Wie wichtig ist eine hohe Eigenkapitalquote für Bankgläubiger?

Gernot M. Becker, Gruppenleiter Grundsatzfragen, Bereich Finanzinstitutionen und ausländische Gebietskörperschaften, Landesbank Hessen-Thüringen, sowie Lehrbeauftragter, Frankfurt School of Finance and Management, und Alexander Voigt, Referent Grundsatzfragen, Landesbank Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise wird intensiv über die optimale Eigenkapitalquote diskutiert. Obwohl mit Basel III die Eigenkapitalanforderungen deutlich erhöht wurden und auch die Anforderungen von AQR und Stresstest der Europäischen Zentralbank deutlich über die früheren Anforderungen hinausgehen, gibt es Stimmen, die noch deutlich höhere Eigenkapitalquoten bei Kreditinstituten fordern. In die deutsche Diskussion sind die Forderungen von Admati/Hellwig in besonderem Maße eingegangen. Die Autoren prüfen diese Vorschläge kritisch und stellen ihnen Überlegungen aus Sicht ungesicherter Gläubiger entgegen. Ihre Botschaft: eine allgemeingültige, optimale Eigenkapitalquote kann es nicht geben. (Red.)

Auch wenn die Diskussion um die optimale Eigenkapitalquote bei Banken nicht neu ist, hat sie in Deutschland mit der Veröffentlichung des Buchs "Des Bankers neue Kleider" von Anat Admati (Stanford University) und Martin Hellwig (Max-Planck-Institut) im vergangenen Jahr deutlich an Interesse gewonnen. Die Autoren fordern insbesondere eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 30 Prozent für alle Banken. Diese auch gegenüber Basel III deutlich hinausgehenden Anforderungen werden in verschiedenen Working Papers untermauert und von anderen Wissenschaftlern weiter vertieft. Im Folgenden sollen die vorgetragenen Argumente beleuchtet und ihnen soll ein pragmatischer Analyseansatz aus Sicht ungesicherter Bankgläubiger unter Berücksichtigung bereits umgesetzter beziehungsweise absehbarer bankaufsichtlicher Maßnahmen gegenübergestellt werden.

Zentrale Thesen

Zentrale Thesen von Admati/Hellwig für die Rechtfertigung der geforderten sehr hohen Eigenkapitalquoten von Banken sind insbesondere1):

- Eine höhere Eigenkapitalquote reduziert die Eigenkapitalkosten, da das Risiko sich auf mehr Eigenkapital verteilt, die Risikointensität pro eingesetzter Eigenkapitaleinheit und dadurch auch der Preis des Eigenkapitals abnimmt.

- Da mehr Eigenkapital als Haftungsbasis für Gläubiger bereitsteht, reduziert sich auch die Ausfallwahrscheinlichkeit der Banken und dadurch zusätzlich der Preis des Fremdkapitals.

- Aktuell seien die Eigen- und Fremdkapitalkosten von Banken zu niedrig, da diese in Abhängigkeit ihrer systemischen Bedeutung von impliziter Staatsstützung profitieren, was letztlich eine staatliche Subvention darstellt. Zur Kompensation dessen sei eine höhere Eigenkapitalquote gerechtfertigt.

Aus theoretischer Sicht sind diese Punkte losgelöst vom aufsichtsrechtlichen Umfeld zumindest teilweise valide. Dies gilt auch für andere hier nicht weiter ausgeführte Argumente zu negativen Anreizwirkungen. Letztere sind jedoch nicht neu und begründen die Existenz von Bankenaufsicht im Allgemeinen.2)

Die erste zitierte These ist in sich grundsätzlich nachvollziehbar. Fraglich ist aber, inwieweit der dargestellte Preiseffekt der Eigenkapital- und letztlich auch der Fremdkapitalkosten die Zusatzkosten einer höheren Menge Eigenkapitals (Mengeneffekt) überkompensiert. Dieser Frage gehen Admati/Hellwig nicht nach. Sie dürfte auch nicht allgemeingültig zu beantworten sein, da die Preiskomponente in besonderem Maße von der Risikopräferenz des Kapitalmarktes zum jeweiligen Zeitpunkt abhängt und über die Zeit erheblich schwankt. So war der Eigenkapitalkostensatz vor der Finanzkrise über alle Branchen hinweg vergleichsweise niedrig und stieg mit der Krise signifikant an, wobei zusätzlich das Branchenrisiko der Kreditinstitute seitdem erheblich schlechter bewertet wurde als das der anderen Branchen.

