der Zukunft - und dazu gehören die erfreulichen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit ebenso wie die Herausforderungen, die aus den Ergebnisvorschaurechnungen aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsphase ablesbar sind. Sorgen bereitet uns weniger die Fristentransformation, sondern eher die wesentlich niedriger verzinsten Neuanlagen im Eigenanlagen- und Kundengeschäft. Wenn höher verzinste Geschäfte aus dem Bestand auslaufen, tut das derzeit allen Banken weh.

Zur Zuversicht in der Genossenschaftsorganisation trägt allerdings bei, dass wir in den vergangenen Jahren offensichtlich vieles richtig gemacht und insbesondere in der schwierigen Phase des Jahres 2009 gut zusammengehalten haben. Darüber hinaus haben wir im Markt aktiv die Chancen wahrgenommen, die sich im Laufe der Krise geboten haben. In der noch deutlicheren Fokussierung auf das genossenschaftliche Geschäftsmodell vor Ort haben wir inzwischen alle gemeinsam die Gruppe auch in dieser Hinsicht gut positioniert. Im Ergebnis ist die Mitgliedschaft bei den Ortsbanken wieder sehr populär: Die Zahl der Mitglieder hat auch 2012 um gut 346 000 auf inzwischen 17,3 Millionen zugenommen.

Aufgrund der Eigenkapitalstärke unserer Gruppe und des großen Kundenzuspruchs macht derzeit auch das Kreditgeschäft Spaß. Die Themen Energiewende und erneuerbare Energien bescheren uns einen Nachfrageschub, und auch im Wohnungsbau, im klassischen Firmenkunden- und gewerblichen Geschäft läuft es gut. All das zusammen genommen lässt unsere Gruppe zwar mit Respekt in die Zukunft schauen, gibt aber auch Vertrauen in unsere Stärken.

Wie ist die Margenentwicklung im Kreditgeschäft, wenn auslaufende Kredite nur zur Hälfte der früheren Zinssätze verlängert werden können?

Die deutlich zurückgegangenen Kundenkonditionen sind in erster Linie durch das politisch motivierte Niedrigzinsniveau bedingt. Engere Margen auf Bankenseite sehen wir sowohl im Einlagen- als auch im Kreditgeschäft. Zusätzlich spüren wir, wie intensiv und teils mit aggressiven Konditionen viele Wettbewerber im Kundengeschäft unterwegs sind. Aber gerade in der Fläche wissen unsere Genossenschaftsbanken sehr gut mit diesen Bedingungen umzugehen, weil das Firmenkundengeschäft maßgeblich auf langjährig gewachsenen vertrauensvollen Kundenbeziehungen basiert. Letztlich hilft an dieser Stelle auch das Verständnis unseres dezentralen Geschäftsmodells durch die Kunden vor Ort. Diese sehen sehr häufig in Bankbeziehungen zu den Instituten der beiden Verbundgruppen einen stabilisierenden Mehrwert auch für ihr eigenes Unternehmen.

"Erhöhung der Kundennähe", "Übertragung von Entscheidungskompetenzen in die Filialen", "Stärkung der regionalen Verankerung und Vernetzung": All das sind Originaltöne aus einer Verlautbarung der Deutschen Bank zur Stärkung der Filialbank in Deutschland. Werten Sie das als Bestätigung des Konzeptes der Genossenschaftsorganisation?

Das klingt in der Tat ein wenig wie von uns abgeschrieben. Aber die Ankündigung mancher Wettbewerber allein verändert nicht die Situation der Genossenschaftsbanken. Man muss sich fragen, inwieweit ein solches Konzept von Großbanken unter betriebswirtschaftlichen Zwängen tatsächlich umgesetzt wird. Letztendlich bezweifle ich, dass die Großbanken an dieser Stelle eine offensive Marktstrategie mit neuen Niederlassungen und/oder neuem Personal umsetzen. Soweit dieser Wettbewerb unter fairen Bedingungen abläuft, sehen wir ihm im Übrigen selbstbewusst entgegen.

