Immobilien

Bitte keine Panik-Mache

Rund eine halbe Milliarde Euro - so viel hat ein amerikanischer Analyst der US-Investmentbank Merrill Lynch mit seiner Einschätzung zum deutschen Wohnimmobilienmarkt an einem einzigen Tag an Börsenwert allein in Deutschland vernichtet. Betroffen waren die meisten der börsennotierten Immobilien-Aktiengesellschaften. Vonovia, der Branchenprimus beispielsweise, verlor im Dax rund 1,3 Prozent und büßte damit mehr als 200 Millionen Euro Marktkapitalisierung ein. Der Analyst hatte seine Einschätzung erläutert, das Wachstum der Häuserpreise werde nicht auf dem Niveau wie bisher von fünf bis sechs Prozent pro Jahr weitergehen. Die heftige Marktreaktion zeigt zum einen die unbegrenzte Macht der (hoffentlich) unabhängigen Analysten. In einer Zeit, in der alles handelbar und bewertbar sein muss, in der innerhalb von Millisekunden Milliarden bewegt, gewonnen und verloren werden, kann der normale Mensch den Überblick nicht mehr behalten. Er sucht daher Rat bei vermeintlichen Spezialisten und glaubt deren Einschätzungen.

Sie zeigt aber auch ein Grundproblem der Immobilienaktiengesellschaften, vor allem der großen Spieler. Deren Wertsteigerungspotenzial, ihre Wachstumsstory für die Investoren ist beschränkt. Aus dem Bestand heraus lassen sich keine Renditeversprechen von fünf Prozent und mehr halten. Egal wie viel modernisiert wird, egal wie viele Synergien auf der Kostenseite gehoben werden können, dank besserer Technik beispielsweise, egal wie viel die Mieten trotz der verschiedensten gesetzlichen Beschränkungen doch noch erhöht werden können. Ob die Mietpreisbremse zu einfach zu umgehen ist, wird aktuell wieder intensiv diskutiert. Und selbst die Strategie "zufriedener Mieter", die möglichst viele weitere Dienstleistungen von den Wohnungskonzernen in Anspruch nehmen, wie Ablesedienste oder ähnliches, hat schnell ihre Grenzen. Um die Aktionäre bei Laune zu halten und vor allem auch neue Eigenkapitalinvestoren zu begeistern, muss also eine bessere Geschichte her.

Das heißt vereinfacht: Ohne Übernahmen geht es nicht! Da nimmt man mal hier und da ein größeres Portfolio, aber noch lieber natürlich gleich ein ganzes Unternehmen mit einem ganzen Bestand. Der Weg der ehemaligen Deutsche Annington zeigt beispielhaft, wie erfolgreich man damit sein kann: Ausgehend von einem Unternehmen für den sozialen Wohnungsbau für Arbeiter im 19. Jahrhundert führte aggressives externes Wachstum bis in den Dax, als erste Immobilienaktiengesellschaft überhaupt: Übernahme von elf Eisenbahnerwohnungsbaugesellschaften des Bundes mit 65 000 Wohnungen 2001, Übernahme der Heimbau Kiel mit 10000 Wohnungen 2003, Kauf von 4 500 Wohnungen der RWE im Jahr 2004, Übernahme der Viterra AG mit 152 000 Wohnungen 2005, Kauf von rund 11500 von der DeWAG verwalteten Wohneinheiten, Integration von rund 30 000 Wohneinheiten der Vitus-Gruppe 2014 und schließlich 2015 der Zusammenschluss mit der Gagfah und die Übernahme der Südewo.

Als Vonovia-Chef Rolf Buch dann im Frühjahr nach der gescheiterten Übernahme der LEG, die die Vonovia in eine neue Sphäre der Wohnungsunternehmen katapultiert hätte, verkündete, man werde sich zunächst auf internes Wachstum konzentrieren, haben viele das zwar gehört, aber nur wenige haben es geglaubt. Zu Recht, wie sich nur wenige Monate später herausstellte, als Buch stolz verkündete, man sei auf besten Wege die Conwert zu übernehmen. Daran hatten sich zuvor schon die Deutsche Wohnen und die Adler Real Estate vergeblich versucht, beide Unternehmen scheiterten am Votum der Aktionäre der Österreicher. Immobilienaktiengesellschaften sind zum Wachstum verdammt. Gut, solange es im nach wie vor ausgesprochen kleinteiligen deutschen Wohnungsbausegment noch genug zu konsolidieren gibt.

Aber noch einmal zurück zu der Studie von Merrill Lynch: Von Januar bis Juli wurde der Bau von mehr als 213 000 neuen Wohnungen genehmigt, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das sind 26 Prozent mehr als im Vorjahr - und es ist der höchste Wert seit 16 Jahren. Den prozentual stärksten Zuwachs verzeichnete die Statistik bei Baugenehmigungen für Wohnungen in Wohnheimen - hier gab es ein Plus von 142 Prozent auf 13 800 Wohnungen. In die Kategorie der Wohnheime fallen etwa Flüchtlingsunterkünfte. Aber auch bei Neubauwohnungen in Mehrfamilienhäusern gab es mit einem Anstieg der Baugenehmigungen um 26,7 Prozent kräftige Zuwächse, bei Wohnungen in Zweifamilienhäusern stieg die Zahl der Genehmigungen um 15,1 Prozent, bei Einfamilienhäusern um 7,6 Prozent. Klar: Genehmigt ist noch nicht gebaut. Und ob der Immobilienmarkt das Rekordtransaktionsvolumen aus dem vergangenen Jahr von 214 Milliarden Euro (16 Prozent), davon mehr als 150 Millionen Euro durch den Verkauf von Eigentumswohnungen, Eigenheimen, Mehrfamilienhäusern und Bauland, dauerhaft so beibehalten kann, darf bezweifelt werden. Aber es gibt sicherlich Märkte mit deutlich schlechteren Perspektiven als die deutschen Wohnungs- und Immobilienmärkte.

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