Auch sind undifferenzierte Forderungen nach sehr viel mehr Eigenkapital bei gleichzeitigen Dividenden- und Bonussperren unter Verweis auf das unter idealen Marktverhältnissen abgeleitete Modigliani/Miller-Theorem3) wenig zielführend. Damit wird den über die Zeit erheblich schwankenden realen Kapitalmarktverhältnissen, insbesondere der nicht immer gegebenen Eigenkapitalverfügbarkeit - gerade auch im Wettbewerb zu Aktien anderer Branchen - keine Rechnung getragen.4)

Unbestrittener Einfluss der impliziten Staatsstützung

Unbestritten ist, dass die implizite Staatsstützung die Eigen- und Fremdkapitalkosten von Kreditinstituten in Abhängigkeit von Größe, Vernetzung und Komplexität in unterschiedlichem Maße vermindert hat. Dem wurde allerdings mit Basel III, Capital Requirements Regulation, Capital Requirements Directive und Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), Bankenabgabe und Stützungsfonds bereits begegnet. So gelten ab 1. Januar 2016 zusätzliche Eigenkapitalzuschläge für global oder national systemrelevante Institute, Kapitalerhaltungspuffer, antizyklischer Kapitalpuffer und Kapitalpuffer für systemische Risiken über die einfachen Anforderungen von Basel III hinaus. Alle drei großen Ratingagenturen haben beziehungsweise sind dabei, ihre Bankenratings um die implizite Staatsstützung weitgehend zu bereinigen, da sie kaum noch bonitätsstützende Wirkungen sehen.5) Weitere risikosenkende Maßnahmen durch bankinterne Risikomanagementanforderungen nach MaRisk, Überwachung durch die Bankenaufsicht auf Basis eines per 1. Januar 2014 deutlich erweiterten Meldewesens (FINREP), Asset Quality Review, regelmäßige Stresstests der Bankenaufsicht kommen hinzu.6)

Insofern spricht einiges nach der Krise für eine höhere Eigenkapitalquote bei Banken. Diese wurde direkt und indirekt in einer bislang nie da gewesenen Flut von bankaufsichtlichen Regeln jedoch bereits umgesetzt. Insofern bleibt einzig und allein fraglich, wie hoch diese "optimale" Eigenkapitalquote unter Berücksichtigung des aktuellen und geplanten aufsichtsrechtlichen Umfeldes ist und ob sie bereits erreicht ist oder noch nicht.

"Optimale" Eigenkapitalquote?

Admati/Hellwig fordern unter Verweis auf Nichtbanken als Vergleichsmaßstab eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 30 Prozent, was gegenüber der von Basel III vorgesehenen Leverage Ratio von 3 Prozent in der Tat hervorsticht. Eine konsistente Herleitung bleiben die Autoren schuldig.7) Auch gibt es je nach Branche erhebliche Unterschiede in der Eigenkapitalquote von Nichtbanken. Man vergleiche nur Industrie- mit Handelsunternehmen oder gar mit Lebensversicherern.

Miles u. a. von der Bank of England leiten unter Berücksichtigung obengenannter theoretischer Überlegungen und empirischer Schätzungen modellhaft ebenfalls eine risikoungewichtete Quote von 30 Prozent ab. Dabei werden die Kosten des Eigenkapitals geschätzt und dem volkswirtschaftlichen Nutzen aus verhinderten Bankinsolvenzen und verringerten Gläubigerverlusten im Fall eintretender Insolvenzen gegenübergestellt.8) Unabhängig von der Validität des zugrunde liegenden Konzepts handelt es sich hierbei um eine Durchschnittsbetrachtung, die den unterschiedlichen Risikoprofilen und -managementansätzen beziehungsweise Umfeldbedingungen keine Rechnung trägt. Es dürfte unmittelbar einleuchtend sein, dass das Risikoprofil eines ausschließlich im Kredit- und Einlagengeschäft tätigen Instituts einer wirtschaftlich ausgewogenen Region ein anderes Risikoprofil hat als ein primär auf komplexe Investment-Banking-Aktivitäten ausgerichtetes Haus. Insofern kann es eine einheitliche optimale Eigenkapitalquote für die ganze Branche über Landesgrenzen hinweg9) nicht geben.