Wie geht die genossenschaftliche Organisation mit größeren Kreditanfragen um. Nimmt neben der stärkeren Zusammenarbeit mit DZ Bank und WGZ Bank auch das Konsortialgeschäft auf Ebene der Primärbanken zu?

Bei sehr großen Kreditengagements kommen unsere Volksbanken und Raiffeisenbanken aufgrund ihrer Größenstrukturen zuweilen an ihre Grenzen. In solchen Fällen funktioniert der Verbund: sowohl horizontal zwischen Primärbanken als auch im kräftig wachsenden Konsortialgeschäft der Ortsbanken mit den beiden Zentralbanken. Unter Führung der DZ Bank und WGZ Bank arbeiten der BVR und die gesamte Gruppe gerade erfolgreich in der Kampagne "Deutschland - made by Mittelstand" zusammen, die derzeit im Markt positioniert wird. Wir sind auch bei großen Kreditengagements nicht in der Defensive, sondern wollen weiter deutlich wachsen.

Ist die Kundenbindung über die Mitgliedschaft bei dem heutigen Abstand der Dividendenhöhe zur normalen Einlagenverzinsung nicht recht teuer?

Der Vergleich der Einlagenverzinsung mit der durchschnittlichen Dividende auf Geschäftsguthaben greift zu kurz. Wir sehen die Mitgliedschaft nicht als Anlageprodukt im eigentlichen Sinne. So ist die Motivation, Mitglied bei einer Genossenschaftsbank zu werden, auch nicht in erster Linie die Dividende. Mitgliedschaft ist vielmehr ein Manifest der Kundenbeziehung von beiden Seiten. Die Bank muss dem Kunden den Mehrwert deutlich machen, bei ihr Mitglied zu sein. Und umgekehrt dokumentiert der Kunde durch die Mitgliedschaft in der Bank ein klares Zugehörigkeitsgefühl und ein persönliches Interesse an deren positiver Entwicklung. Das Instrument der Mitgliedschaft ist ein Schlüsselinstrument für weiteres Wachstum unseres Geschäftsmodells.

Die Ergebniserwartungen für die kommenden Geschäftsjahre sind angesichts des Zinsniveaus und der Zurückhaltung der Kunden im Wertpapiergeschäft wenig erfreulich. (Wie) können Verbände und Verbundunternehmen den Ortsbanken an dieser Stelle helfen?

Wir betreiben weiterhin eine offensive Marktbearbeitung - wie schon in den Vorjahren. Auch im Jahr 2012 haben wir den Zins- und Provisionsüberschuss in absoluten Zahlen leicht steigern können. Zentralbanken und Verbände bieten Unterstützungsleistungen und -lösungen zum Beispiel zur Optimierung der Eigenanlagen an, um die Auswirkungen der Niedrigzinsphase abzumildern. Auch der BVR-Fachrat Steuerung engagiert sich an dieser Stelle stark. Flankierend müssen wir analysieren, wo unsere Kostensenkungspotenziale liegen und diese dann auch heben. Das betrifft nicht nur Effizienzsteigerungen in der Marktfolge, zum Beispiel über Service-Center oder Prozessstandardisierungen. Auch auf der Marktseite haben wir noch Kostensenkungspotenziale.

Auf welche konkreten Projekte bauen Sie dabei?

Wir arbeiten beispielsweise mit enormem Aufwand an der Weiterentwicklung der Internetstrategie unserer Gruppe. Für alle Kunden mit hoher Affinität zum Internet wollen wir leistungsfähige Angebote bereitstellen - nicht allein im Sinne von Produktinformationen, sondern auch mit dem Ziel des Vertragsabschlusses über diesen Vertriebskanal. Was Allfinanz in der Filiale bedeutet, muss perspektivisch auf den Webseiten der Ortsbanken abschlussfähig angeboten werden. Wir tragen damit dem geänderten Kundenverhalten und demografischen Entwicklungen Rechnung und stärken die Zukunftsfähigkeit der Gruppe. Eng damit zusammen hängt die weitere Verfeinerung des Filialcontrollings. Dabei gilt klar und ohne Abstriche das Bekenntnis zur Region, wir wollen uns nicht aus der Fläche zurückziehen.