Aus diesem Grund hat die Bankenaufsicht ja seit der Einführung von Basel I in 1988 ein über die Jahrzehnte verfeinertes Risikomesssystem für einzelne Risikoarten (Kredit-, Markt- und operative Risiken) und -intensitäten (zum Beispiel Ratingstufen) entwickelt. Dieses war zwar in einzelnen Punkten unzureichend (Beispiel: Risikogewichte für Staaten in der EU oder die Beeinflussbarkeit interner Modelle). Diese Punkte wurden beziehungsweise werden aber von der Aufsicht angegangen10) beziehungsweise es ergeben sich primär politische Widerstände, weil es zum Beispiel für eine risikoadäquate Hochsetzung von Risikogewichten für Staaten auf EU-Ebene, nicht so sehr auf Ebene von Basel, keine politische Mehrheit gibt.

Erfolge der Risikomessung verkannt

Aus identifizierten singulären Defiziten jedoch die Schlussfolgerung zu ziehen, eventuell auch unter Verweis auf entsprechende empirische Studien11), risikoungewichtete Eigenkapitalquoten seien den risikogewichteten Eigenkapitalquoten generell überlegen, verkennt die positiven Errungenschaften der Risikomessung der letzten zweieinhalb Jahrzehnte. Auch ist - nicht nur aus Sicht von Aufsicht und Gläubigern - bekannt, dass nur durch Ausweis von mehreren (Kapital-)kenngrößen nach unterschiedlichen Konzepten den bilanzpolitisch letztlich immer gegebenen Arbitragemöglichkeiten hinreichend begegnet werden kann (Goodhart's Law).12)

Insofern ist die Frage des theoretisch optimalen Eigenkapitals in der Realität nicht ohne Berücksichtigung des Risikogehalts und des herrschenden aufsichtsrechtlichen Umfelds, aber auch anderer risikomindernder Einflussfaktoren möglich. Da keine Bank einer anderen vollständig gleicht, kann diese Frage nicht einheitlich für alle Banken, und schon gar nicht auf Basis einer vergröberten pauschalen Messmethodik wie der risikoungewichteten Eigenkapitalquote beurteilt werden.

Aus diesem Grund sollen im Folgenden zentrale Faktoren der Stand-Alone-Bonität von Banken aufgezeigt werden, die - auch aus Gründen der Komplexitätsreduktion - primär aus Sicht der für Banken besonders relevanten Anspruchsgruppe der ungesicherten Gläubiger die Höhe des notwendigen Eigenkapitals bestimmen. Insgesamt erscheint eine pragmatische Herangehensweise notwendig, auch wenn sie nur ein erster Schritt sein kann. Eine konkrete Festlegung ist aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren und der Vielschichtigkeit der Ausprägungen in der Realität ohne verzerrende Pauschalannahmen unmöglich. Auch unterliegt sie im Zeitablauf Veränderungen aufgrund veränderter Risikowahrnehmung im Kapitalmarkt.

Ökonomische Einflussfaktoren

Neben den schon erwähnten regulatorischen Faktoren sind insbesondere die folgenden ökonomischen Einflussfaktoren zu berücksichtigen:

Segment/Geschäftsmodell/Risikoprofil: Um die Eigenkapitalausstattung einer Bank bewerten zu können, sollten trotz Vereinheitlichung durch Basel III insbesondere auch das jeweilige Segment (zum Beispiel Großbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Spezialbanken) sowie das Geschäftsmodell (zum Beispiel Universalbank, Retailbank, Investmentbank, Einlageninstitut, geografische Märkte) einhergehend mit dem entsprechenden Risikoprofil der Bank berücksichtigt werden. Hier haben insoweit bereits die Regeln des Baseler Ausschusses einen konzeptionellen Fehler, da kaum eine Abstufung der Eigenkapitalanforderungen nach Segment, Geschäftsmodell und Risikoprofil - im Sinne von strategischen Geschäftsrisiken - gemacht wird, sondern alle Banken vereinheitlicht werden (Ausnahme: Unterscheidung zwischen Handels- und Bankbuch). Zugegebener maßen würden derartige Detailregelungen das ohnehin schon komplexe Regelwerk weiter verkomplizieren, neue Abgrenzungsprobleme aufwerfen und dennoch kaum die Vergleichbarkeit von Banken über Landesgrenzen hinweg erhöhen. Nichtsdestotrotz hat die Finanzkrise gezeigt, dass gerade Banken, die das weitgehend risikoärmere Einlagen- und Retail geschäft betreiben (wie zum Beispiel Sparkassen und Genossenschaftsbanken), relativ unbeschadet durch die Krise gekommen sind. Demgegenüber wurden große Universal- und Investmentbanken teilweise stark von der Krise getroffen und mussten staatlich gestützt oder sogar abgewickelt werden. Gerade diese Banken wiesen jedoch vor der Krise oft deutlich höhere Eigenkapitalquoten auf als die Banken, die mehr oder weniger unbeschadet durch die Krise gekommen sind.

Da die genannten Faktoren jedoch auch nach Basel III nicht oder nur implizit, zum Beispiel über Ratings, erfasst werden, müssen unbesicherte Gläubiger ihnen separat Rechnung tragen. Eine Eigenkapitalquote für nicht systemrelevante Banken nach Basel III in Höhe der vorgeschriebenen 13 Prozent in 2019 könnte demnach je nach Geschäftsmodell und Risikoprofil der Bank ein mehr als ausreichender Puffer sein, um kommende Krisen abzufedern oder vielleicht noch immer zu knapp sein.

Liquidität: Von daher müssen Bankinvestoren Geschäftsmodell und Risikoprofil deutlich genauer analysieren, um etwaige Verluste durch Ausfall oder aus einem zukünftig möglichen Bail-in zu vermeiden. Eine in diesem Zusammenhang mögliche Verknappung von Fremdkapital kann zur Reduzierung besonders risikobehafteter Geschäfte bis hin zur Aufgabe ganzer Geschäftssegmente bei betroffenen Banken führen. So hat die Finanzkrise die Bedeutung von Marktliquidität und Refinanzierungsstrategie auf tragische Weise deutlich gemacht. Liquiditätsvorgaben wurden mit Basel III erstmals in das internationale aufsichtsrechtliche Regelwerk eingeführt, gerade auch weil man es nicht mehr als ausreichend ansah, auf Basis der Annahme idealer Marktverhältnisse nur die Eigenkapitalausstattung zu regeln.

Haftungskaskade nach der BRRD

Mit Verabschiedung der BRRD im April 2014, die ab Januar 2016 unter anderem europaweit eine Verlustbeteiligung von Bankgläubigern (Bail-in) vorsieht, bekommt die Rangposition der unbesicherten Gläubiger einen ganz neuen Stellenwert. Damit werden die zuständigen Aufsichtsbehörden ermächtigt, Ansprüche von Anteilseignern und Gläubigern einer in Schieflage geratenen Bank unter bestimmten Bedingungen abzuschreiben oder in Eigenkapital zu wandeln, um die erforderliche Eigenkapitalausstattung der Bank wieder herzustellen. Zusätzlich kann auch auf externe Finanzierungsquellen, zum Beispiel den Abwicklungsfonds, zurück gegriffen werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine vorherige Verlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern in Höhe von mindestens 8 Prozent der risikoungewichteten Bilanzsumme beziehungsweise 20 Prozent der Risikoaktiva. Dadurch sollen die Risiken einer Bankenrettung möglichst von den Anteilseignern und Gläubigern der Bank und nicht, wie in der Finanzkrise oft geschehen, vom Steuerzahler getragen werden.