Läuft dieses angesprochene Projekt unter dem Stichwort Kundenfokus 2015?

Kundenfokus 2015 beinhaltet zwei große Projekte. Das eine ist das eben angesprochene Projekt Web-Erfolg, also die Weiterentwicklung der Internetstrategie unserer Gruppe. Und das zweite ist das Projekt Beratungsqualität, die Umgestaltung der Beratungsanwendungen von GAD und Fiducia. Hierbei geht es um die vollständige Abdeckung der beratungsrelevanten, regulatorischen Anforderungen in einem IT-geführten Prozess, der alle Vorgaben des Anleger- und Verbraucherschutzes sauber abdeckt und die Mitarbeiter in ihrer Kundenberatung unterstützt. Das Projekt befindet sich in den Jahren 2013 und 2014 im Rollout.

Täuscht der Eindruck, dass die Sparkassen ihre Web-2.0-Kampagne viel offensiver nach außen tragen als die Genossenschaftsbanken das machen?

Web 2.0 ist ein Modebegriff, den wir genau im Auge haben. Aber viel wichtiger für uns ist die direkte auf tatsächliche Abschlüsse zielende Frage: Was leisten wir im Internet? Eine wirklich aktive Nutzung dieses Vertriebsweges hat in unseren Instituten noch viel Potenzial. Wir wollen keine Mega-Direktbank oder VR-Broker für unsere Organisation bauen. Im Gegenteil wollen wir zeigen, dass wir mit unserem dezentralen Geschäftsmodell und vor allen Dingen dem breiten Allfinanzansatz mehr als nur Bankprodukte ins Internet bringen können. Die eigentlich herausfordernde Aufgabe ist es, ein R+V-Angebot, ein Union-Investment-Angebot oder ein Angebot unserer Bausparkasse Schwäbisch Hall abschlussfähig mit der dazugehörigen Beratung auf die Webseiten der Ortsbanken zu bringen. Über die Positionierung der starken Marken unserer Verbundprodukte mit ihrem exzellenten Standing im Markt lassen sich darüber hinaus Neukunden für unsere Gruppe auch im Internet gewinnen.

Das klingt alles sehr nach einer Aufgabenverschiebung des BVR in Richtung operative Unterstützung für die Primärbanken ...

Erfolgreich umsetzen lassen sich solche Großprojekte nur, wenn die gesamte Gruppe sich diesen Themen stellt und bereit ist, sehr koordiniert und abgestimmt auf allen Ebenen zusammenzuarbeiten. Diesbezüglich sind wir in den vergangenen Jahren mit dem BVR als Strategieführer und -moderator in der gesamten Finanzgruppe einen riesigen Schritt weitergekommen.

Stichwort Bewertungsergebnisse: Dem Thema Risikomanagement kommt eine immer größere Bedeutung zu. Wie optimistisch dürfen die Genossenschaftsbanken sein, die derzeit erfreulichen Bewertungsergebnisse zu halten.

Dass wir im Geschäftsjahr 2012 die Reserven deutlich aufstocken konnten, ist neben den Erfolgen im Kundengeschäft maßgeblich den geringen Ausfallraten im Kreditgeschäft und den Zuschreibungen im Wertpapiergeschäft zu verdanken. Uns kann es aber immer nur so gut wie unseren Kunden gehen. Wenn die deutsche Wirtschaft in eine Konjunkturschwäche hineinrutschen sollte, werden auch wir das in unseren Büchern sehen. Deshalb tun wir sehr gut daran, genügend Zukunftsvorsorge zu betreiben. Unabhängig von den strengen Augen der BaFin diskutieren wir dies in unserer Gruppe sehr intensiv. Im Sinne der Prävention achtet die Sicherungseinrichtung darauf, dass kein Institut über die Stränge schlägt. Wir handeln nicht blauäugig: Der BVR, die Regionalverbände und aus eigenem Interesse natürlich auch die Ortsbanken haben die Risiken sehr gut auf dem Radarschirm.

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