Nach der BRRD sollen neben den Eigenkapitalgebern und Nachranggläubigern sämtliche sonstigen Verbindlichkeiten und nicht gesicherte Einlagen gemäß einer definierten Haftungsreihenfolge im Bail-in herangezogen werden. Ausgenommen sind gesicherte Kundeneinlagen bis 100 000 Euro und besicherte Verbindlichkeiten. Kundeneinlagen über 100 000 Euro haften erst nach den übrigen Gläubigern. Die Aufsicht wird für jede einzelne Bank ein Minimumvolumen von Bail-in-fähigen Verbindlichkeiten festlegen.13) Je nach Konstellation kann das Risiko unbesicherter Gläubiger sogar abnehmen. Das potenzielle Verlustrisiko unbesicherter Gläubiger ist dabei prozentual umso geringer, je höher der Anteil der verlusttragenden Verbindlichkeiten und des vorrangig haftenden Eigen- und Nachrangkapitals ist. Letzterem wird auch durch die quantitativ und qualitativ gestiegenen Eigenkapitalanforderungen nach Basel III Rechnung getragen.

Für unbesicherte Bankgläubiger weiterhin relevant ist der Anteil der als Sicherheit für besicherte Verbindlichkeiten reservierten Teile der Bilanzaktiva (sogenannte Asset Encumbrance), da diese im Abwicklungsfall unbesicherten Gläubigern vorgehen und damit die vorhandene Haftbasis für diese reduzieren. Je größer der Anteil der Aktiva in der Bankbilanz, die für besicherte Gläubiger reserviert sind, desto höher ist unter sonst gleichen Bedingungen das Verlustrisiko für unbesicherte Gläubiger im Falle einer Abwicklung oder eines Bail-in. Die Eigenkapitalquote ist also auch hier relevant, jedoch nicht allein ausschlaggebend.

Nachhaltige Ertragskraft

Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls die nachhaltige Ertragskraft der Banken als eigenkapitalkompensierender Faktor, also Höhe und Stabilität der Erträge einer Bank im Mehrjahresvergleich. Während Gewinne thesauriert werden können und damit das Eigenkapital erhöhen, gehen Verluste zulasten des Eigenkapitals. Hier kann es insbesondere bei Banken mit volatilerer Ertragsstruktur in Krisenzeiten (zum Beispiel Investmentbanken) zu einer deutlichen Verminderung des Eigenkapitals durch Verluste kommen. Im ungünstigsten Fall erleiden Gläubiger bei Ausfall der Bank oder Bail-in Verluste, wenn das vorhandene harte Kernkapital vollständig aufgezehrt wird und auch eine Herabschreibung/Wandlung des zusätzlichen Kern- und Ergänzungskapitals nicht ausreicht, um die angefallenen Verluste auszugleichen. Aus Gläubigersicht werden daher Banken, die unter sonst gleichen Bedingungen eine stabile Ertragslage aufweisen und in der Lage sind, durch Gewinnthesaurierungen ihr Eigenkapital zu erhöhen, bevorzugt.

Darüber hinaus werden auch die regelmäßig durchgeführten Stresstests Aufschluss über die optimale Kapitalausstattung von Banken geben beziehungsweise Schwächen des Rahmenwerks zur Eigenkapitalunterlegung aufdecken. Wird dabei in Bezug auf die einzelnen Szenarien Eigenkapitalbedarf aufgedeckt, müssen die jeweiligen Banken innerhalb einer bestimmten Frist ihr Eigenkapital erhöhen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Eigenkapitalanforderung (risikogewichtet oder risikoungewichtet) generell zu niedrig ist, wird früher oder später eine Anpassung der Eigenkapitalregeln erfolgen, um etwaigen zukünftigen Krisen vorzubeugen und die Stabilität des Bankensystems zu erhalten beziehungsweise zu erhöhen. Dies lässt sich aber bei ständig änderndem Marktumfeld sicherlich nicht im Vorhinein abschätzen und festlegen.

Veränderte Risikowahrnehmung des Marktes

Die Forderung nach mehr Eigenkapital von Banken ist gegen die bereits nach der Finanzkrise umgesetzten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen abzuwägen. Die Frage kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden, sondern erfordert die Berücksichtigung anderer Faktoren, wie Segment, Geschäftsmodell, Risikoprofil, Liquidität, Haftungsreihenfolge nach der BRRD, Ertragskraft und Risikosensitivität der Bank.

Allerdings ist auch bei Berücksichtigung des Zusammenwirkens aller Faktoren zu bedenken, dass die Risikowahrnehmung des Marktes sich über die Zeit ändert, wobei die Geldpolitik über den Grad ihrer Stringenz auch einen erheblichen Einfluss hat. Die Finanzkrise war auch eine Folge zu lockerer Geldpolitik in den USA. Eine optimale Eigenkapitalquote kann es insoweit also nicht geben, schon gar nicht in einer über die Zeit unveränderlichen Größe.

Literatur

Admati, A., u. a., Fallacies, Irrelevant Facts, and Myths in the Discussion of Capital Regulation: Why Bank Equity is Not Socially Expensive, Rock Center for Corporate Governance, Working Paper Series No. 161, Oct. 22, 2013, abrufbar unter: http://papers. ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2349739

Admati, A./Hellwig, M., Des Bankers Neue Kleider, Was bei Banken wirklich schief läuft und was sich ändern muss, München 2013.

Becker, G./Voigt, A., Nationale Unterschiede im Aufsichtsrecht: Herausforderungen für die Bankbonitätsanalyse, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 15/2012, S. 754 bis 757.

Becker, G. /Voigt, A., Kapitalquoten in der internationalen Bonitätsprüfung von Kreditinstituten. In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 22/2013, S. 1143 bis 1146.

Birkmeyer, J., Leverage Ratio (Teil 4): Wie rechtfertigen Admati/Hellwig ihren 30-Prozent-Vorschlag. DZ Bank Research, Flash 23. Juni 2014.

Chan-Lau, J. A., u. a., Equity Returns in the banking sector in the wake of the great recession and the European sovereign debt crisis, Discussion Paper Deutsche Bundesbank, No. 32/2013, abrufbar unter: http://www.bundesbank.de/Redaktion/EN/Downloads/Publications/Discussion_Paper_1/2013/ 2013_09_27_dkp_32.pdf?__blob=publicationFile Deutsche Bundesbank (2014), Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, in: Monatsbericht Juni 2014, S. 31 bis 57.

Glaumert, U., Plädoyer für eine modellbasierte Kapitalunterlegung, in: Die Bank, 05/2013, S. 35 bis 39. Marinc, M., u. a., How much bank capital is enough: Reconciling the views of academics and regulators. In: Bancni vestnik, Vol 11, 2012, S. 83-90, abrufbar unter: http://www.ef.uni-lj.si/docs/osebnestrani/MarincMrakRant24_1_13_BankCapitalRegulat_1.pdf Miles, D., u. a., Optimal bank capital, Bank of England, External MPC Unit, Discussion Papier No. 31: revised and expanded version, April 2011, abrufbar unter: http://www.econstor.eu/bitstream/10419/50643/ 1/656641770.pdf

o.V., Staatsgarantien für Banken sind Auslaufmodell, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juli 2014, S. 35.

Fußnoten

1) Vgl. Admati u.a. (2013) , S. 8 bis 43.

2) Vgl. Marinc u.a. (2012), S. 2 bis 4.

3) Vgl. Admati u.a. (2013) , S. 4.

4) Vgl. Marinc u.a. (2012), S. 10 bis 11.

5) Vgl. o.V. (2014) S. 35.

6) Vgl. Marinc u.a. (2012), S. 16.

7) Vgl. Birkmeyer (2014) S. 4 bis 6.

8) Vgl. Miles u.a. (2011), S. 11 bis 39.

9) Die nationalen Unterschiede sind selbst in der EU auch nach Umsetzung von Basel III noch bedeutsam. Vgl. unter anderem Becker/Voigt (2012), S. 754 bis 757.

10) Vgl. zum Beispiel den Fundamental Trading Book Review auf Ebene des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht und die Säule II des Baseler Rahmenwerks beziehungsweise nach CRR im Allgemeinen.

11) Vgl. zum Beispiel Chan-Lau u.a. (2013), S. 12.

12) Vgl. Becker/Voigt (2013), S. 1146 und Glaumert (2013), S. 35 bis 39.

13) Vgl. Deutsche Bundesbank (2014) S. 31 bis 57.

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